Medizinrecht

Abspielen von Ruf des Muezzins in einer Versammlung

Aktenzeichen  M 13 K 18.1000

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28044
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 15 Abs. 1
GG Art. 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Versmmlungsbehörde hat die in der Anzeige der Versammlung gemachten Angaben zugrundezulegen. Für ihre Gefahrenprognose ist daher das Versammlungsgeschehen maßgeblich, das ohne die Festlegung von Auflagen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG stattgefunden hätte. Auf die tatsächliche Entwicklung, in welchem Umfang eine Versammlung dann wirklich durchgeführt wird, kommt es nicht an. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Falle eines intensiven Versammlungsgeschehens, bei dem über mehrere Monate täglich von 10 bis 22 Uhr an drei Orten in der Stadt parallel Versammlungen geplant sind, ergibt die Abwägung mit den Rechten Dritter, dass örtliche und zeitliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zulässig sind; insbesondere kann auch der lautsprecherverstärkte Ruf des Muezzins oder ähnlicher Texte und Gesänge, die als Kundgebungsmittel eingesetzt werden sollen, auf wenige Minuten pro Stunde beschränkt werden. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2019 entschieden werden, obwohl der Kläger die mündliche Verhandlung verlassen hat. Der Kläger wurde rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Sitzung geladen und wurde mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die zulässige Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 31. Januar 2018 festgesetzten Auflagen unter Ziffer IV. und V. ist unbegründet.
Bei den nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) erlassenen Auflagen handelt es sich um Verwaltungsakte i.S.v. Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Die Auflagen haben Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2019. Der Kläger hat daher nach sachdienlicher Auslegung der Klageanträge Anfechtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Beschränkungen unter den Ziffern IV. und V. des streitgegenständlichen Bescheides erhoben.
Bei den Beschränkungen im versammlungsrechtlichen Grundbescheid handelt es sich um versammlungsrechtliche Auflagen im Sinne von Art. 15 BayVersG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann eine Versammlung unter freiem Himmel unter anderem dann beschränkt werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist – d.h. wenn bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter zu rechnen ist (BVerfG, B. v. 19. 12 2007 – 1 BvR 2793/04 – juris Rn. 20 m.w.N.) – oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertige Rechtsgüter, notwendig ist (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 – juris).
Zu den anerkannten Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählt neben Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen auch im Versammlungsrecht nach traditionellem polizeirechtlichen Verständnis die Unversehrtheit der Rechtsordnung, so auch die grundrechtlich verbürgten Rechte von Freiberuflern und Gewerbetreibenden aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und die Vorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. BVerwG, U. v. 21.4.1989 – 7 C 50.88 – juris Rn. 15 m.w.N; BVerfG, B. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – juris Rn. 77). Ebenfalls vom Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 15 Abs. 1 BayVersG sind umfasst der Schutz der subjektiven Rechte bzw. Rechtsgüter Dritter wie z.B. die Gesundheit sowie das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (ebenfalls) geschützte Ruhebedürfnis der Anwohner und die durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten wirtschaftlichen Interessen von (betroffenen umliegenden) Freiberuflern, Geschäften und gastronomischen Betrieben (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 53; B.v. 28.6.2013 – 10 CS 13.1356 – juris Rn. 4). Unter diesen Voraussetzungen kann – ungeachtet des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters über Ort und Zeitpunkt der geplanten Versammlung (vgl. BVerfG, B. v. 29. August 2015 – 1 BvQ 32/15 – juris Rn. 4 m.w.N.) – auch der Versammlungsort verlegt oder andere Auflagen verfügt werden. Mit Blick auf die Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass versammlungsrechtlicher Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – Rn. 17 m.w.N., B. v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Ls 2a und B. v. 6.6.2007 – 1 BvR 1423/07 – juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/ 04 – Rn. 17). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 – juris Rn. 20 jeweils m.w.N.).
Es gehört zu dem von Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters einer Versammlung, im Einzelnen festzulegen, zu welcher Zeit und an welchem Ort er seine Demonstration durchführen will. Nur soweit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt, kann von dem Veranstalter nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verlangt werden, dass er den geplanten Verlauf seiner Demonstration in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht ändert (BayVGH, B.v. 25.2.2008 – 10 CS 08.466).
