IT- und Medienrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung im Bereich des Rundfunkbeitrags

Aktenzeichen  M 6 E 17.5885

Datum:
13.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4326
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 10 Abs. 5, § 11 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
BayAGRf Art. 7  S. 1
Rundfunkbeitragssatzung BR § 11 Abs. 4
ZPO § 788 Abs. 1 S. 1
VwZVG Art. 19, Art. 21 S. 1, Art. 23

 

Leitsatz

1 Sofern mehrere Rechtsbehelfe in Betracht kommen, darf das Gericht nicht die Auslegung wählen, die zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs führt, wenn auch eine Auslegung möglich wäre, dass zumindest ein zulässiger Rechtsbehelf ergriffen worden ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz der Regelung des § 11 Abs. 4 Rundfunkbeitragssatzung BR, wonach die der Rundfunkanstalt entstandenen Kosten zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden, ist davon auszugehen, dass daneben die Möglichkeit besteht, die Kosten der Vollstreckung auch unmittelbar beizutreiben.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 146,99 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragseller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die zwangsweise Beitreibung von Rundfunkbeiträgen.
Der Antragsgegner setzte gegen den Antragsteller mit folgenden Bescheiden rückständige Rundfunkbeiträge zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt EUR 569,69 fest:
– mit Gebühren-/Beitragsbescheid vom 4. Juli 2014 für den Zeitraum … Januar 2013 bis … März 2014,
– mit Festsetzungsbescheid vom 1. Dezember 2014 für den Zeitraum … April 2014 bis … September 2014,
– mit Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2015 für den Zeitraum … Oktober 2014 bis … Dezember 2014 und
– mit Festsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2015 für den Zeitraum … Januar 2015 bis … Juni 2015.
Mit Schreiben vom … November 2014, … Mai 2015 und … Juli 2017 wurde der Antragsteller in Bezug auf diese Forderungen gemahnt.
Die gegen die Bescheide vom 4. Juli 2014, 1. Dezember 2014 und 1. Juni 2015 jeweils erhobenen Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2015 zurück. Zugleich lehnte er die jeweils gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Juni 2016 abgewiesen (M 6 K 15.4431). Den Antrag auf Zulassung der Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Mai 2017 zurück (7 ZB 16.1823). Sowohl Klage als auch Antrag auf Zulassung der Berufung hatte der Antragsteller im Wesentlichen damit begründet, dass die Erhebung von Rundfunkbeiträgen rechts-, insbesondere verfassungswidrig sei.
Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2015 und den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bislang noch nicht entschieden worden.
Das zunächst an das Amtsgericht München gerichtete Vollstreckungsersuchen vom 2. Oktober 2015, mit dem die Vollstreckung aus den Bescheiden vom 4. Juli 2014 und 1. Dezember 2014 betrieben wurde, nahm der Antragsgegner unter dem 12. Oktober 2015 angesichts des seinerzeit anhängigen Gerichtsverfahrens ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einstweilen zurück. Hierauf stellte der Gerichtsvollzieher das Vollstreckungsverfahren ein und stellte dem Antragsgegner Kosten in Höhe von 18,00 in Rechnung.
Mit Schreiben vom … Juli 2017 mahnte der Antragsteller beim Antragsgegner eine Entscheidung über seinen Widerspruch sowie den Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO an. Zugleich wandte er sich gegen die in der Fälligkeitsmitteilung des Antragsgegners vom 7. Juli 2017 geltend gemachten „Kosten für Vollstreckungsersuchen“ in Höhe von EUR 18,00. Das Vollstreckungsersuchen sei zu Unrecht erfolgt und daher vom Antragsgegner auch zurückgenommen worden.
Nachdem der Antragsteller weiterhin keine Zahlungen leistete, wandte sich der Antragsgegner mit Vollstreckungsersuchen vom 1. September 2017 unter Beifügung eines Ausstandsverzeichnisses erneut an das Amtsgericht München und bat um zwangsweise Beitreibung der Forderung in Höhe von EUR 569,96 aus den Bescheiden vom 4. Juli 2014, 1. Dezember 2014, 1. Juni 2015 und 2. Oktober 2015 sowie eines Betrags in Höhe von EUR 18,00 für nicht beigetriebene Kosten aus der Vollstreckung des Ersuchen vom 2. Oktober 2015, insgesamt also von EUR 587,96.
