Aktenzeichen S 10 P 16/16
Leitsatz
Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung zu verstehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die Klägerin der Pflegestufe II zuzuordnen.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der hierin aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI).
Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI).
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand in der Pflegestufe I für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen.
In der Pflegestufe II jedoch muss nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 120 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 180 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen.
Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung;
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Die Klägerin kann nicht der Pflegestufe II zugeordnet werden, weil ihr Hilfebedarf nicht über 120 Minuten liegt. Dies steht für die Kammer nach Abschluss der Beweisaufnahme fest. Die Kammer legt ihrer Entscheidung das überzeugende und aufgrund persönlicher Untersuchung erstellte Sachverständigengutachten der Sachverständigen N. zu Grunde. Danach steht fest, dass die Klägerin an folgenden pflegebegründenden Gesundheitsstörungen leidet:
Apoplex bei Kleinhirn- und Ponsischämie mit Resthemiparese rechtsbetont Nov. 2013
Z. n. LWK-1-Kompressionsfraktur (03/2015) bei bestehender Spondylophytenbildung bei Spondylarthrose
Kniegelenksschmerzen links bei bekannter Gonarthrose links mit Bewegungseinschränkungen
Adipositas
Die Klägerin, das hat die Sachverständige festgestellt, war zu allen Qualitäten vollumfänglich orientiert. Ihr ist eine selbstbestimmte Lebensführung möglich. Eine Fähigkeitsstörung einhergehend mit einem täglichen allgemeinen Beaufsichtigungsbedarf konnte die Sachverständige nicht finden.
Im Bereich der Körperpflege besteht bei der Klägerin ein Hilfebedarf von 33 Minuten täglich im Wochenschnitt, im Bereich der Ernährung von 3 Minuten täglich im Wochenschnitt und im Bereich der Mobilität ergibt sich ein Hilfebedarf von 19 Minuten täglich im Wochenschnitt. Dies seit dem 08. August 2015. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht ein Hilfebedarf von 45 Minuten. Weitere fachärztliche Untersuchungen sind – wie die Sachverständige ausgeführt hat – nicht erforderlich. Zusammenfassend besteht also im Bereich der Grundpflege seit dem 08. Juni 2015 ein Hilfebedarf von 54 Minuten täglich im Wochenschnitt. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten pro Tag. Daraus ergibt sich ein Gesamthilfebedarf von 99 Minuten täglich.
Da der festgestellte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege weit unter 120 Minuten liegt, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Bescheide der Beklagten bestehen zu Recht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.