Die Beklagte hat die für die Jahre 2018 und 2019 geplanten stationären Versammlungen des Klägers zum Schutze Dritter, nämlich der Anlieger an den Versammlungsorten, darunter zahlreiche Freiberufler, Gewerbetreibende, Beschäftigte, Wohnungsinhaber, sowie der Passanten und Verkehrsteilnehmern, und damit zum Schutz von grundrechtlich verbürgten Rechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 GG eingeschränkt bzw. örtlich verlegt. Hierbei hat die Beklagte im Rahmen der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der grundrechtlich geschützten Rechte des Klägers und Dritter getroffen, der nicht zu beanstanden ist.
Die Beklagte hat glaubhaft eine Gefahrenprognose erstellt, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Beschränkungen gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG rechtfertigt. Hierbei wird Gefahrenprognose definiert als die Einschätzung der Gefahrenlage einer zukünftigen Entwicklung anhand der vorhandenen Situation und auf der Grundlage der konkreten Tatsachen, Erkenntnisse, zeitnahen Erfahrungen und vergleichbaren Ereignissen (Dürig-Friedl/Enders, VersammlG, 2016, § 15 Rn. 60). Die Beklagte ist ihrer insoweit bestehenden Darlegungslast nachgekommen und hat hinreichende konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schäden bei den genannten entgegenstehenden Rechtsgütern bzw. rechtlich geschützten Interessen aufgeführt.
Die Behörde hatte hierbei die von dem Kläger in der Anzeige vom 20. September 2017 gemachten Angaben zugrundezulegen. Für die Gefahrenprognose war daher das Versammlungsgeschehen entscheidend, das ohne die Festlegung von Auflagen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG stattgefunden hätte. Im Rahmen der damaligen Kooperation machte der Kläger deutlich, dass er den angezeigten, weiten Umfang seiner Versammlungen durchführen möchte. Auf die tatsächliche Entwicklung, in welchem Umfang der Kläger Versammlungen dann wirklich durchführt, kommt es nicht an. Die Beklagte hatte bei der Gefahrenprognose das angezeigte Versammlungsgeschehen aus einer ex ante Sicht zu betrachten. Dies ist entscheidend. Hierbei konnte auf die Erfahrungen der Versammlungen des Klägers bzw. der vorherigen Bewegung auch vor dem Grundbescheid vom 24. Mai 2016 zurückgegriffen werden. In dieser Zeit fanden die vom Kläger beantragten Versammlungen ohne behördliche Beschränkungen statt. Im Unterschied zu dem Versammlungsgeschehen zu dieser Zeit verzichtete der Kläger in seiner Anzeige vom 20. September 2017 auf die einmal wöchentlich stattfindenden, sich fortbewegenden Versammlungen und beantragte stattdessen täglich stationäre Versammlungen in einem Umfang von drei parallel stattfindenden Versammlungen an drei verschiedenen zentralen Orten der M. Innenstadt.
Zunächst verweist das Gericht hinsichtlich der Gefahrenprognose insbesondere auf folgende Ausführungen des Verwaltungsgerichts München im Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 7 S 16.2675), sowie auf die Ausführungen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. Oktober 2016 (10 CS 16.1468):
(VG München, B. v. 7. Juli 2016 – M 7 S 16.2675 – S. 18 ff.)
