Kosten- und Gebührenrecht

Nachweis der Geldempfangsvollmacht gegenüber dem Gerichtsvollzieher

Aktenzeichen  1 M 328/20

Datum:
31.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36931
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 80, § 766 Abs. 2, § 815 Abs. 1
GVGA § 60 Abs. 1 S. 8
BGB § 172 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zu den Aufgaben des Gerichtsvollziehers gehört es grundsätzlich zu überprüfen, ob eine wirksame Geldempfangsvollmacht vorliegt (so auch AG Celle BeckRS 2009, 22926). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lässt sich der Gläubiger durch einen Dritten vertreten, ist zum Nachweis der Geldempfangsvollmacht gegenüber dem Gerichtsvollzieher das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen; eine beglaubigte Abschrift genügt nicht (ebenso LG Erfurt BeckRS 2017, 155436 Rn. 3). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Erinnerung der Gläubigerin Qu. GmbH vom 05.06.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerung ergeht gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.

Gründe

I.
Die Gläubigervertreter wenden sich gem. § 766 Abs. 2 ZPO gegen die kostenpflichtige Ablehnung des Auftrages zur Abnahme der Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher vom 08.05.2020 (Bl. 58 d. Sonderakte).
Die Gläubigern erteilte dem Gerichtsvollzieher mit Datum vom 13.01.2020 Auftrag zur Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner.
Der Gerichtsvollzieher hat die Ausführung des Auftrages nach einer Anregung des Bevollmächtigten des Schuldners auf Prüfung der ordnungsgemäßen Gläubigerbevollmächtigung mit der Begründung abgelehnt, dass nicht ausräumbare Zweifel bestünden, ob die Qu. GmbH noch Inhaberin der Forderung sei und diese im eigenen Namen einziehen dürfe; es sei daher die Vorlage einer aktuellen Geldempfangsvollmacht im Original und unterschrieben notwendig.
Die Gläubigervertreter legten lediglich eine beglaubigte Fotokopie einer Inkassovollmacht vom 23.04.2010 vor, die auch dem Gericht vorliegt. Die Unterschrift auf der Vollmacht ist nicht leserlich; es geht aus der Vollmacht nicht hervor, wer diese Unterschrift geleistet hat, da unter der Unterschrift lediglich „Qu. GmbH (in Insolvenz)“ steht. Zusammen mit der Vollmacht legten die Gläubigervertreter eine Beglaubigung des Notars Dr. F. vom 23.04.2010 vor, in der der Notar die Echtheit der Unterschrift eines Herrn K1. S. bestätigt. Wer dies ist und in welcher Eigenschaft er für die Firma Qu. in Insolvenz die Vollmacht unterschrieben hat, ergibt sich nicht aus den Unterlagen. Weiter vorgelegt wurde eine Bestätigung des Herrn Dr. K2. H. G., handelnd als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Qu. GmbH, dass sich die von dieser Inkassovollmacht betroffenen Forderungen im freien Vermögen der Firma Qu. GmbH befänden und die Forderungszuständigkeit daher bei der Geschäftsführung der Qu. GmbH läge. Ein Datum wurde unter dieses Schreiben nicht gesetzt.
Mit Schreiben vom 05.06.2020 legten die Gläubigervertreter Erinnerung ein.
Zur Vervollständigung des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet. Mangels Vorlage der Original-Geldempfangsvollmacht lagen nicht alle Voraussetzungen zur Zwangsvollstreckung vor.
1. Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Gerichtsvollziehers zu überprüfen, ob eine wirksame Geldempfangsvollmacht vorliegt (vgl. AG Celle, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 26 M 12276/08 -, juris), da eingetriebene Gelder andernfalls nicht ausbezahlt werden können und gegebenenfalls letztendlich an den Schuldner zurückzuzahlen sind.
2. Die Anforderungen, die in formeller Hinsicht an eine Geldempfangsvollmacht zu stellen sind, sind in der ZPO nicht ausdrücklich geregelt. § 80 ZPO befasst sich insoweit nur mit der Prozessvollmacht. Diesbezüglich ist die Vorlage des Originals oder einer öffentlichen Beglaubigung erforderlich (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 80, Rn. 8).
3. Wie mit gepfändetem Geld zu verfahren ist, lässt sich § 815 ZPO entnehmen. Die Pfandverwertung von Geld erfolgt durch die Ablieferung beim Gläubiger. Lässt sich der Gläubiger aber durch einen Dritten vertreten, so ist von diesem die Geldempfangsvollmacht nachzuweisen. Dies kann entsprechend der Form des § 172 Abs. 1 BGB durch Vorlage des Originals oder einer Ausfertigung erfolgen (vgl. LG Frankfurt (Oder) Beschl. v. 3.4.2020 – 19 T 252/19, BeckRS 2020, 6655 Rn. 5, beck-online unter Bezugnahme auf Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 815 Rn. 1; Palandt/Ellenger, BGB, 79. Aufl., § 172 Rn. 3; MüKO/ZPO, Guber, ZPO, § 815, Rn. 2; Musielak/Voigt/Becker ZPO § 815 Rn. 2; BeckOK ZPO/Vorwerk Wolff, 35.Ed. 1.1.2020, ZPO, § 815 Rn, 4). Für das Erfordernis der Vorlage der Originalvollmacht spricht, dass der Gerichtsvollzieher die Berechtigung zur Empfangnahme gepfändeter Geldbeträge nur durch die Vorlage einer Originalvollmachtsurkunde ordnungsgemäß überprüfen kann, insbesondere dient diese zur Prüfung hinsichtlich der Echtheit der Unterschrift des Bevollmächtigten und zur Prüfung, ob die erteilte Vollmacht nicht zwischenzeitlich entzogen worden ist (vgl. LG Erfurt, Beschluss vom 04. Dezember 2017 – 3 T 393/17, juris m.w.N.).
Eine beglaubigte Abschrift der Geldempfangsvollmacht, wie diese hier vorgelegt wurde, genügt nicht (vgl. LG Erfurt, Beschluss vom 4.12.2017 – 3 T 393/17 – DGVZ 2019, 125 Rn. 3, beck-online). Aus den Unterlagen geht auch nicht hervor, dass der Notar das Original der Inkassovollmacht gesehen hat. Es wurde durch die Unterschrift des Notars nicht beglaubigt, dass die Kopie mit dem ihm vorgelegten Original übereinstimmt. Beglaubigt wurde lediglich „die Echtheit vorstehender, vor mir vollzogener Unterschrift“ eines Kl.-J. Sch.. Beglaubigt wird insoweit nur die Übereinstimmung einer Unterschrift, von einer Person, von der gar nicht klar ist, in welcher Funktion und mit welcher Legitimation diese ihre Unterschrift für die Firma Qu. in Liquidation hergegeben haben soll. Auch nach der weiteren Rechtsprechung ist eine Original-Geldempfangsvollmacht vorzulegen (so u.a. AG Spaichingen, Beschl. v. 6.10.1995 – M 1432/95, DGVZ 1996, 175; AG Warburg, Beschl. v. 19.6.2001 – 5 M 441/01, DGVZ 2001, 142; LG Bremen, Beschl. v. 16.5.2001 – 2 T 164/2001, DGVZ 2002, 168; LG Bielefeld v. 20.7.1992 3 T 505/92).
Demnach war die Erinnerung zurückzuweisen. Die Erinnerung ist unbegründet.
III.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO entsprechend.


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