IT- und Medienrecht

Zulässigkeit von E-Mail-Werbung ohne hinreichende Einwilligung

Aktenzeichen  4 HK O 8135/17

Datum:
4.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2018, 1138
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4

 

Leitsatz

1 Der Versand von Werbe-E-Mails an Adressaten, die dazu nicht im Wege des “Optin” ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung erteilt haben, stellt eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. (Rn. 13) (red. LS Dirk Büch)
2 Erstellt ein Kunde ein Kundenkonto, muss die Einwilligung durch eine zusätzliche, vom Erstellen des Kundenkontos getrennte Erklärung abgegeben werden. (Rn. 17) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem ihrer jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr E-Mail-Werbung gegenüber Adressaten zu betreiben, die nicht vorher ausdrücklich mittels einer gesonderten Erklärung im Wege des „Optin” in den Erhalt von E-Mail-Werbung eingewilligt haben, sondern lediglich, wie bei Nutzung der nachfolgend eingelichteten Internetseite geschehen,
1. mangels Enfernen des Hakens in dem Kästchen vor der Erklärung
,, …H Ja, beraten Sie mich per E-Mail zu Produkten von …H, senden Sie mir wertvolle Tipps von Ärzten und Hebammen und aktuelle Rabattaktionen zu zu” bei Erstellen eines Kundenkontos bei der Beklagten keine „Optout”-Erklärung abgegeben haben und/oder
2. trotz des Hinweises
Mit meiner Anmeldung stimme ich den AGB und Datenschutzbestimmungen der …| zu und werde über aktuelle Angebote per E-Mail informiert. Diese Einwilligung kann ich jederzeit widerrufen”, bei der Beklagten ein Kundenkonto erstellt haben, wie geschehen in der angehängten Anlage K 2.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 267,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2017 zu bezahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.000,-, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der zulässigen Klage war in vollem Umfang stattzugeben, da der mit Klageantrag Ziffer I. 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i. V.m. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zusteht. Der Versand von Werbe-E-Mails an Adressaten, die dazu nicht im Wege des Optin’s ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung erteilt haben, stellt eine unzumutbare Belästigung i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hängt die Zulässigkeit von E-Mail-Werbung von der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten ab. Diese liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn der Adressat entweder durch eine zusätzlich Unterschrift oder durch ein individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes, d. h. durch eine sogenannte „Optin“-Erklärung, einwilligt. Muss der potenzielle Adressat hingegen tätig werden, also z. B. ein Kästchen an- oder auskreuzen, um keine E-Mail-Werbung zu erhalten (sogenanntes „Optout“) liegt keine Einwilligung i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG vor (BGH Grur 2008, 1010-Payback).
Die bloße Angabe der E-Mail-Adresse auf der Website des Werbenden reicht hierzu nicht aus (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 7 Rdn. 189).
2. Die Mitarbeiterin der Klägerin, die die Testbestellung durchgeführt hat, hat daher weder durch Stehenlassen des Hakens noch durch Erstellen eines Kundenkontos bei der Beklagten auf der Website gemäß Anlage K 2 eine Einwilligung in die Zusendung von E-Mail-Werbung durch die Beklagte erteilt. Im ersten Fall fehlt es am „Optin“ durch Markieren eines Feldes, da das fragliche Feld bereits markiert war. Im zweiten Fall wurde keine zusätzliche, vom Erstellen des Kundenkontos getrennte Erklärung abgegeben. Hinzu kommt im zweiten Fall, dass die vermeintliche Einwilligungserklärung Teil einer Textpassage mit anderen Hinweisen und Erklärungen ist, nämlich solchen zur Geltung der AGB- und Datenschutzbestimmungen der Beklagten.
Die Beklagte kann sich daher nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG berufen, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 UWG nicht gegeben sind.
Nach der übereinstimmender Erklärung der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2018, wonach das Anlegen des Kundenkontos auf den Screenshot gemäß Anlage K 2 passiert, und die Anmeldung zum Newsletter gemäß Anlage B 2 eine hiervon unabhängige Angelegenheit ist, kann sich die Klägerin auch nicht auf § / Abs. 3 UWG berufen, und zwar unabhängig davon, ob die E-Mail-Werbung nur versendet wird, wenn ein potenzieller Kunde tatsächlich eine Bestellung getätigt hat oder (wie im Fall der Zeugin) auch, wenn der Bestellvorgang abgebrochen wird.
Wie sich aus dem unter Beweis gestellten, nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Klägerseite ergibt, wurde der Zeugin nach Abruf des Bestellvorganges E-Mail-Werbung zugesendet, ohne dass vorher der Newsletter bestellt worden war. Auf eine von Bestellvorgang unabhängige Möglichkeit, den Newsletter auf den Screenshot gemäß Anlage B 2 zu bestellten, kommt es daher nicht an.
Die Mitarbeiterin der Klägerin hat unter Verwendung elektronischer Post E-Mail-Werbung erhalten, ohne dass die Beklagte zuvor im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware von der Kundin dessen elektronische Postadresse erhalten zu haben.
Hinzu kommt, dass die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG auch deshalb nicht greift, weil bei Erhebung der E-Mail-Adresse keine gültige Adresse angegeben wurde, über die der Kunde der Verwendung seiner E-Mail-Adresse hätte widersprechen können.
3. Da die als Anlage K 4 vorgelegte Abmahnung vom 09.02.2017 berechtigt war, hat die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der mit Ziffer II. geltend gemachten und zugesprochenen Abmahnkosten.
Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 ZPO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.


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