Kosten- und Gebührenrecht

Tierschutzrechtliche Anordnung zur Tötung eines Pferdes – Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  9 ZB 16.1941

Datum:
31.1.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 102515
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO §§ 114 ff.
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Berufungszulassung kann nicht bewilligt werden, wenn der vollständige Antrag nicht innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO eingeht, weil keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht wird. Damit kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anordnung der Tötung eines Pferdes nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG ist der fachlichen Einschätzung eines beamteten Tierarztes folgend auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtmäßig. Der Einschätzung des beamteten Tierarztes kommt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (stRspr BayVGH BeckRs 2016, 54958). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 15.853 2015-11-10 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. November 2015 wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich gegen die vom Landratsamt Landshut jeweils gegenüber Frau R … S … am 24. April 2015 mündlich angeordnete und mit Bescheid vom 30. April 2015 schriftlich bestätigte sofortige Tötung einer Schimmelstute mit offener Splitterfraktur des Fesselbeines auf deren Kosten. Die Klage der Klägerin, vertreten durch die Bescheidadressatin als Gesellschafterin, wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. November 2015 als unzulässig abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 20. November 2015 und Frau R … S … als Vertreterin der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 6. September 2016 (erneut) zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 6. September 2016 stellte die Klägerin durch Frau R … S … persönlich Antrag auf Zulassung der Berufung und beantragte Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Anwalts.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Senat legt den Antrag zugunsten der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin dahin aus, dass Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen beabsichtigen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. November 2015 beantragt wird (§ 88 VwGO).
Zwar bezeichnet die Klägerin ihr beabsichtigtes Rechtsmittel gegen das Urteil vom 10. November 2015 als Antrag auf Zulassung der Berufung. Dieser Antrag wäre jedoch bereits deshalb unzulässig, weil er nicht durch einen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Einer erneuten Einlegung des Rechtsmittels durch eine in § 67 Abs. 2 VwGO bezeichnete Person oder Organisation steht der Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO entgegen. Die Klägerin begehrt aber auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts, was in der gegebenen prozessualen Situation bezogen auf einen Antrag auf Zulassung der Berufung das allein zweckmäßige Begehren darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 21 ZB 15.1775 – juris Rn. 4).
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
a) Es fehlt bereits an einem vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO, weil die Klägerin keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der gegebenenfalls erforderlichen Belege eingereicht hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 ZPO). Damit kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht (BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 21 ZB 15.1775 – juris Rn. 6; B.v. 24.8.2016 – 10 ZB 16.1538 – juris Rn. 2; vgl. auch BVerwG, B.v. 19.10.2016 – 3 PKH 7.16 – juris Rn. 3). Die Klägerin hat auch bis heute keinerlei Angaben zu ihren Vermögens- oder Gesellschafterverhältnissen gemacht.
b) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt aber auch erfolglos, weil die Klage gegen den Bescheid vom 30. April 2015, der die mündliche Anordnung vom 24. April 2015 gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG bestätigt, nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe maßgebenden Prognosemaßstab (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 9 CS 16.525 – juris Rn. 15) keine Aussicht auf Erfolg hat.
Dabei kann offen bleiben, ob die Klage – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – unzulässig ist oder die Klägerin als (behauptete) Eigentümerin des Pferdes möglicherweise eine Klagebefugnis gegen den an Frau R … S … persönlich gerichteten Bescheid aus Art. 14 Abs. 1 GG ableiten kann. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der gesamte Rechtszug i.S.d. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2015 – 9 ZB 15.793 – juris Rn. 2; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 124a Rn. 235). Es ist deshalb nicht allein auf einen möglichen (isolierten) Erfolg eines Antrags auf Zulassung der Berufung abzustellen; vielmehr sind die Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens insgesamt zu beurteilen (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.1997 – 1 BvR 296/94 – juris Rn. 21; Gärditz, VwGO, 1. Aufl. 2013, § 166 Rn. 37; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 166 Rn. 29, 74). Ein solcher Erfolg ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, weil die Klägerin nichts vorträgt, was die angefochtene Anordnung der Tötung des Pferdes nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hier als rechtswidrig erscheinen lassen könnte. Hierfür ist unter Berücksichtigung der in der Behördenakte umfangreich – auch durch Lichtbilder – dokumentierten Feststellungen sowie der fachlichen Einschätzung der beamteten Tierärztin, der vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (stRspr. vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 9 CS 16.525 – juris Rn. 19 m.w.N.), auch sonst nichts ersichtlich.
Kommt nach alledem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht, so scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus (§ 166 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO).
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Auslagen i.S.d. § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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