IT- und Medienrecht

Werbung, Klagebefugnis, Berufung, Wettbewerbswidrigkeit, Unterlassung, Wettbewerbsrecht, Dienstleistungen, Verschulden, Wiederholungsgefahr, Verkehrskreise, Arbeit, Aufwendungsersatz, Abmahnung, Klage, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, wettbewerbswidriges Verhalten

Aktenzeichen  3 U 1137/21

Datum:
13.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52537
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 HKO 6997/20 2021-04-15 LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. April 2021, Az. 3 HK O 6997/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I.
Die klagende Rechtsanwaltskammer verlangt vom Beklagten, einem ihr angehörenden Rechtsanwalt, die Unterlassung des Gebrauchs der Bezeichnungen „K… & Kollegen“ und/oder „RAe K… & Kollegen“ sowie entsprechender Briefköpfe.
Zur Darstellung des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angegriffenen landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Aufwendungsersatz verurteilt. Die Möglichkeit berufsrechtlicher Maßnahmen durch die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts stehe einer auf Wettbewerbsrecht gestützten Unterlassungsklage nicht entgegen. Der Beklagte sei passiv legitimiert, da er durch die Verwendung des Briefpapiers und sein Auftreten als derzeit einziger Rechtsanwalt der Kanzlei nach außen die inhaltliche Verantwortlichkeit für den Briefkopf übernommen habe. Nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise sei er vermeintlicher Inhaber der Kanzlei, alleiniger Vertragspartner und damit verantwortlich für den Auftritt der Kanzlei. Die angesprochenen Verkehrskreise seien über die Hintergründe der Bezeichnung des Namensgebers K… als Rechtsassessor, im Unterschied zu einem Rechtsanwalt, nicht informiert, sodass sie von einer Berufsausübungsgemeinschaft ausgingen, was wiederum für eine geschäftliche Entscheidung früherer und neuer Kunden der Kanzlei von Bedeutung sein könne. Demgegenüber sei wegen § 59 a BRAO eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einem Rechtsassessor nicht zulässig; gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung bestünden keine Bedenken. Würde Assessor K… lediglich intern an der juristischen Arbeit mitwirken, dürfe er entweder nicht im Briefkopf genannt werden oder müsste klargestellt werden, dass er nicht Teil einer gleichberechtigten Berufsausübungsgemeinschaft ist. Für die Zeit nach dem 16. September 2020 sei der Briefkopf, der Rechtsanwalt L…S… aufführt, ebenfalls irreführend, da dieser zum genannten Zeitpunkt ausgeschieden ist. Ferner seien die Kanzleibezeichnungen „K… & Kollegen“ und „RAe K… & Kollegen“ irreführend, weil der angesprochene Verkehr bei einer derartigen Bezeichnung von mindestens drei Berufsträgern ausgehe, was zwischenzeitlich nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Die Wettbewerbswidrigkeit ergebe sich daraus, dass der Rechtssuchende ein Interesse habe, über die Zahl und die Namen der in der Kanzlei tätige Rechtsanwälte zutreffend informiert zu werden. Der Umstand, dass der Beklagte mittlerweile einen Briefkopf nutzt, in dem der Name von Rechtsanwalt S… gestrichen ist, lasse die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Der geforderte Aufwendungsersatz sei dem Grunde nach wegen § 12 Abs. 1 UWG gerechtfertigt; gegen die Höhe der Forderung habe sich der Beklagte nicht gewandt.