Auf die vom Antragsteller hiergegen geltend gemachten Einwendungen hin hob der Obergerichtsvollzieher […] beim Amtsgericht München den zunächst auf den 24. Oktober 2017 bestimmten Termin zur Vermögensabgabe auf. Unter dem 12. Dezember 2017 teilte er dem Antragsteller mit, dass das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft auf Wunsch des Antragsgegners ungeachtet der erhobenen Verfassungsbeschwerde fortgesetzt werden solle.
Am … Dezember 2017 ging beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein als „Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß Art. 22 VwZVG i.V.m. § 123 VwGO“ bezeichneter Schriftsatz des Antragstellers vom „19.“ Dezember 2017 ein, mit dem dieser beantragte,
die laufende Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 1. September 2017 zur Abgabe der Vermögensauskunft über Herrn Obergerichtsvollzieher […] vorläufig einzustellen,
hilfsweise die laufende Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 1. September 2017 zur Abgabe der Vermögensauskunft über Herrn Obergerichtsvollzieher […] vorläufig einzustellen mit der Maßgabe, dass der Antragsteller Sicherheitsleistung über den Forderungsbetrag erbringen kann.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei seit dem … Juni 2017 Beschwerdeführer in einem Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend den privaten Rundfunkbeitrag. Um eine drohende Vollstreckung bis zum Abschluss der Hauptsache abzuwenden, habe er beim Antragsgegner und jetzigen Vollstreckungsgläubiger einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt, über den bis heute nicht entschieden sei. Der Antragsgegner zeige sich „uneinsichtig“ und beharre auf der Fortführung des Vollstreckungsverfahrens. Dieses Vorgehen sei angesichts des Umstandes, dass das Bundesverfassungsgericht die Erhebung von Rundfunkbeiträgen aktuell einer kompletten Überprüfung unterziehe rechtsmissbräuchlich und unverhältnismäßig.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 hörte das Gericht die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht München an.
Der Antragsteller wandte sich unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2012 (6 CE 12.458) gegen eine Verweisung an das Amtsgericht. Einwendungen gegen die Vollstreckung aus einem Leistungsbescheid, die den zu vollstreckenden Hauptanspruch und die im Vollstreckungsverfahren erhobenen Nebenansprüche betreffen, seien nach erfolgloser Geltendmachung bei der Anordnungsbehörde auf dem Verwaltungsrechtsweg durch eine Verpflichtungsklage weiter zu verfolgen. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei demnach ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft.
Der Antragsgegner legte am 11. und 19. Januar 2018 die Akten vor und beantragte unter dem 27. Februar 2018,
den Antrag abzulehnen.
Eine Begründung erfolgte bislang nicht.
Mit Beschluss vom 28. Februar 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte im Verfahren M 6 K 15.4431 und im vorliegenden Verfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg.
1.1 Soweit der Antragsteller die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den dem Vollstreckungsersuchen vom 1. September 2017 zugrundeliegenden Bescheiden vom 4. Juli 2014, 1. Dezember 2014 und 1. Juni 2015 begehrt, ist sein Antrag entsprechend dem Wortlaut der Antragsschrift als solcher nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zu verstehen. Der so verstandene Antrag bleibt erfolglos.
1.1.1 Das Gericht hat auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (§ 86 Abs. 3, § 88 i.V.m. § 122 VwGO). Sofern mehrere mögliche Rechtsbehelfe in Betracht kommen, darf das Gericht folglich nicht diejenige Auslegung wählen, die zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs führt, wenn eine Auslegung auch derart möglich wäre, dass zumindest ein zulässiger Rechtsbehelf ergriffen worden ist. Soweit der Antragsteller die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den o.g. drei Bescheiden begehrt, kommt hier nur eine Auslegung als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht.