„Für ihre (der Beklagten) Prognose, dass durch die Versammlungen des Antragstellers (Klägers) Dritte in ihren Rechten beeinträchtigt werden, stützt sie sich auf zahlreiche Beschwerden, die polizeilich abgesperrte oder sonst unzugängliche Garagenzufahrten, Wohnungs-, Geschäfts- und Betriebszugänge, widerrufene Freischankflächen, die eingeschränkte Erreichbarkeit eines Gebäudes oder des nächsten Verkehrsmittels, den vorübergehenden Ausfall von Verkehrsmitteln, (Dauer-)Lärm in der Wohnung, am Arbeitsplatz, in Betrieben, Geschäften, freiberuflichen Praxen und Kanzleien, Störungen des Gottesdienstes, Umsatzeinbußen, aufgedrängte Meinungsäußerungen und deren Inhalt und Wirkung auf davon besonders betroffene Personengruppen wie Flüchtlinge und muslimische Gläubige und die Beanspruchung innerstädtischen Raums durch Versammlungen bzw. die Verdrängung der nicht an den Versammlungen beteiligten Allgemeinheit von zentralen Plätzen zum Gegenstand haben. Auch wenn einzelne Beschwerden tatsächlich und rechtlich angreifbar sein und einzelne Beschwerdeführer im Lager der Antragsgegnerin stehen mögen, ist in Anbetracht der massenhaften und vielfältigen Beschwerden, auch von vielen Privatpersonen, nicht davon auszugehen, dass die Dokumentation der Antragsgegnerin (Beklagten), die im Eilverfahren noch umfangreich ergänzt worden ist, ein völlig falsches Bild zu Lasten des Antragstellers abgibt. Abgesehen davon ist die Beschwerdelage im Rahmen der Gefahrenprognose nur ein, wenn auch gewichtiges Indiz. Denn erfahrungsgemäß beschwert sich immer nur ein Teil der Betroffenen; andere nehmen Beeinträchtigungen hin oder meiden den Ort. Es ist auch nicht entscheidend, ob sämtliche Beeinträchtigungen Dritter in der Vergangenheit unmittelbar durch Teilnehmer an den Veranstaltungen des Antragstellers oder der vormaligen Bewegung „B.“ oder „M.“ verursacht worden sind oder ob sie sich als mittelbare Folge des Versammlungsgeschehens darstellen. Der Antragsteller veranstaltet nunmehr seit rund einem Jahr Aufzüge (Montagsspaziergänge) und stationäre Versammlungen am O.- und M. zu einem einheitlichen Themenspektrum und mit einheitlichem Erscheinungsbild, so dass für die Prognose, welche Rechtsbeeinträchtigungen Dritter künftig zu besorgen sind, allein auf die Beschwerden aus diesem Zeitraum abgestellt werden kann. Einzubeziehen sind auch vom Antragsteller nicht beabsichtigte, aber unvermeidbare Auswirkungen des von ihm veranlassten Versammlungsgeschehens, wie Verkehrsumleitungen, Sicherheitsabsperrungen und ein erhöhter Lärmpegel. Die durch Gegendemonstranten und sonstige Veranstaltungen wie öffentliche Vergnügungen verursachten Beeinträchtigungen der Anlieger und Passanten sind freilich nicht dem Antragsteller zuzurechnen. Da die vom Antragsteller gewünschten Versammlungsorte aber sehr vielfältigen Nutzungen gewidmet sind, hierzu auch intensiv genutzt werden und Gegendemonstranten in gleichem Maße wie er die Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen können, stellt sich die Vor- und Überbelastung dieser Orte mit beeinträchtigenden Auswirkungen sämtlicher Nutzungen als ein Gesichtspunkt dar, der im Rahmen einer Interessenabwägung zu Gunsten der belasteten Dritten zu würdigen ist. Ebenso wenig ist entscheidend, dass einzelne geltend gemachte Beeinträchtigungen, wie z.B. Umsatzeinbußen, nicht belegt oder nachgewiesen sind und andere Ursachen haben könnten (schlechte Witterung, negative Kundenbewertungen), dass einzelne Beschwerdeführer sich zum Teil mehr durch die Inhalte der vom Antragsteller vertretenen Meinungen und weniger durch das Demonstrationsgeschehen als solches gestört fühlen und ob die Polizei, die Straßenbaubehörde, die Münchner Verkehrsgesellschaft und sonstige öffentliche Stellen auch mit weniger eingreifenden Maßnahmen die öffentliche Sicherheit und den öffentlichen Nahverkehr noch gewährleisten könnten. Denn es steht bereits aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass wöchentliche bzw. sogar tägliche Versammlungen, die häufig Gegendemonstrationen auslösen, in