Mit seiner Berufung rügt der Beklagte weiter die Unzulässigkeit der Klage, die sich daraus ergebe, dass es der Klägerin gerade obliegen hätte, ihn in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu beraten und zu belehren. Entgegen § 13 UWG habe die Klägerin den Beklagten auch nicht vorab in gehöriger Form abgemahnt; das ihm abverlangte Versprechen einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 € gehe über die in § 13 a Abs. 3 UWG vorgesehene Höchstgrenze hinaus. Der Beklagte habe den Vortrag der Klägerin im Hinblick auf den Betrieb einer Einzelkanzlei durch ihn, eines Gesellschaftsverhältnis, seines Verhältnisses zu K… K… und dessen Einfluss im einzelnen bestritten. Sein Prozessverhalten sei auch dahin zu verstehen, dass er nicht nur die Echtheit der Urkunde vom 20. März 2020, sondern auch den Vortrag, er habe die Kanzlei Rechtsanwälte K… & Kollegen mit allen Rechten und Pflichten übernommen, bestritten habe. Vielmehr müsse als gerichtsbekannt zugrunde gelegt werden, dass der Beklagte lediglich Angestellter der von K…K… betriebenen Rechtsanwaltskanzlei K… und Kollegen sei. Die Zurückweisung des Gesuchs um Fristverlängerung und Terminsverlegung im Endurteil verletze den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör. Das Landgericht verkenne, dass die Nennung des Kanzleigründers K…K… nicht zum Eindruck führe, es bestehe eine Berufsausübungsgemeinschaft. Es werde vielmehr verkannt, dass ein Rechtsanwalt nicht einem Rechtsassessor gleichzusetzen ist. Verkannt werde auch, dass sich die Mitarbeit von Herrn K… ausschließlich auf das Innenverhältnis beschränke; für das Verhältnis zwischen beiden Personen lasse sich aus dem Briefkopf auch keinerlei Rückschluss ziehen. § 59 a BRAO gestatte durchaus, eine berufliche Zusammenarbeit kund zu geben, soweit nicht der Eindruck einer gemeinschaftlichen Berufsausübung erweckt werde. Jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 30 BORA gegeben. Bereits in 1. Instanz sei mitgeteilt worden, dass der Briefkopf nur für eine Übergangszeit, bis weitere Rechtsanwälte angestellt sind, benutzt werde. Der Briefkopf sei auch objektiv nicht geeignet, Mandanten zu werben, und auch nicht objektiv unzutreffend. Erforderlichenfalls hätten potentielle Mandanten nachzufragen.
Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis berufsständischer Kammern gegen ihre Mitglieder sei höchst- und verfassungsgerichtlich anerkannt. Die Tatsache, dass der Beklagte sich immer noch gegen die Klage verteidigt, belege überdies, dass eine Beratung, Belehrung und Rüge durch die Klägerin nicht gefruchtet hätten. § 13 a Abs. 3 UWG sei weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht anwendbar und würde überdies nicht zur Unzulässigkeit der Klage führen. Das Landgericht habe zutreffend lediglich ein Bestreiten der Echtheit der Urkunde, nicht jedoch dessen Inhalts zugrunde gelegt. Hierauf komme es aber ohnehin nicht an. Selbst eine Angestellteneigenschaft lasse die Verpflichtung eines Rechtsanwalts, gegen wettbewerbswidriges Verhalten seines Arbeitgebers vorzugehen, nicht entfallen. Der Beklagte habe auf den vorangegangenen Schriftsatz der Klägerin ausreichend Zeit zur Erwiderung gehabt; überdies sei das darin enthaltene Vorbringen nicht entscheidungserheblich gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem durchschnittlichen rechtsuchenden Verkehr der Unterschied zwischen Rechtsanwalt und Rechtsassessor bekannt ist; aus diesem Grund bestehe auch kein Anlass für Nachfragen. Auch ein verunglückter Briefkopf könne eine Werbefunktion erfüllen. Die verstrichenen anderthalb Jahre seien als Übergangszeit zu lang, zumal nicht einmal behauptet werde, dass mindestens 2 weitere Rechtsanwälte angestellt werden sollten.
II.
Die Berufung hat zur Überzeugung der Senatsmitglieder keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin kann nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG auch solche Wettbewerbsverstöße verfolgen, die von ihren eigenen Mitgliedern begangen werden.
Rechtsanwaltskammern zählen zu den rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da sie die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern haben (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2001 – I ZR 29/99, GRUR 2002, 727 sub II. 1, zu § 13 UWG a.F.). Eine Einschränkung des Klagerechts auf Ansprüche gegen Dritte besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da das vorgesehene berufsrechtliche Instrumentarium weniger weitreichend ist, insbesondere nicht den Erlass einer Untersagungsverfügung eröffnet, die dann vollstreckt werden könnte (BGH, Urteil vom 25.10.2001 – I ZR 29/99, GRUR 2002, 727 sub II. 1). Soweit die Berufung auf die §§ 113, 114 BRAO verweist, obliegt die Entscheidung über eine Ahndung dem Anwaltsgericht und kann von der Rechtsanwaltskammer nur angeregt werden; überdies sind zivilgerichtliche Maßnahmen regelmäßig weniger einschneidend und belastend als derartige Maßnahmen mit Sanktionscharakter.
