Medizinrecht

Arbeitsunfall oder familiäre Gefälligkeit – Haftungsausschluss – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer

Aktenzeichen  L 2 U 221/15

Datum:
12.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 4, § 8 Abs. 1, § 104, § 105 Abs. 1, Abs. 2, § 106, § 107, § 108 Abs. 1, § 109, § 136 Abs. 3
StVG StVG § 7, § 10, § 18
BGB BGB § 421, § 823, § 844
SGB IV SGB IV § 7 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommener Kfz-Haftpflichtversicherer darf analog  § 109 S. 1 SGB VII die Rechte verletzter Versicherter im eigenen Namen geltend machen. (redaktioneller Leitsatz)
Weil Halter, Führer und Haftpflichtversicherer eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs dem Verletzten gesamtschuldnerisch haften, bewirken die Haftungsbeschränkungen des Kfz-Führers gem. §§ 104 -107 SGB VII eine gestörte Gesamtschuld; deshalb hat ein auf Schadensersatz in Anspruch genommener Kfz-Halter analog § 109 SGB VII ein berechtigtes Interesse an einer Feststellungsklage. (redaktioneller Leitsatz)
Unternehmer iSd § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII ist, wem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht; deshalb begründet allein das Benutzen eigenen Werkzeugs bei einer Tätigkeit nicht die Unternehmereigenschaft iSd SGB VII. (redaktioneller Leitsatz)
Verrichtungen der “Wie-Beschäftigten” (§ 2 Abs. 2 SGB VII) sind keine unternehmerähnlichen Tätigkeiten. (redaktioneller Leitsatz)
Der Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 2 SGB VII hat keine Geltung für nichtversicherte, nur unternehmerähnliche Personen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 41 U 582/14 2014-11-26 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Die Berufungen der beiden Berufungskläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.11.2014 werden zurückgewiesen.
II.
Beide Kläger und der Beigeladene zu 2) tragen die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen zu 2) sind nicht zu erstatten.
III.
Der Streitwert wird auf 9.077,11 Euro festgesetzt.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A) Die Kläger zu 1) und 2) haben gegen das am 28.04.2015 zugestellte Urteil form- und fristgerecht am 28.05.2015 Berufung eingelegt. Die Berufungen und Klagen sind zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 109 SGB VII können Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte, ihre Angehörigen oder Hinterbliebene Schadenersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellung eines Versicherungsfalls nach § 108 Abs. 1 SGB VII beantragen und das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreiben (sog. Verfahrens- und Prozessstandschaft vgl. BSG vom 29.11.2011 – B 2 U 27/10 R – Juris RdNr. 19). Die Beigeladene zu 1) als Hinterbliebene hat auch nicht selbst ein entsprechendes Klage- oder Berufungsverfahren betrieben.
Die Beigeladene zu 1) hat ferner gegen die Kläger auch Schadensersatzforderungen erhoben. Denn sie macht mit ihrer Klage vor dem LG Schadensersatzforderungen gegen den Kläger zu 1) als Halter des Traktors gemäß §§ 7, 10, 18 StVG und §§ 823, 844 BGB und gegen den Beigeladenen zu 2) als Führer des Traktors nach §§ 7, 8, 10, 18 StVG, §§ 823, 844 BGB geltend. Ob die Schadensersatzforderungen zu Recht gegen den Kläger zu 1) erhoben werden, insbesondere ob er tatsächlich als Halter i. S. v. § 7 StVG anzusehen ist, ist ggf. im zivilgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Für die Prozessstandschaft nach § 109 SGB VII genügt insoweit, dass der Kläger zu 1) als Halter in Anspruch genommen wird. Gegen die Klägerin zu 2), die als Kfz-Haftpflichtversicherer des Klägers zu 1) für Schadensersatzforderungen gegen Halter und Kfz-Führer einstehen muss, hat die Beigeladene zu 2) zwar keine Klage erhoben; sie hat aber Ansprüche in der außergerichtlichen Korrespondenz vor Erhebung der Schadensersatzklage geltend gemacht, wie in der mündlichen Verhandlung von den Prozessbevollmächtigten bestätigt worden ist.
