IT- und Medienrecht

Verspätete Ausübung eines Vorkaufsrechts

Aktenzeichen  54 O 142/20

Datum:
3.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfIR – 2020, 392
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 433 Abs. 1, § 464 Abs. 1, § 469 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Im Falle eines Scheiterns des Zugangs einer Erklärung unter Verletzung einer Obliegenheitsverletzung des Empfängers muss sich dieser nach § 242 BGB so behandeln lassen, wie wenn die Erklärung rechtzeitig zugegangen wäre. Allerdings genügt es nicht, dass im Bereich des Empfängers objektiv ein Zugangshindernis besteht, sondern es müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, etwa eine bewusste Verhinderung oder Verzögerung des Zugangs. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 40.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Auflassung und Eigentumsumschreibung besteht nicht.
I.
Ein Anspruch aus dem Vorkaufsrecht besteht nicht, da die Klägerin das Vorkaufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt hat (§ 433 Abs. 1, 464 Abs. 1, 469 Abs. 2 S. 1 BGB).
1. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass an dem streitgegenständlichen Grundstück ein Vorkaufsrecht (§ 463 BGB) bestand, welches die Klägerin als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes erlangt hat.
2. Ebenso unstreitig ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zwischen der Beklagten und den Eheleuten T. vom 22.05.2019. Gleichfalls unstreitig blieb die Behauptung der Klägerin, dass sie vom Notariat mit Schreiben vom 29.05.2019 mit Eingang bei ihr am 13.06.2019 in Kenntnis gesetzt wurde.
3. Allerdings hat die Klägerin nicht innerhalb der Ausübungsfrist des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB ihr Vorkaufsrecht durch Erklärung gegenüber der Beklagten ausgeübt (§ 464 Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Frist zur Ausübung endete aufgrund des Zugangs des Notariatsschreibens am 13.06.2019 bei der Klägerin am 13.08.2019 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Die Ausübungserklärung ging der Beklagten per Einschreiben erst am 16.08.2019 zu und damit außerhalb der Ausübungsfrist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte den fristgerechten Zugang der Ausübungserklärung nicht verhindert. Die Klägerin führt richtig aus, dass im Falle eines Scheiterns des Zugangs unter Verletzung einer Obliegenheitsverletzung des Empfängers sich dieser nach § 242 BGB so behandeln lassen muss, wie wenn die Erklärung rechtzeitig zugegangen wäre (Palandt, BGB, 79. A., § 130, Rn. 18). Allerdings genügt es nicht, dass im Bereich der Beklagten objektiv ein Zugangshindernis besteht, sondern es müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, etwa eine bewusste Verhinderung oder Verzögerung des Zugangs. Dies ist hier bereits deswegen nicht der Fall, da die Beklagte ausweislich der Ummeldebestätigung in Anlage B 3, die inhaltlich von der Klägerin nicht bestritten wurde, zum 01.07.2019 nach D. umgezogen ist. Sie wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits also gar nicht mehr an dem Nachbargrundstück des streitgegenständlichen Grundstücks. Der zugeklebte Briefkasten war von daher gesehen sogar richtig, um einen versehentlichen Zugang zu verhindern, der in Wahrheit nicht wirksam gewesen wäre.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte auch nicht verpflichtet, ihr diesen Umzug mitzuteilen. Davon abgesehen, dass die Beklagte unstreitig der Klägerin Anfang Mai in einem persönlichen Gespräch den Auszug aus der Wohnanschrift – Feld 8 mitgeteilt hat, bestand keine weitergehende Veranlassung für die Beklagte, die Klägerin über ihren Wegzug zu informieren, nachdem sie sich zeitnah zum Umzug am 01.07.2019 bei den Meldebehörden umgemeldet hatte. Wer eine Frist bis zum Äußersten ausreizt, muss gegebenenfalls auftretende Schwierigkeiten zum Beispiel durch einen Umzug des Erklärungsempfängers, hinnehmen bzw. auf eigene Verantwortung beheben. Es wäre der Klägerin entgegen ihrer eigenen Auffassung durchaus zumutbar gewesen, bei den Meldebehörden durch persönliche Vorsprache und sofortige Bezahlung der Gebühren eine entsprechende Melderegisterauskunft noch am 12.08. zu erhalten. Wie die Klägerin darauf kommt, eine solche Auskunft sei ihr am selben Tag nicht möglich gewesen, erschließt sich dem Gericht nicht, zumal die Klägerin nicht mitteilt, dass die Gemeinde F. am 12.08., einem Montag und somit einem Werktag, nicht geöffnet gehabt hätte.
Darüber hinaus war die Klägerin nicht nur durch das persönliche Gespräch der Parteien Anfang Mai die mangelnde Aktualität der Anschrift – Feld 8 bekannt, sondern ergaben sich auch durch die notarielle Urkunde vom 22.05.2019 entsprechende Hinweise. Dort führt der Notar nicht eine Wohnanschrift an, sondern eine Meldeanschrift und führt gesondert eine Postanschrift mit dem in D. bestehenden Postfach – auf. Die Eheleute T. hingegen werden mit ihrer Wohnanschrift aufgeführt. Dies hätte der Klägerin Hinweis genug sein können, dass die Beklagte unter der Anschrift – Feld 8 nicht erreichbar ist. Eine Meldeanschrift muss nicht mit einer Wohnanschrift identisch sein, zumindest nicht mit einem empfangsbereiten Briefkasten. Auf so etwas hat jemand, der über eine Notarsurkunde von einem bestehenden Postfach informiert ist, keinen Anspruch.
Sonstige Gründe, warum die Beklagte die Klägerin über ihren Umzug oder das lediglich bestehende Postfach hätte informieren müssen, sind nicht ersichtlich.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert wurde auf 40.000,– EUR, entsprechend dem im Notarvertrag vom 22.05.2019 festgelegten Kaufpreis von 40.000,– EUR festgesetzt.


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