IT- und Medienrecht

Verwaltungsgerichte, öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, Polizeiliche Sicherstellung, Veräußerung, Gegenwärtige Gefahr, Landeskriminalamt, Herausgabeanspruch, Verfügungsverbot, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sachverständigengutachten, Rechtsmittelbelehrung, Bescheiderlass, Herausgabepflicht, Streitwertfestsetzung, Streitwertkatalog, Weitere Straftat, Weitere Begutachtung, Kein Gutachten, Weiteres Gutachten, Vorliegende Gutachten

Aktenzeichen  RN 4 K 18.1385

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41299
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Soweit das Klagebegehren die Bilder Asservatennummern 1.25 und 1.26 betrifft, ist die Klage unzulässig. Seitens des Beklagten wurde mehrfach angeboten, diese Bilder, die vom Kläger selbst gemacht worden sind, herauszugeben. Ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheids besteht insoweit nicht mehr.
II. Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 29.12.2014 (vgl. 1) noch auf Herausgabe der sichergestellten Gemälde/Grafiken (vgl. 2).
1. Der Bescheid vom 29.12.2014 ist rechtmäßig. Die verfügte Sicherstellung der am 15.9.2010 beschlagnahmten Gemälde/Grafiken sowie die Anordnung der öffentlichen Verwahrung und das damit festgestellte Verfügungsverbot verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Klage hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil der streitgegenständliche Bescheid nicht inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG wäre. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts liegt vor, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz ggf. im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen ist, dass der Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen zugrunde gelegt werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG § 37 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Hieran besteht kein Zweifel. Der Umstand, dass in Nr. 1 des Bescheids „Sicherstellungsverzeichnisse vom 15.9.2010“ benannt sind, dem Bescheid jedoch eine Asservatenliste mit dem Datum „3.12.2013: 21:00 Uhr“ beiliegt, macht den Bescheid nicht unbestimmt. Nachdem die streitgegenständlichen Gemälde/Grafiken am 15.9.2010 an mehreren Stellen beschlagnahmt worden waren, gab es diesbezüglich mehrere Sicherstellungsverzeichnisse. In der angefügten Asservatenliste sind die beschlagnahmten Werke insgesamt ausgeführt. Das auf dieser Liste angeführte Datum bezieht sich auf den Zeitpunkt des Ausdrucks dieser Liste. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Liste eindeutig, welche Bilder von der streitgegenständlichen Anordnung betroffen sind.
1.2 Da es sich bei der angefochtenen Sicherstellung nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. BayVGH Urteil vom 23.2.2016 – 10 Bv 14.2353 Rn. 16 – juris) kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses an.
Gemäß Art. 25 Nr. 1 PAG a.F. kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in aller nächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Ausreichend zur Rechtfertigung der Sicherstellung ist die Anscheinsgefahr (vgl. Berner/Köhler/Käß PAG Art. 25 Rn. 3). Die Frage, ob eine Maßnahme vorliegender polizeilicher Gefahrenabwehr erforderlich ist, beurteilt sich nach dem Sach- und Erkenntnisstand zu dem Zeitpunkt, in dem sie getroffen werden muss (sog. Beurteilung „ex ante“). Die Polizei besitzt dabei einen Einschätzungsspielraum. Ihre Einschätzung ist nur dann zu beanstanden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausging, die sich bereits im Zeitraum der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Berner/Köhler/Käß PAG, 20. Auflage, Art. 3 Rn. 9).
In den Fällen, in denen der Schaden noch nicht eingetreten ist, bedarf es zur Feststellung einer gegenwärtigen Gefahr einer Wahrscheinlichkeitsprognose, der das Tatsachenwissen, das der Verwaltungsbehörde im Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war, zugrunde zu legen ist. Anhand dieses Tatsachenwissens muss aus Sicht eines objektiven, besonnenen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden können. Hieran wird deutlich, dass der Begriff „gegenwärtige Gefahr“ hohe Anforderungen an die zeitliche Nähe und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritt stellt. Es kommt insoweit aber auch auf die Schwere des drohenden Schadens und die Intensität des Eingriffs an. Das für die Wahrscheinlichkeitsprognose heranzuziehende Tatsachenwissen kann sich aus verschiedenartigen Erkenntnissen unterschiedlichen Gewichts zusammensetzen.
Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl. Urteil vom 2.7.2009 – 11 LC 4/08 Rn. 38 und 41 – juris) ist nicht zu beanstanden, dass die zuständige Behörde aufgrund einer Gesamtschau des vorliegenden Tatsachenmaterials zu der Einschätzung gelangt sei, die Sicherstellung sei zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, umso geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Bei gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Straftaten wie dem Rauschgifthandel sind deshalb die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht so hoch anzusetzen (vgl. OVG Lüneburg Urteil vom 7.3.2013 – 11 LB 438/10 Rn. 36 – juris). Auf diese Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Beschluss vom 17.9.2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 Rn. 21 – juris) Bezug genommen und ausgeführt, dass ein bloßer Gefahrenverdacht oder bloße Vermutungen nicht ausreichten. Allerdings gelte ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlich des Schadenseintritts. Bezüglich einer Sicherstellung unterhalb der Drogenkriminalität knüpft das OVG Lüneburg (vgl. Urteil vom 25.6.2015 – 11 LB 34/14 Rn. 35 – juris) an die von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen der Sicherstellung von Bargeld im Rahmen der Drogenkriminalität, bei denen oftmals die Gesamtlage zu einer Annahme einer gegenwärtigen Gefahr der Verwendung der sichergestellten Gelder für weitere Drogengeschäfte führe, an. Dieser Annahme läge eine Gesamtbetrachtung und -bewertung der im Einzelnen festgestellten Indiztatsachen zugrunde. Sie beruhe vor allem auf der kriminalistischen Erfahrung, dass offensichtlich aus illegalen Drogengeschäften stammendes Geld in der Regel zumindest teilweise in die Beschaffung von Betäubungsmittel investiert werde. Eine Erweiterung dieser Annahme auf Deliktarten außerhalb des Bereichs der Drogenkriminalität wie hier Hehlerei von Kraftfahrzeugen und Versicherungsbetrug sei mangels ausreichender kriminalistischer Erfahrungswerte nicht ohne weiteres möglich. Vielmehr bedürfe es in jedem Einzelfall der Feststellung einer konkreten gegenwärtigen Gefahr nach den oben genannten Kriterien. Es müsse also aufgrund der vorliegenden Indizien der sichere Schluss dahingehend gerechtfertigt sein, das aus illegalen Geschäften herrührende Geld werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder zu illegalen Zwecken verwandt und demzufolge gleichsam in die illegale „Kreislaufwirtschaft“ wieder eingespeist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bezogen auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 29.12.2014 zu prüfen, ob das Landeskriminalamt davon ausgehen durfte, dass es sich bei den sichergestellten Bildern um Fälschungen handelt (vgl. 1.2.1) und ob diesbezüglich die Prognose erlaubt war, dass die Sicherstellung der Bilder zur Verhinderung weiterer Straftaten geboten war (vgl. 1.2.2).
1.2.1 Dem Landeskriminalamt lagen zum Bescheidszeitpunkt das Gutachten von Prof. Hermann … vom 18.10.2013 vor, wonach 11 Bilder (Urheberschaft Karl Schmidt-Rottluff) ohne jeden Zweifel Fälschungen sind. Des Weiteren kommt Prof. Dr. … im kunsthistorischen Gutachten vom 12.10.2013 zu dem Ergebnis, dass die vorgelegten 10 Gemälde (Urheberschaft Max Pechstein) eindeutig Fälschungen sind. Das Doerner Institut München schließt für das Bild „Fischerhaus in Nidden“, datiert auf 1909, eine Echtheit für das Jahr 1909 oder später durch Max Pechstein mit Sicherheit aus. … und … von der Erich-Heckel-Stiftung bestätigen unter dem 2.10.2013 hinsichtlich der vorgelegten 9 Gemälde (Urheberschaft Erich Heckel), dass diese Bilder mit Sicherheit nicht aus der Hand von Erich Heckel stammen.
