Kosten- und Gebührenrecht

Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung über das Ergebnis bei einer Steuerberaterprüfung 2014

Aktenzeichen  4 K 1091/15

Datum:
7.12.2016
Fundstelle:
EFG – 2017, 431
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 3, § 40 Abs. 1, § 44 abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1.) Die Klage ist zulässig.
Die im Rahmen des § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO erhobene Klage ist auf erneute Zulassung des Klägers zum mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung gerichtet und daher als Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 2. Alternative FGO statthaft. Die Klage ist auch fristgerecht (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FGO). Ein außergerichtliches Vorverfahren im Sinne des § 44 Abs. 1 FGO ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 164a Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes -StBerG- in Verbindung mit § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung -AO-).
2.) Die Klage ist unbegründet.
a) Die Bewertung von Prüfungsleistungen ist ein Vorrecht der Prüfer. Nur die nach der jeweiligen Prüfungsordnung berufenen Prüfer haben die Prüfungsleistung zu bewerten, nicht hingegen das Gericht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) kann die angefochtene Prüfungsentscheidung deshalb gerichtlich nur begrenzt überprüft werden. Dabei ist zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen zu unterscheiden (für viele: BFH Urteile vom 11. November 1997 VII R 66/97, BFHE 184, 157, BStBl II 1998, 218 und vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93; BVerwG Beschlüsse vom 2. Juni 1998, 6 B 78/97 und vom 13. März 1998, 6 B 28/98, jeweils in juris). Während fachlich-wissenschaftliche Wertungen (d.h. Fachfragen) nach den Beurteilungskriterien „richtig“, „falsch“ oder „vertretbar“ überprüfbar und damit justiziabel sind, beruhen prüfungsspezifische Wertungen auf der eigenen Prüfungserfahrung des jeweiligen Prüfers und der unwiederholbaren Prüfungssituation und sind Ausdruck des prüferischen Bewertungsspielraums. Mithin sind prüfungsspezifische Wertungen im gerichtlichen Verfahren nicht rekonstruierbar und entziehen sich einer justiziellen Nachprüfung (vgl. z.B.: BFH Urteil vom 3. Februar 2004 VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842).
Überprüfbar sind demgegenüber formelle oder prüfungsverfahrensrechtliche Mängel. Solche können in äußerlichen objektiven Störungen des Prüfungsablaufes oder auch in persönlichen subjektiven Beeinträchtigungen des Prüflings liegen. So kann etwa eine unkorrekte Prüfungsweise zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führen, wenn der Prüfungsstil ins schlechterdings Unsachliche abgleitet. So gerät ein Prüfer in Widerspruch zu dem das Prü fungsrecht beherrschenden und für öffentlich-rechtliche Prüfungen auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden Grundsatz der Chancengleichheit, wenn er einen Prüfling dadurch benachteiligt, dass er ihn in seinem Recht auf eine faire Prüfung verletzt. Das Recht auf ein faires Prüfungsverfahren beruht – wie das ihm verwandte Recht des Prüflings auf einen unvoreingenommenen Prüfer – auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Diese Grundsätze gelten jedenfalls im Bereich öffentlich-rechtlichen Verfahrensrechtes, wo sich der einzelne in einem Abhängigkeitsverhältnis von der Art befindet, wie es durch die Beziehungen einer Prüfungsinstanz gegenüber dem Prüfungsunterworfenen hergestellt wird. Die dem Prüfer bzw. dem Prüfungsausschuss aus der Natur der Sache und der für ihn maßgeblichen Prüfungsordnung zustehenden Rechte auf Verfahrensführung und Verfahrensgestaltung sowie