einer stark frequentierten innerstädtischen Lage für Anlieger und Passanten erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen. Das Versammlungsgeschehen an den vom Antragsteller beanspruchten Orten O. und M. ist gerichtsbekannt. Auch wenn die Versammlungen des Antragstellers und der Gegendemonstranten im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG friedlich bleiben, entsteht infolge des massenhaften Andrangs von Personen, der politischen Auseinandersetzungen, der notwendigen Polizeipräsenz, des Lärms und des beeinträchtigten Zugangs zu Verkehrsmitteln und Gebäuden eine Art Ausnahmezustand bzw. ein Klima, in dem viele Passanten und Kunden es vorziehen, nicht am Ort zu verweilen oder von vornherein den Ort, wenn möglich, weiträumig zu meiden. Es kann daher sicher davon ausgegangen werden, dass zumindest von Tagesgästen generierte Umsätze sowie Umsätze im Bereich der Gastronomie nicht zu anderen Zeiten „nachgeholt“ werden und deshalb Geschäfte und Gastronomie negativ betroffen sind und dass Touristen mit Verunsicherung auf das Geschehen reagieren und diesem auszuweichen suchen. Dies ist mit einzelnen Fotos, die besetzte Freischankflächen zeigen, nicht widerlegt. Zumindest längerfristig ist damit zu rechnen, dass ein Vermeidungsverhalten auch auf Praxen, Kanzleien, Geschäfte und Dienstleister spürbar und nachhaltig durchschlägt. Die Ergebnisse der von der Industrie- und Handelskammer veranstalteten Umfrage in der Umgebung des O. untermauern diese Annahme. Ungeachtet dessen, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, dass nur knapp 1/8 der angeschriebenen Unternehmen hieran teilgenommen haben, sieht sich immerhin eine nicht vernachlässigenswerte Anzahl von 49 Unternehmen als durch die Montagsdemonstrationen erheblich beeinträchtigt an. 41 Unternehmen beklagen Umsatzeinbußen, 32 davon erhebliche und existenzgefährdende, 51 Unternehmen sehen sich Einschränkungen des Geschäftsbetriebs, davon 43 erheblichen Einschränkungen ausgesetzt. Da die Vorbereitungen auf Seiten des Antragstellers am O. bereits ab 16:30 Uhr beginnen, kommt es dort auch bereits vor Geschäftsschluss zu versammlungsbedingten Einschränkungen. Davon abgesehen ist eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen noch nach den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten von Versammlungen betroffen, wie Inhaber und Besucher von Kulturbetrieben, sonstigen Veranstaltungen und Gastronomie sowie Anwohner und Verkehrsteilnehmer. Schon aufgrund der rein körperlichen Inanspruchnahme des öffentlichen Raums durch Demonstranten und Polizei können Gehsteige, Plätze, Zugänge und Zufahrten von Passanten, Anwohnern und Betriebsinhabern vorübergehend nicht so wie sonst genutzt werden. Auch steht fest, dass durch das Versammlungsgeschehen nicht unerheblicher Lärm verursacht wird und zwar nicht nur von Gegendemonstranten. Weiter spricht nichts dafür, dass die Polizei, die Münchner Verkehrsgesellschaft, die Straßenbaubehörde der Antragsgegnerin und sonstige öffentliche Stellen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Nahverkehrs regelmäßig Maßnahmen ergreifen, die über die nach ihrer fachlichen Einschätzung notwendigen hinausgehen oder ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, auch wenn in einzelnen Fällen noch Verbesserungen zu Gunsten Drittbetroffener zu erzielen sein mögen. Jedenfalls ist im Ergebnis ohne Einschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die dieser entgegenstehenden Rechtsgüter zu rechnen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Versammlungsfreiheit allerdings nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, B. v. 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – juris Rn 79). Demgemäß rechtfertigt nicht jedes beliebige Interesse eine Einschränkung dieses Freiheitsrechts. Belästigungen, die sich zwangsläufig aus der Massenhaftigkeit der Grundrechtsausübung ergeben und sich ohne Nachteile für den Veranstaltungszweck nicht vermeiden lassen, werden Dritte im allgemeinen ertragen müssen (BVerfG, aaO).
