IT- und Medienrecht

Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, Veranstaltung der …-Kampagne, Versammlung in geschlossenem Raum

Aktenzeichen  M 7 E 21.3679

Datum:
19.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30616
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21
GG Art. 8
BayIfSMV § 9 Abs. 2 13.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Durchführung der Veranstaltung „…, der Bundestag und das Silencing der Palästina-Solidarität in Deutschland“ mit einem Teilnehmerkreis von insgesamt maximal zehn Personen am 23. Juli 2021 von 17:00 bis 19:00 Uhr den Zugang zu Raum 108 im E. Haus M. … (S.-str. …, M. …) im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten und zu den üblichen Bedingungen durch Einwirkung auf den Trägerkreis E. Haus M. … e.V. zu verschaffen mit der Auflage, dass durch die Antragsteller Folgendes sichergestellt wird:
Die Antragsteller haben durch geeignete Maßnahmen, insbesondere auch die Bestuhlung, sicherzustellen, dass zwischen allen Teilnehmern grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten und jeder Körperkontakt mit anderen Teilnehmern oder Dritten vermieden werden kann.
Alle Teilnehmer tragen durchgängig während der Veranstaltung eine FFP2-Maske oder eine Maske mit mindestens gleichwertigem genormten Standard; hiervon ausgenommen sind die Veranstaltungsleitung während Durchsagen und Redner während Redebeiträgen.
Die Antragsteller haben ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der Antragsgegnerin vorzulegen.
Die Fenster von Raum 108 sind während der Veranstaltung alle 20 Minuten zum Stoßlüften für 5 Minuten zu öffnen.
Die Kontaktdaten der Teilnehmer (jeweils Namen und Vornamen, Anschrift und Telefonnummer oder E-Mail-Adresse) sowie der Zeitraum des Aufenthaltes) sind zu dokumentieren und bis zum 22. August 2021 aufzubewahren sowie auf Verlangen dem Gesundheitsamt der Antragsgegnerin zur Verfügung zu stellen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen die Zulassung zum Raum 108 im E. Haus M. … für die Durchführung einer Veranstaltung mit dem Titel „…“ am 23. Juli 2021 von 17 bis 19 Uhr zu verschaffen.
Mit Fax vom 1. Juli 2021 wandten die Antragsteller sich mit einer Reservierungsanfrage für o.g. Veranstaltung an den Trägerkreis E. Haus M. … e.V. (im Folgenden: Trägerverein). Es wurde mitgeteilt, dass ein Covid-19-konformes Hygienekonzept für die Räumlichkeiten entsprechend den rechtlichen Vorgaben vorliege und um zeitnahe Bestätigung der Raumreservierung gebeten.
Mit Fax ebenfalls vom 1. Juli 2021 beantragten die Antragsteller zudem bei der Stadtverwaltung der Antragsgegnerin die Genehmigung der Veranstaltung unter Verweis auf die beim Trägerverein gestellte Anfrage. Es wurde um Genehmigung des Antrags spätestens bis zum 15. Juli 2021 gebeten.
Mit E-Mail an die Antragsteller vom 8. Juli 2021 wurde von der Geschäftsführung des Trägervereins für die anstehende Besprechung der eingegangenen Raumanfrage durch Vorstand und Geschäftsführung des Trägervereins um Beantwortung der Fragen gebeten, ob 1. der Titel der Veranstaltung so zu verstehen sei, dass u.a. … Teil der Veranstaltung/Diskussion wäre, 2. ob die Veranstaltung öffentlich, also für Publikum offen zugänglich wäre und beworben würde, 3. ob die Veranstaltung als Hybrid-Veranstaltung durchgeführt werden solle.
Hierauf erwiderten die Antragsteller mit E-Mail vom 8. Juli 2021, dass es zutreffend sei, dass es bei der Veranstaltung auch um … gehen werde und wie der Anti- … Beschluss des Bundestags für Repressionen gegen Palästinasolidarische Gruppen und Einzelpersonen zunehmend in ganz Deutschland verwendet würde. Die Veranstaltung werde öffentlich sein und auch beworben. Man könne sowohl an unterschiedlichen Orten in Deutschland (Berlin, Köln, Frankfurt, Freiburg, Stuttgart, Oldenburg) als auch über „Zoom“ an der Veranstaltung teilnehmen.
