IT- und Medienrecht

Widerruf der Approbation als Apothekerin, Nachquittieren von Rezepten, Verurteilung zu einem Jahr und drei Monaten

Aktenzeichen  AN 4 K 20.02757

Datum:
14.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47768
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BApO § 6 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BApO § 6 Abs. 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A. Der Entzugsbescheid konnte neben der angenommenen Unzuverlässigkeit auch auf die Unwürdigkeit gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO gestützt werden. Dabei ist diese Rechtsgrundlage zunächst als hinreichend bestimmt anzusehen. Die Regelung wird den Anforderungen des grundgesetzlich vorgegebenen Bestimmtheitsgebots gerecht. Zwar handelt es sich beim Begriff der Unwürdigkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, allerdings lassen sich die für die Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkte hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang herleiten. Für die entsprechenden Vorschriften der § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO für die Approbation als Arzt ergibt sich die aus der einem Arzt zukommenden Aufgabe, der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes zu dienen (§ 1 Abs. 1 BÄO), sowie aus seinen berufsrechtlichen Pflichten (vgl. insoweit BVerfG, B.v. 08.09.2017, Az. 1 BvR 1657/17, Rn. 11 – juris). Die Aufgaben eines Apothekers umfassen daneben vergleichbar die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, der Apotheker dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes (§ 1 Satz 1 und 2 BApO). Insoweit ist auch eine unterschiedliche Beurteilung des Approbationsentzugs bei Ärzten und Apothekern nicht angezeigt.
B. Die Voraussetzungen für einen Approbationsentzug wegen Unzuverlässigkeit und wegen Unwürdigkeit liegen vor.
Die Zuständigkeit für den Erlass des Bescheides lag dabei bei der Regierung von …, wie sich aus § 12 Abs. 4 Satz 1 BApO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HeilBZustV ergibt.
Die Klägerin ist auch ordnungsgemäß i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden. Insoweit wurde zwar keine ergänzende Frist nach Akteneinsicht gewährt, die Klägerin hatte sich vor Erlass des Bescheides jedoch mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2020 geäußert. Für den Beklagten war jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides nicht erkennbar, dass noch eine weitergehende Stellungnahme erfolgen würde. Auch dürfte die Zeit zwischen Gewährung der Akteneinsicht und Bescheiderlass als nicht unangemessen kurz anzusehen sein.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO liegen im Fall der Klägerin vor, weil die dem Strafbefehl zugrundeliegenden Tatsachen und sonstigen Ermittlungsergebnisse für die Entscheidung verwertet werden durften (1.), keine Bindungswirkung durch die Entscheidung der Landesapothekerkammer vorliegt (2.), das Verhalten der Klägerin insgesamt damit geeignet ist, die Unzuverlässigkeit (3a.) bzw. Unwürdigkeit (3b.) zur Ausübung des Apothekerberufs zu begründen, kein Anhaltspunkt für eine anderweitige Einschätzung hinsichtlich der Schuldfähigkeit bzw. wegen ihres Nachtatverhaltens (4.) vorliegt und sich der Entzug der Approbation auch nicht als unverhältnismäßig darstellt (5.).
1. Die dem Strafurteil vom 8. Oktober 2019 zugrundeliegenden Tatsachen konnten auch dem vorliegenden Verfahren des Beklagten zugrunde gelegt werden. Daneben konnte der Beklagte auch die weiteren im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse heranziehen. Dies gilt für die eigenständige Überprüfung von gewonnenen Erkenntnissen und Beweismitteln für den Widerruf der Approbation, verpflichtet aber zur kritischen Würdigung und evtl. zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in eigener Zuständigkeit. Hierzu muss der Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu äußern und ihre eigene Sicht – gegebenenfalls unter Beweisangebot – darzulegen (BVerwG, B.v. 28.04.1998, Az. 3 B 174/97, Rn. 4 – juris. Dabei hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens das tatsächliche Vorliegen dieser Tatsachengrundlage in Zweifel gezogen.
2. Der Beklagte war bei der Einschätzung der Unzuverlässigkeit und der Unwürdigkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO nicht an die Würdigung der Bayerischen Landesapothekerkammer gebunden, die mit Schreiben vom 22. Juli 2020 lediglich eine Rüge wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 248a StGB, § 1 Abs. 2, 3 Berufsordnung für Apotheker i.V.m. Art. 59 Abs. 3 und Art. 38 Abs. 1 HKaG) erlassen hatte. Grundsätzlich ist dabei der Ausgang eines berufsrechtlichen Verfahrens schon nicht maßgeblich, da es für das Approbationswiderrufsverfahren keinerlei Bindungswirkung entfaltet (BayVGH, B.v. 09.07.2012 – 21 ZB 11.2997 – Rn. 14 – juris).