Eine Umdeutung in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO scheitert bereits daran, dass ein solcher Antrag unzulässig wäre. Denn die genannten drei Bescheide sind bereits bestandskräftig geworden, so dass es für den an sich vorrangigen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO) am Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Daran ändert auch die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nichts, da diese die bereits eingetretene Bestandskraft der Bescheide nicht durchbricht.
Auch eine Auslegung als Rechtsbehelf gegen die Maßnahmen des Gerichtsvollziehers kommt hier nicht in Frage. Nachdem der Antragsteller, ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt, sich gegen die vom Gericht zunächst in Betracht gezogene Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Zivilgericht ausgesprochen und damit zu erkennen gegeben hat, dass er seinen Antrag nicht als Einwendung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung – für die der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben wäre (vgl. Art. 26 Abs. 7 Satz 2, Art. 27 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG), sondern als Einwendung gegen den zu vollstreckenden Anspruch verstanden wissen will, kann der gestellte Antrag – ungeachtet seiner Erfolglosigkeit (vgl. dazu sogleich) – lediglich als solcher nach § 123 VwGO verstanden werden. Auf die Frage, ob sich der vom Antragsteller genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2012 (6 CE 12.458 – juris) entnehmen lässt, dass Einwendungen gegen die Vollstreckung aus einem Leistungsbescheid, die den zu vollstreckenden (Haupt-)Anspruch und die im Vollstreckungsverfahren geltend gemachten Nebenansprüche (wie Säumniszuschläge, Mahngebühren) betreffen, nach erfolgloser Geltendmachung bei der Anordnungsbehörde (Art. 21 VwZVG) stets auf dem Verwaltungsrechtsweg durch eine Verpflichtungsklage – im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch einen Antrag nach § 123 VwGO – geltend zu machen sind, oder ob in dem der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Fall eine anderweitige Auslegung schon deshalb nicht in Betracht kam, weil der Antragsgegner nur eine Mahnung übersandt und noch keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hatte (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 6 C 12.458 – juris Rn. 10; B.v. 3.2.2012 – 6 C 12.221 – juris Rn. 4 am Ende), braucht vor diesem Hintergrund nicht zu entschieden werden.
1.1.2 Der Antrag nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1.1.2.1 Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der Antrag schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Wird die Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen materieller, nachträglich entstandener Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch begehrt, hat sich der Betroffen zunächst mit einem entsprechenden Antrag an die Anordnungsbehörde, hier den Antragsgegner, zu wenden (vgl. Art. 21 Satz 1 VwZVG). Einen solchen Antrag hat der Antragsteller jedenfalls nicht ausdrücklich gestellt. Allerdings hat er wegen seiner grundsätzlichen Bedenken gegen den Rundfunkbeitrag nicht nur Widerspruch gegen die streitgegenständlichen Bescheide eingelegt, sondern zugleich gemäß § 80 Abs. 4 VwGO die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Damit hat er dem Antragsgegner jedenfalls zu erkennen gegeben, dass er eine Vollstreckung wegen materieller Einwendungen für unzulässig hält, mögen diese auch nicht nachträglich entstanden sein. Dies hat er mit seinem Schreiben vom … Juli 2017 nochmals bekräftigt und ergänzend eingewandt, dass die Beitreibung des Betrags in Höhe von EUR 18,00 für die Kosten der Vollstreckung aus dem Ersuchen vom 2. Oktober 2015 aus seiner Sicht unbegründet sei.
1.1.2.2 Letztlich kann die Frage der Zulässigkeit des Antrags aber dahingestellt bleiben. Denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragseller hat demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass bzw. welche Nachteile ihm drohen, wenn er die bestandkräftig festgesetzten Rundfunkbeiträge nicht zahlt. Dies gilt umso mehr, als er hilfsweise die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung begehrt, also hierzu offensichtlich in der Lage ist. Aus welchen Gründen er sich dann außerstande sieht, die Rundfunkbeiträge unmittelbar zu zahlen, erschließt sich dem Gericht nicht.
Es fehlt aber auch an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht glaubhaft gemacht.