Hierauf wurde von der Geschäftsführung des Trägervereins mit E-Mail vom 9. Juli 2021 mitgeteilt, dass der Vorstand des Trägervereins beschlossen habe, den Antrag abzulehnen. Der Münchner Stadtratsbeschluss vom Dezember 2017 („gegen jeden Anti…“) lege fest, dass Veranstaltungen, die sich mit den Themen, Inhalten und Zielen von … befassten, in städtisch geförderten Räumen, wie dem E. Haus nicht stattfinden dürften. Bis zur Rücknahme des fragwürdigen Stadtratsbeschlusses werde bedauerlicherweise kein Spielraum für eine andere Entscheidung gesehen. Das bedeute, das Thema „… … …-Solidarität“ werde hier wiederum praktiziert. Man bedauere, keine andere Antwort geben zu können.
Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2021 haben die Antragsteller am selben Tag Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller seien Münchner Bürger. Der Antragsteller zu 1) verklage zusammen mit Frau B. und Herrn G. als palästinensisch-jüdisch-deutsche Initiative den Bundestag wegen des Bundestagsbeschlusses „Antisemitismus entschlossen entgegentreten – … bekämpfen“. Zur Vorstellung der Situation in Israel und Palästina, ihrer Klage und der Unterdrückung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten in Deutschland hätten die drei Personen vor, in M. … eine Veranstaltung mit dem antragsgemäßen Titel durchzuführen. Die Antragsgegnerin sei hundertprozentige Eigentümerin der Immobilie in der S.-str. …, M. …, die vom Trägerverein betrieben werde, und Hauptfinanzierer des Vereins. Die Antragsgegnerin überlasse die Immobilie kostenfrei an den Trägerverein. Ein Nutzungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Trägerverein regele den Nutzungszweck. Der Nutzungsvertrag sei nicht öffentlich einsehbar. Auf der Website des E. Haus finde sich die Satzung des Vereins und das Konzept des E. Haus, das mit den Zielen der Veranstaltung der Antragsteller vereinbar sei. Dort heiße es: „Im E. Haus wird das friedliche und solidarische Miteinander zwischen Menschen aller Kulturen gefördert und gelebt. Das E. Haus gibt Impulse für vielfältige Aktivitäten und vernetzt Projekte in den Bereichen Migration, internationale und interkulturelle Solidarität, entwicklungspolitische Bildung, Kultur, Politik, Ökologie und Soziales. Das E. Haus ist ein internationales und interkulturelles Begegnungszentrum, ein Treffpunkt für mit internationalen Fragen befasste Gruppen, ein Informations- und Beratungszentrum, eine Kontaktstelle, ein Raum für Seminare und Bildungsangebote, eine Anlaufstelle für Flüchtlinge in M. …, ein Treffpunkt aller Generationen bei internationalem Essen, Trinken und Festen, ein Beitrag zur Verwirklichung der lokalen Agenda 21 und der Leitziele der Stadtplanung für interkulturelles Zusammenleben, selbstverwaltet auf der Basis demokratischer Grundsätze wie Mitbestimmung und Gleichberechtigung, offen für alle, die sich kulturell oder sozial einbringen wollen, ein Modellprojekt für Bayern.“ Zur Finanzierung des E. Haus finde sich dort die Information, dass die Antragsgegnerin – Kulturreferat – Eigentümerin des Hauses sei. Mit dem Kulturreferat sei ein zunächst befristeter Nutzungsvertrag abgeschlossen worden. Seit dem 1. Januar 2006 bestehe ein unbefristeter Nutzungsvertrag. Das Kulturreferat bezuschusse das E. Haus mit einem jährlichen Etat für Personal- und Sachkosten und komme für die Miet- und Mietnebenkosten auf. Die darüber hinaus notwendigen Gelder, wie z.B. für außerordentliche Anschaffungen oder Veranstaltungen müssten vom Trägerverein und den Gruppen erbracht werden. Deshalb sei das E. Haus ganz besonders auf Spenden angewiesen. Auf das Fax vom 1. Juli 2021 habe die Antragsgegnerin per E-Mail mitgeteilt, dass die Anfrage an die zuständige Stelle weitergeleitet werde. Danach sei keine weitere Reaktion gekommen. Mit E-Mail vom 12. Juli 2021 sei die Antragsgegnerin nochmals erfolglos unter Fristsetzung bis um 16 Uhr gebeten worden, auf den Trägerverein einzuwirken, um einen