IT- und Medienrecht

Zur Verfassungsmäßigkeit des RBStV

Aktenzeichen  M 6 S 16.3451

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayRundfunkbeitragssatzung § 11 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die Vereitelung des Zugangs eines Widerspruchsbescheids durch Verweigerung der Annahme ohne rechtfertigenden Grund führt dazu, dass die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO gleichwohl spätestens am dritten Tag nach Aufgabe des Bescheids zur Post zu laufen beginnt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Rundfunkbeitrag begegnet nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen durchgreifenden, auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss an BVerwG NVwZ 2016, 1081). (redaktioneller Leitsatz)
3 Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags ist § 11 Abs. 1 der Bayerischen Rundfunkbeitragssatzung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 99,80 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wird auf Basis des einmaligen Meldedatenabgleichs vom Antragsgegner seit dem … Dezember 2013 als rundfunkbeitragspflichtig für eine Wohnung geführt. Nachdem der Antragsteller auf eine Reihe informatorischer Schreiben und Zahlungsaufforderungen hin keine Rundfunkbeiträge entrichtete, setzte der Antragsgegner ihm gegenüber mit bisher vier Bescheiden rückständige Rundfunkbeiträge fest. Streitgegenständlich sind folgende Bescheide:
– Bescheid vom 4. Juli 2014 über a. Euro für den Zeitraum 12/2013 bis 2/2014 (b. € Rundfunkbeiträge + c. € Säumniszuschlag)
– Bescheid vom 1. September 2014 über d. Euro für den Zeitraum 3/2014 bis 8/2014 (e. € Rundfunkbeiträge + c. € Säumniszuschlag)
– Bescheid vom 4. Februar 2016 über f. Euro für den Zeitraum 9/2014 bis 8/2015 (g. € Rundfunkbeiträge + c. € Säumniszuschlag).
Gegen sämtliche Bescheide erhob der Antragsteller Widerspruch. Der Antragsgegner entschied nur über denjenigen gegen den Bescheid vom 1. September 2014 und wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2015 als unbegründet zurück. Der Rückschein für die Postsendung, mittels derer der Widerspruchsbescheid dem Antragsteller zugesandt werden sollte, kam mit dem Vermerk „Annahme verweigert“ an den Antragsgegner zurück.
Unter Beifügung eines Ausstandsverzeichnisses ersuchte der Antragsgegner mit Schreiben vom … Juli 2016 das Amtsgericht München um die Beitreibung der mit den drei streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzten Rundfunkbeiträge in Höhe von h. Euro. Der Gerichtsvollzieher bestimmte für den Fall der Nichtzahlung Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den … August 2016.
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom … August 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantrage die Aufhebung der o.g. drei Bescheide, sowie
die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Über die unter dem Az. M 6 K 16.3450 geführte Klage wurde noch nicht entscheiden. Auf gerichtliche Aufforderung hin, den vorliegenden Antrag zu begründen, erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom … August 2016, er weigere sich, Zahlungen an den Antragsgegner zu leisten, solange über seine Klage nicht abschließend entschieden sei. Eine Klagebegründung werde er – wie vom Gericht gefordert – innerhalb von sechs Wochen nachreichen.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2016 legte der Antragsgegner seine Verwaltungsakten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Durch Beschluss vom 24. August 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Konkreten und im Übrigen wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, im Verfahren M 6 K 16.3450 sowie auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der Antrag ist teils unzulässig, sonst unbegründet. Bei der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweisen sich die drei streitgegenständlichen Bescheide des Antragsgegners als rechtmäßig, so dass es bei der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit und damit zugleich Vollstreckbarkeit der geforderten Rundfunkbeiträge einschließlich der Säumniszuschläge zu verbleiben hat.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig, soweit er sich auf den Bescheid des Antragsgegners vom 1. September 2014 bezieht, da dieser Bescheid bestandskräftig und damit unanfechtbar ist. Es wurde versucht, dem Antragsteller den Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2015 zu übermitteln, was daran scheiterte, dass dieser die Annahme verweigerte und so den Zugang ohne rechtfertigenden Grund vereitelte. Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO begann deshalb gleichwohl spätestens am dritten Tag nach Aufgabe des Bescheids zur Post zu laufen. Innerhalb dieser Frist wurde gegen den Ausgangsbescheid vom 1. September 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2015 keine Klage erhoben, wodurch Bestandskraft eintrat. Die gleichwohl gegen den Bescheid vom 1. September 2014 erhobene Klage ist somit verfristet und unzulässig, so dass auch der vorliegende Antrag insoweit unzulässig ist.
Zulässig ist der Antrag allerdings insoweit, als die Festsetzung der Säumniszuschläge mit der Klage angefochten wurde. Widerspruch und Klage haben auch insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung (VG München, B. v. 28.7.2015, M 6b S 15.2537; a. A. SächsOVG, B. v. 5.5.2015 – 3 B 111/15 – juris m. w. N.).
2. Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide erweisen sich bei der hier notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig, so dass die gegen sie erhobene Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. In einem solchen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an deren Vollziehbarkeit und damit auch deren Vollstreckbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) das Interesse des Antragstellers, vorläufig keine Zahlungen an den Antragsteller leisten zu müssen.
2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV -. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,98 Euro (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; seit 1.4.2015: 17,50 Euro) im Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Der Antragsteller hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht in Abrede gestellt. Vielmehr erhebt er Einwendungen gegen den Rundfunkbeitrag als solchem und macht insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
2.2 Der Rundfunkbeitrag begegnet aber entgegen der vom Antragsteller vertretenen Rechtauffassung keinen durchgreifenden, auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das hat nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2014 und der für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) sowie zahlreichen Urteilen von Verwaltungsgerichten (z. B. VG München, U. v. 26.2.2015 – M 6a K 14.877; U. v. 8.6.2016, M 6 K 16.20) und Oberverwaltungsgerichten, darunter auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr. seit U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 -, U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.2488), nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 (BVerwG 6 C 6.15 u. a.). Danach ist der Rundfunkbeitrag eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (amtlicher Leitsatz Nr. 1). Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung (amtlicher Leitsatz Nr. 2). Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind (amtlicher Leitsatz Nr. 3). Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren (amtlicher Leitsatz Nr. 4). Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien (amtlicher Leitsatz Nr. 5). Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben. (amtlicher Leitsatz Nr. 6). Seine Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht nochmals mit Urteil vom 15. Juni 2016 bekräftigt (Az. 6 C 35/15 – juris) In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist schließlich geklärt, dass der Rundfunkbeitrag auch gegen keine anderen Normen wie etwa die EMRK oder EU-Recht verstößt.
2.3 Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von jeweils c. Euro ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags ist seit Einführung des Rundfunkbeitrags ab 1. Januar 2013 § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger vom 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3; § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 Euro fällig, ohne dass es eines vorherigen „Beitragsbescheids“ bedürfte. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Vorliegend hatte der Antragsteller für den in den streitgegenständlichen Bescheiden benannten Zeitraum die Rundfunkbeiträge – unstreitig – nicht bei Fälligkeit bezahlt, so dass der Beklagte den Säumniszuschlag festsetzen durfte. Dieser war mit c. Euro auch der Höhe nach zutreffend bemessen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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