IT- und Medienrecht

Zulassungsanspruch zu einer gemeindlichen Einrichtung

Aktenzeichen  M 7 E 16.3951

Datum:
6.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 40, § 123 Abs. 1, Abs. 3
BayGO BayGO Art. 21
BayVwVfG BayVwVfG Art. 35

 

Leitsatz

1 Ein Anspruch auf Zulassung zu einer gemeindlichen Einrichtung ist öffentlich-rechtlicher Natur; der Verwaltungsgerichtsweg nach § 40 VwGO ist eröffnet.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Antragsteller bereits keinen Antrag auf Teilnahme an der Veranstaltung gestellt, fehlt ihm das Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einem Straßenfestival, das von einem privaten Verein ausgerichtet wird, handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung iSd Art. 21 BayGO , so dass auch ein öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch nicht besteht.  (redaktioneller Leitsatz)
4 Lehnt der private Betreiber die Teilnahme ab, handelt es sich bei der Ablehnung nicht um einen “delegierten” Verwaltungsakt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind ein Landes-, sowie zwei Kreisverbände einer politischen Partei und begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zulassung zur Veranstaltung Co. Le. vom 10. bis 11. September 2016 in München mit einem Informationsstand. Beim Co. Le. handelt es sich um ein Straßenfest, das vom Verein Co. Le. e. V. veranstaltet wird und im Jahr 2016 zweimal stattfindet (11./12. Juni und 10./11. September). Ein Antrag im Zivilrechtsweg auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verein Co. Le. e. V. auf Zulassung zur Veranstaltung im Juni 2016 war abgelehnt worden (OLG München, B. v. 10.6.2016 – 7 W 989/16).
Mit Schreiben vom 1. Juli 2016 meldeten die Kreisverbände München-Nord und München-Süd der Partei „… für Deutschland“, die Antragsteller zu 2 und 3, bei der Antragsgegnerin ihre Teilnahme für den Co. Le. an. Die Anmeldung reichten sie auch beim Verein Co. Le. e. V. ein. Mit Schreiben vom 12. Juni 2016 teilte die Antragsgegnerin ihnen mit, dass die Organisation der Veranstaltung und die Auswahl der Teilnehmer bei diesem Verein liege und sich die Rolle des Kulturreferats auf die Förderung des Kulturprogramms beschränke. Am 10. August 2016 teilte der Co. Le. e. V. den Anmeldern mit, dass ein Infostand beim Co. Le. nicht zugelassen werde.
Mit Schreiben vom 1. September 2016 beantragten die Antragsteller eine einstweilige Anordnung mit dem Inhalt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 10.8.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zulassung der Antragstellerin zur Veranstaltung Co. Le. 10.09.-11.09.16 mit einem eigenen Stand neben den anderen politischen Parteien gemäß ihrem Antrag vom 1.7.2016 zu erteilen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, da die Veranstaltung von der Landeshauptstadt mitveranstaltet und finanziell gefördert werde sowie unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters stehe. Es bestehe ein Anordnungsgrund, da die „delegierte“ Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 10. August 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sei und eine subjektive Rechtsverletzung vorliege. Gemeinden dürften sich nicht durch eine einfache Organisationsänderung der Grundrechtsbindung entziehen und sich ins Privatrecht flüchten. Der Anspruch auf Zulassung folge aus höherrangigem Recht wie dem Grundsatz der Parteienfreiheit, dem Verbot einer Diskriminierung politischer Anschauungen, der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Begründung im Untersagungsbescheid vom 10. August 2016 sei nicht tragfähig.
Mit Schreiben vom 5. September 2016 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass der Antrag unzulässig sei. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet, da die Antragsgegnerin nicht Veranstalterin des Co. Le. sei, dieser vielmehr von dem privatrechtlich organisierten Verein Co. Le. e. V. veranstaltet werde. Der Co. Le. beinhalte unter anderem ein kulturelles Programm. Das Schreiben vom 10. August 2016 des Co. Le. e. V. sei kein Verwaltungsakt oder eine sonstige delegierte Ablehnungsentscheidung, da der Verein von der Antragsgegnerin nicht mit hoheitlichen Aufgaben betraut worden sei. Das Kulturreferat der Antragsgegnerin beschränke sich wie bei einer Vielzahl anderer kultureller Veranstaltungen darauf, einen Zuschuss von bis zu 5.000 Euro für die kulturellen und künstlerischen Bestandteile der beiden Veranstaltungen des Co. Le. im Jahr 2016 zu gewähren und bei Bedarf beratend bei der kulturellen Programmgestaltung zur Verfügung zu stehen. Die Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters habe keinen Einfluss auf Organisation und Verantwortlichkeit der Durchführung. In der zwischen der Antragsgegnerin und dem Co. Le. e. V. geschlossenen Vereinbarung sei festgelegt, dass der Co. Le. e. V. alle Rechten und Pflichten aus der Veranstaltereigenschaft übernehme, gleiches gelte für die Einholung der erforderlichen Genehmigungen. Insgesamt handle es sich bei der Veranstaltung um die eines privaten Veranstalters. Mit Schreiben vom 6. September 2016 stellte die Antragsgegnerin klar, dass der Rechtsweg nicht gerügt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die Antragsteller begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie mit einem Infostand auf dem Straßenfest Co. Le. zuzulassen. Ihr Antrag hat keinen Erfolg.
Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO ist eröffnet. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der sich aus dem Tatsachenvortrag des Klägers ergebenden wahren Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (vgl. VGH BW, B. v. 8.4.2002 – 5 S 378/02 – juris Rn. 4 m. w. N.; HessVGH, B. v. 15.10.2002 – 8 TG 2579/02 – juris Rn. 11; OLG Celle, B. v. 4.6.2007 – 11 U 293/06 – juris Rn. 13 ff.; unklar BayVGH, U. v. 23.3.1988 – 4 B 86.02336 – NvwZ-RR 1988, 71). Im Eilverfahren nach § 123 VwGO kommt es auf das zu sichernde Recht in der Hauptsache an (VGH BW, B. v. 8.4.2002 – 5 S 378/02 – juris Rn. 4 m.w.N.). Der Anspruch, der vorliegend mit der einstweiligen Anordnung gesichert werden soll, ist nach dem Tatsachenvortrag der Antragsteller ein Zulassungsanspruch zu einer Veranstaltung, die – so das Vorbringen der Antragsteller – von der Antragsgegnerin mitveranstaltet werde. Der so geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zu einer gemeindlichen Einrichtung, hier die Frage nach dem „ob“ der Zulassung, ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BayVGH, B. v. 28. 8.2001 – 4 C 01.2061 – juris Rn. 6).
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
Der Antrag des Antragstellers zu 1 dürfte bereits unzulässig sein. Der Landesverband Bayern der … für Deutschland hat keinen Antrag auf Teilnahme an der Veranstaltung gestellt, so dass ihm das Rechtsschutzinteresse fehlt (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 123 Rn. 22). Jedenfalls wäre sein Antrag unbegründet, da er keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Aus diesem Grund sind auch die Anträge der Antragsteller zu 2 und 3 erfolglos.
Ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Zulassung zum Co. Le. besteht nicht. Der von den Antragstellern geltend gemachte Zulassungsanspruch setzt voraus, dass es sich bei der Veranstaltung selbst um eine öffentliche Einrichtung i. S. d. Art. 21 GO handelt. Entscheidend für das Vorliegen einer solchen öffentlichen Einrichtung der Antragsgegnerin sind die Erfüllung gemeindlicher Aufgaben und ein Widmungsakt (vgl. BayVGH, U. v. 23.3.1988 – 4 B 86.02336 – NVwZ-RR 1988, 71). Die von den Antragstellern vorgetragenen Umstände sind bereits nicht geeignet, eine öffentliche Einrichtung annehmen zu lassen, auch sind keine sonstigen Anhaltspunkte dafür ersichtlich (vgl. Sächs. OVG, B. v. 18.6.2009 – 4 B 383/09 – juris Rn. 13 f.). Der Co. Le. ist ein Straßenfestival, das seit vielen Jahren auf öffentlichem Raum auf der Münchner Leopoldstraße stattfindet und von einem privaten Verein ausgerichtet wird, dem die Auswahl der teilnehmenden Stände alleine obliegt. Die Antragsgegnerin hat auf die Durchführung des Co. Le. keine Einflussmöglichkeiten (vgl. Veranstaltungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Co. Le. e. V. vom 23. Februar 2016). Weder die Schirmherrschaft durch den Oberbürgermeister noch die finanzielle Förderung am Kunst- und Kulturprogramm der Veranstaltung durch die Antragsgegnerin gemäß der geschlossenen Veranstaltungsvereinbarung ändern etwas an der privatrechtlichen Ausrichtung der Veranstaltung (so auch OLG München, B. v. 10.6.2016 – 7 W 989/16 in seinem Beschluss zum Co. Le. im Juni 2016).
Dementsprechend handelt es sich bei dem vom Co. Le. e. V. verfassten Schreiben vom 10. August 2016, in dem die Teilnahme der Antragsteller zu 2 und 3 abgelehnt wird, auch nicht um einen – wie die Antragsteller meinen „delegierten“ – Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 BayVwVfG. Auch soweit die Antragsteller geltend machen, es läge eine Umgehung der Grundrechte und eine Flucht ins Privatrecht vor, ist ihnen nicht zu folgen. Das Straßenfestival wurde und wird seit seiner Entstehung von einem privaten Betreiber und nicht von der Antragsgegnerin ausgerichtet. Eine unzulässige Entledigung einer gemeindlichen Aufgabenverantwortung liegt daher nicht vor (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 – 8 C 10/08 – juris).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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