Raum zu erhalten. Das auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO gestützte Begehren auf Zulassung zur Benutzung sei von der satzungsmäßig festgelegten Zweckbestimmung dieser kommunalen Einrichtung gedeckt. Der Trägerverein sei an die Entscheidungen der Antragsgegnerin mit dem Nutzungsvertrag und aufgrund der finanziellen und materiellen Abhängigkeit gebunden. Die Antragsgegnerin könne auf den Trägerverein im Sinne des kommunalen Zugangsrechts der Antragsteller einwirken. Verwiesen wurde diesbezüglich auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 2020 – 4 B 19.1358 – sowie auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Dezember 2020 – 8 B 3012/20. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe entschieden, dass Veranstaltungen zu Palästina und Israel nicht durch die Antragsgegnerin verboten werden dürften. Der …-Kampagne könne kein Antisemitismus vorgeworfen werden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und des Niedersächsischen Parlaments kämen zu dem Schluss, dass die Aktivitäten der …-Kampagne in Deutschland keine Rückschlüsse auf Antisemitismus zuließen. Nach der Rechtsprechung des EGMR seien Boykottmaßnahmen der …-Kampagne aus ethischen Gründen von der EMRK geschützt und Sanktionen aus diesem Grund verboten. Die notwendigen Maßnahmen bezüglich der Corona-Verordnung würden eingehalten und seien nicht beanstandet worden. Die Antragsgegnerin habe die Veranstaltung aus dem Widmungszweck, dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 10 EMRK, wonach auch öffentlich umstrittene Veranstaltungen von der Antragsgegnerin geschützt werden müssten, zuzulassen. Es drohten wesentliche Nachteile und Gefahren, die die Eilbedürftigkeit begründeten. Zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes sei ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar. Die Antragsteller könnten die Veranstaltung nicht durchführen, sollte keine Entscheidung durch das Gericht erfolgen.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern für die Durchführung der Veranstaltung „…, der Bundestag und das Silencing der Palästina-Solidarität in Deutschland“ am 23. Juli 2021 von 17 bis 19 Uhr den Raum 108 im E. Haus M. …, S.-str. …, M. …, hilfsweise einen anderen Raum im E. Haus M. …, durch Einwirkung auf den Vorstand und die Geschäftsführung des Trägerkreis E. Haus M. … e.V. zu den üblichen Bedingungen zu verschaffen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Die Anträge werden abgelehnt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsgegnerin sei Eigentümerin des Anwesens S.-str. …, M. …, auf welchem sich das E. Haus befinde. Das E. Haus werde dem Trägerverein mittels Nutzungsvertrag vom 5. Januar bzw. 26. Januar 2006 in der Fassung des zweiten Nachtrags vom 8. Oktober 2020 bzw. 16. November bzw. 2. Dezember 2020 überlassen. Aufgrund vieler Änderungen im Nutzungsvertrag sei eine Neufassung erstellt worden. Insbesondere berücksichtige der Nutzungsvertrag in der Fassung des zweiten Nachtrags den Beschluss des Stadtrats „Gegen jeden Antisemitismus! – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung“ vom 13. Dezember 2017 sowie die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2018 – M 7 E 18.2240 – und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2018 – 4 CE 18.1224 – zur Zulassung politischer Parteien zu öffentlichen Einrichtungen. § 2 des Nutzungsvertrags lege den Nutzungszweck des E. Haus fest. In § 2 Abs. 2 Buchst. b sei den Betreibern des E. Haus und den Nutzern i.S.d. §§ 8, 10 Abs. 2 des Nutzungsvertrags untersagt, die Räumlichkeiten für „Veranstaltungen, die einen verfassungsfeindlichen Hintergrund haben, insbesondere bei rassistischen, gemäß der „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ (Anlage 6) antisemitischen oder antidemokratischen Inhalten“ zu verwenden. Gemäß § 5 Abs. 3 des Nutzungsvertrags sei die Eigentümerin/Kulturreferat jederzeit berechtigt, eine Raumüberlassung für