IT- und Medienrecht

Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht wegen eines Kartellverstoßes

Aktenzeichen  37 O 6039/18

Datum:
7.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuW – 2019, 482
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 33 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, § 186 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Schadensersatzpflicht wegen eines Kartellverstoßes setzt voraus, dass der streitgegenständliche Erwerb von dem kartellrechtswidrigen Verhalten erfasst ist. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände einschließlich der Dauer und Intensität der Kartellabsprachen erforderlich.  (Rn. 34 – 35)
2. Liegt diese Voraussetzung vor, ist festzustellen, ob das kartellrechtswidrige Verhalten für den streitgegenständlichen Erwerb preissteigernde Wirkung hatte. Nach der gebotenen Gesamtabwägung ist eine solche Wirkung angesichts der konkreten Umstände und des Sachvortrages im vorliegenden Einzelfall zu verneinen.   (Rn. 41)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A)
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 23.04.2019 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die darin enthaltenen Rechtsauffassungen wurden gewürdigt.
B)
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Kartellschadensersatz wegen der Anschaffung der drei streitgegenständlichen Fahrzeuge.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Die Beklagte zu 2) ist bereits nicht passivlegitimiert. Sie ist weder Adressatin des Beschlusses des Bundeskartellamtes vom 29.06.2011 (Anlage B13) noch des Beschlusses des Bundeskartellamtes vom 05.03.2012 (Anlage B12).
Gemäß des hier nach § 186 Abs. 3 Satz 1 GWB anwendbaren § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB (2007) ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des GWB, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehörde vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ein solvcher Verstoß ist für die Beklagte zu 2) – auch unter ihrem zwischenzeitlichen Firmennamen … – in den Bescheiden des Bundeskartellamtes vom 29.06.2011 (Anlage B13) und vom 05.03.2012 (Anlage B12) nicht festgestellt. Die darin jeweils festgestellten Verstöße der Beklagten zu 1) können der Beklagten zu 2) auch nicht zugerechnet werden. Die Zurechnung einer Zuwiderhandlung einer Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft sieht das deutsche Recht nicht vor. Die EuGH-Entscheidung vom 22.05.2014 (C-36/12P, WuW 2014, 779) betrifft den umgekehrten Fall der Zurechenbarkeit einer Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft gegenüber der auf sie bestimmenden Einfluss ausübenden Muttergesellschaft. Auch der Umstand, dass die Beklagten bis 2005 der sogenannten … Firmengruppe angehörten, vermag eine solche Zurechnung nicht zu begründen. Hinzukommt, dass die Beklagte zu 2) – was die Klägerin nicht bestreitet – im relevanten Zeitraum keine 100prozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) war. Vielmehr hat der damalige wie heutige Geschäftsführer der Beklagten zu 2) selbst 12 % an der Gesellschaft gehalten. Eine Haftung der Beklagten zu 2) scheidet nach alledem aus.
II.
Die Klägerin hat auch gegenüber der Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Schadensersatz. Für den Schadensersatzanspruch ist das im Zeitpunkt der Auftragserteilung geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28.06.2011, KZR 75/10 – ORWI – juris, Rn. 13). Für die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge in den Jahren 2008 und 2010 gilt daher § 33 GWB in der vom 22.12.2007 bis 29.06.2013 geltenden Fassung vom 18.122007.
1. Tragkraftspritzenfahrzeug …
Ein Schadensersatzanspruch besteht nicht im Hinblick auf die Anschaffung des Tragkraftspritzenfahrzeugs ….
Insoweit ist die Beklagte zu 1) nicht passivlegitimiert. Die Klägerin hat das Fahrzeug nicht von ihr, sondern von der Beklagten zu 2) unter deren damaligen Firmennamen … erworben. Diese ist – wie bereits ausgeführt – nicht Adressatin des Beschlusses des Bundeskartellamts vom 05.03.2012. Feststellungen dazu, dass die Beklagte zu 2) an den bebußten Verhaltensweisen beteiligt gewesen ist, trifft das Bundeskartellamt nicht. Die Beklagte zu 2) ist weder unter ihrem damaligen noch ihrem jetzigen Firmennamen in der Auflistung der beteiligten Unternehmen auf Seite 5 des Beschlusses des Bundeskartellamtes vom 05.03.2012 aufgeführt. Auch der Fall eines mittelbaren Erwerbs, also dem Fall, dass die Klägerin mittelbar über einen Dritten von einem der Kartellanten erworben hat, liegt hier nicht vor. Ein kartellbedingter Schaden wäre hier allenfalls über sogenannte Preisschirmeffekte möglich. Insoweit trägt die Klägerin jedoch nichts vor. Hierfür ist auch aus den Umständen nichts ersichtlich.