Auch aus der Aufgabe zur Belehrung und Beratung ihrer Mitglieder kann der Beklagte vorliegend nichts gegen die Zulässigkeit der Klage ableiten. Der Senat hält zwar für denkbar, dass ein Unterbleiben gebotener vorgerichtlicher Schritte im Rahmen des § 93 ZPO zu berücksichtigen wäre, weil es an einem Anlass zur Klageerhebung fehlen könnte, solange nicht versucht wurde, das Kammermitglied zu überzeugen. Wie die Berufungserwiderung zutreffend darlegt, ist im vorliegenden Fall aber auszuschließen, dass derartige Schritte zu einem Umdenken des Beklagten geführt hätten, zumal selbst die Abmahnungen keinen entsprechenden Erfolg bewirkt haben. Überdies hat der Beklagte nicht die Ansprüche anerkannt.
b) Die Unzulässigkeit der Klage folgt auch nicht aus den Regelungen in § 13 und§ 13 a UWG.
§ 13 UWG begründet für den Gläubiger keine Rechtspflicht, den Schuldner vor der Einleitung des Verfügungs- oder des Hauptsacheverfahrens zu warnen oder zu mahnen; sie stellt auch keine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein anschließendes Verfügungs- oder Klageverfahren dar. Es besteht lediglich eine Obliegenheit des Gläubigers, weil das Unterbleiben der Abmahnung für ihn nachteilige Rechtsfolgen haben kann, insbesondere im Hinblick auf § 93 ZPO (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 13 Rn. 7 f.).
Hieraus folgt zugleich, dass selbst diese (hier nicht relevanten) prozessualen Wirkungen nicht davon abhängen, ob die weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Abmahnung und eines abverlangten Strafversprechens gegeben sind. Richtig ist überdies auch der Hinweis der Klägerin, dass die in § 13 a Abs. 3 UWG vorgesehene betragsmäßige Begrenzung intertemporal nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar wäre.
2. Die von der Klägerin verfolgten Ansprüche sind auch begründet.
a) Der Beklagte ist passiv legitimiert.
aa) Schuldner der wettbewerblichen Unterlassungsansprüche ist gem. § 8 Abs. 1 UWG grundsätzlich der Täter, also derjenige, der die entsprechende geschäftliche Handlung vorgenommen hat, indem er durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand des § 3 oder des § 7 ZPO kausal und zurechenbar verwirklicht (Ohly/Sosnitza/Ohly, 7. Aufl. 2016, UWG § 8 Rn. 115). Unerheblich ist dabei, ob er selbst Inhaber des Unternehmens ist und ob er zugunsten eines eigenen oder fremden Unternehmens gehandelt hat (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 2.4, 2.5a). Auch Mitarbeiter und Beauftragte i.S.v. § 8 Abs. 2 UWG sind daher taugliche Täter eines Wettbewerbsverstoßes (siehe nur HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, 4. Aufl. 2016, UWG § 8 Rn. 365), zumal § 8 Abs. 2 UWG lediglich eine Zurechnungsnorm darstellt, die auf einen anderweitig bestehenden Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch Bezug nimmt (Ohly/Sosnitza/Ohly, 7. Aufl. 2016, UWG § 8 Rn. 143).
bb) Da Unterlassungsansprüche kein Verschulden voraussetzen, sondern nur, dass der in Anspruch genommene den Tatbestand verwirklicht, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob er selbst die maßgebliche Entscheidung getroffen hat oder er hierzu von einer anderen Person angewiesen wurde, und inwieweit es im letztgenannten Fall möglich wäre, sich der Anweisung zu widersetzen. Eine Eingrenzung der Verantwortlichkeit resultiert lediglich daraus, dass der Täter, sofern er nicht aktiv handelt, nur unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens oder Duldens Täter sein kann und ein Unterlassen oder Dulden nur pflichtwidrig ist, wenn eine Erfolgsabwendungspflicht besteht, was voraussetzt, dass die dazu erforderliche Handlung dem Verpflichteten möglich und zumutbar ist. Die Erfolgsabwendungspflicht muss sich auf den drohenden Wettbewerbsverstoß beziehen. Sie kann sich vor allem aus Gesetz, Vertrag, Vertrauen, oder vorangegangenem gefahrbegründenden Tun ergeben (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 2.16, 2.16).
cc) Nach diesen Kriterien ist der Beklagte uneingeschränkt wettbewerbsrechtlich verantwortlich und Passivlegitimierter, wenn er – wie klägerseits vorgetragen – die Kanzlei „K… & Kollegen“ mit allen Rechten und Pflichten übernommen hat.
