Kosten- und Gebührenrecht

Mutwilligkeit der Klageerhebung

Aktenzeichen  10 C 18.2325

Datum:
22.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27391
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75 S. 2, S. 3
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 166
AufenthG § 25 Abs. 3

 

Leitsatz

Eine unmittelbar nach Ablauf der Mindestfrist des § 75 S. 2 VwGO erhobene Klage erscheint mutwillig, wenn die Behörde zuvor zu erkennen gegeben hat, dass weder eine Entscheidung verweigert noch die Ablehnung der Anträge zu befürchten sei.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 18.2773 2018-10-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgen die Klägerinnen ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihnen für eine Klage beim Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihren Rechtsanwalt beizuordnen.
Die Klage richtete sich auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die sie bei der Ausländerbehörde am 5. März 2018 beantragt hatten. Diese teilte den Klägerinnen mit der Eingangsbestätigung vom 15. März 2018 mit, dass ihnen bei einer Vorsprache eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt werden könne; aufgrund der derzeitigen Überlastung der Ausländerbehörde könne eine zeitnahe Erteilung des elektronischen Aufenthaltstitels jedoch nicht erfolgen. Am 7. Juni 2018 erhoben die Klägerinnen Untätigkeitsklage mit dem Ziel, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse zu verpflichten. Nachdem die beantragten Aufenthaltserlaubnisse am 10. September 2018 erteilt worden waren, wurde die Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 15. Oktober 2018 das Verfahren ein; in Nr. IV des Beschlusses lehnte es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten ab, weil die Erhebung der Untätigkeitsklage zu diesem Zeitpunkt mutwillig erscheine.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dann mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die zur Rechtsverfolgung ergriffene Maßnahme bei den konkreten Gegebenheiten nicht notwendig ist und deshalb von einem verständigen Beteiligten nicht ergriffen worden wäre (OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.7.2017 – OVG 3 M 92.17 – juris Rn. 3).
Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall die Rechtsverfolgung durch die Klägerinnen im Wege einer Untätigkeitsklage mutwillig erscheint. Die Klage wurde unmittelbar nach Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO bestimmten Mindestfrist, nämlich nach drei Monaten und zwei Tagen erhoben, obwohl die Ausländerbehörde in ihrer Eingangsbestätigung die – kurz danach auch erfolgte – Erteilung einer Fiktionsbescheinigung angekündigt und hinsichtlich der Erteilung des elektronischen Aufenthaltstitels mitgeteilt hatte, dass diese aufgrund einer aktuellen Überlastung der Ausländerbehörde noch längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Es war für die Klägerinnen somit ersichtlich, dass die Ausländerbehörde sich weder einer Entscheidung verweigert noch aktuell eine Ablehnung ihrer Anträge zu befürchten war; letztlich war die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse nur eine Frage der ordnungsgemäßen Prüfung sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen im Verwaltungsverfahren und damit der Zeit. Insoweit liegt der Fall hier anders als in den Fallgestaltungen, bei denen die Behörde vor Erhebung der Untätigkeitsklage gar keine Äußerung abgegeben oder sogar noch auf ihrer ablehnenden Ansicht beharrt hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.7.2017 – OVG 3 M 92.17 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 27.12.2010 – 4 C 10.2870 – juris Rn. 8-10). Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung legen dar, dass nach Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerinnen kein zureichender Grund im Sinn des § 75 Satz 3 VwGO dafür vorgelegen habe, dass die Ausländerbehörde nach Ablauf von drei Monaten die beantragten Aufenthaltserlaubnisse noch nicht erteilt hatte, weil deren Überlastung nicht nur „vorübergehend“ gewesen sei. Gleichzeitig geht aus seinem Vorbringen jedoch hervor, dass ihm die infolge der „Flüchtlingswelle“ und Entscheidungspraxis eingetretene Situation in der Ausländerbehörde und die zu erwartende Bearbeitungsdauer offensichtlich bekannt waren. Die Aufenthaltserlaubnisse sind dann – wie abzusehen war – auch drei Monate und drei Tage nach Erhebung der Untätigkeitsklage erteilt worden. Bis dahin hätte unter Berücksichtigung einer dem Beklagten einzuräumenden Frist zur Klageerwiderung innerhalb der üblichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrensdauer ohnehin kein Urteil ergehen können. Es musste dem Bevollmächtigten der Klägerinnen schon bei Erhebung der Untätigkeitsklage erkennbar sein, dass diese nicht notwendig war. Mithin war die Klageerhebung mutwillig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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