Veranstaltungen, die § 2 des Nutzungsvertrags widersprächen, zu untersagen und zu beenden. Der begehrte Raum 108 könne nach derzeit aktuellem Belegungsplan nur von maximal zehn Personen belegt werden. Der von den Antragstellern geschilderte Sachverhalt werde noch dahingehend ergänzt, dass gleichzeitig mit dem Antrag auf Anmietung des streitgegenständlichen Raums im E. Haus vom 1. Juli 2021 auch eine Anfrage für eine Vermietung eines Raums im Direktorium gestellt worden sei. Dieses Begehren sei mit E-Mail des Direktoriums vom 5. Juli 2021 an den Antragsteller zu 1) unter Hinweis auf die anhaltende Corona-Pandemie sowie die daraus folgende Praxis, dass das Direktorium seine Räume nach wie vor nicht an externe Mieter vermiete, abgelehnt worden. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2021 – 7 E 21.1055 – und Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März 2021 – 4 CE 21.809 – sei ein Antrag des Antragstellers zu 1) ebenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung zur Durchführung einer Veranstaltung mit dem Titel „Apartheid durch den Staat Israel: Das Wegschauen der deutschen Politik“ abgelehnt worden. Die Antragsteller hätten kein Rechtsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, ihnen durch Einwirkung auf den Vorstand und die Geschäftsführung des Trägervereins den begehrten Raum zu verschaffen. Ein diesbezüglicher Anspruch gemäß Art. 21 GO liege nicht vor. Bei den Räumlichkeiten des E. Haus handele es sich um eine öffentliche Einrichtung Sinne des Art. 21 GO. Das Recht auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung der Gemeinde sei jedoch nicht unbeschränkt, sondern bemesse sich nach den bestehenden allgemeinen gesetzlichen Vorschriften sowie den von der Gemeinde durch Satzung, allgemeine Geschäftsbedingungen, aber auch durch Widmung bzw. konkludent durch die Verwaltungspraxis festgelegte Benutzungsregelungen. Der Durchführung der Veranstaltung am 23. Juli 2021 stehe der Stadtratsbeschluss der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2017 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/10165) entgegen. Hiernach seien insbesondere Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtung durchführen wollten, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der … Kampagne befassten, diese unterstützten, diese verfolgten oder für diese werben würden, von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen. Dass es sich bei der geplanten Veranstaltung um eine Veranstaltung über … handele habe der Antragsteller zu 1) selbst erklärt. Die durch den Beschluss vom 13. Dezember 2017 vorgenommenen Einschränkungen bei der Überlassung von Räumlichkeiten sei bereits Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen gewesen. Das Verwaltungsgericht München habe in seinem Urteil – M 7 K 18.2672 – einen Antrag auf Überlassung von Räumen im Stadtmuseum München abgelehnt mit der Begründung, dass der Stadtratsbeschluss eine Rechtsgrundlage für die Ablehnung von Veranstaltungen, die sich mit … befassten, sei und damit der Stadtratsbeschluss nicht rechtswidrig sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe hingegen den Stadtratsbeschluss als rechtswidrig erachtet – 4 B 19.1358. Die diesbezügliche Entscheidung sei nicht rechtskräftig. Die Antragsgegnerin habe gegen das Urteil Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren werde beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 8 C 35.20 geführt. Die Antragsgegnerin vertrete in der Grundsatzfrage eine andere Auffassung als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Insoweit verweise die Antragsgegnerin vollumfänglich auf ihre entsprechenden Schriftsätze in den genannten Verwaltungsstreitverfahren. Es sei von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht, dass ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gefahr der Rechtsvereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung bestehe. Nur floskelhaft würden die Antragsteller vortragen, dass wesentliche Nachteile und Gefahren, die die Eilbedürftigkeit begründeten, drohten, jedoch keinerlei Spezifizierung, welcher Art die Nachteile seien. