Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert in Beitragsstreitigkeiten

Aktenzeichen  20 C 18.1046

Datum:
25.10.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 26773
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 2
GKG § 40

 

Leitsatz

1 Maßgeblich für die Festsetzung des Streitwerts in Beitragsstreitigkeiten ist nicht allein das Zahlungsverlangen, sondern der festgesetzte Beitrag als die angefochtene Regelung des Beitragsbescheides. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Stellt ein Kläger erst in seiner Klagebegründung nach Klageerhebung einen Klageantrag iSd § 82 Abs. 1 S. 2 VwGO, aus dem sich erstmals die Teilanfechtung des Beitragsbescheides ergibt, ist auf diese Antragstellung für die Berechnung des Streitwerts abzustellen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 17.2343 2018-03-01 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 1. März 2018 wird in Ziffer III. geändert. Der Streitwert wird auf 23.011,52 € festgesetzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG zulässige Streitwertbeschwerde, über die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 6 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist begründet. Die Streitwertfestsetzung in Ziffer III. des angefochtenen Beschlusses war daher zu ändern.
Gegenstand des mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts eingestellten Klageverfahrens war ein Beitragsbescheid des Beklagten über einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungsanlage vom 24. Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. April 2017, und zwar nach dem in der Klagebegründung vom 10. August 2017 gestellten Klageantrag nur insoweit, als der Beitrag höher als 8.429,44 € festgesetzt wurde. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Streitwert nach dem im Änderungsbescheid festgesetzten Beitrag in voller Höhe, d.h. in Höhe von 31.440,96 € festgesetzt. Der hiergegen erhobenen Streitwertbeschwerde hat das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen, weil nach § 40 GKG maßgeblich auf die Klageschrift vom 24. Mai 2017 abzustellen sei, aus der die Teilanfechtung des angefochtenen Beitragsbescheides in der Gestalt des Änderungsbescheides nicht hervorgehe. Die spätere Antragstellung in der Klagebegründung vom 10. August 2017 sei für die Festsetzung des Streitwerts unerheblich.
Maßgeblich für die Festsetzung des Streitwerts in Beitragsstreitigkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht allein das Zahlungsverlangen, sondern der festgesetzte Beitrag als die angefochtene Regelung des Beitragsbescheides (BayVGH, B.v. 9.3.2017 – 20 ZB 15.1709 – juris Rn. 43; B.v. 18.7.2017 – 20 ZB 16.624 – juris Rn. 11). Daraus folgt, dass dann, wenn die Festsetzung des Beitrags nur teilweise angefochten wird, der Streitwert auch nur in dieser Höhe festgesetzt werden darf.
Die Teilanfechtung des streitgegenständlichen Beitragsbescheides war zwar nicht aus der Klageschrift vom 24. Mai 2017, aber aus der Antragstellung in der Klagebegründung vom 10. August 2017 erkennbar. Gemäß § 40 GKG ist für die Festsetzung des Streitwerts die das Verfahren einleitende Antragstellung maßgeblich. In der Klageschrift vom 24. Mai 2017 hat die Klägerin noch keinen Antrag gestellt. Die Klage wurde lediglich fristwahrend erhoben und es wurde in Übereinstimmung mit den Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Klageerhebung nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Klagegegenstand bezeichnet, nämlich der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 24. Februar 2017 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 25. April 2017. Erst in der Klagebegründung vom 10. August 2017 hat die Klägerin ihren Klageantrag i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellt, aus dem sich die Teilanfechtung des Beitragsbescheides – nämlich nur insoweit als ein höherer Beitrag als 8.429,44 € festgesetzt wird, d.h. in Höhe von 23.011,52 € – ergibt. Auf diese Antragstellung ist für die Berechnung des Streitwerts abzustellen. Nicht zugestimmt werden kann daher dem rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts, dass für die Wertfestsetzung die Klageschrift vom 24. Mai 2017 maßgeblich sei. Maßgebend für die Streitwertfestsetzung ist der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung. Dieser Zeitpunkt wird zwar in der Kommentarliteratur zu § 40 GKG teilweise mit der Anhängigkeit des Rechtsstreits gleichgesetzt (so Dörndorfer in Binz/ Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, 3. Aufl. 2014, Rn. 3 zu § 40 GKG; Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, Rn. 8 zu § 40 GKG). In der letztgenannten Kommentierung wird allerdings an anderer Stelle ausgeführt, dass dann, wenn der Antrag erst in mündlicher Verhandlung gestellt werde, dieser Antrag maßgeblich sei (Schneider, a.a.O., Rn. 22). Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des Rechtstreits, die im Verwaltungsprozess nach § 90 Abs. 1 VwGO mit der Klageerhebung eintritt, resultiert jedoch aus der Rechtslage im Zivilprozess. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift – d.h. als zwingende Voraussetzung – unter anderem einen bestimmten Antrag enthalten. Demgegenüber ist ein bestimmter Antrag im Verwaltungsprozess nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO kein zwingender Mindestinhalt der Klageschrift als verfahrenseinleitendem Schriftsatz, sondern lediglich eine Soll-Anforderung; da das Gericht nach § 88 VwGO an den Antrag gebunden ist, muss der Kläger jedoch spätestens in der mündlichen Verhandlung oder im schriftlichen Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts einen Klageantrag formulieren, worauf der Vorsitzende nach § 86 Abs. 3 VwGO hinzuwirken hat (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 82 Rn. 9; Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 82 Rn. 7). Die Antragstellung in den vorbereitenden Schriftsätzen dient deshalb zunächst der Verdeutlichung des Klagebegehrens und wird damit lediglich angekündigt (Ortloff/Riese, a.a.O.). Es verstößt daher nicht gegen Regeln des Verwaltungsprozesses und ist auch in der Praxis durchaus nicht unüblich, dass ein – insbesondere zunächst nur zur Fristwahrung eingereichter – verfahrenseinleitender Klageschriftsatz noch keinen bestimmten Antrag enthält. Bedeutung kann dies allenfalls für die Frage haben, in welchem Umfang ein Verwaltungsakt in Bestandskraft erwächst, soweit er nur teilweise angefochten wird. Diese Frage steht jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Streitwertfestsetzung. Vor diesem Hintergrund kann aus § 40 GKG nicht abgeleitet werden, dass trotz der Unterschiede zum Zivilprozess auch im Verwaltungsprozess der Streitwert sich zwingend nach dem ersten, das Verfahren einleitenden Klageschriftsatz bestimmt und, soweit dieser keinen bestimmten Antrag enthält, der Streitwert auf der Grundlage des vom Kläger bezeichneten Klagegegenstandes zu bestimmen wäre. Eine derartige Verengung des Begriffs der verfahrenseinleitenden Antragstellung in § 40 GKG folgt auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Vielmehr soll durch das Abstellen auf den im verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellten Antrag nach § 40 GKG die Streitwertfestsetzung vereinfacht werden (BayVGH, B.v. 14.10.2016 – 22 C 16.2016 – juris Rn. 7), indem ausgeschlossen wird, dass der Kläger durch spätere Beschränkungen des Klagebegehrens den Streitwert reduzieren kann, was eine unerwünschte laufende Neuberechnung des Streitwerts und eine damit verbundene unerwünschte Neuberechnung der Gebühren zur Folge hätte (vgl. Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Kostenrecht, Rn. 2 zu § 40 GKG; Schindler in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Beck’scher Onlinekommentar, Kostenrecht, Stand September 2018, Rn. 13 zu § 40 GKG). Die nach § 52 GKG für den Streitwert maßgebliche Bedeutung der Sache wird mithin durch das am Anfang des Rechtsstreits bestehende Interesse des Rechtssuchenden bestimmt, spätere Veränderungen sind dafür nicht maßgeblich (BayVGH, B.v. 14.10.2016, a.a.O.). Diesem Zweck widerspricht es nicht, im vorliegenden Falle auf den in der Klagebegründungsschrift vom 10. August 2017 gestellten Antrag abzustellen, da die Klägerin vorher noch keinen Antrag gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil Gerichtsgebühren im Verfahren der Streitwertbeschwerde nicht erhoben werden (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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