Dennoch ist die Grundentscheidung der Antragsgegnerin, die Aufzüge und stationären Versammlungen des Antragstellers zukünftig an wechselnde Orte zu verlegen, nicht zu beanstanden. Der Rechtsprechung, dass versammlungsimmanente Beeinträchtigungen von den Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen sind, liegt ersichtlich zugrunde, dass Versammlungen üblicherweise singuläre Ereignisse sind, bei denen Dritten im Rahmen eines Interessenausgleichs wesentlich einschneidendere Beeinträchtigungen zugemutet werden können als im Falle regelmäßiger Ereignisse (vgl. Rspr. zu Volkfesten u.ä., BayVGH, B. v. 22. November 2005 – 22 ZB 05.2679 – juris Rn 10 ff.). Sie kann deshalb nicht ohne weiteres auf eine Situation beinahe täglicher und wöchentlicher Ereignisse übertragen werden. Einmalig vorkommende, weniger schwer oder mittelschwer wiegende Beeinträchtigungen wie vorübergehend verstellte Garagenzufahrten, Umwege zur eigenen Wohnung oder zum nächsten Verkehrsmittel, Lärmimmissionen in der Wohnung, am Arbeitsplatz, im Betrieb, der freiberuflichen Praxis oder beim Gottesdienst, der vorübergehende Ausfall von Verkehrsmitteln, Umsatzeinbußen und auch einfach nur fehlende Ruhe vor aufgedrängten Meinungsäußerungen gewinnen durch regelmäßige Wiederholung erheblich an Intensität und können sich zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Rechte (Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) verdichten und sogar dem Entzug einer Rechtsposition gleichkommen. Insbesondere Anlieger sind diesen Beeinträchtigungen ausgesetzt ohne die Möglichkeit, ihnen auszuweichen. Aber auch die Beeinträchtigung der Allgemeinheit gewinnt dadurch an Gewicht, dass die Versammlungen infolge ihrer Häufigkeit eine teilweise Verdrängung von beliebten innerstädtischen Plätzen und zentralen Verkehrsschnittpunkten bewirken. Das Gericht teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die zu erwartenden Rechtsbeeinträchtigungen ihrer Dauer und Intensität nach massiv und den Anliegern und Passanten auf Dauer nicht zumutbar sind; ferner, dass eine große Anzahl Betroffener vor den Beeinträchtigungen zu schützen ist und dass wiederum dem Antragsteller, auch im Hinblick auf die Häufigkeit seiner Veranstaltungen, trotz der verfügten Einschränkungen ausreichend Gelegenheit bleibt, von seinen Grundrechten auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen.“
(BayVGH, B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris Rn. 30)
„Die Antragsgegnerin (Beklagte) ist ihrer insoweit bestehenden Darlegungslast nachgekommen und hat hinreichende konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schäden bei den genannten entgegenstehenden Rechtsgütern bzw. rechtlich geschützten Interessen aufgeführt. Dabei durften die Antragsgegnerin und dies nachvollziehend das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anwohnern, freiberuflich Tätigen sowie Inhabern, Beschäftigten und Kunden von Geschäften, gewerblichen und gastronomischen Betrieben im Bereich der Versammlungsorte (O. und M.) und der Aufzugsrouten sowie deren näheren Umgebung über entsprechende Beeinträchtigungen durch die bisherigen Versammlungen des Antragstellers und der Vorgängerbewegungen „B.“ und „M.“ auch ohne (nähere) Überprüfung im Einzelfall eine hinreichende Gefährdungslage annehmen. Wie dem Erstgericht ist auch dem erkennenden Senat das bisherige Versammlungsgeschehen an und um den O. mit den jeweiligen Aufzugsrouten sowie dem M. bekannt. Aufgrund dieser (eigenen) Kenntnis und der vom Verwaltungsgericht zu Recht mit angeführten allgemeinen Lebenserfahrung steht auch für den Senat mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit fest, dass es bei einem uneingeschränkten Ablauf des Versammlungsgeschehens des Antragstellers auch in Zukunft zu massiven Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter kommen wird. Dazu gehören vor allem die durch die Versammlungen des Antragstellers und die aus Sicherheitsgründen erforderlichen großräumigen polizeilichen Absperr- und Sicherungsmaßnahmen verursachten erheblichen Einschränkungen des Verkehrs (auch des öffentlichen Personennahverkehrs) und der Zufahrten und Zugangsmöglichkeiten von privaten Wohnungen und (Garagen-)Stellplätzen, von an- und umliegenden Geschäften, gastronomischen Betrieben, Hotels, Praxen von Freiberuflern und öffentlichen Veranstaltungsräumen. Derartige Behinderungen in der Vergangenheit sind durch eine große Anzahl schlüssiger und glaubhafter Beschwerden betroffener Personen und Unternehmen belegt. Auch die in zahlreichen Beschwerden geltend gemachten spürbaren bzw. erheblichen Umsatzeinbußen durch ausbleibende Gäste oder Kunden sind angesichts dessen ohne weiteres nachvollziehbar. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die regelmäßigen Versammlungen des Antragstellers (Klägers) und das damit einhergehende große Polizeiaufgebot mit großräumigen Absperrmaßnahmen und Umleitungen des Verkehrs den Zugang zu den betroffenen zentralen innerstädtischen Bereichen zeitweise unmöglich machen oder jedenfalls in schwerwiegender Weise beeinträchtigen, auf Passanten und Kunden abschreckend wirken und bei diesen das vom Verwaltungsgericht festgestellte „Vermeidungsverhalten“ auslösen. Dies führt aber jedenfalls auf Dauer unabhängig von den sonstigen Beeinträchtigungen zwangsläufig auch zu nicht unerheblichen Umsatzeinbußen bei den betroffenen Gastronomiebetrieben, Geschäften, Dienstleistungsunternehmen, Kanzleien und Praxen. Auch diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die umfangreiche Dokumentation der Antragsgegnerin über entsprechende Beschwerden bei einer Gesamtschau entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kein falsches Bild zu seinen Lasten erzeugt, sondern die betroffenen Unternehmen und Personen vielmehr in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise an den jeweiligen Tagen – und nicht nur während der eigentlichen Dauer der Versammlung – erhebliche Einschränkungen und Umsatzeinbußen geltend machen. Die demgegenüber unsubstantiierte Behauptung bzw. Einlassung des Antragstellers, es handle sich hier offenkundig um nur „wenige Dutzend substanzlose Beschwerden“ und Behauptungen, die „nur auf Zuruf Dritter zustande gekommen“ seien, vermag diese Bewertung nicht ernsthaft infrage zu stellen.“
Insbesondere bezüglich der Beurteilung der örtlichen Einschränkungen des Versammlungsgeschehens des Klägers sowie der „Rotation“ zwischen verschiedenen Versammlungsplätzen wird auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 10. November 2016 (M 13 S 16.5058) sowie auf die Beschwerdeentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. November 2016 (BayVGH, B.v. 10.11.2016 -10 CS 16.2256 – juris) verwiesen.
Auch wenn in diesen gerichtlichen Entscheidungen der Grundbescheid vom 24. Mai 2016 bzw. ein hierzu ergangener Ergänzungsbescheid streitgegenständlich waren, können die Erwägungen für den Grundbescheid vom 31. Januar 2018 herangezogen werden. Dies auch unter Berücksichtigung, dass im Gültigkeitszeitraum des Grundbescheids vom 24. Mai 2016 der Kläger zusätzlich sich fortbewegende Versammlungen durchführte, die besonders viele Beschwerden und Sicherungsmaßnahmen hervorriefen. Jedoch auch bei Zugrundelegung des angezeigten Versammlungsgeschehens vom 20. September 2017, bei dem an jedem Tag der Woche an drei verschiedenen Orten der Innenstadt eine stationäre Versammlung des Klägers stattfinden sollte, sind die Ausführungen der beiden Beschlüsse zutreffend. Insbesondere die Aussagen hinsichtlich der Überbelastung der Orte bei einem nicht beschränkten Versammlungsgeschehen können als Grundlage des streitgegenständlichen Bescheides herangezogen werden. Die für die Versammlungen des Klägers vorgesehenen Innenstadtorte gerade in der Fußgängerzone müssen für verschiedene Nutzungen und Bedürfnisse zur Verfügung stehen. Der Kläger setzt bei seinen Versammlungen Hilfsmittel, wie Lautsprecheranlage und Videoleinwand, ein. Auch die aktuelle Beschwerdelage aus dem Jahr 2017 zeigt, dass selbst bei dem reglementierten Versammlungsgeschehen Beschwerden durch Nachbarschaft und Passanten, insbesondere wegen des von den Versammlungen ausgehenden Lärms, eingegangen sind. Würden die Versammlungen des Klägers in der beantragten Häufigkeit und in dem beantragten zeitlichen und örtlichem Umfang stattfinden, würde dies zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechte Dritter wie Anwohner, Passanten, Freiberufler und Gewerbetreibender führen. Die Anordnung der Beschränkung auf täglich eine Versammlung mit einer Versammlungsdauer von maximal drei Stunden, die Festlegung von verschiedenen Versammlungsorten sowie die „Rotation“ der Versammlungen zwischen diesen Orten waren daher rechtmäßig. Bei den festgelegten Orten handelt es sich um Orte, bei dem der eine oder andere attraktiver erscheint, da er sich näher in der Innenstadt befindet oder stärker durch Passanten frequentiert ist. Jedoch befinden sich alle festgelegten Orte in einem engen Radius zur zentralen Innenstadt und entsprechen damit dem Bedürfnis des Klägers nach hoher Aufmerksamkeit seiner Versammlungen. Durch die „Rotation“ wird auch sichergestellt, dass der Kläger an die von ihm bevorzugten Orte regelmäßig zurückkehren kann.
