Kosten- und Gebührenrecht

Reiner Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der Berufungsbegründungsfrist genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht

Aktenzeichen  13a B 17.30068

Datum:
16.3.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105458
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124a Abs. 3, Abs. 6, § 125 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Nach § 124a Abs. 6 S. 3 VwGO iVm § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Nach Zulassung der Berufung muss der Rechtsmittelführer daher durch die Berufungsbegründung eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt; hierzu bedarf es Ausführungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dazu, weshalb das angefochtene Urteil nach seiner Auffassung unrichtig ist und geändert werden muss (stRspr, vgl. BVerwG BeckRS 2016, 50031). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Erfolgt die Berufungsbegründung durch Bezugnahme auf den Zulassungsantrag, muss letzterer den Anforderungen des § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO genügen. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Beantragt der Kläger vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren und beschränkt sich der diesbezügliche Schriftsatz ohne weitere Ausführungen allein auf den Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit der Bitte um Vorabentscheidung, genügt er den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung im Sinn von § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO nicht. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Sofern der Kläger zur Berufungsbegründung ausdrücklich oder stillschweigend auf den Zulassungsantrag Bezug nimmt, muss sich sein Berufungsbegehren zumindest aus dem Gesamtzusammenhang hinreichend deutlich ergeben, etwa durch eine (stillschweigende) Mitteilung, dass und inwieweit der Berufungsführer an seinem bisherigen Vortrag aus dem Zulassungsverfahren festhält (vgl. BVerwG BeckRS 2004, 21669). (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

