IT- und Medienrecht

Werbung für Arzneimittel mit der Aussage “enthält einen aktiven Arzneistoff”

Aktenzeichen  1 HK O 9179/17

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 163
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HWG § 3
UWG § 5, § 8 Abs. 4
ZPO § 91a

 

Leitsatz

1 Die Häufigkeit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist dann kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch, wenn es sich bei dem Anspruchssteller um ein am Markt aktives Unternehmen handelt, dass eine Vielzahl von Produkten anbietet. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Aussage “enthält einen aktiven Arzneistoff” ist irreführend iSv § 3 HWG, da dies bei einem Arzneimittel eine Selbstverständlichkeit ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer,
zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr
für das Mittel „Neradin-Tabletten“ zu werben:
1.1 „wirksame Hilfe durch aktiven Arzneistoff“
1.3 „Neradin enthält einen aktiven Arzneistoff, der sich als wirksam bei Potenzproblemen erwiesen hat“
jeweils wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift „prisma“ Nr. 19/2017, Ausgabe vom 13.5.2017, auf Seite 6 geschehen (Anlage K3).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.07.2017 zu zahlen
3. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 1/7, die Beklagte 6/7.
4. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1.1 und 1.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 4.000 €, im übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage war begründet, soweit sie nicht mit Zustimmung der Beklagten für erledigt erklärt wurde. Soweit aufgrund der Teil – Erledigterklärungen nur noch über die Kosten zu des Verfahrens gemäß § 91 a ZPO zu entscheiden war, hat diese teilweise der Kläger zu tragen, da die Klage insoweit von Anfang an unzulässig bzw. unbegründet war.
Kein Rechtsmissbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG
Die Abmahnungen und die Einleitung gerichtlicher Verfahren des Klägers gegen die Beklagte sind nicht von sachfremden Erwägungen im Sinne des § 8 Abs. UWG getragen. Gerichtsbekannt greift der Kläger nicht nur die Beklagte, sondern auch andere Firmen und Personen wegen der Werbung mit homöopathischen Arzneimitteln und Verfahren an. Das Ziel, solchen Arzneimitteln und Verfahren den wirtschaftlichen Boden wegen behaupteter Wirkungslosigkeit und damit wegen Irreführung zu entziehen, ist grundsätzlich ein legitimes rechtliches Ziel für einen Verbraucherschutzverband wie dem Kläger. Ob er angesichts der arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren damit durchdringen kann, kann in den jeweiligen Zivilverfahren geprüft werden, macht die Abmahnungen und die Klagen aber für sich genommen nicht rechtsmissbräuchlich.
Auch die Quantität der Verfahren, mit denen speziell die Beklagte überzogen wird, ist zwar auffallend, aber nicht per se rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte ein aktives Unternehmen mit einer Vielzahl von homöopathischen Arzneimitteln ist und auch aktiv Werbung betreibt. Deshalb können auch möglicherweise Verstöße gegen das HWG, wie der Kläger behauptet, in einer Vielzahl von Fällen vorhanden sein. Die Beklagte hat auch nichts dazu dargelegt, dass die Anzahl der Abmahnungen und gerichtlichen Verfahren sie eine wirtschaftliche Krise führen könnte, dass also das Vorgehen des Klägers die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz zum Ziel habe und damit wettbewerbsfremd sein könnte. Gegen die behauptete Doppelverfolgung kann die Beklagte ohne weiteres im Rahmen der zivilrechtlichen Verfahren vorgehen.
Zu den einzelnen nicht erledigten Klageanträgen:
1.1. und 1.3. „wirksame Hilfe durch aktiven Arzneistoff“ (Neradin):
Die Behauptung einer „wirksamen Hilfe“ ist durch das zugelassene Anwendungsgebiet „sexuelle Schwäche“ gedeckt. In der konkreten Werbung bewirbt die Beklagte die Wirksamkeit bei „Erektionsstörungen“. Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise dieser Werbung, nämlich den allgemeinen Verbrauchern, gehören Erektionsstörungen zur sexuellen Schwäche, mögen auch unterschiedliche Ursachen für dieses Symptom dafür vorliegen. Die Beklagte bewirbt nicht die Beseitigung der Ursachen, sondern des Symptoms. Da das Arzneimittel eben dafür zugelassen ist, darf es auch als „wirksam“ beworben werden.
Die Aussage „durch aktiven Arzneistoff“ bzw. „enthält einen aktiven Arzneistoff“ ist jedoch irreführend im Sinne des § 3 HWG. Für die angesprochenen Verkehrskreise, die weder Pharmazeuten noch Ärzte sind, erschließt sich nicht, dass damit der arzneimittelrechtlich Wirkstoff benannt werden soll, nämlich „Turnera diffusa“. Dies wäre auch nur die Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, nämlich dass das Arzneimittel einen aktiven Wirkstoff enthält – was es als Arzneimittel enthalten muss nach AMG. Die konkrete Bewerbung benennt nicht nur den aktiven Wirkstoff nach AMG (z.B. formuliert wie „enthält Turnera diffusa“), sondern wirbt über die bloße Information hinausgehend mit einem nicht benannten „aktiven Arzneistoff“, der wirksame Hilfe vermittelt. Damit wird den Verbrauchern suggeriert, dass ein starker Wirkstoff enthalten ist, nicht jedoch eine Verdünnung von 1:10.000 (D4). Mit „aktiver Arzneistoff“ wird daher ein „Mehr“ beworben als eine homöopathische Verdünnung.