Die streitgegenständlichen örtlichen und zeitlichen Verlegungen sowie die Beschränkung auf täglich eine Versammlung sind geeignet, erforderlich und angemessen wegen vorrangiger, zumindest aber gleichwertiger anderer Rechtsgüter angeordnet worden. Die Ermessenserwägungen der Beklagten im streitgegenständlichen Grundbescheid tragen die angeordneten Auflagen. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger nunmehr drei parallele Versammlungen angemeldet hat. Ein Versammlungsgeschehen mit drei parallelen Veranstaltungen mit „wechselnder Teilnehmerzahl“ an den zentralen Orten M., N. Str. 8 und K. durfte von der Beklagten sowohl zeitlich als auch örtlich beschränkt werden. Durch das Ausweichen auf andere Orte als die drei beantragten Orte und die Notwendigkeit zur Rotation wird kein faktisches Verbot der Versammlungen bewirkt, das nur als ultima ratio (vgl. BVerfG, B. v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn 17 m.w.N.) in Betracht kommt. Andere und wechselnde Versammlungsorte nehmen den Versammlungen weder thematisch noch ihrer Gestalt nach weitgehend ihren Charakter oder ihren Sinn (vgl. Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, Art. 15 Rn. 24 f.). Anlass und Thema der Versammlungen sind aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Politik (vgl. insgesamt VG München, B.v. 7.7.2016 – M 7 S 16.2675, Seite 23). Mildere Mittel zur Verringerung der Rechtsbeeinträchtigungen Dritter als eine zeitliche und teilweise örtliche Verlegung der täglichen Versammlungen sind nicht erkennbar. Die Außenwirksamkeit der Veranstaltungen des Klägers wird schon aufgrund der außerordentlichen Häufung der Veranstaltungen durch eine Rotation nur geringfügig beeinträchtigt. Der Kläger kehrt in kurzen Zeitabständen regelmäßig an die nicht weit voneinander entfernt liegenden zentralen Versammlungsorte zurück und seine Veranstaltungen bleiben ihrer Ausgestaltung nach weitgehend unangetastet (vgl. insgesamt VG München, B.v. 7.7.2016 – M 7 S 16.2675, Seite 24). Die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der „Rotation“ zwischen den Versammlungsorten wurde auch im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris Rn. 41) bestätigt.
Die Beschränkung unter Ziffer V. des Bescheides vom 31. Januar 2018 ist ebenfalls rechtmäßig. Es wird insgesamt auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München im Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 7 S 16.2675), sowie auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. Oktober 2016 (10 CS 16.1468) verwiesen. Insbesondere:
(VG München, B. v. 7. Juli 2016 – M 7 S 16.2675 – S. 26)
„Schließlich ist in Anbetracht des täglichen Einsatzes des Muezzinrufs und seiner besonderen Beschwer für Dritte, die ihm gegen ihren Willen ausgesetzt sind, nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin (Beklagte) die Verwendung dieses Kundgebungsmittels stark eingeschränkt hat. Wegen seines ungewöhnlichen Charakters lässt sich der Muezzinruf, der schon nach seinem ursprünglichen Zweck dazu dient, die Aufmerksamkeit der Gläubigen zu erregen, weniger gut ausblenden als die üblichen Alltagsgeräusche. Als Kundgebungsmittel wird er zum Teil als provozierend und als religiöse Verunglimpfung empfunden. Er beeinträchtigt daher nicht nur das Wohn- und Arbeitsklima ganz außerordentlich, was sich auch im Beschwerdebild spiegelt. Allerdings erscheint eine Reduzierung auf nur fünf Minuten jeweils zu Beginn der täglichen Veranstaltungen (Anm. so Auflage unter Ziffer V. des Grundbescheides der Beklagten vom 24. Mai 2016) nicht erforderlich und angemessen, da diese Versammlungen, für Passanten schon von weitem gut erkennbar, hierdurch ihren spezifischen Charakter erhalten und mit dem sich deutlich von der Geräuschkulisse der Umgebung abhebenden Ruf eine große Außenwirksamkeit erzielt wird. Können hiermit nur noch einmal zu Beginn der Veranstaltung die zufällig anwesenden Passanten erreicht werden, ist seine Wirksamkeit im Wesentlichen nicht mehr gegeben. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ist dem Antragsteller (Kläger) eine gewisse Regelmäßigkeit zum Erhalt des Muezzinrufs als noch wirksames Kundgebungsmittel zuzugestehen, wenn auch nicht in der bisherigen Häufigkeit. Nachdem die Beeinträchtigung der Anlieger und Passanten durch die angeordnete Rotation der Versammlungen abgeschwächt wird, hält die Kammer eine Beschränkung auf fünf Minuten in einer Stunde für vertretbar und verhältnismäßig.“