Die nach Art. 52 Abs. 1 HKaG eingerichtete Landesapothekerkammer ist nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 17, Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 39 Abs. 1 HKaG für die Einleitung berufsgerichtlicher Verfahren zuständig. Aus der Zielrichtung der in Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Art. 17 HKaG genannten Berufspflichten ergibt sich zwar auch die Anforderung, dem im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Zwar hatte der Vorstand der Bayerischen Landesapothekerkammer im vorliegenden Fall es noch für vertretbar gehalten, von einer Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens abzusehen, war allerdings auch von einer bedenklichen Verletzung der Berufspflichten ausgegangen und hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das der Klägerin vorgeworfene Verhalten nach dem Verständnis des Berufsstandes als berufsunwürdig angesehen werde.
Damit kann insbesondere nicht der Schluss gezogen werden, die Apothekerschaft sehe das Verhalten der Klägerin als nicht relevant für das Ansehen des Berufsstandes an.
3. Die Klägerin ist auch als unzuverlässig (a) und unwürdig (b) zur Ausübung des Apothekerberufs im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO anzusehen.
(a) Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergibt sich daraus, dass unter Berücksichtigung des vergangenen bestraften Verhaltens der Klägerin in Art und Schwere, sowie ihrer Einlassungen im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren eine negative Prognose gerechtfertigt ist. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist daher die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unzuverlässigkeit erfüllen (BVerwG, U.v. 26.09.2002 – 3 C 37/01 – NJW 2003, 913 (915)) Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit ist erfüllt, wenn eine Apothekerin nicht mehr die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung ihres Berufs bietet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Apothekerin werde entsprechend ihrem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten (BayVGH, U.v. 15.02.2000 – 21 B 96.1637 – Rn. 24 – juris).
Damit kommt es auf eine Zukunftsprognose an, die anzustellende Prognose ist jedoch nicht darauf beschränkt, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, die Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen. Es ist dabei keinesfalls ausgeschlossen, dass beispielsweise Handlungen, die auf einen übersteigerten Erwerbssinn schließen lassen, wie dies bei Abrechnungsbetrug der Fall sein kann, nicht nur die Erwartung rechtfertigen können, auch das zukünftige Verhalten der Apothekerin könnte von solchem falschen Gewinnstreben beeinflusst und gekennzeichnet sein und sich in ähnlichen Vermögensdelikten ausdrücken, sondern auch die begründete Annahme, die insoweit zu Tage getretene Bedenkenlosigkeit könne auch einmünden in vergleichbar schwerwiegende Verstöße gegen ausdrücklich normierte Pflichten, wie beispielsweise die unzulässige Abgabe von Arzneimitteln (BVerwG, a.a.O. (914)).
Bei der Wahrnehmung ihrer beruflichen Aufgaben hat sich eine Apothekerin nicht nur von rechtlichen Bestimmungen, sondern von ihrer Verantwortung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit im Rahmen der Gesundheitsberufe leiten zu lassen. Sie darf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Apothekerberuf nicht dadurch verletzen, dass sie sich von einem unangemessenen Gewinnstreben beherrschen lässt. Der Schutz der Gesundheitsversorgung erfordert nicht nur, dass die Apothekerin keinen Anlass zu Zweifeln an der objektiven Richtigkeit ihrer Tätigkeit bietet. Gerade wegen der besonders vertrauensgeprägten Beziehung zwischen Apotheker und Patient geht das Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung über den eigentlich pharmazeutisch-fachlichen Bereich deutlich hinaus. Denn die Grundlagen des spezifischen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Apotheker finden sich auch jenseits der bloßen Erfüllung der Berufspflichten, nämlich in der charakterlichen Integrität der Apotheker (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 – 8 LA 78/11 – Rn. 15 – juris unter Verweis auf VGH Mannheim, B.v. 19.04.2006 – 9 S 2317/05 – Rn. 11 – juris).
Zwar betrafen die strafbaren Handlungen der Klägerin nicht den Kernbereich apothekerischer Tätigkeit, weisen aber einen Berufsbezug auf (i.), sind auch nicht als minder schwer zu beurteilen (ii.). Daneben sind die Einlassungen der Klägerin nicht geeignet, die Prognoseentscheidung zu verändern (iii.).