auf Bestimmung des Verfahrensgegenstandes (Prüfungsstoff) und des Verfahrensergebnisses (Prüfungsbewertung) verschaffen ihm eine deutliche Position der Überlegenheit gegenüber dem Prüfling. Zur Abwehr von Missbräuchen, die in diesem Übergewicht der Prüfungsgewalt ihren Ursprung haben, hat der Prüfling Anspruch auf eine faire Behandlung im Prüfungsverlauf. Der Prüfer, der Prüfungsleistungen sarkastisch, spöttisch, höhnisch oder in ähnlich herabsetzender Form kommentiert, verletzt dieses Gebot der Fairness. Ein ihn der Lächerlichkeit preisgebendes Prüferverhalten braucht kein Prüfling zu dulden, mögen seine Leistungen noch so unzulänglich gewesen sein. Auch „bodenloser Unsinn“ gibt dem Prüfer nicht das Recht, dem Prüfling mit überheblichem Spott zu begegnen. Ein solches Prüfergebaren verletzt das Recht des Prüflings auf ein faires Verfahren (BVerwG Urteil vom 28. April 1978 VII C 50.75, BVerwGE 55, 355). Diese Rechtsverletzung begründet zumindest dann die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung, wenn nicht auszuschließen ist, dass sich ein solches Fehlverhalten als „leistungsverfälschende psychische Belastung“ auf den Prüfling und seine Leistungen negativ ausgewirkt hat (BVerwG Beschluss vom 29. Februar 1980, 7 B 12/80, juris). Demgegenüber sind ungleiche Prüfungsbedingungen bereits in der unterschiedlichen Wesensart der Prüfer und im unmittelbaren gegenseitigen Aufeinandereinwir-ken von Prüfer und Prüfling angelegt. Solche sind prüfungsimmanent und lassen sich nicht ausschalten, auch wenn ein Prüfer nach besten Kräften fair und gerecht prüft (BVerwG Urteil vom 28. April 1978 VII C 50.75, BVerwGE 55, 355).
b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall geht der erkennende Senat davon aus, dass sich eine Verletzung des Rechts des Klägers auf ein faires Prüfungsverfahren durch die Beweisaufnahme in Gestalt der schriftlichen Einvernahme der Zeugen D, C, F, B, E, A und S sowie der zusätzlichen persönlichen Einvernahme der Zeugin D im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht bestätigt hat.
aa) Weder den Stellungnahmen der als Prüfer in dem in Rede stehenden Prüfungstermin eingesetzten Zeugen noch deren schriftlichen Aussagen lassen sich Hinweise auf ein in der vom Kläger geschilderten Art unangemessenes Verhalten oder Gebaren der Zeugin D als Prüferin entnehmen. Soweit der Kläger vorträgt, die Zeugin D habe insbesondere auch während der nicht von ihr geführten Prüfungsabschnitte im Fall von ihr offensichtlich als unzutreffend gewerteten Antworten gelacht, geschmunzelt und spöttische oder anderweitig herabwürdigende Bemerkungen getan, wird diese Behauptung durch die als Prüfer eingesetzten Zeugen nicht bestätigt. Im Gegenteil beschreiben die Zeugen C, B und E die Prüfungsatmosphäre eher als positiv und angenehm. Im Übrigen äußern die als Prüfer eingesetzten Zeugen, weder ein unangemessenes Verhalten der Zeugin D noch Anzeichen für eine Verunsicherung des Klägers wahrgenommen zu haben. Die Zeugin D bezeichnet die Prüfungsatmosphäre in ihrer schriftlichen Aussage ausdrücklich als gut. Bei ihrer persönlichen Einvernahme im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt sie, dass ihr dieser Prüfungstag deswegen noch gut erinnerlich sei, weil sie angesichts ihrer langjährigen Tätigkeit als Prüferin in der mündlichen Steuerberaterprüfung seinerzeit zum ersten Mal eine Beschwerde über das Prüfungsklima erlebt habe. Sie erklärt weiterhin, dass sie weder die Prüfungsleistungen der Prüflinge, insbesondere des Klägers, in der mündlichen Prüfung durch besondere Mimik, Gestik oder Bemerkungen kommentiert habe noch sei ihr aufgefallen, dass der Kläger in der Prüfungssituation verunsichert oder nervös gewesen sei.
