IT- und Medienrecht

Verwirkung einer Vertragsstrafe nach Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung

Aktenzeichen  41 O 2337/19

Datum:
5.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 59459
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 271 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Verpflichtet sich ein Schuldner in einen gerichtlichen  zum Unterlassen verschiedener Äußerungen, die unter anderem auf seiner Webseite enthalten sind, ist er mangels anderweitiger Vereinbarung sofort zu deren Entfernung von der Website entfernt. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. In dem Unterlassen der Abschaltung oder Bereinigung der Website liegt unabhängig von der Zahl der zu unterlassenden Äußerungen lediglich ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2019 sowie weitere 334,75 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.07.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 89 % und der Beklagte 11 % zu tragen. Die Klägerin trägt ferner 89 % der Kosten der Nebenintervention.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 43.706,94 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere greift die vom Beklagten erhobene Rüge der Vollmacht des Klägervertreters nicht durch. Dabei kommt es nicht auf die Beschlussfassung in den Gremien der Klägerin an. Gemäß § 10 Abs. 2 der Satzung der Klägerin (Anlage B2) vertritt der 1. Vorsitzende die Klägerin nach außen. Es besteht also eine Einzelvertretungsbefugnis. Damit ist eine Vollmachtserteilung durch den 1. Vorsitzenden im Außenverhältnis wirksam. Welche Gremien dem vorab zustimmen müssen und ob sie dies haben, betrifft dagegen das Innenverhältnis, lässt aber die Wirksamkeit einer vom 1. Vorsitzenden erteilten Vollmacht unberührt. Der 1. Vorsitzende hat im Termin ausdrücklich erklärt, dass er den Klägervertreter bevollmächtigt habe.
II.
Die Klage ist lediglich im ausgeurteilten Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 € aus dem gerichtlichen Vergleich vom 21.03.2019.
a) Der Beklagte hat gegen die eingegangene Unterlassungsverpflichtung verstoßen.
aa) Indem der Beklagte die Webseite trotz der Unterlassungsverpflichtung zunächst unverändert ließ, liegt ein “zukünftiger” Verstoß im Sinne der Vertragsstrafenvereinbarung vor. Die vertragsstrafenauslösenden und vergleichswidrigen Äußerungen auf der Homepage der Beklagten stellten einen Dauerverstoß dar. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst (BGH, Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 76/13 -, juris).
bb) Eine Zeit für die Beseitigung der dem Vergleich widersprechenden Äußerungen von der Webseite des Beklagten war von den Parteien nicht vereinbart worden. Gemäß § 271 Abs. 1 BGB ist die Leistungszeit daher den Umständen zu entnehmen, ansonsten gilt die Verpflichtung sofort. Das Gericht versteht dies bezüglich des gegenständlichen Vergleichsschlusses so, dass der Beklagte ab dem Zeitpunkt des Vergleichsschlusses (sofort) die im Vergleich genannten Äußerungen nicht wiederholen darf und entgegenstehende Äußerungen unverzüglich von seiner Webseite zu entfernen hat.
cc) Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Der Beklagte hat zwar bereits am Tag nach dem Vergleichsschluss die Mail Anlage B4 an die Webdesignerin geschickt, und die Webseite war auch ab dem 27.03.2019 nicht mehr erreichbar. Der Beklagte hat in der Mail vom 22.03.2019 aber gerade nicht verlangt, dass die im Vergleich genannten Äußerungen von der Webseite entfernt werden sollen, sondern sich durch die Aufforderung, man müsse sich „demnächst mal zusammensetzen und die Homepage durchforsten“ eine Zeit zur Neugestaltung der Webseite eingeräumt. Hätte der Beklagte in der Mail dazu aufgefordert, die Webseite für die Zeit der Neugestaltung vom Netz zu nehmen oder zumindest bereits die gegenständlichen Äußerungen zu entfernen, wäre sein Verhalten aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. In der Mail kommt aber zum Ausdruck, dass der Beklagte davon ausging, dass die zu unterlassenden Äußerungen bis zur Neugestaltung stehen bleiben können. Der Beklagte hat damit zwar unverzüglich die Neugestaltung der Webseite in Angriff genommen, nicht aber die Entfernung der zu unterlassenden Äußerungen. Denn ebenso, wie der Beklagte in der Mail die Webdesignerin zu einem „Zusammensetzen“ auffordern konnte, hätte er sie in der Mail auch zum vorübergehenden Abschalten der Webseite oder zum Entfernen konkreter Teile auffordern können.
dd) Das Gericht geht jedoch von lediglich einem Verstoß gegen Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich aus. Die Frage, in welchem Umfang bei mehrfachen Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung Vertragsstrafen verwirkt sind, kann nur nach einer Vertragsauslegung im Einzelfall, die auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann, entschieden werden, nicht nach festen Regeln für alle einschlägigen Fälle (BGH, Urteil vom 25. Januar 2001 – I ZR 323/98 -, BGHZ 146, 318-331). Vorliegend liegt der Verstoß des Beklagten in einem Unterlassen, nämlich dem Unterlassen des Abschaltens oder Bereinigens der Webseite. Damit ist aus Sicht des Gerichts nicht auf die einzelnen Äußerungen auf der Webseite abzustellen, auch nicht auf die Anzahl der nach dem Vergleich zu unterlassenden Äußerungen. Vielmehr ist das unveränderte Bestehenlassen der Webseite als ein Fall der Zuwiderhandlung im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit anzusehen, so dass die Vertragsstrafe nur einmal verwirkt ist.