(i.) Die Straftaten sind mit Berufsbezug erfolgt. Auch wenn die unmittelbare Tat durch Einreichen der Rezepte bei der Krankenkasse begangen wurde und derartiges jedem Privatversicherten möglich gewesen wäre, wurde die Einreichung überhaupt erst dadurch ermöglicht, dass die Klägerin – anders als jedermann – die Möglichkeit hatte, durch ihre apothekerische Tätigkeit an die entsprechenden Bescheinigungen zu gelangen, ohne dass sie hierfür tatsächlich die fraglichen Arzneimittel und Medikamente in einer Apotheke erworben hätte. Dabei wurden die späteren Betrugshandlungen erst durch Verstöße gegen berufsrechtliche Vorschriften wie § 17 Abs. 5 und 6 Satz 1 Nr. 4 ApBetrO ermöglicht, weshalb auch nicht mehr von der Betroffenheit lediglich im Randbereich beruflicher Pflichten ausgegangen werden kann (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 – 8 LA 78/11 – Rn. 13 – juris).
(ii.) Der strafrechtlich zugrunde gelegte Vorwurf ist dabei keinesfalls als gering anzusehen. Nach Ansicht des BayVGH ist entscheidend, dass die gravierende strafrechtliche Verfehlung einer Klägerin, die in Ausübung des Apothekerberufs erfolgte und über mehrere Jahre andauerte, nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Apothekers gemeinhin verbunden ist. Ein solches Verhalten stimmt nicht mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen überein, die die Bevölkerung allgemein von einer Apothekerin hat, weshalb selbst eine geringere Verurteilung als im Falle der Klägerin als ausreichend erachtet wurde (vgl. BayVGH, B.v. 09.07.2012 – 21 ZB 11.2997 – Rn. 12 – juris). Nicht erforderlich ist dabei auch, dass der Ansehens- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit konkret eingetreten ist (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 – 8 LA 78/11 – Rn. 16 – juris; BayVGH, B.v. 07.02.2002 – 21 ZS 01.2890 – Rn. 12 – juris). Deshalb kann es auch nicht, wie von der Bevollmächtigten vorgetragen, darauf ankommen, dass regelmäßig in der Bevölkerung eine Bewährungsstrafe als weniger schlimm angesehen werde.
(iii.) Nach Ansicht der Kammer sind auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Motive für die damalige Tatbegehung nicht geeignet, abweichend vom oben Ausgeführten eine positive Prognose zu begründen. Soweit die Klägerin ausführt, sie habe nur aus einer irrationalen und für sie inzwischen objektiv nicht mehr nachvollziehbaren Angst vor einem Rückfall ihres Mannes gehandelt, ist dies schon nicht mit dem späteren Verhalten in Übereinstimmung zu bringen. Obwohl nämlich der von der Klägerin angeblich befürchtete Bedarfsfall nicht eingetreten ist, sind zum gleichen Zeitpunkt allerdings keine entsprechenden finanziellen Reserven mehr vorhanden gewesen, um die Summe sofort zurückzuzahlen. Hätte die Klägerin – wie behauptet – das Geld für einen eventuellen erneuten krankheitsbedingten Ausfall des Ehemannes zur Seite gelegt und angespart, hätte ihr folglich auch die sofortige Rückzahlung möglich sein müssen. Nachdem dies nicht der Fall ist, geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin das Geld jedenfalls überwiegend zu gänzlich anderen Zwecken genutzt hat, womit auch das geschilderte Motiv der Schaffung einer finanziellen Reserve zumindest stark in Zweifel gezogen zu sein scheint. Vielmehr erscheint die Annahme eines übersteigerten Erwerbssinnes – wie von der Beklagten angenommen – als naheliegend.
Darüber hinaus erscheint der Kammer das zuletzt auch in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin angedeutete Verständnis, nicht die Allgemeinheit sei geschädigt worden, sondern nur ein kleiner Teil der privat Versicherten, im höchsten Maße befremdlich und keineswegs geeignet, einen grundlegenden Einstellungswandel nachzuweisen.
