Kosten- und Gebührenrecht

Berichtigung eines ausgestellten Führerscheins – aliud und minus

Aktenzeichen  11 C 15.1995

Datum:
17.3.2016
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 2
FeV FeV § 30 Abs. 2, Abs. 4 S. 1
VwGO VwGO § 166 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ist das ursprüngliche Begehren des Klägers auf die Erteilung einer inländischen Fahrerlaubnis aufgrund Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis gerichtet, stellt sich – wenn diese erteilt wurde – eine Änderung des Rechtsschutzziels auf die Berichtigung dieses ausgestellten Führerscheins (hier: hinsichtlich des Gültigkeitsbeginns)  nicht als minus, sondern als aliud dar. Für das erst in der Beschwerdeinstanz geänderte Begehren kann daher vom Beschwerdegericht Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, sondern es wäre neuerliche Antragstellung beim Verwaltungsgericht nötig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 15.169 2015-07-24 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. Oktober 2014 beantragte der Kläger beim Landratsamt Forchheim (im Folgenden: Landratsamt) unter Vorlage der Kopie seines ungarischen Führerscheins die Verlängerung der Fahrerlaubnis. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 wies das Landratsamt den Kläger auf die für die Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis notwendigen Unterlagen hin. Am 3. Dezember 2014 beantragte der Kläger beim Landratsamt unter Vorlage diverser Unterlagen die Umschreibung der ungarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis. Nachdem das Landratsamt Zweifel hinsichtlich des Wohnsitzes des Klägers in Ungarn im Zeitpunkt des dortigen Erwerbs der Fahrerlaubnis geäußert und die vom Kläger vorgelegten Belege insoweit nicht für ausreichend erachtet hatte, beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Bayreuth mit Schreiben vom 18. März 2015 Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für eine beabsichtigte Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis und einen beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Erteilung der Fahrerlaubnis.
Mit Beschluss vom 24. Juli 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt. Hinsichtlich der Umschreibung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C und L fehle dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtungsklage, da das Landratsamt mittlerweile schriftlich erklärt habe, die Fahrerlaubnis insoweit umzuschreiben. Die begehrte Umschreibung der Fahrerlaubnis der Klassen B1 und K scheitere daran, dass es sich dabei um nationale ungarische Fahrerlaubnisklassen handele, denen keine deutsche Fahrerlaubnisklasse entspreche und die deshalb nicht umgeschrieben werden könnten. Hinsichtlich der am 9. Juli 2013 in Ungarn erteilten Fahrerlaubnisklassen BE, C1E, CE und T liege aufgrund der nach wie vor ungeklärten Frage des Wohnsitzes des Klägers zu diesem Zeitpunkt in Ungarn und der insoweit noch nicht abgeschlossenen Prüfung ein zureichender Grund für die Nichtvornahme der Umschreibung vor.
Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 20. August 2015 unter Hinweis auf eine von ihm zwischenzeitlich vorgelegte weitere Bestätigung Beschwerde einreichen.
Nachdem das Landratsamt dem Kläger im November 2015 die Fahrerlaubnis erteilt und einen deutschen Führerschein ausgestellt hat, teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf gerichtliche Nachfrage mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016 mit, die Beschwerde werde aufrechterhalten. Der ursprüngliche Antrag werde dahingehend „abgewandelt“, dass nunmehr die Berichtigung des ausgestellten Führerscheins begehrt werde, in dessen Feld 10 an Stelle des dort eingetragenen Gültigkeitsbeginns ‚16. November 2015‘ für die Fahrerlaubnisklassen zur Vermeidung rechtlicher und wirtschaftlicher Nachteile die im vorgelegten ungarischen Führerschein vermerkten Erteilungszeitpunkte einzutragen seien. Der Kläger habe Anspruch auf Verlängerung und nicht nur auf Neuerteilung gehabt. Es müsse insoweit auf die rechtzeitige Antragstellung und nicht auf die Dauer des Erteilungsverfahrens ankommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, mit der der Kläger Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für ein gegenüber dem ursprünglichen Antrag geändertes Rechtsschutzziel begehrt, hat keinen Erfolg.
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Beschwerdeverfahren kann jedoch das ursprüngliche Begehren nicht geändert werden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Entscheidung des Ausgangsgerichts. Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung die beantragte Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung im Hinblick auf die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu Recht abgelehnt hat. Deshalb muss für ein geändertes Begehren erneut erstinstanzlich Prozesskostenhilfe beantragt werden (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 119 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 166 Rn. 50). Das ergibt sich auch aus § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach in dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Streitverhältnis darzustellen ist. Um hierdurch eine Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht zu ermöglichen, muss der Streitgegenstand, um den es gehen soll, nach Art und Umfang bestimmbar sein (BGH, B.v. 22.9.2005 – IX ZB 163/04 – NJW-RR 2006, 429).
Das ursprüngliche Begehren des Klägers war auf die Erteilung der Fahrerlaubnis gerichtet. Das nunmehrige Rechtsschutzziel der Berichtigung des ausgestellten Führerscheins ist nicht als minus, sondern als aliud gegenüber dem ursprünglichen und mittlerweile in vollem Umfang erfüllten Begehren anzusehen und war nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung. Der nach § 30 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl I S. 1674), in Feld 10 des neu auszustellenden Führerscheins zu vermerkende Tag, an dem die ausländische Fahrerlaubnis für die betreffende Klasse erteilt worden war, war nicht Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Daher kann der Kläger einen solchen Antrag nicht im Beschwerdeverfahren verfolgen, sondern muss insoweit ggf. erneut Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung beim hierfür zuständigen Verwaltungsgericht beantragen. In diesem Verfahren wäre dann darüber zu entscheiden, welcher Erteilungstag in Feld 10 des Führerscheins einzutragen ist. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass die Gültigkeit der ungarischen Fahrerlaubnisklassen bis 9. November 2014 befristet war und dass der Kläger den Umschreibungsantrag erst am 3. Dezember 2014 eingereicht hat. Zwar konnte die bis zum 9. November 2014 befristete, bei rechtmäßigem Erwerb zunächst inlandsgültige ungarische Fahrerlaubnis des Klägers auch nach Ablauf ihrer Geltungsdauer in eine deutsche Fahrerlaubnis umgeschrieben werden (vgl. § 30 Abs. 2 FeV). Hinsichtlich des in Feld 10 des Führerscheins einzutragenden Erteilungstags kommt es jedoch darauf an, ob die Regelung des § 30 Abs. 4 Satz 1 FeV voraussetzt, dass die im Ausland erteilte Fahrerlaubnis zur Vermeidung der Dokumentation einer nicht gegebenen durchgängigen Berechtigung nicht zwischenzeitlich abgelaufen war (vgl. hierzu Hahn/Kalus in Bender/König [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, Bd. 1, 1. Auflage 2016, § 30 FeV Rn. 24).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Anlage 1 Nr. 5502).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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