Kosten- und Gebührenrecht

Erfolgloser, auf Gehörsverletzung gestützter Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  20 ZB 18.31009

Datum:
11.6.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16819
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
ZPO § 227
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine zu kurzfristige Terminsanberaumung unter Verkürzung der Ladungsfrist kann nur unter bestimmten Umständen zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen (BVerwG BeckRS 9998, 45220; BeckRS 1974, 30429019; BeckRS 1981, 31253047). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Verlegung des festgesetzten Verhandlungstermins besteht dann, wenn der Beteiligte alles in seinen Kräften stehende und nach Lage der Dinge erforderliche getan hat, um sich durch Wahrnehmung des Termins Gehör zu verschaffen, hieran jedoch ohne sein Verschulden gehindert wurde.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Vertretung des Beteiligten durch eine Anwaltssozietät kommt es bei Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts darauf an, ob ein anderes Sozietätsmitglied den Termin sachgerecht wahrnehmen kann und ihm eine Einarbeitung zumutbar ist (OVG Münster BeckRS 2016, 47704). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 17.33538 2018-03-26 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth ist unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt.
Der nach Art. 103 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt einerseits, dass jeder Beteiligte Gelegenheit erhalten muss, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu äußern. Daneben verlangt er, dass das Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. nur in Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 108 Rn. 10).
Eine zu kurzfristige Terminsanberaumung unter Verkürzung der Ladungsfrist kann dagegen nur unter bestimmten Umständen zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen (BVerwG, U.v. 22.6.1984 – 8 C 1/83 – NJW 1985, 340; U.v. 25.1.1974 – VI C 7.73 – BVerwGE 44, 307; B.v. 25.9.1981 – 6 CB 14480 – BeckRS 1981, 31253047; Geiger in Eyermann, § 102 VwGO, Rn. 19). Dies ist der Fall, wenn der Beteiligte nicht in der Lage gewesen ist, zum Termin zu erscheinen und auch keinen Antrag auf Terminsverlegung stellen konnte. Vorliegend war dies nicht der Fall, wie sich bereits daran erkennen lässt, dass der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Verlegung des für den 19. März 2018 festgesetzten Verhandlungstermins gestellt hat.
Aber auch durch die Ablehnung dieses Terminsverlegungsantrags mit Beschluss vom 14. März 2018 hat das Verwaltungsgericht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Die Entscheidung über einen Antrag auf Verlegung des festgesetzten Verhandlungstermins liegt nach § 173 VwGO, § 227 ZPO, grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Ein Ermessensspielraum besteht jedoch dann nicht, wenn die Verlegung des Termins zur Gewährung rechtlichen Gehörs notwendig ist (BVerwG, U.v. 29.9.1994 – 3 C 28/92 – BVerwGE 96, 368, Rn. 48). Ein Anspruch auf Verlegung des festgesetzten Termins liegt dann vor, wenn der Beteiligte alles in seinen Kräften stehende und nach Lage der Dinge erforderliche getan hat, um sich durch Wahrnehmung des Termins Gehör zu verschaffen, hieran jedoch ohne sein Verschulden gehindert worden ist. Dies gilt entsprechend, wenn der Beteiligte sich anwaltlich vertreten lassen will und der Anwalt unverschuldet an der Terminswahrnehmung gehindert ist (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Liegt jedoch eine Vertretung des Beteiligten durch eine Anwaltssozietät vor, so kommt es bei Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts darauf an, ob ein anderes Sozietätsmitglied den Termin sachgerecht wahrnehmen kann und ihm eine Einarbeitung zumutbar ist (Jaspersen in Beck-OK, ZPO, § 227, Rn. 12.10; OVG Münster, B.v. 17.6.2016 – 13 A 1896/14.A – BeckRS 2016, 47704).
Nach diesen Maßstäben bestand hier kein Anspruch des Klägers auf Verlegung des festgesetzten Verhandlungstermins, da eine sachgerechte Terminswahrnehmung durch ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät möglich und zumutbar war. Denn der Kläger hatte ausweislich des Vollmachtsformulars nicht nur den sachbearbeitenden Rechtsanwalt, sondern die aus drei Rechtsanwälten bestehende Sozietät beauftragt. An dem festgesetzten Verhandlungstag war zwar der sachbearbeitende Rechtsanwalt wegen eines Verhandlungstermins an einem anderen Verwaltungsgericht verhindert und auch die andere mit asylrechtlichen Fällen regelmäßig befasste Rechtsanwältin war nach den (nicht weiter spezifizierten) Angaben in dem Verlegungsgesuch an diesem Tag im Urlaub. Allerdings war eine Terminswahrnehmung durch die dritte in der Sozietät mitarbeitende Rechtsanwältin, die ausweislich des Verlegungsgesuchs regelmäßig zwar keine Asylsachen übernimmt, möglich und zumutbar. Denn der Kanzlei war jedenfalls seit dem nach Angaben des Klägerbevollmächtigten am 8. März 2018 erfolgten Zugang der Ladung zum Termin am 19. März 2018 dieser Termin bekannt. Damit blieben noch elf Tage für die Einarbeitung der bislang nicht mit asylrechtlichen Fällen befassten Rechtsanwältin in den vorliegenden Fall. Insoweit war es möglich und auch zumutbar, dass die beiden regelmäßig mit asylrechtlichen Fällen befassten Rechtsanwälte sie unterstützten und die entsprechenden Hinweise gaben. Anhaltspunkte, dass dies innerhalb dieser Zeit ausnahmsweise nicht möglich gewesen wäre, sind weder dem Verlegungsgesuch vom 9. März 2018 noch dem Antrag auf Zulassung der Berufung zu entnehmen. Die bloße Tatsache, dass die betreffende Rechtsanwältin bislang keine asylrechtlichen Fälle übernommen hat, ändert nichts daran, dass ihr bzw. der Anwaltssozietät entsprechende Bemühungen in überschaubarer Zeit zumutbar sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war aus den dargestellten Gründen abzulehnen (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.

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