Zwar gehörten weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) zu den Personen, deren Haftung für Schäden des Verstorbenen unmittelbar nach den §§ 104 bis 107 SGB VII begrenzt ist. Nach Klärung des Sachverhalts im Erörterungstermin steht für den Senat nämlich ohne jeden Zweifel fest, dass keiner der am Unfall beteiligten Personen für den Kläger zu 1) als Unternehmer tätig war bzw. dass der Kläger zu 1) an den Vorgängen des Unfalltags überhaupt nicht beteiligt war. Der Kläger zu 1) war erst recht nicht für einen anderen Unternehmer betrieblich tätig. Der Kläger zu 1) war lediglich die Person, auf die der am Unfalltag eingesetzte Traktor offiziell zugelassen war und er war der Versicherungsnehmer für die Kfz-Haftpflichtversicherung. Früherer Sachvortrag der Klägerseite, der Kläger zu 1) habe den Traktor für die Baumfällarbeiten am Unfalltag zur Verfügung gestellt, er habe den Beigeladenen zu 2) oder den Verstorbenen mit den Arbeiten beauftragt sowie die Behauptung, der Kläger zu 1) habe im Gegenzug Holz erhalten sollen, hat sich nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers zu 1), des Beigeladenen zu 2) und der Zeugen I. im Erörterungstermin als vollkommen unzutreffend herausgestellt. Schon deswegen scheidet eine Verwendung des anfallenden Holzes für den damaligen Holzhandel des Klägers zu 1) aus. Auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger hält an seinem entsprechenden früheren Sachvortrag nicht mehr fest.
Die Klägerin zu 2) als unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommener Kfz-Haftpflichtversicherer gehört ebenfalls nicht zu den in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten haftungsprivilegierten Personen, ist aber in analoger Anwendung von § 109 Satz 1 SGB VII berechtigt, die Rechte des verletzten Versicherten im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. hierzu BSG vom 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R – Juris m. w. N.). Die analoge Anwendung von § 109 SGB VII ist nach BSG-Rechtsprechung wegen einer planwidrigen Regelungslücke gerechtfertigt. Denn mit dem Schadensfall entsteht ein gesetzliches Rechtsverhältnis gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer, der dem Verletzten für den durch ein Kfz verursachten Unfall kraft Gesetzes unmittelbar und in gleichem Umfang (vgl. §§ 115, 117 Versicherungsvertragsgesetz -VVG) als Gesamtschuldner neben einem ersatzpflichtigen, von der Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII profitierenden Schädiger haftet (vgl. BSG vom 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R – Juris RdNr. 17 ff.). Die Klägerin zu 2) ist nach Überzeugung des Senats daher in gleicher Weise prozessführungsbefugt wie der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Kfz-Führer, der Beigeladene zu 2). Die Klägerin zu 2) macht eine Haftungsbeschränkung des Beigeladenen zu 2) i. S. d. §§ 104 bis 107 SGB VII geltend, soweit sie vorträgt, dass A.W. Wie-Beschäftigter des Beigeladenen zu 2) war.
Da Halter und Führer des Kfz für den Schadensersatz des Unfallopfers zusammen mit dem für sie eintrittspflichtigen Versicherer in einem Gesamtschuldnerverhältnis nach § 421 BGB stehen (vgl. BGH Urteil vom 18.01.1984 – IV a ZR 73/82 Juris RdNr. 10) und der Verletzte gegen den Fahrzeughalter einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wie gegen den Kfz-Führer hat, wirken sich Haftungsbeschränkungen des Kfz-Führers i. S. d. §§ 104 bis 107 SGB VII nach den Regeln des gestörten Gesamtschuldverhältnisses auch auf die Schadensersatzansprüche des Verletzten gegen den Kfz-Halter aus. Die Haftung des Kfz-Halters ist dann nämlich auf den Betrag beschränkt, der auf ihn im Innenverhältnis zu dem Kfz-Führer endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Kfz-Führer gestört wäre (vgl. BGH vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13 – Juris RdNr. 19 ; BGH vom 18.12.2007 – VI ZR 235/06 – Juris RdNr. 26; BGH vom 22.01.2008 – VI ZR 17/07 – Juris RdNr. 11). Die Situation des Halters des unfallbeteiligten Kfz entspricht daher im Wesentlichen derjenigen des Kfz-Haftpflichtversicherers, so dass in gleichem Maße die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke und die analoge Anwendung des § 109 SGB VII gerechtfertigt ist, wenn der Kfz-Halter auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und der Kfz-Führer nach den §§ 104 bis 107 SGB VII haftungsbeschränkt ist.