2. Tanklöschfahrzeug …
Ein Schadensersatzanspruch besteht auch nicht im Hinblick auf die Anschaffung des Tanklöschfahrzeugs …
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Verjährung insoweit bislang nicht eingetreten. Die Bestellung erfolgte am 24.02.2010.
Die Verjährungsfrist beträgt in vorliegendem Fall gemäß § 186 Abs. 3 Satz 2 GWB (2017) i.V.m. § 33 h Abs. 1 GWB (2017) 5 Jahre. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist gemäß § 186 Abs. 3 Satz 3 GWB (2017) i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB begann mit dem Schluss des Jahres 2012. Die Klägerin hatte mit Zugang des Schreibens vom 26.11.2012 (Anlage K11) zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners in Bezug auf das Feuerwehrlöschfahrzeugekartell. Die Verjährung war jedoch aufgrund des erst im September 2015 bestandskräftigen Kartellbescheides vom 05.03.2012 gemäß § 33 Abs. 5 GWB (2007) in Verbindung mit § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB bis Ende März 2016 gehemmt. Da wegen der noch laufenden Verjährungsfrist am 09.06.2017 noch keine Verjährung eingetreten war, gilt gemäß § 186 Abs. 3 Satz 2 GWB (2017) die 5-jährige Frist gemäß § 33 h Abs. 1 GWB (2017).
b) Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB (2005) sind nicht gegeben.
Der streitgegenständliche Auftrag ist – nur – von einem Teil der Kartellabsprachen erfasst. Voraussetzung für die sog. Kartellbefangenheit ist, dass der Wettbewerb unter möglichen Lieferanten der Klägerin durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Verhaltensweisen ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde (BGH NJW 2019, 661, 665 – Schienenkartell, Rn. 59 m.w.N.) (aa)). Soweit der Auftrag vom 24.02.2010 von der Kartellabsprache erfasst ist, kann im Wege der Gesamtabwägung nicht festgestellt werden, dass diese für den streitgegenständlichen Erwerb, der im Nachkartellzeitraum stattfand, preissteigernde Wirkung hatte (bb)).
aa) Zur Überzeugung der Kammer war der streitgegenständliche Erwerb nicht von einer Quotenabsprache erfasst. Aus dem Bescheid des Bundeskartellamtes, auf den sich die Klage zur Begründung ihrer Ansprüche ausschließlich beruft, ergeben sich keine konkreten Feststellungen in Bezug auf die Beschaffungsmaßnahmen der Klägerin. Da die letzte im Bescheid erwähnte Quotenabsprache allenfalls im Februar 2009 stattfand, die Klägerin den Auftrag aber erst im Oktober 2009 ausschrieb, ist eine Absprache in Bezug auf den konkreten Auftrag von vornherein nicht möglich. Es besteht zwar die theoretische Möglichkeit, dass bereits im Februar 2009 eine Quotenabsprache mit Wirkung für die nächsten Monate erfolgte. Dafür, dass der Auftrag für die Anschaffung des Tanklöschfahrzeugs … an die Beklagte zu 1) davon erfasst wäre, findet sich aber kein Anhaltspunkt in den Feststellungen des Bescheids. Auf Beweiserleichterungen kann sich die Klagepartei diesbezüglich nicht berufen, da es hierfür an der erforderlichen Typizität fehlt (BGH NJW 2019, 661, 665 – Schienenkartell, Rn. 57; 60). Dies wird durch eine Analyse der festgestellten Verhaltensweisen bestätigt.
Nach der Ankündigung des Vertreters der Beklagten zu 1) am 18.10.2007, an keinen weiteren Zürich-Treffen teilzunehmen, fanden diese im Jahr 2008 unstreitig nicht statt (Beschluss des Bundeskartellamts vom 05.03.2012, S. 18, 85). Ob bei dem letzten Treffen am 20.02.2009 noch über Soll-Quoten gesprochen worden ist, hat das Bundeskartellamt letztlich offengelassen (Beschluss des Bundeskartellamtes vom 05.03.2012, S. 88). Insgesamt ist jedenfalls zu beobachten, dass die Kontakte unter den Kartellanten seit Oktober 2007 in ihrer Intensität gegenüber den Jahren davor, in denen zum Teil bis zu vier Treffen jährlich stattfanden, deutlich abnahmen. Auch die Vertriebsleitertreffen wiesen nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes nach Mitte 2004 nicht mehr denselben Organisationsgrad auf wie zuvor. Insbesondere ging man nicht mehr Listen mit einer Vielzahl von Projekten durch, sondern sprach über einzelne Bedarfsfälle, die den jeweiligen Vertriebsleitern wichtig waren (Beschluss des Bundeskartellamtes vom 05.03.2012, S. 99 f.). Das letzte bilaterale Vertriebsleitertreffen der Beklagten zu 1) mit einem Vertreter der Firma … soll nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes am 23.01.2009 in Ulm stattgefunden haben (Beschluss des Bundeskartellamtes vom 05.03.2012, S. 110). Eine Absprache in Bezug auf die Ausschreibung der Klägerin im Oktober 2009 ist aufgrund des zeitlichen Ablaufs auch insoweit von vorneherein nicht möglich.