(BayVGH, B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris Rn. 31)
„Nicht zu beanstanden ist weiter die Feststellung des Verwaltungsgerichts, durch das Versammlungsgeschehen des Antragstellers (Klägers) werde an den betroffenen Orten, am täglichen Versammlungsort M. vor allem auch durch die dort eingesetzte Lautsprecheranlage und den regelmäßig abgespielten „Muezzinruf“, ein nicht unerheblicher Lärm verursacht, der in zahlreichen glaubhaften Beschwerden schon aufgrund der seiner Häufigkeit, Intensität und bezogen auf das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ auch Fremdartigkeit als penetrant, belästigend bzw. nachhaltig störend beschrieben wird. Der Einwand des Antragstellers, Lärmstörungen gingen allenfalls von den Gegendemonstrationen aus, bleibt unsubstantiiert, blendet das eigene Versammlungsgeschehen völlig aus und ist daher nicht geeignet, die überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts zu erschüttern.“
Diese rechtlichen Ausführungen können auch für die Auflage unter Ziffer V. im Grundbescheid vom 31. Januar 2018 herangezogen werden. Der Kläger macht in seinem Klageantrag deutlich, dass er den Muezzin-Ruf bzw. Muezzin-Ruf ähnliche Texte und Gesänge frei ohne Begrenzung in Art und Zeiteinsatz verwenden möchte. Damit möchte er einen Einsatz des lautsprecherverstärkten Rufes über die gesamte beantragte Zeit der Versammlung (10.00 Uhr bis 22.00 Uhr) an drei parallelen Versammlungen erreichen. Bei einem solch beantragten intensiven Versammlungsgeschehen, das eine große Anzahl Betroffener in schwerwiegender Weise beeinträchtigt, liegt es bereits auf der Hand, dass die Beklagte das Abspielen des „Muezzinrufes“ einschränken muss, damit die grundrechtlich verbürgten Rechte von Dritten wie Passanten, Anwohnern, Freiberuflern und Gewerbetreibenden gewahrt bleiben. Ohne zeitliche Einschränkung wäre die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet worden. Dass gerade der „Muezzinruf“ als störend durch Dritte empfunden wird, belegen auch die in den Akten befindlichen Beschwerden aus dem Jahr 2017.
Die Beklagte hat im Rahmen der praktischen Konkordanz eine Abwägung getroffen, die sowohl dem Versammlungsrecht des Klägers als auch den Interessen Dritter Rechnung trägt. Durch die Beschränkung des Abspielens auf fünf Minuten pro Stunde wurde ein Ausgleich der Interessen geschaffen, der verhältnismäßig ist. Der Kläger kann durch ein regelmäßiges Abspielen die Aufmerksamkeit auf die Versammlung erhöhen, es entsteht ihm hierdurch kein unverhältnismäßiger Nachteil. Es handelt sich bei dem Muezzin-Ruf im Übrigen nur um ein Kundgebungsmittel des Klägers unter vielen anderen. Gleichzeitig werden die Interessen Dritter durch den beschränkten „Muezzinruf“ nur in sozialadäquatem Maße unter Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit eingeschränkt und sind damit hinzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2016 (B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris) aus:
„Als (voraussichtlich) verhältnismäßig erweist sich auch die noch streitige Beschränkung des Einsatzes des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 verfügten Maßgabe. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Abwägung der gegenläufigen Rechtsgüter und Interessen gerade unter Berücksichtigung der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anliegern und Passanten des M. eine gravierende Beeinträchtigung des Wohn- und Arbeitsklimas am Versammlungsort und eine besonders provozierende und störende Wirkung dieses Kundgebungsmittels angenommen.“ (BayVGH, B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris Rn. 44)
Damit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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