Nach Art. 7 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Rundfunkstaatsvertrags, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – AGStV Rundf, Jumedsch, Rundfbeitr – werden rückständige Rundfunkbeiträge sowie Zinsen, Kosten und Säumniszuschläge im Vollstreckungsverfahren nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes beigetrieben. Gemäß Art. 19 und 23 VwZVG können Verwaltungsakte, die auf die Leistung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet sind, vollstreckt werden, wenn der Verwaltungsakt entweder unanfechtbar ist oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung entfaltet bzw. die sofortige Vollziehung angeordnet ist, die Verpflichtung zur Zahlung noch nicht erfüllt ist, der zu vollstreckende Verwaltungsakt dem Leistungspflichtigen zugestellt worden ist, die Forderung fällig ist und der Leistungspflichtige gemahnt wurde. Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft (Art. 21 Satz 2 VwZVG).
Im vorliegenden Fall sind alle Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt. Die hier streitgegenständlichen drei Bescheide sind bereits bestandskräftig geworden und damit vollstreckbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass aus Festsetzungsbescheiden des Antragsgegners auch dann vollstreckt werden kann, wenn sie wegen Erhebung von Widerspruch oder Klage noch nicht bestandskräftig geworden sind, da diesen Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zukommt. Sie sind vielmehr kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Der Antragsgegner durfte die Zustellung der der Vollstreckung zugrundeliegenden drei Bescheide durch Zusendung eines einfachen Briefs ersetzen (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 17 VwZVG). Die Rundfunkbeiträge und die Säumniszuschläge waren fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG i.V.m. § 7 Abs. 3 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV, § 9 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 11 Abs. 1 Rundfunkbeitragssatzung). Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom … November 2014, … Mai 2015 und … Juli 2017 zu den Forderungen ergebnislos gemahnt (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG) und die Verpflichtung zur Zahlung ist noch nicht erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Insoweit dürfte auch Einigkeit zwischen den Beteiligten bestehen.
Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen auch hinsichtlich der Betreibung der Vollstreckungskosten in Höhe von EUR 18,00 vor. Beitragsschuldner haben der Rundfunkanstalt die von ihr verauslagten notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu erstatten (§ 11 Abs. 3 RBStV). Insoweit fehlt es zwar an der Zustellung eines Festsetzungs- und damit eines Leistungsbescheids nach Art. 23 Abs. 1 VwZVG (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG) und auch an einer entsprechenden Mahnung (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Dies ist jedoch unschädlich. Gemäß Art. 7 Abs. 1 AGStV Rundf, Jumedsch, Rundfbeitr i.V.m. Art. 26 Abs. 7 Satz 1, Art. 27 Abs. 1 VwZVG, § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO sind die Kosten der Zwangsvollstreckung zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Die Vollstreckungskosten werden an sich systemwidrig ohne einen besonderen Vollstreckungstitel zusammen mit dem zu vollstreckenden Hauptsacheanspruch beigetrieben (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.1998 – 4 C 97.2908 – juris Rn. 6 zur Vollstreckung von Gewerbesteuerschulden). Dem steht auch die Regelung in § 11 Abs. 4 der Rundfunkbeitragssatzung nicht entgegen. Danach werden der Rundfunkanstalt entstandene Kosten zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Es ist davon auszugehen, dass nach dem Willen des Satzungsgebers die Möglichkeit, die Kosten der Vollstreckung zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid festzusetzen, neben die Möglichkeit, die Kosten der Vollstreckung unmittelbar beizutreiben, treten und nicht diese ersetzen sollte. Denn Anhaltspunkte dafür, dass der in § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO enthaltene allgemeine Grundsatz des Vollstreckungsrechts durch § 11 Abs. 4 Rundfunkbeitragssatzung verdrängt werden sollte, sind nicht ersichtlich.