dd) Aber auch dann, wenn dies nicht der Fall ist und der Beklagte, wie von ihm eingewandt, lediglich Angestellter des Herrn K…K… wäre, der die Kanzlei weiter in eigenem Namen und auf eigene Rechnung betreibt und sämtliche unternehmerischen Entscheidungen trifft, träfe den Beklagten eine Erfolgsabwendungspflicht. Ein Rechtsanwalt, der bei einem selbst nicht postulationsfähigen Kanzleiinhaber angestellt ist, unterscheidet sich im Hinblick auf seine Stellung, sein Wirken gegenüber Mandanten und seine standesrechtliche Verantwortlichkeit ganz erheblich von einem gewöhnlichen Angestellten. Dies zeigt sich u.a. darin, dass § 6 Abs. 3 BORA nicht nur eine eigene unzulässige Werbung, sondern auch die Mitwirkung an der unzulässigen Werbung Dritter verbietet, worin eine gesteigerte Verantwortlichkeit des Rechtsanwalts für den ihn betreffenden Außenauftritt zum Ausdruck kommt. Auch losgelöst von dieser Bestimmung erscheint der Beklagte als einziger Berufsträger der Kanzlei als derjenige, der nicht nur inhaltlich unabhängig die Rechtsberatung erbringt, sondern als derjenige, der für die berufsrechtlich korrekte Ausübung der Tätigkeit (jedenfalls auch) verantwortlich ist. Für den Mandanten erscheint er zumindest als Mitinhaber der Kanzlei und damit Vertragspartner der zu schließenden Anwaltsverträge (worin ebenfalls eine relevante Täuschung i.S.v. § 5 UWG liegen dürfte). Selbst wenn in dem Beschäftigungsvertrag zum Kanzleiinhaber diesem die alleinige und ausschließliche Entscheidungskompetenz u.a. über die Gestaltung der Briefköpfe eingeräumt wäre, wäre diese Regelung alleine aufgrund des zuletzt genannten Umstands unbeachtlich. Der Beklagte hätte daher die rechtliche Möglichkeit, auf eine Änderung, die die rechtliche Situation objektiv zutreffend darstellt, hinzuwirken. Aufgrund der erheblichen Bedeutung des Umstands, wer Kanzleiinhaber ist, und der Verantwortung jedes Rechtsanwalts einer Kanzlei für den Außenauftritt wäre dies auch ohne weiteres zumutbar.
Zutreffend verweist die Klägerin insoweit auf die Entscheidung des Anwaltsgerichts Köln vom 8. Januar 2018, 4 AnwG 40/17 R (GRUR-RR 2018, 283). Dort wurde dem angestellten Rechtsanwalt zugemutet, gegen eine inkorrekte Angabe seiner Fachanwaltsbezeichnung auf dem Anwaltsbriefkopf der Kanzlei vorzugehen. Die vorliegend im Raum stehenden Aspekte sind wesentlich gewichtiger, sodass hier erst recht eine individuelle Pflicht jedes Rechtsanwalts anzunehmen ist, auf eine zutreffende Darstellung hinzuwirken.
ee) Darauf, ob die Angestellteneigenschaft des Beklagten gerichtsbekannt i.S.v. § 291 ZPO ist, kommt es mithin nicht entscheidend an. Der Senat merkt lediglich an, dass sich derartige Verhältnisse ändern können und daher entsprechendes Wissen zur Situation in früheren Zeiträumen nicht ausschließen würde, dass sich im Zeitraum um den 20. März 2020 eine Übernahme ereignet haben kann.
ff) Mangels Entscheidungserheblichkeit kann auch dahinstehen, ob vom Landgericht den Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs in jeder Hinsicht entsprochen wurde, weil sich dies jedenfalls nicht ausgewirkt haben kann.
b) Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, der verwendete Briefbogen „K… & Kollegen Rechtsanwälte“ sei insoweit irreführend, als er eine Berufsausübungsgemeinschaft mit Herrn K…K… suggeriert.
aa) Ansatzpunkt für die Beurteilung, ob eine Irreführungsgefahr besteht, müssen die Vorstellungen und Kenntnisse des durchschnittlichen Adressaten sein. Vorliegend ist daher auf einen typischen Rechtssuchenden abzustellen, der zwar eine Vorstellung von der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ besitzt, aber nicht über nähere Kenntnisse zu akademischen Graden, Bezeichnungen und Tätigkeiten im Bereich der Rechtswissenschaft und Rechtsdienstleistung verfügt.