AN 11 K 16.30149 2016-05-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Die Berufung wird verworfen.
III. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Jahre 2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet. Ihr Asylantrag vom 29. Oktober 2015 wurde durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Februar 2016 abgelehnt. Mit Urteil vom 27. Mai 2016 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die hiergegen erhobene Klage ab. Auf Antrag der Kläger wurde die Berufung hinsichtlich der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 16. Januar 2017, zugestellt mit Empfangsbekenntnis am 23. Januar 2017, zugelassen. Die Kläger beantragten am 20. Februar 2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und baten hierzu vorab um Entscheidung. Mit gerichtlichem Schreiben vom 1. März 2017, mit Empfangsbekenntnis zugestellt am selben Tag, wurde den Klägern mitgeteilt, dass die Berufung nicht fristgerecht begründet worden ist und deshalb eine Verwerfung ohne mündliche Verhandlung in Betracht kommt. Ebenfalls am 1. März 2017 führten die Kläger hierzu aus, bereits im Zulassungsantrag sei dargelegt worden, in welchem Punkt das Urteil des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche. Dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens gewollt sei, ergebe sich aus dem Prozesskostenhilfeantrag, mit dem auf den Zulassungsantrag Bezug genommen worden sei. Eine auslegungsfähige schriftliche Erklärung, dass und mit welchen Anträgen das Berufungsverfahren fortgeführt werden solle, liege deshalb vor. Die Beklagte entgegnet, die Berufung sei unzulässig und deshalb eine Entscheidung nach § 125 Abs. 2 VwGO angezeigt.
II.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da die Berufung aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung unzulässig ist. Die nach § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO erforderliche Anhörung der Beteiligten hat stattgefunden.
Die Berufung ist gemäß § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung am 23. Januar 2017 begründet wurde. Zwar haben die Kläger mit Schreiben vom 16. Februar 2017 noch innerhalb der Begründungsfrist die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, jedoch genügt dies nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach muss die Begründung eine bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Der Rechtsmittelführer muss daher nach Zulassung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen und dabei eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt. Die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe müssen substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein. Sie haben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss. Erfolgt die Berufungsbegründung durch Bezugnahme auf den Zulassungsantrag, muss dieser den genannten Anforderungen genügen (stRspr., vgl. nur BVerwG, B.v. 3.8.2016 – 1 B 79.16 – InfAuslR 2016, 449).
Gemessen an diesen Grundsätzen genügt der Schriftsatz der Kläger vom 16. Februar 2017, mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt wird, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung im Sinn von § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht. Der Schriftsatz beschränkt sich ohne weitere Ausführungen auf einen Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit der Bitte um Vorabentscheidung und dem Hinweis, dass die Unterlagen für die Prozesskostenhilfe vorgelegt würden. Er enthält weder einen Antrag im Berufungsverfahren noch eine Begründung, weshalb die Kläger das angefochtene Urteil für unrichtig halten.
Zwar wenden die Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 19.10.2009 – 2 B 51.09 – juris) ein, dass der Wille, ein Berufungsverfahren durchzuführen, mit dem Prozesskostenhilfeantrag klar zum Ausdruck gebracht werde, der auf den Zulassungsantrag vom 4. August 2016 verweise. Letzteres trifft allerdings nicht zu, da der Prozesskostenhilfeantrag vom 16. Februar 2017 eine derartige Bezugnahme nicht enthält. Zudem fehlt dort ein Berufungsantrag, auch wenn die Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG dargelegt wurde. Das entspricht den Anforderungen der von den Klägern genannten Entscheidung nicht. Danach ist in jedem Fall zeitlich nach Zulassung der Berufung eine eindeutige, gegebenenfalls auslegungsfähige schriftliche Erklärung des Berufungsführers erforderlich, dass und mit welchen Anträgen das Berufungsverfahren fortführt. Soweit er im Zulassungsantrag bereits erschöpfend vorgetragen hat, genügt es dem Bundesverwaltungsgericht zufolge, wenn er darauf in einem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingehenden Schriftsatz Bezug nimmt. Das ist hier nicht der Fall. Gegenstand des maßgebenden Schriftsatzes ist allein die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begehren der Kläger bzw. eine Verweisung auf das Vorbringen hierzu im Zulassungsantrag erfolgt nicht. Damit liegt auch keine Erklärung zur Sache vor, die einer Auslegung zugänglich sein könnte. Vielmehr wurde allein ein kostenrechtlicher Antrag nach § 166 VwGO, § 117 ZPO gestellt. Hieraus allein ergibt sich nicht, dass und aus welchen Gründen die Kläger das Berufungsverfahren fortführen möchten.
Auch wenn eine ausdrückliche Bezugnahme auf das bereits im Zulassungsantrag enthaltene Begehren nicht zwingend erforderlich ist, so muss sich dieses zumindest aus dem Gesamtzusammenhang hinreichend deutlich ergeben, etwa mit einer (stillschweigenden) Mitteilung, dass und inwieweit der Berufungsführer an seinem bisherigen Vortrag aus dem Zulassungsverfahren festhält (BVerwG, U.v. 8.3.2004 – 4 C 6.03 – NVwZ-RR 2004, 541). Eine solche hat das Bundesverwaltungsgericht darin gesehen, dass zur Begründung nur noch ein Beweisantrag für das Berufungsverfahren gestellt wurde. Die Berufung auf einen Sachverständigen mache deutlich, dass am Aufhebungsantrag festgehalten werde. Das unterscheidet sich vom vorliegenden Fall aber insoweit, als die dortigen Berufungsführer mit dem Beweisantrag auf ihren Sachvortrag Bezug nehmen und damit eindeutig zum Ausdruck bringen, weshalb sie das angefochtene Urteil nicht für richtig halten. Ein Verzicht auf das Erfordernis jeglicher inhaltlicher Auseinandersetzung würde dem vom Gesetzgeber mit der Zulassungsberufung angestrebten Zweck der Verfahrensbeschleunigung zuwiderlaufen. Denn die Berufungsbegründungspflicht kann nur dann hierzu beitragen, wenn sie es dem Berufungsgericht ermöglicht, anhand klarer prozessualer Kriterien ohne weitere Prüfung die Berufung gemäß § 125 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Dies wäre aber nicht mehr der Fall, wenn das Gericht hierfür regelmäßig auch noch das Vorbringen im Zulassungsverfahren auf seine Eignung für die Begründung der Berufung hin sichten und beurteilen müsste (BVerwG, U.v. 30.6.1998 – 9 C 6.98 – NVwZ 1998, 1311).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 VwGO liegen nicht vor.


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