Kosten- und Gebührenrecht

Erfolgreiche Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Änderung eines Familiennamens

Aktenzeichen  5 C 17.1752

Datum:
12.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4382
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO §§ 114 ff.
NamÄndG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Hinreichend für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch eine seelische Belastung kann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Dabei muss nicht zugewartet werden, bis die seelische Belastung den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Bewertung, ob die vorgetragene Belastung nach der Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist, ist die besondere Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen und sind sowohl das Lebens- bzw. Arbeitsumfeld als auch die Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf seine seelische Verfassung zu betrachten.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Juli 2017 wird aufgehoben. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Sch., Ansbach, beigeordnet.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Änderung seines Familiennamens.
Der 1979 geborene Kläger besitzt seit seiner Einbürgerung im Jahr 1997 die deutsche und daneben die tunesische Staatsangehörigkeit. Bei ihm besteht eine geistige Behinderung aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung. Nach Aktenlage arbeitet er in den Werkstätten der Lebenshilfe in Ansbach und erhält Grundsicherung nach dem SGB XII. Er steht unter rechtlicher Betreuung; als Betreuerin wurde seine Mutter bestellt. Mit Beschluss vom 10. August 2015 gestattete das Amtsgericht Ansbach, Abteilung für Betreuungssachen, der Mutter für den Kläger bei der zuständigen Verwaltungsbehörde einen Antrag auf Namensänderung zu stellen.
In dem schriftlichen Antrag auf Änderung des Familiennamens begründete die Mutter/Betreuerin des Klägers das Begehren mit Schwierigkeiten des Klägers bei der Einreise nach Tunesien, die auf der Namensverschiedenheit des Klägers und seiner Mutter beruhten. Ein weiterer wichtiger Grund seien die Anfeindungen und Hänseleien, denen der geistig behinderte Kläger aus seinem Umfeld wegen seines arabischen Namens ausgesetzt sei. Im weiteren Verlauf wurde ein Attest eines Arztes für Psychotherapie vorgelegt, in dem ausgeführt wird, dass sich beim Kläger im Laufe der Jahre ein deutlicher Leidensdruck im Hinblick auf die Hänseleien entwickelt habe. Aus nervenärztlicher Sicht erscheine ein Namenswechsel sinnvoll und werde befürwortet.
Mit Bescheid vom 21. März 2016 lehnte das Landratsamt die beantragte Änderung des Familiennamens ab, weil ein wichtiger Grund im Sinn des § 3 NamÄndG nicht vorliege. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass sein Interesse an einer Namensänderung das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität überwiege. Ein wichtiger Grund ergebe sich nicht aus den behaupteten Schwierigkeiten im Rahmen einer beabsichtigten Reise nach Tunesien. Aus dem vorgelegten ärztlichen Attest sei nicht ersichtlich, dass die Belastung durch die Führung des Familiennamens so wesentlich sei, dass die Belange der Allgemeinheit zurücktreten müssten.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 21. April 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung unter den Hänseleien nicht nur psychisch, sondern auch physisch leide. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens überwiege im Falle des Klägers nicht. Ein wichtiger Grund im Sinn von § 3 NamÄndG liege im konkreten Fall vor. Für seine Klage begehrt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung.
Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 7. Juli 2017 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung des Klägers würden die Momente, die für eine Namensänderung sprächen, nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen. Der Familienname des Klägers sei kein lächerlich klingender Name. Das ärztliche Attest belege nicht, dass Hänseleien in einem Umfang vorliegen würden, die eine Namensänderung rechtfertigen würden. Soweit der Kläger eine seelische Belastung durch die Namensführung geltend mache, könne das nur dann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn dieser unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei. Es komme nicht darauf an, mit welcher Vehemenz der Kläger beteuere, unter der Führung eines bestimmten Namens zu leiden. Entscheidend seien eine objektive Betrachtung und das Vorliegen eines besonderen allgemein nachvollziehbaren Härtefalls, der hier nicht gegeben sei.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Er legte ein aktuelles Attest des behandelnden Nervenarztes vor und regte die Befragung des Arztes als Zeugen an. In dem Attest wurde die Situation für den Kläger als immer wieder traumatisierend geschildert. Es würden sich längerfristig äußerst negative psychische Auswirkungen zeigen. Der Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung seines Rechtsanwalts für die Klage im ersten Rechtszug (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
1. Die Verpflichtungsklage auf Änderung des Familiennamens bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil ihre Erfolgsaussichten zumindest offen sind. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient nicht dazu, den Rechtsschutz selbst zu gewähren. Es soll demjenigen, der die Kosten für eine Prozessführung nicht aufbringen kann, eine Rechtsverfolgung möglich machen, sofern diese hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dafür genügt eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolges, wobei im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht hat nicht den Zweck, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es daher einerseits nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Andererseits darf die Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347/357, Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 3). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht.
a) Rechtsgrundlage für die begehrte Namensänderung ist § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG). Nach dieser Vorschrift darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Die Voraussetzung des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BVerwG, U.v. 29.9.1972 – VII C 77.70 – BVerwGE 40, 353). Da die öffentlich-rechtliche Namensänderung Ausnahmecharakter hat und dazu dient, Unzuträglichkeiten zu beseitigen, die bei der Führung des nach bürgerlichem Recht zu tragenden Namens auftreten (BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 6 B 23.01 – Buchholz 402.10, § 3 NÄG Nr. 76) muss ein besonderes, die eigene Situation des Namensträgers prägendes Interesse vorliegen, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf der der Name beruht. Andernfalls liefe die im Verwaltungs Weg zulässige Namensänderung den Wertentscheidungen zuwider, die im Familienrecht getroffen sind (BVerwG, U.v. 8.12.2014 – 6 C 16.14 – NJW 2015, 1321 Rn. 11).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein wichtiger Grund für eine Änderung des Familiennamens gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen bisherigen Namen abzulegen und den neuen Namen zu führen, Vorrang hat einerseits vor dem schutzwürdigen Interesse der Träger des bisherigen und des neuen Namens, die durch eine Namensänderung betroffen sind, und andererseits vor den Grundsätzen der Namensführung, die in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommen sind und zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören (BVerwG, U.v. 13.9.2016 – 6 B 12.16 – NJW 2017, 101 Rn. 12 ff; B.v. 11.1.2011 – 6 B 65.10 – juris Rn. 5; B.v. 17.5.2001 – 6 B 23.01 – Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 76). Auch eine seelische Belastung kann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, allerdings nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Ist die seelische Belastung hingegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor. Geht die seelische Belastung über eine übertriebene Empfindlichkeit hinaus und ist sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet, muss mit der Anerkennung eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung nicht zugewartet werden, bis die seelische Belastung den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Den Namensträger gerade vor diesen Folgen zu bewahren, kann die Änderung des Namens rechtfertigen (BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65.10 – juris Rn. 5 m.w.N.).
b) Nach diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind unter Berücksichtigung der individuellen, besonderen Situation des Klägers die Erfolgsaussichten der Klage auf Änderung des Familiennamens des Klägers in den Familiennamen der Mutter zumindest offen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 NamÄndG vorliegt.
Aus dem arabisch klingenden Name des Klägers allein kann allerdings ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens voraussichtlich nicht abgeleitet werden, zumal sich aus ihm keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Aussprache und der Schreibweise ergeben. Auch ist die arabische Herkunft des Namens ohne weitere Besonderheiten nach allgemeiner Verkehrsauffassung wohl nicht geeignet, eine seelische Belastung zu begründen, die eine Namensänderung rechtfertigen könnte. Die Schwierigkeiten bei der Einreise nach Tunesien dürften – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – ebenfalls auch unter Berücksichtigung der Behinderung des Klägers nicht ein solches Maß erreichen, dass hierin ein wichtiger Grund für eine Namensänderung zu sehen ist.
Möglicherweise stellt jedoch die vorgetragene und durch ärztliche Atteste untermauerte seelische Belastung des Klägers durch den Familiennamen einen wichtigen Grund im Sinne von § 3 NamÄndG dar. Bei der Bewertung, ob die vorgetragene Belastung nach der Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist, ist die besondere Lebenssituation des Klägers zu berücksichtigen. Diese erfordert eine genaue Betrachtung seines Lebensbzw. Arbeitsumfelds und der Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf seine seelische Verfassung. Der Kläger ist aufgrund seiner Behinderung in Werkstätten der Lebenshilfe tätig und befindet sich somit in einem Umfeld, das sich hinsichtlich der Reflexionsfähigkeit über die Auswirkungen von Spott und Hänseleien auf die Verfassung des Betroffenen von der an einem Arbeitsplatz des regulären Arbeitsmarktes herrschenden Situation unterscheiden dürfte. In den Blick zu nehmen ist auch die Möglichkeit, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung möglicherweise weniger in der Lage ist, mit der ihn belastenden Situation umzugehen und Vermeidungsstrategien zu entwickeln. Diese Einschätzung legt auch das vorgelegte Attest des Nervenarztes und Psychotherapeuten nahe. Es bedarf daher einer näheren Prüfung im Klageverfahren, welche konkreten Auswirkungen die Beeinträchtigungen auf den Kläger und seine psychische Verfassung haben. Hierfür wird auch der persönliche Eindruck des Klägers eine Rolle spielen.
Wohl nicht von entscheidender Bedeutung ist der Umstand, dass weder im Jahr 1995 nach einer erneuten Eheschließung der Mutter noch bei der Einbürgerung des Klägers im Jahr 1997 die Möglichkeit einer Änderung des Familiennamens weiterverfolgt wurde. Denn das Bedürfnis für eine Namensänderung dürfte sich für den Kläger erst in den letzten Jahren ergeben haben, nachdem sich nach seiner Aussage die Situation am Arbeitsplatz, insbesondere im Zusammenhang mit der Zunahme von Flüchtlingen aus dem arabischen Raum, verschärft hatte.
2. Die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind ausweislich der dem Verwaltungsgericht vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erfüllt.
3. Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung sind entbehrlich. Kosten werden nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.


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