Die Kosten der Vollstreckung waren auch notwendig. Der Antragsgegner hat das erste Vollstreckungsersuchen vom 2. Oktober 2015 ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und nur zu dem Zweck zurückgenommen, um dem Gericht die Möglichkeit der Überprüfung ohne Zeitdruck zu geben. Anhaltspunkte dafür, dass seinerzeit die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stand, wie oben bereits ausgeführt, die noch fehlende Bestandskraft der der Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen vom 2. Oktober 2015 zugrundliegenden Bescheide vom 4. Juli 2014 und 1. Dezember 2014 der Vollstreckung nicht entgegen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Soweit der Antragsteller grundsätzliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags erhebt, kann er damit im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden. Denn gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, nur zulässig, wenn sie erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angefochten werden können (Art. 21 Satz 2 VwZVG). Solche Gründe werden – abgesehen von den Einwendungen gegen die Beitreibung der Vollstreckungskosten – vom Antragsteller nicht geltend gemacht. Soweit er die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Rundfunkbeiträgen in Zweifel zieht, sind dies keine nach Erlass der Festsetzungsbescheide entstandenen Gründe. Derartige Einwendungen sind mit den förmlichen Rechtsbehelfen gegen die der Vollstreckung zugrundeliegenden Bescheide geltend zu machen – wovon der Antragsteller hier Gebrauch gemacht hat – und haben auf die Frage der Einstellung des nachfolgenden Vollstreckungsverfahrens – ungeachtet der vom Antragsteller zwischenzeitlich erhobenen Verfassungsbeschwerde – keinen Einfluss mehr. Im Übrigen sieht das Gericht die Rechtmäßigkeit der dem Vollstreckungsersuchen zugrundeliegenden Bescheide aber auch nicht als zweifelhaft an. Insbesondere teilt es die vom Antragsteller erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht (vgl. dazu auch unten unter 1.2.3).
1.2 Soweit der Antragsteller die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem im Ausstandsverzeichnis aufgeführten Bescheid vom 2. Oktober 2015 begehrt, ist sein ausdrücklich als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gestellter Antrag in einen solchen nach § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten (§ 122, § 88 VwGO). Dieser ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1.2.1 Wie oben bereits ausgeführt, ist die Auslegung möglichst so vorzunehmen, dass der ergriffene Rechtsbehelf jedenfalls zulässig ist. Soweit der Antragsteller sich gegen die Vollstreckung der Forderung aus dem – noch nicht bestandskräftigen – Bescheid vom 2. Oktober 2015 wendet, ist sein Antrag daher in einen solchen nach § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten. Denn statthafte Antragsart ist insoweit allein ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht ein solcher nach § 123 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nämlich dann gegenüber einem solchen nach § 123 VwGO vorrangig und allein statthaft, wenn dem Antragsteller schon mit der Suspendierung des ihn belastenden Verwaltungsakts, also der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gedient ist. Das ist hier der Fall: Würde das Gericht die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs anordnen, entfiele damit eine der Voraussetzungen für die Vollstreckung (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
1.2.2 Der in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO umgedeutete Antrag ist auch zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil in der Hauptsache noch keine Bestandskraft eingetreten ist.
1.2.3 Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn dies – wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – gesetzlich angeordnet ist.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
Dabei ist jedoch im Falle von öffentlichen Abgaben und Kosten die gesetzliche Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, nach der die Aussetzung der Vollziehung (nur) erfolgen soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben –oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich der streitgegenständliche Bescheid des Antragsgegners vom 2. Oktober 2015 nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Zur Begründung wird insoweit auf die Ausführungen im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgericht München vom 20. Juni 2016 im Verfahren M 6 K 15.4431 sowie im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Mai 2017 im Verfahren 7 ZB 16.1823 verwiesen, denen sich das erkennende Gericht anschließt. Der Rundfunkbeitrag begegnet danach keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. (Neue) Gründe, die ein hiervon abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Rundfunkbeitrag derzeit einer verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen wird, genügt hierfür nicht.
2. Auch der Hilfsantrag, über den angesichts der Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu entscheiden ist, bleibt erfolglos. Auch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Sicherheitsleistung (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 921 ZPO bzw. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO) fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch bzw. an überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich § 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG i.V.m. den Empfehlungen in der Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).


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