IT- und Medienrecht

Zutreffende Berücksichtigung der Eigenbehalte bei der Berechnung der Belastungsgrenze nach § 50 Abs. 1 BBhV

Aktenzeichen  B 5 K 18.452

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46089
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) § 50

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 04.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Reduzierung der für sie nach der Beihilfeverordnung geltenden Belastungsgrenze entsprechend ihrem individuellen Bemessungssatz um 50% auf 0,5%.
1. a) Die Klägerin stand zuletzt als Beamtin der Besoldungsgruppe A8 im Dienste der Beklagten und ist damit grundsätzlich beihilfeberechtigt i.S.v. § 2 Abs. 1 BBhV.
Gemäß § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBhV wird Beihilfe als prozentualer Anteil (Bemessungssatz) der beihilfefähigen Aufwendungen gewährt. Maßgeblich für die Bestimmung ist der Bemessungssatz im Zeitpunkt der Leistungserbringung. Danach galt im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 BBhV für die Klägerin im Rahmen der Bemessung ihres Beihilfeanspruchs der reguläre Bemessungssatz von 50%. Nach § 49 BBhV sind jedoch für verschiedene Leistungen und Medizinprodukte im weiteren Sinne vom Beihilfeberechtigten Eigenbehalte in unterschiedlicher Höhe zu leisten.
Diese Eigenbehalte werden nach § 50 Abs. 1 Satz 5, Alt. 2 BBhV u.a. – wie im Fall der Klägerin – zur Minderung der Belastung chronisch Kranker nach der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Fassung vom 22. Januar 2004 (BAnz. S. 1343), die zuletzt durch Beschluss vom 15. Februar 2018 (BAnz. AT 05.03.2018 B4) geändert worden ist, auf Antrag auf 1% der jährlichen Einnahmen nach § 39 Abs. 3 Satz 1 BBhV begrenzt. Dabei sind für die Feststellung der Belastungsgrenze jeweils die jährlichen Einnahmen des vorangegangenen Kalenderjahres maßgebend, § 50 Abs. 2 Satz 4 BBhV.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Reduzierung ihrer Belastungsgrenze im beantragten Umfang.
Zwar handelt es sich bei den streitgegenständlichen Aufwendungen unzweifelhaft um beihilfefähige Aufwendungen nach § 6 BBhV, namentlich um solche, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV notwendig und wirtschaftlich angemessen waren.
Darüber hinaus ist die Klägerin von den Beteiligten unbestritten sei dem Jahr 2001 an Diabetes mellitus Typ II erkrankt und damit chronisch krank im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 5, Alt. 2 BBhV. Die Klägerin hat außerdem den gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBhV erforderlichen Antrag darauf, dass nach Überschreiten der Belastungsgrenze nach Satz 5 entsprechende Eigenbehalte nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BBhV nicht nach § 49 BBhV von den beihilfefähigen Aufwendungen für ein Kalenderjahr abzuziehen bzw. Aufwendungen für ärztlich oder zahnärztlich verordnete, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen sind, bis zum Ablauf des Jahres gestellt, das auf das Jahr folgt, in dem die Eigenbehalte nach § 49 BBhV einbehalten worden sind.
Die Beklagte hat auch die für die Feststellung, ob die Grenze von 1% der jährlichen Einnahmen erreicht wurde, maßgeblichen, im Kalenderjahr erzielten Einnahmen gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 BBhV zutreffend berechnet. Einnahmen sind gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BBhV die Bruttobezüge nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 und Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Richtigerweise hat die Beklagte hier ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Berechnungsgrundlage die Einnahmen der Klägerin aus dem Jahr 2016 zugrunde gelegt, da streitgegenständlich Beihilfeansprüche für im Jahr 2017 entstandene Aufwendungen geltend gemacht werden, vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 BBhV. Auf diesem Beiblatt zur Berechnung der Einnahmen der Klägerin sind darüber hinaus auch keine Rechenfehler erkennbar. Die Berechnung entspricht den Vorgaben der BBhV: Konkret hat die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 Dienstbezüge in Höhe von 39.480,98 EUR zugrunde gelegt. Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 BBhV hat sie bei der Klägerin als verheirateter Beihilfeberechtigter einen Abzug in Höhe von 15%, namentlich 5.922,15 EUR, von den Dienstbezügen vorgenommen. Damit kommt sie zu einer Berechnungsgrundlage von 33.558,83 EUR und errechnet zutreffend einen Wert von 335,59 EUR für die Belastungsgrenze von einem Prozent. Damit erreicht die Klägerin nach der Rechenweise der Beklagten die 1-prozentige Belastungsgrenze auch früher als nach ihrer eigenen Berechnung, mit der sie auf einen Wert von 395,60 EUR kommt. Außerdem hat die Beklagte ausweislich des Berechnungsblattes der Klägerin eine etwa bezogene Witwenrente nicht nachteilig angerechnet.
Schließlich hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass ein etwaiger abweichender Leistungsumfang einer privaten Krankenversicherung nicht maßgeblich ist. Gemäß Ziff. 50.1.6 BBhVVwV erfolgt die Berechnung der Belastungsgrenze allein nach den Regelungen der BBhV, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe bei Versicherungsleistungen Eigenbehalte abgezogen werden.
b) Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung über das schriftlich Vorgetragene hinaus außerdem geltend macht, dass, wenn sie eine Rechnung oder ein Rezept bei der Beihilfestelle einreiche, die Beihilfestelle hiervon beispielsweise einen Eigenanteil in Höhe von 10,00 EUR abziehe, aber bei den Beträgen, die für die Berechnung ihrer Belastungsgrenze maßgeblich seien, nur die Hälfte berücksichtige, mit dem Ergebnis, dass sich die selbst zu tragenden Kosten dadurch effektiv verdoppelten, kann auch dieser Umstand dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist der Klägerin zuzugeben, dass diese Vorgehensweise für sie unbefriedigend ist.
Rechtswidrig ist die Vorgehensweise hingegen nicht. Sie findet vielmehr ihre rechtliche Grundlage in einer weiteren Begrenzung, die § 50 Abs. 1 Satz 3 BBhV und Ziff. 50.1.3 Satz 1 BBhVVwV vornehmen: Danach sind die Eigenbehalte nach § 49 Abs. 1 bis 3 BBhV nur entsprechend der Höhe des Beihilfebemessungssatzes nach § 46 BBhV zu berücksichtigen, da die beihilfeberechtigte Person auch nur mit diesem Betrag belastet ist (hier also 50%). Beispielhaft wird in den Sätzen 2-5 der Ziff. 50.1.3 BBhVVwV folgendes Rechenbeispiel angeführt: Ein Arzneimittel kostet 50 EUR – 5 EUR Eigenbehalt = 45 EUR beihilfefähiger Betrag. Bei einem Bemessungssatz von 50 Prozent werden 22,50 EUR Beihilfe ausgezahlt. Ohne Eigenbehalt erhielte die beihilfeberechtigte Person eine Beihilfe von 25 EUR. Die Differenz von 2,50 EUR entspricht der effektiven Belastung der beihilfeberechtigten Person durch den Eigenbehalt.
c) Nicht maßgebend für den streitgegenständlichen Berechnungszeitraum ist schließlich, ob und wenn ja, in welcher Form, die Beklagte in vorangegangenen Jahren möglicherweise eine falsche Berechnung vorgenommen hat, da kein Anspruch auf Fortschreibung fehlerhaften Verwaltungshandelns besteht.
Konkret hatte die Beklagte geäußert, dass es zutreffend sei, dass man im Jahr 2016 die errechnete Belastungsgrenze ins Verhältnis zu dem individuellen Bemessungssatz gesetzt habe. Aufgrund einer regelmäßig stattfindenden Überprüfung durch das für Beihilfe zuständige Grundsatzreferat Z 16 bei der …sei die bisher angewandte Auslegung der Vorschriften zur Belastungsgrenze eingehend überprüft, nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ab 2017 korrigiert und seitdem in allen Beihilfefällen einheitlich angewandt worden.
Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Selbst wenn dies zutreffen sollte, kommt ein Anspruch der Klägerin auf Fortführung dieser Praxis im Wege der Selbstbindung der Verwaltung nicht in Betracht. Normative Grundlage der Selbstbindung ist vor allem der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Zudem kann sich eine Selbstbindung aufgrund des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips ergeben (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 104). Eine Selbstbindung kommt aber überhaupt nur bzgl. rechtmäßiger Verwaltungspraxis oder Verwaltungsvorschriften in Betracht. Der Vorrang des Gesetzes verhindert, dass sich die Verwaltungsbehörde selbst auf eine der Bindung an das Gesetz widersprechende „Gleichheit im Unrecht“ verpflichtet (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 117).
Entsprechend den oben erörterten Grundsätzen zur Berechnung der Belastungsgrenze im Beihilfebereich kann somit die Klägerin aus einer bis dato abweichend praktizierten Vorgehensweise keine abweichende Berechnung zu ihren Gunsten beanspruchen.
2. Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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