Bekannt war der Beklagtenseite zudem die Anfrage des Klägers an die Firma … GmbH & Co. KG in München bezüglich zweier Nolde Aquarelle vom 21.7.2014, die vom Kunsthaus … nicht als authentisch angesehen wurden. Prof. Dr. … von der Nolde-Stiftung in Seebüll bestätigte unter dem 23.10.2014 zudem, dass es sich um Fälschungen handele. Laut Schlussbericht des Bayerischen Landeskriminalamts vom 31.8.2011 im Ermittlungsverfahren Az. 133 JS 90492/10 der Staatsanwaltschaft Straubing unter anderem gegen den Kläger wegen Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in der Zeit von 2009 bis 15.9.2010 mit einem Schaden von ca. 1,5 Mio. wurde dem Kläger zur Last gelegt, dass er seit mindestens Februar 2009 gefälschte Bilder namenhafter Künstler an vier verschiedene Käufer mit großem Gewinn veräußert habe. Er habe die Fälschungen bei den Beschuldigten … in Auftrag gegeben, der die Bilder von der Beschuldigten … anfertigen habe lassen und vor der Weitergabe an Kohlmeier auf „alt trimmte“.
Der später vom Kläger vorgebrachte Einwand, er habe die Bilder Asservatennummern 1.33, 1.34 und 1.7 nicht von … erhalten sowie der Vortrag, er habe die Bilder Asservatennummern 1.25 und 1.26 selbst gemalt, war im Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht bekannt. Nicht thematiert wurde zu diesem Zeitpunkt auch der Umstand, dass einige Bilder keine Signatur aufweisen.
Unabhängig davon, ob die im Verfahren vom Kläger vorgelegten „positiven Analysen“ dem Bayerischen Landeskriminalamt bei Bescheidserlass bekannt waren, ergibt sich aus diesen jedenfalls nicht, dass es sich bei den betroffenen Bildern um Originale handelte. So führte Prof. … von der Karl und Emy Schmidt-Rottluff-Stiftung unter dem 9.9.2011 zu dem Bild Asservatennummer 1.81 lediglich aus, dass anhand des vorgelegten Fotos keine Aussage möglich sei. Empfohlen wurde eine physikalische Untersuchung. Zur Asservatennummer 1.9 führte Dr. … unter dem 8.4.2002 und zum Bild Asservatennummer 1.89 unter dem 5.4.2002 aus, dass die Gemälde mit dem Alter der Signatur vereinbar seien. Zum Bild Asservatennummer 2.3 und zum Bild Asservatennummer 2.4 bestätigt Prof. Dr. … unter dem 2.2.2010, dass die Ergebnisse einer naturwissenschaftlichen Untersuchung keinen Rückschluss auf einen bestimmten Künstler zuließen. Zum Bild Asservatennummer 4.2.2 bescheinigt Dr. … unter dem 8.4.2012, dass die ausgeführten Untersuchungen keine Zeichen eines Fälschungsversuches aufwiesen. Die gefundenen objektiven Eigenschaften seien mit dem vermuteten Alter von 90 Jahren vereinbar. Zum Bild Asservatennummer 4.3.23 liegt eine E-Mail von … vom 14.8.2000 vor, in der steht: „Please find here a device for your painting. The primary analysis are quite positive…“. Des Weiteren befinden sich in der Gerichtsakte (K17 zum Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 10.3.2017) zu weiteren 7 Bildern/Aquarellen Analysen von Prof. Dr. … und Dr. … vom 18.8.2003, 17.9.2003, 19.8.2002, 1.9.2003 und 18.8.2003 zu in der Liste nicht auffindbaren Bildern. Hier wird im Wesentlichen bestätigt, dass die erfolgten Materialuntersuchungen nicht gegen eine Zuordnung zu den erkennbaren Künstlern und die Datierung sprächen. Keiner dieser Analysen ist jedoch konkret zu nehmen, dass das jeweils begutachtete Bild ein Original ist. Insbesondere hinsichtlich einer Analyse von … fehlen weitere Ausführungen.
Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass bei dieser Erkenntnislage das Bayerische Landeskriminalamt davon ausgehen konnte, dass es sich bei allen sichergestellten Bildern um Fälschungen handelte.
1.2.2 Eine Sicherstellung nach Art. 25 PAG a.F. setzt jedoch zudem die Prognose voraus, dass von den als Fälschungen eingeschätzten Bildern die Gefahr ausgegangen war, dass diese künftig vom Kläger zur Begehung von (weiteren) Straftaten verwendet werden würden.