Weiter ist zu sehen, dass die Klägerin nach den Angebotsunterlagen, insbesondere Anlage K26, hier auch Drittangebote von nicht kartellbeteiligten Firmen eingeholt hat. Insbesondere das Angebot der nicht kartellbeteiligten Firma … iegt – was den Kombinationspreis Los 1 und Los 2 angelangt – seiner Höhe nach dem Angebot der Beklagten sehr nahe (Angebot Firma … 316.944,52 EUR; Angebot Beklagte zu 1): 316.863,14 EUR).
Zudem wäre angesichts des hier praktizierten Quotenkartells eher zu erwarten gewesen, dass die weiteren Kartellanten zu hoch anbieten, um der Beklagten zu 1) die Erfüllung der vereinbarten Soll-Quote zu ermöglichen. Dies ist aber jedenfalls beim Kombinationspreis Los 1 und Los 2 gerade nicht Fall: Sowohl das Angebot der Firma … mit 316.668,90 EUR als auch das Angebot der Firma … (305.990,31 EUR) liegen unter dem Angebotspreis der Beklagten zu 1) – das Angebot der Firma … mit einer Differenz von 10.872,83 EUR sogar deutlich darunter.
Daher ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände einschließlich der Dauer und Intensität der Kartellabsprachen mangels konkreter Anknüpfungstatsachen keine tatsächliche Vermutung dafür, dass der streitgegenständliche Erwerb von der Quotenabsprache erfasst war.
bb) Neben der Beschreibung der Quotenabsprachen enthält der Bescheid Feststellungen zu einem Informationsaustausch über Marktstatistiken und andere marktrelevante Daten sowie zur Koordination von Preiserhöhungen mit dem Zweck einer Beschränkung des Wettbewerbs. Die Anschaffung des streitgegenständlichen Feuerwehrfahrzeugs von über 7,5 t unterfällt zwar dem sachlichen Anwendungsbereich des Kartellentscheids, datiert jedoch zeitlich nach dem Ende des kartellrechtswidrigen Verhaltens.
Der Anspruch auf Ersatz des Schadens gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB (2005) setzt voraus, dass das kartellrechtswidrige Verhalten, also hier der Informationsaustausch und die Koordinierung von Preisen, zu einer Preiserhöhung geführt hat und dass diese im Nachkartellzeitraum Oktober 2009 fortwirkte. Die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass ein solcher Effekt für den Nachkartellzeitraum hier nicht festgestellt werden kann.
Zwar entspricht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirtschaftlicher Erfahrung, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös der daran beteiligten Unternehmen führt. Treffen Unternehmen trotz der damit einhergehenden erheblichen Risiken solche Absprachen, streite danach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten (BGH NJW 2019, 661, 664 – Schienenkartell, Rn. 55 m.w.N.). Die Zielsetzung von Quoten- und Kundenschutzabsprachen, möglichst umfassende Wirkung zu erzielen, könne darüber hinaus eine tatsächliche Vermutung dafür begründen, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst worden und damit kartellbefangen gewesen seien (BGH NJW 2019, 661, 665 – Schienenkartell, Rn. 61).
Hier fällt der Erwerbsvorgang nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des Kartellentscheids, so dass bereits fraglich ist, ob es vorliegend eine tatsächliche Vermutung überhaupt geben kann. Jedenfalls spricht der Umstand, dass sämtliche Vorgänge um die Beschaffung des Tanklöschfahrzeugs nach dem vom Bundeskartellamt festgestellten Ende des kartellrechtswidrigen Verhaltens im Mai 2009 stattfanden, im Rahmen der notwendigen Gesamtabwägung dagegen. Eine von der Klägerin angenommene „Regelvermutung einer Nachwirkungsdauer von einem Jahr“ lässt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen. Dieser hat es vielmehr in seiner Entscheidung Grauzementkartell II offengelassen, ob die Auffassung zutrifft, die Nachwirkungen eines Kartells entfielen in der Regel erst nach einem Jahr (BGH Urt. vom 12.06.2018 – KZR 56/16, NJW 2018, 2479, 2481, Rn. 6).
Nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände streitet vorliegend keine tatsächliche Vermutung für eine preissteigemde Wirkung des Kartells im Zeitpunkt der Angebotsabgabe durch die Beklagte zu 1) am 25.11.2009 bzw. der Bestellung der Klägerin am 24.02.2010. Eine solche Wirkung ist vielmehr angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles zu verneinen.