(b) Die Klägerin ist auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen. Für die Beurteilung der Unwürdigkeit ist nicht ausschließlich das Verhalten der Apothekerin bei der Betreuung und Beratung von Apothekenkunden im engeren Sinn, d.h. im Kernbereich der Apothekertätigkeit, maßgebend. Der wesentliche Zweck der Regelung über den Widerruf der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit, der den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit legitimiert, liegt darin, ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis der Bevölkerung in die Apothekerschaft sicherzustellen. Im Interesse des Einzelnen und der Volksgesundheit sollen die von der Apothekerschaft betreuten Kunden und Patienten die Gewissheit haben, dass sie sich ohne Skrupel einem Apotheker voll und ganz anvertrauen können; sie sollen nicht durch ein irgend geartetes Misstrauen davon abgehalten werden, rechtzeitig die Hilfe einer Apothekerin in Anspruch zu nehmen. Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn die betreffende Apothekerin keinen Anlass bietet, an ihrer Pharmaziekunde zu zweifeln. Vielmehr wird Untadeligkeit weiter in allen berufsbezogenen Bereichen erwartet (VG Augsburg, U.v. 25.02.2016 – Au 2 K 15.1028 – Rn. 25 – juris, unter Bezugnahme auf korrekte Abrechnungen eines Apothekers mit den Krankenkassen).
Der insoweit vergleichbare Tatbestand der Unwürdigkeit im ärztlichen Bereich ist nur dann zu bejahen, wenn ein Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche, gemeinschädliche oder gegen die Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tiefgreifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. Hierbei müssen die Straftaten nicht unmittelbar im Verhältnis Arzt-Patient angesiedelt sein. Erfasst werden vielmehr darüber hinaus auch alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und ferner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises (VGH Mannheim, B.v. 28.07.2003 – 9 S 1138/03 – Rn. 3 – juris unter Verweis auf B.v. 27.10.1994 – 9 S 1102/92 – NJW 1995, 804; OVG Münster, U.v. 12.11.2002 – 13 A 683/00 – NVBl 2003, 233 und U.v. 15.01.2003 – 13 A 2774/01). Wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage sieht die Kammer keinen Anlass, für den apothekerischen Bereich von anderen Maßstabskonkretisierungen auszugehen.
Erfasst werden mithin alle mit der eigentlichen Tätigkeit als Apothekerin in nahem Zusammenhang stehende Handlungen und darüber hinaus, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, die die Betroffene für den Apothekerberuf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen. Entscheidend hierbei ist, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich beschädigt ist, wenn eine Angehörige dieser Berufsgruppe trotz Begehens eines Delikts sowie einer dadurch bedingten Verurteilung weiter als Apothekerin tätig sein könnte (VG Augsburg, U.v. 25.02.2016 – Au 2 K 15.1028 – Rn. 25 – juris, unter Verweis auf die entsprechende Würdigung bei Ärzten, vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2009 – 21 ZB 09.1589 – Rn. 7 – juris).
Unwürdig ist eine Apothekerin, wenn sie wegen ihres Verhaltens in der Vergangenheit nicht mehr das zur Ausübung ihres Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen genießt und dadurch den Beruf schwer belastet. Das ihr zur Last fallende Fehlverhalten muss so schwerwiegend sein, dass bei Würdigung aller Umstände eine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheint (VG Regensburg, U.v. 10.11.2011 – RN 5 K 10.1804 – Rn. 33 – juris mit Hinweis auf die ständige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. nur: BVerwG, B.v. 14.04.1998 – 3 B 95-97 – NJW 1999, 3425; B.v. 02.11.1992 – 3 B 87/92 – juris; BayVGH U.v. 15.02.2000 – 21 B 96.1637 – Rn. 24 – juris).
Darüber hinaus erstreckt sich regelmäßig das Vertrauen der Bevölkerung auch auf die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen als einem wesentlichen Pfeiler des Gesundheitswesens. Die Gefährdung ihrer finanziellen Basis durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang stellt daher eine schwerwiegende Verletzung der Berufspflichten dar (BVerwG, U.v. 26.09.2002 – 3 C 37/01 – NJW 2003, 913 (914)).