bb) Für eine solche Person liegt keineswegs auf der Hand, dass Rechtsassessor/Ass. Jur. jede Person ist, die das 2. Juristische Staatsexamen erfolgreich (i.S.v. ausreichend) abgelegt hat, unabhängig davon, ob sie aktuell die weiteren Voraussetzungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen besitzt. Dies gilt umso mehr, als in jüngerer Zeit das Rechtsdienstleistungsrecht liberalisiert wurde und deshalb großzügigere Regelungen geschaffen wurden, ferner, als es auch Personen mit ausländischem juristischen Abschluss in gewissem Umfang möglich ist, in Deutschland solche Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen. Der durchschnittliche Adressat erkennt daher zwar, dass der Rechtsassessor kein Rechtsanwalt ist und daher nicht wie dieser zur uneingeschränkten Vertretung und Beratung auf rechtlichem Gebiet befugt ist, realisiert aber regelmäßig nicht, dass dieser aufgrund Fehlens entsprechender Zulassungen selbst Rechtsdienstleistungen nicht oder allenfalls in sehr eingeschränkten Umfang erbringen dürfte, und auch eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Rechtsanwalt nicht eingehen darf. Ebenso ist ihm nicht bewusst, dass sich sein Tätigwerden allenfalls auf eine unselbstständige Zuarbeit beschränken darf und dies in der „Kanzlei K… & Kollegen“ so gehandhabt wird; immerhin besteht gewöhnlich weder ein Interesse, zu wissen, wer für einen Rechtsanwalt Hilfstätigkeiten entfaltet, noch, solche untergeordneten Zuarbeiter namhaft zu machen. Vielmehr meint der durchschnittliche Adressat, dass die Person, die aussage- und werbeträchtig in einer geschäftlichen Bezeichnung genannt wird, in gewissem Umfang zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten berechtigt ist und auch einen relevanten Einfluss auf die Erbringung der Dienstleistung besitzt.
cc) Nach § 59 a Abs. 1 BRAO dürfen sich Rechtsanwälte (nur) mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. Selbiges gestattet § 59 a Abs. 2 BRAO für Personen mit vergleichbaren Berechtigungen anderer Staaten. Diesen Regelungsgehalt wiederholt § 30 BORA.
Die Regelung des § 59 a BRAO ist grundsätzlich abschließend (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 – AnwZ (Brfg) 3/20, NJW 2020, 3170, Rn. 13). Von Verfassungs wegen ist lediglich eine Einbeziehung von Ärzten oder Apothekern geboten. Auch hieraus kann der Beklagte aber nichts für sich ableiten, zumal die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht nicht in annähernd gleicher Weise gerechtfertigt ist (zu deren Bedeutung vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 = NJW 2016, 700, Rn. 59 ff.; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 – AnwZ (Brfg) 3/20, NJW 2020, 3170, Rn. 21 ff.) und auch Zeugnisverweigerungsrechte nicht bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 = NJW 2016, 700, Rn. 71 ff.).
dd) Hieran knüpft § 8 BORA an, der einen Hinweis auf eine Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung nur gestattet, wenn sie in Sozietät oder in sonstiger Weise mit den in § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung genannten Berufsträgern erfolgt. Dies ist aber nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Beklagten nicht der Fall, weil sich die Tätigkeit von Herrn K… auf eine unvollständige Zuarbeit beschränke (zumal alles darüber Hinausgehende unzulässig wäre).
ee) Der von der Kanzlei „K… & Kollegen“ und auch vom Beklagten verwendete Briefbogen bringt nicht klar zum Ausdruck, dass sich die Tätigkeit des Rechtsassessors K…K… auf untergeordnete und mitwirkende Zuarbeiten wie die Verfassung von Gutachten beschränkt. Insbesondere fehlen Zusätze wie „Of Counsel“ oder „Wissenschaftliche Mitarbeit“, mit denen derartiges gewöhnlich zum Ausdruck gebracht wird. Ein solches Verhältnis könnte vorliegend lediglich aus der Bezeichnung „ass. jur“ gefolgert werden, was aber – wie dargestellt – ein entsprechendes Wissen um die Bedeutung der Bezeichnung und die rechtlichen Zusammenhänge voraussetzt.
ff) Unerheblich ist, ob der Briefkopf aufgrund seines gesamten Erscheinungsbildes eine „überzeugende Anpreisung“ darstellt Entscheidend ist ausschließlich, ob eine hinreichende Irreführungsgefahr besteht, mögen auch einzelne Personen die Zusammenhänge erkennen und negative Schlüsse für sich daraus ziehen. Eine solche Gefahr ist aber aus den oben genannten Gründen gegeben. Da K…K… in der Vergangenheit vielfach mit Expertise und Erfolgen im Bereich der sog. Schrottimmobilien geworben hat, mag der Eindruck, er werde die Sachbearbeitung im Fall einer Mandatierung der Kanzlei „K… & Kollegen“ übernehmen oder jedenfalls erheblich beeinflussen entstehen und den Entschluss des Rechtssuchenden, sich gerade für diese Kanzlei zu entscheiden, beeinflussen.