Die Berufungen erweisen sich jedoch als unbegründet, denn der verstorbene A.W. hat nicht – wie zuletzt vorgetragen – einen Arbeitsunfall als Versicherter für ein Unternehmen des Beigeladenen zu 2) (vgl. § 104 SGB VII) oder als Versicherter bzw. unversicherter Unternehmer desselben Betriebs wie der Beigeladene zu 2) erlitten (vgl. § 105 Abs. 1, Abs. 2 SGB VII).
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). A.W. hat aber zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet. Er ließ sich von dem Beigeladenen zu 2) mit Hilfe des Traktors in dem Gitterkorb nach oben heben, um Baumfällarbeiten, insbesondere Sägearbeiten, durchzuführen. Bei den Baumfällarbeiten am Unfalltag handelte es sich aber nach Überzeugung des Senats nicht um eine versicherte Tätigkeit von A.W.
Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats folgender Sachverhalt fest: Die Zeugin I. hatte als Grundstückseigentümerin ihren Onkel A.W. gefragt, ob er für sie noch vor Weihnachten einen Teil von insgesamt fünf Bäume fällen kann. A.W. hat sich die Situation vor Ort angeschaut und mitgeteilt, dass er die leichter zu fällenden Bäume beseitigen wird. Er hat die Aufgabe wegen der engen verwandtschaftlichen Verbundenheit mit der Zeugin I. übernommen, die seine Nichte war. Frau I. und A.W. hatten sich bereits in der Vergangenheit immer wieder gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten geholfen. Während A.W. vor allem handwerkliche Arbeiten übernommen hat, hat Frau I. als ausgebildete Hauswirtschaftslehrerin immer wieder für ihren Onkel gekocht oder bei Feiern geholfen. Diese gegenseitigen Hilfen erfolgten stets unentgeltlich aufgrund besonders enger familiärer und persönlicher Verbundenheit. Anschließend hat A.W. aus eigenem Entschluss den Beigeladenen zu 2) um Mithilfe bei den Baumfällarbeiten gebeten. Der Beigeladene zu 2) hat aus freundschaftlicher Verbundenheit geholfen. Er war einerseits der Zeugin I. über die enge Freundschaft mit deren verstorbenem Bruder freundschaftlich verbunden. Andererseits bestand auch zu A.W. ein freundschaftliches Verhältnis mit in der Vergangenheit unentgeltlich erfolgten gegenseitigen Hilfen z. B. bei Bauarbeiten etc. Weder A.W. noch der Beigeladene zu 2) sollten für das Tätigwerden ein Entgelt oder Sachwerte erhalten; das Holz der gefällten Bäume sollte ausschließlich bei den Eheleuten I. verbleiben. Die Eheleute I. haben keinen Einfluss auf die Durchführung der Baumfällarbeiten genommen. Sie haben sowohl Zeit als auch die Art der Durchführung A.W. und dem Beigeladenen zu 2) überlassen. Der Ort der Tätigkeit ergab sich aus der Natur der Sache, da Bäume auf dem Grundstück gefällt werden sollten. Die Eheleute I. hatten keine Fachkenntnisse oder Erfahrung mit Baumfällarbeiten. Sie hatten auch nicht die notwendigen Geräte, Werkzeuge etc. für diese Arbeiten. Soweit der Zeuge I. am Unfalltag einfache Hilfsarbeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten übernommen hat, hat er dies auf Weisung von A.W. getan. Der Beigeladene zu 2) hat ihm keine Weisungen erteilt. A.W. und der Beigeladene zu 2) verfügten gleichermaßen über besondere, für das Fällen von Bäumen notwendige Fachkenntnisse. Beide hatten entsprechende Kurse absolviert und beide verfügten über Erfahrung mit dem Fällen von Bäumen. Während der Beigeladene zu 2) u. a. den Traktor und den Gitterkorb mitgebracht hat, hat A.W. seine eigene Motorsäge verwendet.
1. Vor diesem Hintergrund steht zur Überzeugung des Senats fest, dass A.W. nicht als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder als Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII für den Beigeladenen zu 2) oder die Eheleute I. tätig geworden ist, auch wenn das Fällen der Bäume nicht seinen eigenen Zwecken diente, sondern fremdnützig für die Eheleute I. erfolgte.
a) Der Begriff der Beschäftigung i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII setzt keine Entgeltlichkeit voraus (vgl. hierzu BSG vom 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R, Juris RdNr. 32 f.). Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers ist. Wesentlich ist, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht frei gestalten kann, sondern in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und dabei grundsätzlich einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG vom 27.10.2009 – B 2 U 26/08 R, Juris RdNr. 18). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. hierzu BSG vom 27.10.2009 – B 2 U 26/08 R, Juris RdNr. 18; BSG vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris RdNr. 15 m. w. N.).