Kosten der für erledigt erklärten Klageanträge
Zu 1.2. wissenschaftlich geprüft“ (Neradin):
Die Abgabe der Unterlassungserklärung im Termin vom 07.08.2017 im Parallelverfahren 4 HK O 9255/17, die von dem Kläger auch angenommen wurde, stellt ein erledigendes Ereignis im Sinne des § 91 a ZPO dar. Die hiesige Klage vom 21.06.2017 wurde der Beklagten am 28.07.2017 zugestellt. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens insoweit zu tragen.
Der hiesige Klageantrag 1.2. war ursprünglich zulässig. Die Werbeaussage „wissenschaftlich geprüft“ war zwar Gegenstand des Verfügungsverfahrens 4 HK O 9255/17, das am 26. Juni 2017 eingereicht wurde. Da es sich jedoch bei dem Verfahren 4 HK O 9255/17 um ein Verfügungsverfahren handelte (und damit nur um vorläufigen Rechtsschutz ging) und das hiesige Verfahren ein Hauptsacheverfahren ist, liegt keine doppelte Rechtshängigkeit vor.
Er war auch begründet, da es unstreitig keine „wissenschaftliche“ Prüfung der Wirksamkeit gibt, sondern lediglich ein Zulassungsverfahren nach den §§ 21, 25 AMG, das auf homöopathischen Monographien beruht, die nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Evidenz geprüft wurden. Die Aussage war daher ursprünglich irreführend im Sinne des § 5 UWG.
Zu 1.4. „für Millionen Betroffene …“ (Neradin):
Die dort abgegebenen Unterlassungserklärung vom 07.08.2017 ist ein erledigendes Ereignis im Sinne des § 91 a ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die ursprüngliche Klage war im hiesigen Verfahren zulässig. Hier liegt ebenfalls keine doppelte Rechtshängigkeit zu dem Verfügungsverfahren 4 HK O 9255/17 vor (siehe oben zu 1.2).
Die ursprüngliche Klage war begründet. Im Vergleich zum Anwendungsgebiet „bei sexueller Schwäche“ ist die beworbene Wirkungsaussage „für Millionen Betroffene die lang ersehnte Lösung“ ein weit übertriebene Wirkungsaussage. Unter „Lösung“ verstehen die angesprochenen Verkehrskreise auch die Bekämpfung der Ursache, nicht nur der Symptome einer Erektionsstörung. Auch die Behauptung, dass „Millionen Betroffene“ hier die Lösung finden könnten, ist eine weit übertriebene Aussage ins Blaue hinein ohne tatsächlichen Hintergrund. Es handelt sich damit um eine irreführende Aussage gemäß den §§ 5 UWG, 3 HWG.
Zu 2.1. „wenn Arthrose zur Qual wird, kann dieses Arzneimittel effektiv helfen“ (Rubax):
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da die Klage bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung zulässig und begründet war. Die Unterlassungserklärung vom 8. September 2017 wurde vom Kläger angenommen. Sie stellt daher ein erledigendes Ereignis nach Klageerhebung im Sinne des § 91 a ZPO dar.
Die ursprüngliche Klage war begründet. Die Rubax Tropfen sind zugelassen für das Anwendungsgebiet „bei rheumatischen Schmerzen in Knochen, Knochenhaut …“ Die beanstandete Werbung beschränkt sich jedoch nicht nur auf eine Wirkung gegen Schmerzen, sondern verspricht allgemein Hilfe gegen die Folgen einer Arthrose. Die Zulassung ist damit eng begrenzt unabhängig von der Frage, ob Arthrose im weiteren Sinn zu Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis gehört. Auch hier kann die Werbeaussage von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden werden, dass nicht nur ein Symptom der Arthrose, nämlich die Schmerzen, effektiv behandelt werden kann, sondern die Arthrose selbst und andere negative Begleiterscheinungen. Die Werbeaussage ist daher täuschend im Sinne des § 3 HWG.
Zu 2.2. „effektive Wirkung gegen Arthrose“ (Rubax):
Hier gilt das zu 2.1. ausgeführte. Die Beklagte hat die Kosten insoweit gemäß § 91 a ZPO zu tragen.
Die Klage war bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung begründet. In dieser Werbeaussage als Überschrift wird überhaupt nicht mehr auf eventuelle Begleiterscheinungen oder Folgen einer Arthrose Bezug genommen, sondern allgemein auf die Wirkung „gegen Arthrose“. Dies kann von einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise so verstanden werden, dass die Arthrose selbst bekämpft würde. Hierfür besteht jedoch keinerlei Zulassung.
Zu 2.3. „mit dem Anwendungsgebiet Arthrose“ (Rubax):
Nach der übereinstimmenden Erledigterklärung im Termin vom 24.10.2017 war nur noch über die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu entscheiden unabhängig davon, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Der Kläger hat die Kosten insoweit zu tragen, da dieser Klageantrag von Anfang an unbegründet war, da die Beklagte nicht isoliert für das Anwendungsgebiet „Arthrose“ geworben hat, etwa in dem Sinn, dass das Mittel für das Anwendungsgebiet „Arthrose“ zugelassen sei. Der Begriff „Arthrose“ findet sich nur im Zusammenhang mit einer behaupteten Wirkung.
Kostenerstattungsanspruch
Der Anspruch beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG für die Abmahnung vom 29. Mai 2017. Der Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 178,50 € (pauschalierte Kosten der Abmahnung) wurde der Höhe nach nicht bestritten. Zinsen: §§ 288, 291 BGB.
Kosten des Verfahrens: § 91 a ZPO (siehe oben), § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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