Auch die erkennbar nachträglich und händisch vorgenommene Streichung des Namens von Rechtsanwalt L… S… ändert daran nichts.
c) Soweit dieser Briefbogen nach dem Ausscheiden von Rechtsanwalt L… S… weiterverwendet wurde, ohne dass dessen Name gestrichen wurde, ergibt sich hieraus einer weiterer irreführender Aspekt, weil das angesprochene Publikum die Gestaltung so verstehen muss, als gehöre die genannte Person noch der Kanzlei an.
Da der Beklagte in der Vergangenheit in wettbewerbswidriger Weise diesen Briefkopf ohne entsprechende Änderung weiterverwendet hat, ist eine Wiederholungsgefahr begründet. Diese wurde nicht ausgeräumt.
d) Ebenso ist die (Kurz)-Bezeichnung „K… & Kollegen“ als solche irreführend.
aa) Die als Überschrift/Kopfzeile der Briefbögen verwendete Bezeichnung „K… & Kollegen“ stellt eine Kurzbezeichnung i.S.v. §§ 9, 10 BORA dar, da sie nur einen Namen und einen auf eine Gemeinschaft hinweisenden Zusatz enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2007 – AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349, Rn. 6 m.w.N.). Wegen § 10 Abs. 2 S. 3 BORA (der freilich als selbstverständlich zugrunde legt, dass die Bezeichnung die wahre Struktur widerspiegelt) wären daher Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter mindestens in einer solchen Zahl auf den Briefbögen namentlich aufgeführt, die der Bezeichnung entspricht. Bei einem Zusatz „& Kollegen“ sind dies mindestens 2 weitere Personen außer der, die durch die Namensbezeichnung gemeint ist (BGH, Beschluss vom 13. August 2007 – AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349, Rn. 7). Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Verwendung der Pluralform, mit der es nicht vereinbar wäre, wenn neben dem namentlich Genannten lediglich eine andere Person involviert wäre.
bb) Zumindest seit dem 16.09.2020 ist in der Kanzlei, für die der Beklagte tätig ist, lediglich noch eine weitere Person, nämlich Ass. Jur. K…, aktiv. Ungeachtet der oben thematisierten Frage ist daher die Bezeichnung als „& Kollegen“ unzutreffend und irreführend, weil selbst bei großzügigster Zählweise eine dritte Person nicht vorhanden ist.
cc) Die behauptete Absicht, einen oder mehrere weitere Rechtsanwälte aufzunehmen, ändert hieran nichts Entscheidendes. Der Senat kann dabei offenlassen, ob eine Verwendung einer solchen Bezeichnung für kurze Übergangszeiten zulässig wäre, wenn der Eintritt eines weiteren Rechtsanwalts bereits konkret feststeht. Für eine solche Situation ist nämlich vorliegend nichts ersichtlich; weder wurde aufgezeigt, welcher Rechtsanwalt wann eintreten sollte, noch liegt ein derartiger Sachverhalt aufgrund des Zeitablaufs seit der ersten Beanstandung und der späteren Klageerhebung nahe.
dd) Auch im Hinblick auf diesen Aspekt ist die wettbewerbliche Relevanz gegeben. Für den Rechtssuchenden ist der Umstand, wie viele Personen rechtsberatend in einer Kanzlei tätig sind, regelmäßig ein relevanter Gesichtspunkt, weil er hiermit eine gesteigerte Expertise, gebündelten Sachverstand oder Spezialisierung verbindet.
e) Mögliche künftige Änderungen im Bereich der §§ 59 a ff. BRAO können die aktuelle Rechtslage noch nicht beeinflussen. Im Verhältnis zu anderen Rechtsanwälten in vergleichbarer Situation, die eine etwaige Änderung abwarten und bis dahin die geltenden Regeln einhalten, würde der Beklagte einen Vorteil erlangen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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