IT- und Medienrecht

Verstoß gegen die Grundpreisangabe bei kinesiologischen Tapes und Flossingtapes

Aktenzeichen  1 HK O 5839/18

Datum:
26.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 676
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2
PAngV § 2 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Es besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Unternehmen aus dem Bereich des Heilmittel- und Gesundheitswesens und einem Unternehmen aus der Fitnessbranche, soweit letzteres kinesiologische Tapes und Flossingtapes zur Linderung von Schmerzen vertreibt.  (Rn. 20 – 21) (red. LS Dirk Büch)
2 Sowohl hinsichtlich der kinesiologischen Tapes als auch hinsichtlich der Flossingtapes ist der Anbieter verpflichtet, einen Grundpreis nach Länge, d.h. in Metern, anzugeben. (Rn. 27 – 30) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 27.4.2018 wird in Ziffer I 3 bestätigt.
2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 27.04.2018 war in Ziffer 1.3 zu bestätigen, im Übrigen wurde sie nicht durch Widerspruch angegriffen. Sowohl für die angebotenen kinesiologischen Tapes als auch für die Flossingtapes hätte die Antragsgegnerin einen Grundpreis nach Metern gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 3 angeben müssen. Die fehlende Angabe stellt einen Verstoß gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 3 Preisangabenverordnung, § 3 a UWG dar.
1. Aktivlegitimation
Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Verband antragsbefugt. Ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer bestehen. Wird die Werbung für ein konkretes Produkt beanstandet, ist grundsätzlich nicht auf das Gesamtsortiment abzustellen, sondern auf den Branchenbereich, dem die beanstandete Werbemaßnahme zuzurechnen ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage, § 8 Rdnr. 3.35 am Ende). Nicht erforderlich ist es, dass die Mitgliedsunternehmen und das werbende Unternehmen in derselben oder verwandten Branche tätig sind. Vielmehr kann der erforderliche Bezug auch durch die konkrete Werbemaßnahme hergestellt werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rdnr. 3.38 a).
Dem Antragssteller gehört eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Der Antragsteller hat durch die Vorlage seiner Mitgliederliste und die eidesstattliche Versicherung seiner Geschäftsführerin (Anlagen A 1 und A 2) und durch die explizite Aufzählung der dort aufgeführten Betriebe aus dem Bereich des Heilmittel- und Gesundheitswesens ausreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihm eine repräsentative Anzahl von Mitgliedern angehört, die im Wettbewerb zur Antragsgegnerin stehen. Die Antragsgegnerin mag zwar grundsätzlich im Bereich des Fitnesstrainings und des Coachings bzw. der Schulungen hierzu tätig sein. Sie ist aber nach ihrem eigenen Vortrag auch im Vertrieb von bestimmten Produkten tätig, die nach der eigenen Werbung wie für die streitgegenständlichen Tapes nicht nur die Fitness begünstigen, sondern auch „Schmerzen lindern“ und der „Reduzierung von Schwellungen“ dienen sollen. Dies sind klare Aussagen zu gesundheitlichen Aspekten. Sie versprechen Linderung bei körperlichen Beschwerden und stellen sich daher als Ersatz z.B. von Schmerzmitteln oder abschwellenden Salben dar.
2. Bestimmter Klageantrag
Der Verfügungsantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 ZPO. Nach dem Verfügungsantrag des Antragstellers sollte sich der Antrag zu Ziffer 3. auf beide Arten von Tapes beziehen, nämlich auf kinesiologische Tapes und Flossingtapes, da in diesem Antrag auf die konkrete Verletzungsform in der „Anlage A 3“ Bezug genommen worden ist. In dieser Anlage A 3 werden ausführlich beide Arten von Tapes beworben. Ob der Antragsteller einen Verfügungsanspruch für beide Arten von Tapes hat, ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Bestimmtheit des Klageantrags.
3. Kein Rechtsmissbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG
Die Antragsgegnerin hat nicht substantiiert zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vorgetragen. Zwar kann das fehlende Vorgehen gegen eigene Mitglieder und das ausschließliche Vorgehen gegen Unternehmen außerhalb des Verbands ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Wettbewerbsverbands sein. Die Antragsgegnerin hat hier aber lediglich vorgetragen, dass bei den Mitgliedern Tchibo, Lidl und Norma am 18.06.2018 ebenfalls ohne Grundpreisangabe für Tapes geworben wurde. Der Verfügungsantrag selbst stammte vom 23. April 2018, so dass schon rein zeitlich kein einseitiges Vorgehen gegen Nichtmitglieder festgestellt werden kann. Im Übrigen fehlt auch jeder Sachvortrag dazu, dass die Antragsgegnerin tatsächlich systematisch nicht gegen Mitglieder vorgeht. Der Sachvortrag erschöpft sich lediglich in der Vermutung „dies scheint den Antragsteller nicht zu kümmern“. Das ist kein ausreichend substantiierter Sachvortrag für rechtsmissbräuchliches Verhalten.
