Medizinrecht

Ablehnung der Vertagung der mündlichen Verhandlung wegen behaupteter Erkrankung der Prozessbevollmächtigten

Aktenzeichen  AN 4 K 17.35246

Datum:
13.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34343
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 102, § 173
ZPO § 227
AsylG § 3, § 4

 

Leitsatz

1. Die Vertagung der mündlichen Verhandlung nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO rechtfertigende “erhebliche” Gründe sind nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (BVerwG BeckRS 9998, 49751). (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Ein im Zusammenhang mit einem Terminverlegungsantrag vorgelegtes ärztliches Attest muss das Gericht in die Lage versetzen, ohne weitere Nachforschungen selbst zu beurteilen, ob beim Prozessbevollmächtigten Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht (BVerwG BeckRS 2001, 30182162). Die Verhandlungsunfähigkeit konstitutiv zu behaupten ist kein ärztliches Vorrecht. (Rn. 11) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

1. Das Gericht konnte trotz Ausbleiben der Parteien verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung auf die Möglichkeit nach § 102 VwGO hingewiesen worden sind.
Dem Verlegungsantrag der anwaltlichen Vertreterin war nicht zu entsprechen. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Bei der Entscheidung über das Vorliegen „erheblicher Gründe“ sind einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Beschleunigungsgebot (vgl. z.B. § 87 b VwGO) sowie dem Konzentrationsgebot (§ 87 Abs. 1 VwGO) und andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) Rechnung zu tragen. Das rechtliche Gehör verlangt, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten im Prozess zu behaupten, wobei das rechtliche Gehör auch das Recht eines Beteiligten einschließt, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (BVerwG, U.v. 11.3.1989, 9 C 55.88). Allerdings ist der Beteiligte gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren das rechtliche Gehör zu verschaffen, so dass letztlich nur eine ihm trotz zumutbaren eigenen Bemühens um die Erlangung rechtlichen Gehörs verweigerte oder abgeschnittene Möglichkeit zur Äußerung eine Gehörsverletzung darstellt. Deshalb sind eine Vertagung rechtfertigende „erhebliche“ Gründe nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (BVerwG, B.v. 23.1.1995, 9 B 1/95 – juris Rn. 3).
Einen die Vertagung rechtfertigender erheblicher Grund im Sinne des § 227 ZPO lag vorliegend nicht vor. Das von der Klägervertreterin vorgelegte Attest hat das Gericht nicht in die Lage versetzt ohne weitere Nachforschungen selbst zu beurteilen, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht (vgl. hierzu insbesondere BVerwG, B.v. 22.5.2001 – 8 B 69.01 – juris). Die Verhandlungsunfähigkeit konstitutiv zu behaupten ist kein ärztliches Vorrecht. Unabhängig davon, dass der attestierende Arzt … bereits in der Vergangenheit in zahlreichen Asylverfahren mit seinen immer gleichförmigen und aussagearmen Attestierungen auffällig geworden ist, wird auch vorliegend eine Erkrankung lediglich behauptet. Die anwaltliche Vertreterin selbst spricht von „Magen-Darm-Erkrankung mit Fieber“ am Vortag der Verhandlung. Das Attest selbst spricht von „einer eingehenden Untersuchung“ und einem „fieberhaften Infekt“. Unklar bleibt die gesamte Anamnese und welche Untersuchungen überhaupt vorgenommen worden sind. Unklar bleibt das konkrete Krankheits- bzw. Beschwerdebild. Unklar bleiben ferner die Behandlungsmöglichkeiten und damit die Frage, ob eine medikamentöse Einstellung nicht ausreichend zur Herstellung der Verhandlungsfähigkeit wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund dessen, dass die anwaltliche Vertreterin sowohl am Vortag der Verhandlung noch selbst unterzeichnete Fax-Nachrichten versenden und auch am Verhandlungstag selbst noch bei der Geschäftsstelle anrufen konnte.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Asylanerkennung, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz (§ 4 AsylG) oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, denen sich das Gericht anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Hierzu ist gerichtlicherseits, auch mit Blick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG), nichts zu ergänzen, da auch dem Bescheid nichts Maßgebliches entgegengesetzt worden ist.
3. Damit war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 83 b AsylG, 154 Abs. 1 VwGO.


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