Die Beklagte beruft sich auf eine Analyse des Wettbewerbsökonomen … im Auftrag u.a. der kommunalen Spitzenverbände. Diese hat ergeben, dass kartellbedingte Preisüberhöhungen nur für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 23.06.2004 festgestellt werden konnten. Zudem beruft sich die Beklagte auf die mit Schriftsatz vom 07.01.2019 vorelegte Stellungnahme der … vom 20.12.2018 (Anlage B14), wonach (erst recht) für den Zeitraum nach Mai 2009 keine Preisüberhöhung festgestellt werden konnte. Diesem Vortrag ist die Klagepartei nicht substantiiert entgegengetreten. Zwar hat sie ihrerseits ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines Preisüberhöhungseffektes angeboten. Dieses Bestreiten ist jedoch ausnahmsweise im Einzelfall angesichts des Umstandes, dass das „…-Gutachten“ – wie der Klägerin etwa auf Grund des Schreibens des Deutschen Städte- und Gemeindetages vom 26.11.2012 (Anlage K 11) bekannt war – sowohl von Seiten der kommunalen Spitzenverbände – also der Spitzenverbände der Geschädigten – als auch von Seiten der Kartellanten, einschließlich der Beklagten zu 1), beauftragt worden ist, nicht ausreichend substantiiert, sondern als Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich.
3. Fahrzeug …
Ein Schadensersatzanspruch besteht schließlich auch nicht im Hinblick auf die Anschaffung des Drehleiterfahrzeugs …. Schadensersatzansprüche sind insoweit verjährt. Hierauf haben sich die Beklagten berufen.
Die 3-jährige, kenntnisabhängige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB begann mit Schluss des Jahres 2012. Die Klägerin hatte mit Zugang des Schreibens des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vom 26.11.2012 (Anlage K11) zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners auch in Bezug auf das Drehleiterkartell. Grobe Fahrlässigkeit liegt dabei dann vor, wenn der Geschädigte, der sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte, die auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit nicht ausnutzt (Ellenberger, Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 199 Rn. 40 m.w.N.)
Dies ist vorliegend der Fall: Im Schreiben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vom 26.11.2012 (Anlage K11) wird unter Ziff. 5 „Drehleitern“ ausgeführt: „Gleichzeitig wurde, [sic!] über einen Regulierungsweg für im Rahmen des Drehleiterkartells entstandene Preisüberhöhung gesprochen. Dort steht man allerdings erst am Anfang.“ Die Klägerin konnte dieser Passage ohne weiteres entnehmen, dass es ein Drehleiterkartell gegeben hat und hierdurch Preisüberhöhungen entstanden sind. Es spricht daher viel dafür, dass die Klägerin hierdurch bereits Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. Die Passage gab zudem zumindest Anlass, konkretere Informationen einzuholen und sich damit – wenn diese nicht bereits aufgrund der im Schreiben vom 26.11.2012 in Bezug genommenen vorangegangenen Information vom 07.11.2012 ohnehin bereits enthalten war – auch die noch ausstehende erforderliche Kenntnis über die Person des Schuldners in Bezug auf das Drehleiterkartell zu verschaffen. Es hätte auf der Hand gelegen, sich etwa im Internet über das Drehleiterkartell zu informieren. Dort wäre etwa der Fallbericht „Kartellverfahren gegen Hersteller von Feuerwehrdrehleiterfahrzeugen“ des Bundeskartellamtes vom 29. Juli 2011 (Anlage B17) ohne weiteres verfügbar gewesen. Darin sind u.a. auch die Person des Schuldners sowie die Dauer des Kartellverstoßes genannt. Zudem hätte die Klägerin ohne nennenswerte Mühe die im Schreiben vom 26.11.2012 angebotene Rückfragemöglichkeit beim Deutschen Städte- und Gemeindebund nutzen können, um sich die notwendige Kenntnis zu verschaffen. Dass der Klageseite nach ihrem Vortrag nicht bekannt war, dass auch die „Nachwirkungen des Kartells mit zu erfassen“ seien, ist unerheblich. Im Rahmen der Beurteilung des Verjährungsbeginns kommt es nicht darauf an, dass der Gläubiger den Vorgang (nach seiner Auffassung) rechtlich zutreffend beurteilt (Ellenberger, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.).
Da das Kartell-Bußgeldverfahren im Hinblick auf das Dreheiterkartell im Juli 2011 bestandskräftig abgeschlossen war, greift hier der Hemmungstatbestand des § 33 Abs. 5 GWB (2007) nicht. Verjährung trat damit am 31.12.2015 ein. Da der Anspruch am 09.06.2017 folglich verjährt war, gilt gemäß § 186 Abs. 3 Satz 2 GWB (2017) die zuvor geltende dreijährige Verjährungsfrist und nicht § 33 h GWB (2017).
Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
C)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 2 ZPO.


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