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Veranstaltung gerade am 23. Juli 2021 und nicht zu einem späteren Zeitpunkt sowie gerade in den Räumen des E. Haus stattfinden müsse. Ein Abwarten der Revisionsentscheidung sei zuzumuten. Hingegen wäre die Antragsgegnerin bei einer zusprechenden summarischen Entscheidung beschwert, da derzeit ein vollgültiger, rechtmäßig zustande gekommener Beschluss eines von der Bevölkerung gewählten demokratischen Organs vorliege, der nicht aufgehoben worden sei und daher von der Antragsgegnerin zu beachten sei. Um die Antragsgegnerin antragsgemäß zu verpflichten, müsse das Verwaltungsgericht in einem summarischen Verfahren inzident die Rechtswidrigkeit des Stadtratsbeschlusses prüfen und zu der Auffassung kommen, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses überwiegen würden. Gerade die Frage der Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses vom 13. Dezember 2017 sei Gegenstand des anhängigen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Wie bereits vorgetragen, existierten derzeit zwei voneinander abweichende Gerichtsurteile hinsichtlich dessen Rechtmäßigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof München habe wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Erst in diesem Verfahren werde genau die Frage, auf die es hier ebenfalls ankomme, höchstrichterlich geklärt werden mit entsprechender Strahlkraft auf alle Kommunen und die Antragsgegnerin, die derartige Beschlüsse gefasst hätten. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einwirkung und damit gleichbedeutend einer Zulassung der Antragsteller zu Räumen im E. Haus für eine …-Veranstaltung entgegen einem derzeit als wirksam anzusehenden Stadtratsbeschluss würde also eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten. Der Hilfsantrag sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Die Antragsteller hätten keine Angaben gemacht, mit wie viel Personen die Veranstaltung durchgeführt werden solle, sodass auch nicht geprüft werden könne, ob die immer noch geltenden Bestimmungen der 13. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – 13. BayIfSMV -, hier § 7, eingehalten würden. Nach den Angaben der Antragsteller richte sich der Veranstaltungsaufruf allgemein an die Öffentlichkeit. Im E. Haus stünden die Räumlichkeiten derzeit nur für eine stark reduzierte Personenanzahl zur Verfügung. Das Kreisverwaltungsreferat der Antragsgegnerin habe in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass in Bayern nach wie vor ein allgemeines Veranstaltungsverbot nach § 7 der 13. BayIfSMV gelte. Danach seien öffentliche Veranstaltung aus besonderem Anlass in geschlossenen Räumen derzeit mit bis zu 50 Personen erlaubt, wenn es sich um einen von Anfang an klar begrenzten und geladenen Personenkreis handele. Mit den vorliegenden Informationen sei nicht erkennbar, inwieweit bei der beabsichtigten Veranstaltung der Personenkreis von Anfang an klar abgegrenzt und geladen sei. Der Veranstalter richte sich vielmehr an die Öffentlichkeit als solche, zumal er auch die Veranstaltung online streamen wolle. Darüber hinaus sei bei vorliegendem Sachverhalt auch kein besonderer Anlass erkennbar. Ein solcher Anlass müsse sich deutlich aus dem Alltagsgeschehen hervorheben. Das Abhalten einer beliebig durchzuführenden Veranstaltung, die regelmäßig wiederholt werden könne, sei kein besonderer Anlass. Ein besonderer Anlass wäre zum Beispiel eine Zeugnisverleihung im größeren Rahmen, die nicht beliebig wiederholt werden könne und von einem besonderen Ereignis geprägt sei. Hinsichtlich des Fehlens eines Anordnungsanspruchs, eines Anordnungsgrundes und einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache werde insoweit auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.
Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. Juli 2021 und führte insbesondere aus, die Antragsteller und das Thema ihrer Veranstaltung erfüllten nicht das Kriterium nach § 2 des Nutzungsvertrags und auch nicht die Kriterien der IHRA-Definition. Zudem habe das Kulturreferat der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 13. Juli 2021 bestätigt, dass die Betreiber des E. Haus die städtischen Vorgaben zur Raumvermietung korrekt umgesetzt hätten. Zugelassen seien in dem Raum 109 oder 108 zurzeit zehn Personen. Nicht mehr und nicht weniger Personen sollten dort teilnehmen. Die Antragsteller hätten zudem erklärt, dass sie die infektionsrechtlichen Vorgaben einhalten würden. Die Leute müssten sich anmelden und müssten angeben, ob sie per Zoom oder nicht per Zoom teilnehmen wollten. Es würden fünf Personen teilnehmen, die von Anfang an feststünden. Auf der Website der … sei eine Teilnahme von Unbekannten in München ausgeschlossen worden. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 2020 sei der Maßstab der rechtlichen Bewertung und keine eventuelle in der Zukunft liegende Entscheidung der Revisionsinstanz, die keine Aussicht auf Erfolg habe. Hier sei die Sache zudem anders gelagert, da nur die „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ in den Nutzungsvertrag aufgenommen worden sei. Mit der Warnung, der Verurteilung und dem Verbot gegenüber der …-Kampagne im Stadtratsbeschluss, deren Begründung und deren Anwendung würden die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG verletzt, was weiter ausgeführt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat Erfolg.
Der zulässige Hauptantrag ist begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 6). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Vorliegend haben die Antragsteller einen Anspruch aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO gegenüber der Antragsgegnerin auf Verschaffung des Raumes 108 im E. Haus für die geplante Veranstaltung am 23. Juli 2021 glaubhaft gemacht.
Bei den Räumlichkeiten des E. Haus – und damit auch bei Raum 108 – handelt es sich um eine Einrichtung des Kulturreferats der Antragsgegnerin und damit um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GO. Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO sind grundsätzlich alle Gemeindeangehörigen – wie hier auch die Antragsteller – berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Dass eine Kommune in Ausübung ihres Organisationsermessens den laufenden Betrieb der Einrichtung und damit auch die Entscheidung über die Nutzungsvergabe einem Trägerverein überlassen hat, ändert an dem Zugangsrecht der Antragsteller nichts, wenn die für den Betrieb der öffentlichen Einrichtungen zuständigen Trägervereine – wie hier – bei ihren Vergabeentscheidungen an die Vorgaben aus städtischen Beschlüssen gebunden sind. In einem solchen Fall verwandelt sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die beklagte Kommune durch Einwirkung auf den Trägerverein zu erfüllen hat (vgl. BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – juris Rn. 43 m.w.N.; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 7 B 184/88 – juris Rn. 7 für den Fall einer privatrechtlichen Betriebsgesellschaft).
Ein solcher Verschaffungsanspruch ist vorliegend von den Antragstellern auch glaubhaft gemacht.
Der Verschaffungsanspruch in Bezug auf die genannte Veranstaltungsstätte dürfte nicht an dem – auch den Trägervereinen bekanntgegebenen – Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2017 scheitern, wonach von der Überlassung von Räumen bzw. der Vermietung städtischer Einrichtungen alle Personen auszuschließen sind, die dort Veranstaltungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der …-Kampagne befassen, diese unterstützen, verfolgen oder dafür werben. Zwar ist es einem kommunalen Einrichtungsträger nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO nicht generell untersagt, auch Gemeindeangehörigen den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu verwehren. Hierbei ist jedoch das höherrangige Recht, insbesondere die Grundrechte zu beachten. Der Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2017 stellt nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung sowohl einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der potentiellen Einrichtungsbenutzer (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) als auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar (vgl. ausführlich BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – juris Rn. 44 ff.; HessVGH, B.v. 4.12.2020 – 8 B 3012/20 – Gründe unveröffentlicht). Diese Einschränkung des Nutzungsrechts dürfte daher mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher unwirksam sein. Der Zugang zum E. Haus dürfte den Antragstellern demnach nicht allein unter Berufung auf o.g. Stadtratsbeschluss zu verweigern sein.