4. Verstoß gegen § 2 Preisangabenverordnung – fehlende Grundpreisangabe
Sowohl hinsichtlich der kinesiologischen Tapes als auch hinsichtlich der Flossingtapes wäre die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, einen Grundpreis nach Länge, d.h. in Metern, anzugeben. Die gemäß der Anlage A 3 am 06.04.2018 angebotenen Tapes werden in Fertigpackungen mit einer Länge von 5 Metern und einer Breite von 5 cm in verschiedenen Farben angeboten. Bei den Flossingbändern befindet sich keine Angabe zur Länge, sondern lediglich zur Breite in zwei Größen, 5 oder 10 cm Breite. Die kinesiologischen Tapes (Rock Tape) werden für 15,95 € inklusive Umsatzsteuer angeboten, die Floss Tapes (RockFloss) ab 14,95 € inklusive Umsatzsteuer.
Der Antragsteller hat durch Vorlage der Anlagen A 18, A 19, A 20 und A 16 hinsichtlich der Flossingtapes und durch die Vorlage der Anlage A 15 (am Ende) hinsichtlich kinesiologischer Tapes glaubhaft gemacht, dass sowohl kinesiologische Tapes als auch Flossingtapes nicht ausschließlich in einer vorgegebenen Länge von 5 m vertrieben werden, sondern auch in einer Länge von 2 m, 31,5 m, 213 cm etc..
Gerade bei kinesiologischen Tapes, die je nach Anwendungsgebiet vom Patienten oder Physiotherapeuten zurechtgeschnitten werden, dürfte es auch aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung sein, wie lang ein solches Band ist und für wieviele Anwendungen es zur Verfügung steht. Dies gilt gerade im Hinblick darauf, dass die kinesiologischen Tapes nach der Anwendung nicht nochmal wiederverwendet werden können.
Hinsichtlich der Flossingtapes hat die Antragsgegnerin im Termin behauptet, dass diese nicht zurechtgeschnitten würden und immer eine Länge von 5 m aufweisen würden. Letzterer Punkt ist bereits durch die vorgelegten Anlagen, auch durch die von der Antragsgegnerin vorgelegten Anlagen AG 8 und AG 10 widerlegt: Dort werden auch Flossingbänder mit einer Länge von 2 m angeboten. Die Behauptung der Antragsgegnerin, dass 5-Meter-Bänder nicht zurechtgeschnitten werden, sondern als solche angewandt werden, ist damit nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat diese Behauptung im Termin bestritten. Aus der Sicht der Mitglieder der erkennenden Handelskammer, die auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen als potentielle Patienten gehören, ist es schwer vorstellbar, dass z.B. ein 5-Meter-Band x-fach um ein Handgelenk oder einen Knöchel bei Verstauchungen gewickelt wird, um das Flossing durchzuführen. Es ist deshalb auch schwer vorstellbar und damit nicht glaubhaft gemacht, dass die Länge eines Flossingbandes den potenziellen Käufer nicht interessiert, sondern er lediglich ein Stück kaufen will, für das er einen bestimmten Preis zahlen muss. Anders als z.B. ein Gürtel, der über eine bestimmte Länge verfügt und der durch die Verstärkungen und Schließen am Anfang und Ende gerade nicht dazu bestimmt ist, erst hinsichtlich der Länge zurechtgeschnitten zu werden, ist es bei einem Flossingband auch vorstellbar, dass dieses erst, je nach Länge, für den jeweiligen Anwendungsbereich zurechtgeschnitten wird. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Anlagen AG 8 bis AG 10 ergibt sich gerade nicht, dass die Flossingbänder bereits für eine bestimmte Anwendung beworben werden, woraus sich dann zwangsläufig eine bestimmte Länge oder Dicke ergeben könnte. Die Antragsgegnerin hat zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers (AG 1) vorgelegt. Aus dieser ergibt sich aber nicht, dass die Floosingbänder nicht auch zugeschnitten werden oder dass diese so wie gekauft angewendet werden. Er versichert lediglich, dass diese „pro Stück“ verkauft würden und dass „es auf die Länge im Vergleich zu kinesiologischen Tapes noch weniger ankomme“. Dies ist eine nichtssagende Angabe, die zur Glaubhaftmachung nicht geeignet ist, da diese Tapes tatsächlich in verschiedenen Längen angeboten werden (s.o.).
5. Kosten: § 91 ZPO


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