Die Zeugin S, die die Prüfungsatmosphäre aus der Sicht eines Mitprüflings des Klägers erlebt hat, beschreibt das Verhalten der Zeugin D als Prüferin in Bezug auf ihre eigene Prüfungssituation als direkt und forsch und hält eine persönliche Verunsicherung des Klägers hierdurch für seine Prüfungssituation für durchaus möglich. Gleichwohl vermag auch die Zeugin S keine Angaben zu konkreten einzelnen Verhaltensweisen oder Äußerungen der Zeugin D zu machen, die die Möglichkeit einer nachvollziehbaren Leistungsbeeinträchtigung gerade des Klägers zur Folge gehabt haben könnten. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch keine ausdrücklich herabsetzenden Aussagen der Zeugin behauptet. Vielmehr vermittelt sein Sachvortrag den Eindruck, dass seine Wahrnehmung des Prüferverhaltens der Zeugin D vornehmlich durch persönliche subjektive Interpretationen geprägt gewesen ist. Dem Senat ist durchaus bewusst, dass Prüfungssituationen im Allgemeinen für die Prüflinge als psychisch sehr belastend empfunden werden und bei diesen auf eine deutlich erhöhte Sensibilität stoßen. Darüber hinaus ist auch nachvollziehbar, dass sich der Kläger, der in den Vorjahren nicht nur dreimal von der Steuerberaterprüfung zurückgetreten war, sondern auch in der prüfungsrechtlichen Ausgangslage des zweiten Wiederholungsversuchs einem hohen Erfolgsdruck ausgesetzt gewesen ist, in einer extremen beruflich-existenziellen Stresssituation befunden hat. Die Beweisaufnahme hat jedoch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass konkretes Prüferverhalten die Annahme einer Verletzung des Gebotes der Fairness begründet hätte. Schließlich geht der Senat auch davon aus, dass ein durchschnittliches Maß an Stressresistenz nicht nur in der Prüfungssituation erforderlich ist sondern auch zu den persönlichen Voraussetzungen der Berufsausübung des Steuerberaters gehört.
bb) Soweit der Kläger seine Klagebegründung auch auf die Äußerung des Prüfungsvorsitzenden anlässlich der Überleitung zu dem vom Zeugen B geführten Prüfungsabschnitt stützt, kann der Senat auch hierin keine Rechtsverletzung des Klägers erkennen. Entgegen der ursprünglichen Stellungnahme des Prüfungsvorsitzenden im Überdenkungsverfahren hat dessen schriftliche Zeugenaussage sowie die der Zeugen B, C und E zweifelsfrei ergeben, dass die behauptete Äußerung in der geschilderten oder in ähnlicher Weise tatsächlich gefallen ist. Nach Aussage der Zeugen A und E sollte die auf den Familiennamen des zeitlich nachfolgenden Prüfers anspielen und der Aufheiterung dienen. Ungeachtet der Frage, ob derlei Wortspielerei insbesondere unter Berücksichtigung der prüfungsrechtlichen Ausgangslage des Klägers angebracht erschien und tatsächlich zur „Aufheiterung“ der Prüflinge geeignet gewesen ist, bewegt sie sich dennoch in dem von den Prüflingen hinzunehmenden Toleranzrahmen. Die bezeichnete Äußerung hat schließlich ernstlich nicht als Herabsetzung des Klägers verstanden werden können, zumal sie dem Anschein nach nicht nur an diesen sondern an alle Prüflinge dieses Prüfungstermins gerichtet gewesen ist. Dass der Kläger die Bemerkung als auf sich bezogen empfunden und in Zusammenhang mit seiner Beschwerde über das Prüfungsklima gestellt hat, ist seiner situationsbedingten subjektiven Empfindung zuzurechnen. Objektiv betrachtet ist dieser Umstand jedoch nicht so gravierend, dass er zu einem erheblichen Verfahrensfehler führen würde. Die Klage kann deshalb in der Sache keinen Erfolg haben.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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