Bei den sichergestellten Gemälden/Grafiken handelt es sich überwiegend um Werke, die die Urheberschaft namhafter Künstler für sich in Anspruch nehmen. Bei einem Verkauf derartiger Werke war davon auszugehen, dass sich Käufer finden werden, die bereit sind, hohe Summen zu investieren. Dieser Umstand rechtfertigt es angesichts der Umsätze, die auf dem Kunstmarkt erzielt werden, im vorliegenden Fall die oben genannte Rechtsprechung des OVG Lüneburg vom 7.3.2013 zur Sicherstellung von Bargeld zur Verhinderung von (weiteren) Drogendelikten heranzuziehen. Danach sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht so hoch anzusetzen. Dass dieser Maßstab gerechtfertigt ist, bestätigen die im Strafverfahren (vgl. Schlussbericht vom 31.8.2011) aufgeführten Vorgänge, die die Größenordnung der vom Kläger angestrebten Geschäfte zeigen: Es ist die Rede von einem Verkauf von 39 Bildern an den Geschädigten … im Gesamtwert von 1,4 Mio. €, einer Übergabe (ohne Bezahlung) von 4 Bildern an den Geschädigten … zum vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 160.000 €, einem Verkaufsangebot für 1 Bild in Höhe von 155.000 €, einem Verkauf von Bildern an … im Wert von 135.000 €, einem Verkauf von Bildern an … zu einer Gesamtsumme von 50.000 €, sowie dem Angebot eines Bildes an einen verdeckten Ermittler für 1 Mio. €.
Der Kläger hat wiederholt versucht, die Bilder als Originale zu verkaufen. In diesem Zusammenhang ist auf einen E-Mail-Verkehr des Klägers mit Herrn … vom 27.08.2010 hinzuweisen. Hier zeigte sich, dass der Kläger über eine Beurteilung eines Bildes durch den Gutachter Dr. … vom 24.8.2010 als Fälschung erbost war. Er versuchte, Herrn … zu veranlassen, durch den Gutachter diese Sätze streichen zu lassen.
Hinzuweisen ist auch auf das Verhalten des Klägers im Jahr 2014, als er sich mit E-Mail vom 21.7.2014 an die Firma … gewandt hatte. Er fragte dort an, ob Interesse an einem Nolde Aquarell bestehe, das aus einer Erbschaft stamme und leider nicht seinen Geschmack treffe und ob ggf. die Expertisenanfrage selbst vorgenommen werden würde. Dies zeigt, dass der Kläger weiterhin an seiner Sicht der Dinge, es handele sich bei den Bildern um Originale, festgehalten hat. Der Umstand, dass die im Strafverfahren angeführten Gegebenheiten im Zeitpunkt des Bescheidserlass bereits einige Jahre zurücklagen, stehen der getroffenen Prognose somit nicht entgegen.
Die maßgeblichen Überlegungen kommen im streitgegenständlichen Bescheid hinreichend zum Ausdruck. Das Landeskriminalamt legte seiner Prognose die Bewertung der Bilder als Fälschung zugrunde, von denen die hohe Gefahr ausgehe, dass sie künftig zum Verkauf angeboten werden und damit in Umlauf gelangten. Dies wird auf ein (letztlich im Jahr 2008 eingestelltes) Verfahren der KPI Straubing (2380-003858-08/6), auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Straubing (133 Js 90492/10), auf die Anfrage des Klägers vom 21.7.2014 bei der Firma … in München und die Information durch den Leiter der Ernst-Heckel-Stiftung vom September 2014 gestützt. Durchgreifende Indizien, die eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Nach Abwägung aller betroffener Belange erweise sich die Sicherstellung als angezeigt und ermessensgerecht. Hieran hat das Gericht nichts auszusetzen.
Die angeordnete öffentlich-rechtliche Verwahrung entspricht Art. 26 PAG a.F. Das Verfügungsverbot ist Folge der Sicherstellung der Bilder und deren Überführung in ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis.
Demnach ist die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der sichergestellten Gemälde/Grafiken. Hinsichtlich dieses vom Kläger geltend gemachten Herausgabeanspruchs, der mit der Herausgabepflicht der Polizei gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 PAG n.F. korrespondiert, ist auf die Sachlage abzustellen, wie sie im Zeitpunkt der (letzten) gerichtlichen Entscheidung besteht.
2.1 Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Voraussetzungen für die Sicherstellung nicht entfallen. Das Landeskriminalamt geht weiterhin zu Recht davon aus, dass die sichergestellten Gemälde/Grafiken – mit Ausnahme der vom Kläger selbst gemalten Bilder – Fälschungen sind. Die Sicherstellung ist demnach nicht gem. Art. 28 Abs. 1 PAG n. F. zu beenden.
