IT- und Medienrecht

Zur Beschwerdebefugnis des beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Eilrechtsschutz gegen die Untersagung einer gewerblichen Altkleidersammlung

Aktenzeichen  20 CS 16.1416

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 65 Abs. 1, § 80 Abs. 5
KrWG KrWG § 17 Abs. 1, Abs. 2, § 18 Abs. 5 S. 2, § 20 Abs. 1
BayAbfG BayAbfG Art. 3 Abs. 1 S. 2
GG GG Art. 28 Abs. 2 S. 2
BV BV Art. 10
KommZG KommZG Art. 2 Abs. 3 S. 1, Art. 22 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wird durch die verwaltungsgerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten betroffen, weil solche Rechte weder durch die bundesgesetzlichen Entsorgungs- und Verwertungspflichten nach § 20 Abs. 1 KrWG noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG begründet werden (Anschluss an OVG LSA BeckRS 2016, 46932 Rn. 36 f.; vgl. auch OVG NRW BeckRS 2014, 50820). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 17 S 16.1243 2016-06-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde des Beigeladenen wird vom vorliegenden Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 20 CS 16.2542 fortgeführt.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen wird verworfen.
III.
Der Beigeladene hat die Kosten seines Beschwerdeverfahrens zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird im Verfahren 20 CS 16.1416 bis zur Abtrennung auf 20.000,00 EUR, nach der Abtrennung im Verfahren 20 CS 16.2542 auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die Abtrennung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO. Danach kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Die somit im Ermessen des Gerichts stehende Trennung der bisher unter demselben Aktenzeichen geführten Beschwerden des Antragsgegners sowie des Beigeladenen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2016, Az. M 17 S 16.1243 erscheint wegen des unterschiedlichen rechtlichen Schicksals der Beschwerden im Hinblick auf die Beschwerdebefugnis (dazu unten 2.) sachgerecht.
2. Die Beschwerde des Beigeladenen ist unzulässig.
Dem zu Recht nach § 65 Abs. 1 VwGO beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger fehlt die erforderliche Beschwerdebefugnis, weil er durch die angegriffene Entscheidung nicht materiell beschwert ist. Für die Rechtsmittelbefugnis eines erstinstanzlich Beigeladenen bedarf es einer materiellen Beschwer. Diese setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung in subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 VwGO eingreift (st.Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – NVwZ 2000, 1048, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, vor § 124 Rn. 42 m. w. N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. A. 2014, vor § 124 Rn. 30). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen kann eine solche Rechtsverletzung vorliegen, wenn die beigeladene Behörde durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in der Erfüllung eines nur ihr gesondert übertragenen, selbstständigen Aufgabenkreises beeinträchtigt würde (BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 4 C 51.89 – NVwZ-RR 1991, 601/602, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; ebenso Rudisile in Schoch/Schneider/Bier a. a. O.). Dem gegenüber können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen; Ausnahmen hiervon hat das Bundesverfassungsgericht nur zugelassen, soweit es sich um solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt, die von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind und sich deshalb in einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befinden, was bei Gemeinden nicht der Fall ist (st.Rspr., z. B. BVerfG, B.v. 21.2.2008 – 1 BvR 1987/07 – NVwZ 2008, 778, juris Rn. 8 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen wird ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger – hier als Zweckverband und damit Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KommZG – durch die verwaltungsgerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weil solche Rechte weder durch die bundesgesetzlichen Entsorgungs- und Verwertungspflichten nach § 20 Abs. 1 KrWG (2.1) noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG (2.2) begründet werden.
2.1 Aus der bundesgesetzlichen Aufgabenzuweisung nach § 20 Abs. 1 KrWG i. V. m. der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG folgt zwar eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, aber kein subjektives Recht i. S. einer wehrfähigen materiellen Rechtsposition des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, weil mit der Auferlegung und normativen Absicherung dieser Pflichten keine Mehrung oder Bestätigung der Rechte desselben einhergeht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.3.2016 – 2 L 45/14 – juris Rn. 81 ff.; OVG NRW, B.v. 8.4.2014 – 20 E 547/13 – juris Rn. 4 ff.).
2.2 Etwas anderes folgt nicht aus der Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG. Danach erfüllen die Landkreise und kreisfreien Gemeinden die sich aus dem KrWG und aus dem BayAbfG ergebenden Aufgaben als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis. Im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches kommt den Gemeindeverbänden, mithin auch den Landkreisen, gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 10 BV ein Selbstverwaltungsrecht nach Maßgabe der Gesetze zu (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84 – NVwZ 1992, 365/367, juris). Ob die Selbstverwaltungsgarantie neben der institutionellen Garantie den Gemeindeverbänden auch ein subjektives Recht verleiht, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zunächst verneint, zuletzt offen gelassen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 171, 200 m. w. N.). Sie enthält jedenfalls keine Garantie eines bestimmten Bestandes an Aufgaben, sondern sichert die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung (BVerfG, B.v. 7.2.1991 a. a. O. Rn. 69; B.v. 23.11.1988 – Rastede, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 – NJW 1989, 347/349, juris Rn. 57 m. w. N.; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 200 f.). Der eigene Wirkungskreis der Landkreise und damit der Umfang der Selbstverwaltung wird durch den Gesetzgeber bestimmt (Art. 10 Abs. 2 BV). Mit der Übertragung von Aufgaben auf einen Zweckverband – wie hier den Beigeladenen – gehen das Recht und die Pflicht der Verbandsmitglieder, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen, auf diesen über (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 KommZG).
Die Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, deren sofortige Vollziehbarkeit vorliegend in Frage steht, dient der Durchsetzung der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 und 2 KrWG. Diese schützt die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber Maßnahmen Dritter, welche die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindern oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigen. Der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften besteht damit allein in der im öffentlichen Interesse liegenden ordnungsgemäßen Erfüllung der Entsorgungspflichten nach § 20 Abs. 1 KrWG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG. Durch die Übertragung dieser Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG auf die Landkreise werden diesen somit im Allgemeinwohl liegende Pflichtaufgaben zugewiesen, diese werden durch die Aufgabenzuweisung aber nicht zu subjektiven Rechten. Ein Mehr an Rechten kann damit auch einem Zweckverband nicht übertragen werden. Eine Beeinträchtigung der dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben durch gewerbliche Sammlungen führt damit zwar möglicher Weise zu einer durch die zuständigen Behörden im Rahmen der Gesetze abzuwehrenden Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, nicht jedoch zu einer im Wege eines Rechtsmittels des Beigeladenen abzuwehrenden subjektiven Rechtsverletzung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5, 1.7.2, 2.4.2 des Streitwertkatalogs 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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