Der Veranstaltung dürfte in der Folge auch der Widmungszweck des E. Haus – die Förderung von Informations- und Kulturarbeit (vgl. § 2 Abs. 1 des Nutzungsvertrags) – nicht entgegenstehen. Insbesondere auch soweit § 2 Abs. 2 Buchst. b des Nutzungsvertrags dem Trägerverein verbietet, die Räume des E. Haus für Veranstaltungen zu überlassen, die einen verfassungsfeindlichen Hintergrund haben, insbesondere bei rassistischen, gemäß der „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ antisemitsche oder antidemokratische Inhalte haben, dürfte dies das Zugangsrecht der Antragsteller nicht beschränkten. Bei der Festlegung des Widmungszwecks ihrer öffentlichen Einrichtungen haben die Gemeinden – wie ausgeführt – das höherrangige Recht, insbesondere die Grundrechte zu beachten. Ob die …-Kampagne in ihrem Gesamtgepräge oder jedenfalls in Bezug auf einzelne Elemente als antisemitisch zu qualifizieren ist, wie die Antragsgegnerin annimmt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung. Denn selbst wenn sich dies anhand objektiver Kriterien eindeutig nachweisen ließe, ergäbe sich allein daraus noch keine Rechtfertigung für eine Beschränkung der Meinungsfreiheit (vgl. BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – juris Rn. 55).
Weiter begegnet der Zulassungsanspruch auch unter Kapazitätsgesichtspunkten keinen Bedenken. Zwar besteht der Zulassungsanspruch aus Art. 21 GO nur innerhalb der bestehenden Kapazitätsgrenzen. Vorliegend ist jedoch nichts dahingehend vorgetragen oder ersichtlich, dass Raum 108 des E. Haus zum Zeitpunkt der beantragten Veranstaltung nicht verfügbar wäre. Insbesondere findet sich im Veranstaltungskalender des E. Haus (vgl. https://www. …*) derzeit keine Veranstaltungsankündigung für den 23. Juli 2021 in Raum 108.
Schließlich dürfte ein Zulassungsanspruch vorliegend auch nicht im Hinblick auf die aktuelle Vergabepraxis für die Räumlichkeiten im E. Haus angesichts der Pandemielage scheitern. Anders als – wie von der Antragsgegnerin mitgeteilt – in den Räumlichkeiten des Direktoriums etwa, finden Veranstaltungen im E. Haus seit dem 7. Juni 2021 wieder statt (vgl. https://www. …). Der Durchführung der von den Antragstellern geplanten Veranstaltung dürfte insbesondere auch § 7 13. BayIfSMV nicht entgegenstehen. Bei der geplanten Veranstaltung dürfte es sich nämlich um eine Versammlung i.S.d. Art. 8 GG handeln, sodass die Zulässigkeit sich nach § 9 13. BayIfSMV richtet (vgl. § 7 Abs. 3 13. BayIfSMV). Nach § 9 Abs. 2 13. BayIfSMV sind Versammlungen nach Art. 8 GG in geschlossenen Räumen – bei Einhaltung der dort genannten Voraussetzungen – derzeit zulässig.
Bei der von den Antragstellern geplanten Veranstaltung dürfte es sich um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 GG handeln. Versammlungen sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 – juris Rn. 41). Die Antragsteller bilden mit den weiteren bis zu acht vor Ort teilnehmenden Personen eine Personenmehrheit, die durch den gemeinsamen Willen, sich mit der …-Kampagne auseinanderzusetzen und insbesondere „Palästina-Solidarität“ zu bekunden, innerlich verbunden ist. Im Übrigen bleibt die geplante Veranstaltung, die öffentlich beworben wurde, auch ungeachtet der zahlenmäßigen Begrenzung der Teilnehmenden öffentlich. Inwieweit auch die Zuschaltung von Teilnehmenden über das Internet (Zoom) dem Schutz von Art. 8 GG unterfällt (vgl. zum Streitstand Schneider in BeckOK, GG, Stand: 15.5.2021, Art. 8 Rn. 113), kann vorliegend offenbleiben, da bereits nur bei Berücksichtigung der vor Ort anwesenden Teilnehmenden der Schutzbereich von Art. 8 GG eröffnet ist. Zudem dürfte es den Antragstellern angesichts der sehr geringen Teilnehmerzahl von nur zehn Personen – von denen nach Angaben der Antragsteller bereits jetzt fünf Personen von vorneherein feststehen – auch tatsächlich möglich sein, die Teilnehmenden im Vorfeld der Veranstaltung zu benennen, sodass insoweit auch von einem „von Anfang an klar begrenzten und geladenen Personenkreis“ i.S.von § 7 Abs. 1 Satz 1 13. BayIfSMV auszugehen sein dürfte.