Eine Änderung hinsichtlich der Annahme, dass es sich bei den sichergestellten Bildern um Fälschungen handelt, ist mit Ausnahme der Bilder Asservatennummern 1.25 und 1.26 nicht eingetreten. Hinsichtlich dieser Bilder, die der Kläger nach seinen Angaben selbst gefertigt hat, besteht aus Sicht des Landeskriminalamts keine Gefahr (mehr), dass der Kläger damit Straftaten begehen könnte.
Hinsichtlich der übrigen Bilder stellt sich die Situation wie folgt dar: Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 klargestellt, diese mit Annahme der Bilder Asservatennummern 1.33 (Erwerb über ebay), 1.34 (etwa 1990 in Prag erworben) und 1.7 (Erwerb von ebay) von … erworben zu haben.
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat das Landeskriminalamt weitere Bilder (Asservatennummern 1.12, 1.58, 2.3 und 2.4) begutachten lassen. Die Gutachter wiesen diese Bilder als Fälschungen aus. Hinsichtlich des Bildes Asservatennummer 4.3.23 liegt eine Stellungnahme von Madame … vom 26.9.2017 vor, die wiederholte Anfragen nach Echtheitsbestätigungen ablehnte. Weitere Bilder (Asservatennummern 1.19, 1.89, 1.9, 4.2.2, 4.3.23, 1.33, 1.34, 1.39 und 1.81) sind ohne eingehende Untersuchung von Sachverständigungen als Fälschungen beurteilt worden.
Ob damit – wie vom Landeskriminalamt angeführt – tatsächlich 45 negative Gutachten vorliegen, kann dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass jedenfalls 32 Bilder im Vorverfahren und zunächst vier Bilder im gerichtlichen Verfahren explizit durch Gutachter als Fälschungen erkannt wurden. Hinsichtlich weiterer zehn Bilder lassen die Äußerungen von Sachverständigen auf das Vorliegen von Fälschungen schließen.
In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 wurde dem Kläger zugestanden, die Bilder Asservatennummern 1.12, 1.19 und 1.58 auf seine Kosten begutachten zu lassen. Die Begutachtung des Bildes Asservatennummer 1.12 ergab eindeutig, dass es sich nicht um ein Bild von Ernst-Ludwig Kirchner handelt. Die Bilder 1.19 und 1.58 wurden vom Kläger keiner weiteren Begutachtung unterzogen. Für das aufgrund des Beweisbeschlusses vom 19.12.2017 begutachtete Bild Asservatennummer Nr. 1.81 wurde ebenfalls eindeutig ausgeschlossen, dass es von Karl Schmidt-Rottluff stammt. Damit ist für 38 Bilder gutachterlich geklärt, dass es sich nicht um Originale handelt.
Aufgrund der Bitte des Klägers vom 17.05.2019 wurde der Rahmen des Bildes Asservatennummer 1.81 von Herrn … vom Brücke Museum Berlin besichtigt und als definitiv nicht original von Schmidt-Rottluff stammend eingeschätzt.
Die Beweislast für die fehlende Echtheit der Bilder liegt grundsätzlich auch hinsichtlich des Herausgabeanspruchs beim Landeskriminalamt. Dies folgt aus der Herausgabepflicht gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 PAG n.F., die mit dem Hinweis auf das Vorliegen von Fälschungen seitens des Landeskriminalamts verneint wird. Ein Beweis dafür, dass die nicht explizit als Fälschungen begutachteten Bilder tatsächlich Fälschungen sind, liegt nicht vor.
Anhand der vorliegenden Indizien kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass alle Bilder mit Ausnahme der vom Kläger der selbstgemalten Bilder Asservatennummern 1.25 und 1.26 Fälschungen sind. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Alle Bilder mit Ausnahme der Bilder Asservatennummern 1.33, 1.34 und 1.7 stammen nach Angaben des Klägers aus der gleichen Quelle. Die vorliegenden negativen Gutachten beziehen sich auf Bilder aus dieser Quelle. Dass diese Gutachten nicht sachgerecht erstellt worden wären, wurde nicht substantiiert vorgetragen. Des Weiteren enthalten die vom Kläger vorgelegten „positiven Analysen“ keine konkreten Aussagen zur Echtheit der jeweiligen Bilder. Hinsichtlich der aus anderen Quellen erworbenen Bilder Asservatennummern 1.33 und 1.34 lassen die Einschätzung durch Fr. Dr. … und Herrn … auf das Vorliegen von Fälschungen schließen. Zu Bild Asservatennummer 1.7 hat der Kläger keine Angaben gemacht, es liegen auch keine gutachtlichen Äußerungen vor. Noch bestehende Zweifel werden jedenfalls dadurch entkräftet, dass der Kläger außer dem vom Beweisbeschluss erfassten Bild Asservatennummer 1.81 nur an der Begutachtung der Bilder Asservatennummern 1.12, 1.19 und 1.58 ein Interesse hatte. Letztendlich hat er es mit der Begutachtung des Bildes Asservatennummer 1.12 bewenden lassen.