Wenn auch die Klägerin zutreffend darauf verweisen lässt, dass die Vertrauenserwartung der Bevölkerung in die Apothekerschaft und deren ordnungsgemäße Abrechnung mit den Krankenkassen nicht von zentraler Bedeutung sein dürfte, so ist dennoch zu sehen, dass regelmäßig in zulässiger Weise erwartet wird, dass ein nicht-eigennütziges Verhalten der Apothekerin im Vordergrund steht. Der durch die Klägerin insoweit gezeigte überschießende Erwerbssinn erscheint damit trotzdem geeignet, die Bevölkerungserwartung zu beeinträchtigen, da insoweit die Erwartung weniger die außerberufliche Untadeligkeit sein dürfte als die ordnungsgemäße Befolgung der Berufspflichten, zu denen auch gehört, sich beruflich bietende Vorteile nicht auszunutzen. Insoweit kann es schon schlicht nicht darauf ankommen, ob nun die gesetzliche oder die private Krankenversicherung geschädigt wurde.
Ohne Auswirkungen auf die Approbation einer Apothekerin bestünde die Gefahr der Minderung der Wertschätzung des Apothekerstandes in der Gesellschaft und des Vertrauens zwischen Patienten und Apotheker. Schließlich widerspricht ein solches Fehlverhalten auch der Vertrauensstellung, die die Kostenträger des Gesundheitswesens dem Apotheker einräumen. Im Hinblick auf die ungünstige Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und die Bemühungen, diese Kosten zu senken, kommt den Apothekern, wie ausgeführt, eine besondere Vertrauensstellung zu. Das ihnen entgegengebrachte Vertrauen darauf, dass sie nur die verschreibungspflichtigen Mittel abgeben, die auch ärztlich verordnet sind, ist dabei von besonderer Bedeutung (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 – 8 LA 78/11 – Rn. 17 – juris; BVerwG, U.v. 26.09.2002 – 3 C 37/01 – NJW 2003, 913 (914)).
Für die Kammer ist dabei weiterhin relevant, dass die Klägerin noch in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2021 die Auffassung äußerte, sie habe keiner Person, sondern nur einer Institution geschadet. Außerdem habe sie von sich aus vor Kenntnis des Strafverfahrens eine Rückzahlung ausgehandelt und veranlasst.
Diese Einlassung soll den für die Gesamtheit der privat krankenversicherten Menschen entstandenen Schaden unangemessen relativieren und lässt auch immer noch kein wirkliches Unrechtsbewusstsein insoweit erkennen. Darüber hinaus hat sie noch am Vortag der fristlosen Kündigung eine Rechnung quittiert. Damit kann nicht im Ansatz von einer freiwilligen Aufdeckung ausgegangen werden. Vielmehr wird der Eindruck bewirkt, die Klägerin habe sich lediglich vor einem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drohenden Strafverfahren um größtmögliche Schadensminimierung bemüht. Verstärkt wird dieser Eindruck – aber schon nicht mehr entscheidungserheblich – dadurch, dass die Klägerin auch nach Beendigung des vorigen Arbeitsverhältnisses nach entsprechendem Verdacht durch die damalige Chefin nicht nur in einer weiteren Apotheke planmäßig weitermachte, sondern auch noch eine Abfindung in der alten Apotheke annahm.
4. Wegen der unterschiedlichen Maßnahmenrichtung des Strafurteils und des letztlich auch hierauf beruhenden Entzugs der Approbation als Apothekerin kann auch nicht von einem unzulässigem Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung ausgegangen werden (BayVGH, B.v. 09.07.2012 – 21 ZB 11.2997 – Rn. 20 – juris).
5. Schließlich erweist sich der Entzug der Approbation auch nicht als unverhältnismäßig. Auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich erfasster Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 – 8 LA 78/11 – Rn. 20 – juris). Die Erheblichkeit ergibt sich dabei aus dem für die Unzuverlässigkeit und die Unwürdigkeit oben Ausgeführten.
Anders als von der Klägerin angenommen erweist sich der Widerruf der Approbation auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sie als angestellte Apothekerin gegenüber einem Apothekeninhaber schlechter gestellt würde, weil bei diesem die Möglichkeit des Entzugs der Apothekenbetriebserlaubnis in Betracht käme. Das mildere Mittel des Entzugs der Apothekenbetriebserlaubnis kann ausschließlich dann in Betracht kommen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation nicht erfüllt sind, also die Würdigung des inkriminierten Verhaltens des Betroffenen (noch) nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs rechtfertigt (BayVGH, B.v. 09.07.2012 – 21 ZB 11.2997 – Rn. 13 – juris)
D. Die Einziehung der Approbationsurkunde und die Verpflichtung zur Übermittlung der Approbationsurkunde (Ziffer 2.) ergeben sich aus Art. 52 Satz 1 und 2 BayVwVfG. Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 3 des Bescheides vom 3. Dezember 2020) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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