b) Die Geltendmachung der Vertragsstrafe durch die Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Bei der Frage eines etwaigen Rechtsmissbrauchs ist zwischen dem Unterlassungsverlagen und der Geltendmachung der Vertragsstrafe zu unterscheiden.
Das Unterlassungsverlangen ist am Maßstab des § 8 Abs. 4 UWG zu messen. In diesem Kontext ist es als Indiz für einen Rechtsmissbrauch zu werten, wenn die Vertragsstrafe postwendend nach Abgabe der Unterwerfungserklärung geltend gemacht wird. Denn ein solches Verhalten, das dem Schuldner gewissermaßen die Luft abschneidet, spricht dafür, dass es dem Gläubiger gezielt auf die Vertragsstrafe ankommt und die Abmahnung nur dazu diente, diese Einnahmequelle zu eröffnen (OLG Hamm, Urteil vom 27. April 2010 – 4 U 150/09 -, Rn. 93, juris). Auch die von der Klagepartei zitierte Entscheidung OLG Hamm, Urteil vom 26. Juli 2011 – 4 U 49/11 bezieht sich auf den Maßstab des § 8 Abs. 4 UWG.
Die Geltendmachung der Vertragsstrafe unterliegt dagegen im Hinblick auf etwaigen Rechtsmissbrauch dem Maßstab des § 242 BGB, nicht des allein auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche anwendbaren § 8 Abs. 4 UWG. Ist allerdings der Unterwerfung eine nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässige Anspruchsverfolgung vorausgegangen, so kann der auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch Genommene diesem Verlangen den Rechtsmissbrauchseinwand entgegensetzen (Grosch/Ebersohl/Herrmann/Federsen/ Schwippert in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. 2015, § 12
Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung, Nr. 207, zitiert nach juris). Bei der Annahme des Rechtsmissbrauchs wegen Geringfügigkeit des Verstoßes ist Zurückhaltung angebracht, weil hier regelmäßig eine Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB das Mittel der Wahl sein dürfte (Grosch/Ebersohl/Herrmann/Federsen/Schwippert in: Teplitzky/Peifer/ Leistner, UWG, 2. Aufl. 2015, § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung, Nr. 207, zitiert nach juris). Daher ist das Indiz der umgehenden Geltendmachung für die Frage des Rechtsmissbrauchs nicht auf den Maßstab des § 242 BGB übertragbar.
c) Vielmehr ist im Rahmen des § 343 BGB bei der Frage der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass zum einen die beanstandete Webseite nur knapp eine Woche nach dem Vergleichsschluss und damit nur für kurze Zeit noch online war. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte den Vergleich nicht gezielt hintertrieben hat, sondern sich ausweislich der Anlage B4 grundsätzlich vertragstreu verhalten wollte und sich nur zu Unrecht eine Frist zur Neugestaltung der Webseite zugebilligt hat, in der diese aus seiner Sicht unverändert bleiben konnte. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte des für einen Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Betrags, somit in Höhe von 3.000,00 € für angemessen und ausreichend. Das Gericht orientiert sich dabei an der Entscheidung des OLG Celle, Urteil vom 29. Januar 2015 – 13 U 58/14 -, juris, in welchem eine Vertragsstrafe von 2.500,00 € als angemessen erachtet wurde, wenn ein Internetauftritt zwar geändert wurden, die zu unterlassenden Äußerungen aber noch mit Suchmaschinen auffindbar waren. Vorliegend hatte der Beklagte seinen Internetauftritt zwar zunächst noch nicht geändert, aber bereits entsprechende Schritte in die Wege geleitet, und die beanstandeten Seiten waren nur wenige Tage abrufbar. Zwar kann das Gericht die Vertragsstrafe nur auf Antrag des Schuldners reduzieren. „Auf Antrag” bedeutet dabei nichts anderes, als dass das Gericht eine Herabsetzung nicht von Amts wegen zu erwägen hat. Als Antrag hat daher jede Anregung zu gelten, die erkennen lässt, dass der Schuldner ganz oder teilweise von der Vertragsstrafe loskommen will, weil er sie als unangemessen hoch und drückend empfindet (BGH, NJW 1968, 1625, beckonline). Hier hat der Beklagte bereits in der Klageerwiderung zum Ausdruck gebracht, dass er angesichts des kurzen Zeitablaufs die geltend gemachte Vertragsstrafe als nicht angefallen, rechtsmissbräuchlich und jedenfalls zu hoch ansieht.
2. Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten berechnet auf der Grundlage einer 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Obsiegensbetrag.
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, wobei für den Zinsbeginn auf die Zustellung des Mahnbescheids abzustellen ist, § 696 Abs. 3 ZPO.
III.
Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
Dem Beklagten steht neben dem ausgeurteilten prozessualen Kostenerstattungsanspruch kein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch zu. Das (teilweise) unberechtigte Behaupten eines Anspruchs alleine löst einen solchen nicht schon aus. Eine Anspruchsgrundlage für einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin wie ausgeführt nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt, so dass keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche ersichtlich ist. Insbesondere besteht kein Anspruch aus § 8 Abs. 4 UWG. Dieser ist vorliegend auch deswegen nicht einschlägig, weil die Klägerin keinen Anspruch nach § 8 Abs. 1 UWG geltend gemacht hat, sondern einen vertraglichen Vertragsstrafenanspruch aus dem geschlossenen gerichtlichen Vergleich.
Der Beklagte erleidet hierdurch auch keinen Rechtsnachteil, da eine Anrechnungsvorschrift der vorgerichtlichen Anwaltskosten auf Beklagtenseite anders als auf der Klägerseite gerade nicht besteht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
V.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO festgesetzt.


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