Bei dieser Indizienlage obliegt es dem Kläger, substantiiert schlüssige Argumente gegen die Annahme, es handele sich bei den oben genannten Bildern um Fälschungen, vorzutragen. Hieran fehlt es.
2.2 Eine Änderung der Sachlage liegt auch nicht vor hinsichtlich der Prognose zur Begehung weiterer Straftaten. Bei der festgestellten Schwere des drohenden Schadens reicht nach den obigen Ausführungen ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsgrad.
Der Kläger hält nach wie vor dem Grunde nach daran fest, dass es sich bei den sichergestellten Bildern um Originale handelt. Dies macht er durch die dem Gericht am 29.09.2018 übermittelte Mappen nochmals deutlich. Dass der Kläger aus der Verurteilung des Landgericht Regensburg (Urteil vom 15.12.2015) gelernt haben soll, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Anzuführen sind insoweit exemplarisch zwei Schreiben des Klägers vom 21.2.2016 und 5.3.2016 an Herrn Dr. …, in denen er unter anderem anführt, seine Sammelleidenschaft habe ihn bedauerlicherweise kriminalisiert, da ihm das LKA Bayern seit 2010 vorwerfe, verschiedene Gemälde internationaler Künstler zum Fälschen in Auftrag gegeben zu haben. Man habe ihn nicht nur kriminalisiert, sondern auch „beltracchisiert“. Des Weiteren führt er an, dass er quasi durch Falschaussagen und nicht erbrachte Zeugenaussagen vom Landgericht Regensburg schuldig gesprochen worden sei. Dadurch sei er unbegründet in eine finanzielle Schieflage geraten.
Des Weiteren wird auf eine Anfrage des Klägers vom 15.5.2016 an das Max-Beckmann-Archiv verwiesen, wonach die oberflächlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Straubing, des LKA München und der tschechischen Behörden ihn als Betrüger und Fälscher stigmatisiert hätten. Die im Urteil des Landgerichts Regensburg (Seite 8) attestierte Schuldeinsicht und Reue finden sich in diesem Verhalten des Klägers nicht wieder. Im Übrigen sind die Bewertungen des Strafgerichts für das Verwaltungsgericht nicht bindend.
Die finanziellen Verhältnissen des Klägers wurden im Schriftsatz vom 18.11.2016 als geordnet bezeichnet. Danach beziehe er ein Geschäftsführergehalt von 4.000 € brutto und erhalte im Jahr 2018 Pensionsrücklagen in Höhe von rund 350.000 € ausbezahlt. Nicht gedeckte Verbindlichkeiten gebe es nicht. Wie sich das zu den im Urteil des Landgericht Regensburg vom 15.12.2015 enthaltenen Angaben verhält, wonach sich der Kläger zu Zurückzahlungen an den Geschädigten … in Höhe von 347.410 € verpflichtet hat und laut Schlussbericht vom 31.8.2011 (Blatt 9) der Geschädigte … zivilrechtliche Ansprüche hinsichtlich gekaufter bzw. angezahlter Bilder mit einem Gesamtpreis von 175.000 € geltend macht, ist unklar. Hinzu kommt die oben genannte Angabe im Schreiben an Dr. …, dass er in eine finanzielle Schieflage geraten sei. In der mündlichen Verhandlung am 5.2.2019 hat der Kläger hierzu ausgeführt, er müsse noch 1,8 Millionen mit Zinsen an Herrn … zurückzahlen. Er lebe von einer Rente i.H.v. monatlich 750 Euro und einem kleinen Gehalt i.H.v. 450 Euro mtl. Sein Sohn unterstütze ihn mit monatlich 500,00 Euro. Diese Gegebenheiten tragen die angenommene Gefährdungsprognose nach wie vor.