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Entscheidung ist eilbedürftig, da die Antragsgegnerin nicht bereit ist, den Antragstellern den angefragten Raum zur Durchführung der bereits für den 23. Juli 2021 geplanten Veranstaltung zu überlassen. Entsprechend hat sie – nach Angabe der Antragsteller – mit E-Mail an die Antragsteller vom 13. Juli 2021 mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass der Betreiber des E. Haus mit der Ablehnung der von den Antragstellern geplanten Veranstaltung die städtischen Vorgaben zur Raumvermietung korrekt umgesetzt habe. Insbesondere ist vorliegend auch kein Fall einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gegeben. Begehrt ein Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Regelung des Gerichts, welche – wie hier – auf eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache hinausläuft, sind zwar besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen. Das Gericht kann nämlich grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen, da mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar, ist es daher, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a). Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist jedoch ausnahmsweise dann möglich, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Vorliegend wäre ohne die einstweilige Anordnung dem Gebot aus Art. 19 Abs. 4 GG, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nicht genügt. Ohne eine entsprechende gerichtliche Anordnung würde der Zulassungsanspruch der Antragsteller nach Maßgabe des versammlungsspezifischen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 8 GG vereitelt. Diese Rechtsverletzung könnte auch durch einen späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden, zumal die Veranstaltung als öffentliches Netzwerktreffen an mehreren Orten in Deutschland zeitgleich geplant ist. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere auch ein Abwarten der Entscheidung im anhängigen Revisionsverfahren, die zeitlich noch gar nicht absehbar ist, nicht zuzumuten.
Die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO). Sie sind erforderlich, um die mit dem Anspruch der Antragsteller kollidierenden Rechte bzw. Rechtsgüter Dritter im Sinne praktischer Konkordanz in einen schonenden Ausgleich zueinander zu bringen, damit sie jeweils zu optimaler Geltung gelangen. Das versammlungsspezifische Selbstbestimmungsrecht ist dabei durch den gesetzmäßigen Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt (vgl. Enders in Dürig-Friedl/Enders, VersammlG, 1. Aufl. 2016, § 1 Rn. 23). Durch die Versammlung sind angesichts der akuten Pandemielage die Rechte Dritter auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Gefahr. Die Siebentagesinzidenz in M. … beläuft sich derzeit zwar lediglich auf 17,9 Fälle pro 100.000 Einwohner. Es kann jedoch – insbesondere angesichts der erneut ansteigenden Infektionszahlen – gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, dass unter den Teilnehmern auch Personen sind, die sich ggf. bisher unerkannt mit SARS-CoV-2 infiziert haben und andere Teilnehmer anstecken könnten. Vor dem Hintergrund der daraus drohenden Gefahr für Leib und Leben von Teilnehmern sowie ihrer jeweiligen Sozialkontakte sowie für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens sind entsprechende Einschränkungen hinzunehmen. Zur Reduzierung dieses Gefahrenpotenzials macht es § 9 Abs. 2 13. BayIfSMV für Versammlungen in geschlossenen Räumen zur Voraussetzung, dass der Veranstalter durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass zwischen allen Teilnehmern grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten und jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden werden kann (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 13. BayIfSMV). An den nach diesem Maßstab vorhandenen Plätzen hat sich auch die zulässige Höchstteilnehmerzahl einschließlich geimpfter und genesener Personen zu richten (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 13. BayIfSMV). Zudem gilt nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 13. BayIfSMV für die Teilnehmer eine FFP2-Maskenpflicht; hiervon ausgenommen sind die Versammlungsleitung während Durchsagen und Redner während Redebeiträgen. Das Lüftungserfordernis wird schließlich im Einklang mit § 2 Satz 2 13. BayIfSMV festgesetzt, wonach in geschlossenen Räumlichkeiten auf ausreichende Belüftung zu achten ist. Das Erfordernis der Kontaktdatenerfassung orientiert sich an § 9 Abs. 2 Nr. 4, § 5 BayIfSMV i.V.m § 28a Abs. 4 IfSG.
Über den Hilfsantrag, mit dem die Antragsteller hilfsweise die Verschaffung eines anderen Raums im E. Haus am 23. Juli 2021 beantragen, war danach nicht mehr zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 22.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben