Kosten- und Gebührenrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluß, Fiktive Terminsgebühr, mündlich Verhandlung, Antrag auf mündliche Verhandlung, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Prozeßbevollmächtigter, Kostenfestsetzungsantrag, Prozeßverhalten, Beschwerdeausschluss, Verwaltungsgerichte, Kostenentscheidung, Erstattungsfähigkeit, Kostengrundentscheidung, Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Gerichtsgebührenfreiheit, Gebührenrechtliche, Gerichtliche Entscheidung, Bevollmächtigter

Aktenzeichen  M 13 M 20.32469

Datum:
21.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42823
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
RVG § 13
VV-RVG Nr. 3104

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit einer fiktiven Terminsgebühr.
Der Kläger wandte sich im Ausgangsverfahren (M 13 K 17.48773) gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde. Mit Gerichtsbescheid vom 4. Januar 2018 wurde der Bescheid aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung oder auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von den Beteiligten nicht gestellt. Der Gerichtsbescheid wurde am 31. Januar 2018 rechtskräftig.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. Juni 2020 machte der Bevollmächtigte des Klägers Kosten in Höhe von 925,22 Euro geltend, die eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG in Höhe von 363,60 Euro einschlossen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Juli 2020 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die dem Kläger entstandenen notwendigen Aufwendungen ohne die geforderte fiktive Terminsgebühr fest. Der Gebührentatbestand sei nicht erfüllt. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG entstehe allein in den Fällen des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, also nur, wenn gegen die Entscheidung durch Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben oder zugelassen sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor, da neben dem Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid auch ein Antrag auf Zulassung der Berufung statthaft gewesen wäre.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Juli 2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers am 28. Juli 2020 insoweit gerichtliche Entscheidung beantragt, als die beantragte Terminsgebühr nicht festgesetzt wurde.
Entscheidend sei, ob gegen den Gerichtsbescheid überhaupt die mündliche Verhandlung beantragt werden könne. Das wäre aber zumindest der Gegenseite möglich gewesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten ist nach § 165 i.V.m § 151 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG steht der Einlegung der Erinnerung nicht entgegen (vgl. OVG Münster, B.v. 16.10.2014 – 11 B 789/14.A -juris; VG München, B.v. 26.2.2019 – M 24 M 17.47867 – juris Rn. 15).
Der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten kann richtigerweise auch im eigenen Namen Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss einlegen, soweit die Kostenfestsetzung seine Interessen berührt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165 Rn. 4 m.w.N.).
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. Kunze in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2020, § 165 Rn. 8 m.w.N.). Für die Entscheidung im vorliegenden Erinnerungsverfahren ist daher der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig.
II.
Die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG ist nicht festzusetzen, da der Kläger keinen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können.
Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG entsteht im Fall einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine („fiktive“) Terminsgebühr nur dann, wenn eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Mit dieser Einschränkung soll das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr auf die Fälle beschränkt werden, in denen ein Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, um zu verhindern, dass Prozessbevollmächtigte allein aus gebührenrechtlichen Gründen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragen (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 275). Der Kläger, der mit seiner Klage in vollem Umfang obsiegt hatte, hätte jedoch die mündliche Verhandlung nicht erzwingen können. Ein etwaiger Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung wäre mangels Beschwer unzulässig gewesen (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2018 – 5 C 18.1932 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Ein Antragsrecht eines anderen Beteiligten genügt entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers nicht für das Entstehen der Gebühr. Andernfalls wäre der durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2013 (BGBl. I S. 2586) eingefügte Zusatz „und ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden kann“ regelungstechnisch sinnlos: Die Terminsgebühr würde allein dadurch entstehen, dass das Verfahren mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid abgeschlossen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2018 – 5 C 18.1932 – juris Rn. 12). Auch nach der Entstehungsgeschichte und dem objektiven Zweck der Vorschrift kann sich nur derjenige Rechtsanwalt auf die fiktive Terminsgebühr berufen, dessen Partei einen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte der Anspruch auf eine fiktive Terminsgebühr nach Entscheidung durch Gerichtsbescheid konsequent auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen ein Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall die vom Gesetzgeber beabsichtigte Steuerungswirkung notwendig ist (BT-Drucks. 17/11471, S. 275; BayVGH, a.a.O. Rn. 12).
Auf die Frage, ob der teilweise vertretenen Auffassung zu folgen ist, der Anwendungsbereich von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG sei auf die Fälle des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beschränkt, kommt es nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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