2.3. Zu der vom Kläger vorgetragenen Möglichkeit der Kenntlichmachung der Bilder als Fälschungen hat die im Einvernehmen mit den Beteiligten erfolgte Nachfrage des Gerichts bei Herrn Dr. … ergeben, dass zwar eine Kennzeichnung mit optischen Aufhellern oder fluoreszierenden Mitteln möglich wäre. Optische Aufheller könnten bei Ölgemälden entfernt oder verdeckt werden. Die Fluoreszenz einer Aufschrift könnte durch Überstreichen mit einem UV-Absorber vermindert bzw. durch Überstreichen mit einem weiteren UV-Marker abgeändert werden. Bei einem Aquarell dürfte die Entfernung mit optischen Aufhellern schwierig bis nahezu unmöglich sein. Auch hier sei jedoch die Verfälschung einer Aufschrift durch das Überstreichen mit einem weiteren UV-Marker möglich. Es sei bekannt, dass die Beständigkeit von optischen Aufhellern gegen die Einwirkung von Licht relativ begrenzt sei.
Unter Berücksichtigung dieser vom Kläger nicht substantiiert widerlegten Aussagen ist eine Kennzeichnung der streitgegenständlichen Bilder kein geeignetes milderes Mittel zur Vermeidung von Betrugsstraftaten durch Täuschung potentieller Erwerber über die Echtheit der Bilder. Der Kläger, bei dem nach wie vor die Prognose gerechtfertigt ist, dass er die Bilder erneut zu verwerten versuchen könnte, kann sich demnach nicht mit Erfolg auf das in Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1.12.2016 -1 K 236.13- berufen. Wie in dem vom Verwaltungsgericht Berlin entschiedenen Fall besteht vorliegend ein erhebliches Risiko, dass die Fälschungen in betrügerischer Absicht als authentische Werke auf dem Kunstmarkt veräußert werden könnten und dadurch dass Vermögen eines Erwerbers erheblich geschädigt werden könnte.
Des Weiteren kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf den Umstand berufen, dass seitens der Beklagten an Herrn … Bilder, die als Fälschungen gekennzeichnet wurden, herausgegeben wurden. Insoweit hat der Beklagte – anders als beim Kläger – keine Gefahr gesehen, dass diese Bilder als Originale wieder auf dem Markt gebracht werden könnten.
Letztlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass auf dem Kunstmarkt Kopien berühmter Meister mit Signatur und Datierung gehandelt werden, ohne dass dies strafrechtlich geahndet wird. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass derartige Bilder, die als Originale mehrere Millionen Euro wert sind, bei Angebotspreisen von wenigen Tausend Euro von potentiellen Käufern nicht als Originale eingeschätzt werden würden. Er selbst habe kein einziges seiner 440 Bilder auf dem Kunstmarkt angeboten, weder als Original noch als Kopie (vgl. Schriftsatz vom 29.12.2019). Unabhängig von den genauen Modalitäten der in der Vergangenheit getätigten Verkäufe gab es zahlreiche Verkäufe an Gutgläubige, bei denen den Käufern hoher finanzieller Schaden zugefügt worden war. Insbesondere ist den Akten nicht zu entnehmen, dass der Kläger diese Bilder für die genannten 500 Euro bis 2.000 Euro angeboten hätte, was der Erwartung, ein Original zu erwerben, entgegen gestanden hätte. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich unter den sichergestellten Bildern auch stilistische Nachahmungen befinden, für die ein Referenzwerk fehlt und damit die Nachvollziehbarkeit einer Nachahmung ausgeschlossen ist. Letztlich sprechen seine Einlassungen, aus denen zu schließen ist, dass er die Bilder bzw. wenigstens einige Bilder für Originale hält, gegen die Glaubhaftigkeit der Versicherung des Klägers, die Bilder nicht als Originale verkaufen zu wollen. So hat er auch im gerichtlichen Verfahren wiederholt darauf bestanden, weitere Bilder begutachten zu lassen. Auch hält er die negativen Bewertungen der Experten für irrelevant, sie stellten lediglich subjektive Äußerungen dar, die vor Gericht nicht verwertet werden dürften.
Bei einer Zusammenschau dieser Aspekte teilt das Gericht die Befürchtung des Beklagten, die Bilder könnten nach einer Rückgabe an den Kläger wieder einer Veräußerung zugeführt werden.
Die Klage ist demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 ZPO.

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