IT- und Medienrecht

VIII ZR 357/20

Aktenzeichen  VIII ZR 357/20

Datum:
21.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:210721UVIIIZR357.20.0
Normen:
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 439 Abs 1 Alt 2 BGB
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

1. Eine Austauschbarkeit von Kaufgegenstand und Ersatzsache (Nachfolgemodell eines Kraftfahrzeugs) ist beim Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Verbraucher sein Nachlieferungsbegehren innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Abschluss des Kaufvertrages geltend macht (im Anschluss an Senatsurteil vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
2. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich Hersteller der Kaufsache ist und in Bezug auf den Mangel der Kaufsache sittenwidrig gehandelt und diesen arglistig verschwiegen hat.

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 26. Januar 2021, Az: VIII ZR 357/20, Beschlussvorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 3. April 2020, Az: 6 U 43/19vorgehend LG Itzehoe, 14. Juni 2019, Az: 6 O 167/18

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 3. April 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger erwarb von der Beklagten, die zugleich Herstellerin ist, im Januar 2010 einen neuen VW Tiguan Team 2.0 l TDI mit einem Motor EA 189 (Abgasnorm Euro 5) zum Preis von 28.662,01 €. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte im April 2010. Der Motor wies eine besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung auf, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand hinsichtlich der dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen “Modus 1”, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Im normalen Straßenverkehr hingegen wurde das Fahrzeug im “Modus 0” betrieben, in dem die Abgasrückführung geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel.
2
Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das dazu führt, dass der Motor nur noch im “Modus 1” betrieben wird. Dessen Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgte für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit Wirkung zum 1. Juni 2016. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 erklärte das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber dem Kläger, dass seine Halter- und Fahrzeugdaten an die zuständige Zulassungsbehörde übermittelt würden, sollte er bis zum 3. April 2018 das Update nicht aufgespielt haben. Diese könne daraufhin die Einleitung von Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeugs in eigener Zuständigkeit, veranlassen. Der Kläger ließ das Update im Juli 2019 aufspielen.
3
Mit Schreiben vom 15. März 2018 forderte der Kläger von der Beklagten die Nachlieferung eines mangelfreien, fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dem kam die Beklagte nicht nach.
4
Das vom Kläger im Jahr 2010 erworbene Fahrzeugmodell der ersten Generation wird seit 2016 nicht mehr hergestellt. Stattdessen wird als Nachfolgemodell der VW Tiguan 2.0 l TDI der zweiten Generation angeboten, der unter anderem über einen Motor des Typs EA 288 (Abgasnorm Euro 6) verfügt.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger als Klageantrag zu 1 die Nachlieferung eines mangelfreien, fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs begehrt. Mit dem Klageantrag zu 2 hat er diesbezüglich die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs verlangt. Hilfsweise hat er Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs (Klageantrag zu 3) und weiter hilfsweise zusätzlich Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung (Klageantrag zu 4) begehrt sowie (unbedingt) die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden (Klageantrag zu 5).
6
Das Landgericht hat den Antrag auf Nachlieferung abgewiesen und die Beklagte auf die Hilfsanträge verurteilt, den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung (insgesamt 6.162,62 €) zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, zu zahlen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befinde und verpflichtet sei, dem Kläger auch für künftige Schäden Ersatz zu leisten. Beide Parteien haben hiergegen Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten den Zahlungsbetrag reduziert auf 4.052,24 € sowie die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Revision beschränkt auf die deliktsrechtlichen Ansprüche zugelassen.
7
Der Kläger hat zunächst in vollem Umfang Revision und hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Diese hat er hinsichtlich der Hilfsanträge sowie des Klageantrags zu 5 zurückgenommen. Der Senat hat die – insoweit vom Berufungsgericht nicht zugelassene – Revision bezüglich der Klageanträge zu 1 und 2 zugelassen. Mit der diesbezüglichen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge auf Nachlieferung und Feststellung des Annahmeverzugs weiter.


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