A.W. hat die Baumfällarbeiten schon deswegen nicht als Beschäftigter des Beigeladenen zu 2) durchgeführt, weil der Beigeladene zu 2) nicht der Unternehmer der Baumfällarbeiten war. Gemäß § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII ist Unternehmer derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Das Ergebnis des Unternehmens „Baumfällarbeiten auf dem Grundstück der Zeugen I.“ brachte dem Beigeladenen zu 2) aber keine unmittelbaren Vor- oder Nachteile, zumal er unentgeltlich tätig wurde und das anfallende Holz bei den Eheleuten I. verbleiben sollte. Insbesondere betrieb der Beigeladene zu 2) selbst kein Unternehmen, das entgeltlich Baumfällarbeiten für andere durchführt. Dass der Beigeladene zu 2) seinen eigenen Traktor für die fremdnützigen Arbeiten eingesetzt hat, verwandelt diese nicht in eigennützige Arbeiten. Der Vortrag des Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 2), dass die Hilfeleistung des Beigeladenen zu 2) am Unfalltag auch statt einer Inrechnungstellung für zuvor erbrachte Hilfeleistungen von A.W. erfolgt sei, überzeugt schon deshalb nicht, weil die gegenseitigen Hilfeleistungen zwischen A.W. und dem Beigeladenen zu 2) nach übereinstimmenden Angaben im Erörterungstermin immer unentgeltlich aufgrund des guten persönlichen Verhältnisses erfolgt sind. Weder war eine konkrete Gegenleistung – z. B. der Erlass einer konkreten Forderung des A.W. – vereinbart noch wurden Hilfeleistungen gegenseitig in Rechnung gestellt. Selbst wenn sich der Beigeladene zu 2) für frühere Hilfe von A.W. revanchieren wollte, verbleiben die unmittelbaren Vorteile dieser Gefälligkeit bei den Grundstückseigentümern.
A.W. war aber auch kein Beschäftigter der Eheleute I., denen die Baumfällarbeiten unmittelbare Vorteile brachten. Er war beim Fällen der Bäume weder nach Weisungen der Eheleute I. noch des Beigeladenen zu 2) tätig, zumal der Beigeladene zu 2) seit einem Unfall im Jahr 2005 unter erheblichen, auch im Erörterungstermin deutlich bemerkbaren Sprachstörungen leidet. Ebenso wenig war A.W. in einen fremden Betrieb der Eheleute I. oder des Beigeladenen zu 2) eingegliedert. A.W. ist vielmehr selbstständig tätig geworden, hat über seine eigene Arbeitskraft selbstständig verfügt, sein eigenes Werkzeug verwendet und seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit frei gestaltet. Abstimmungen von A.W. mit dem mitwirkenden Beigeladenen zu 2) und dem Zeugen I. sind erfolgt, soweit es die Natur der Sache bei Zusammenarbeit verschiedener Personen erfordert. Dabei hat der Zeuge L. I. A.W. keine Weisungen erteilt, sondern umgekehrt Anweisungen von A.W. entgegengenommen. A.W. und der Beigeladene zu 2) haben ohne eine Weisungs- bzw. Über-Unterordnungsverhältnis kraft ihrer Fachkenntnis gleichberechtigt zusammengearbeitet.
b) A.W. hat zum Unfallzeitpunkt auch keine gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit verrichtet (sog. Wie-Beschäftigung), insbesondere nicht für die Eheleute I. oder für den Beigeladenen zu 2).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist eine Verrichtung versichert, die der Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist (vgl. BSG vom 15.6.2010 – B 2 U 12/09 R – Juris RdNr. 22). § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandlich Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind, und die weder im eigenen Interesse noch im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt (vgl. BSG vom 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R – Juris RdNr. 56 f. m.w.N; BSG vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R – Juris Rdnr. 16).
Die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Wie-Beschäftigter und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist in Anlehnung an die Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer vorzunehmen (vgl. hierzu BSG vom 03.04.2014 – B 2 U 26/12 R – Juris RdNr. 16; BSG vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R – Juris RdNr.17; BayLSG im Urteil vom 26.02.2015 – L 17 U 248/14 -Juris RdNr. 26). Dabei ist zu beachten, dass bei einer Tätigkeit als Wie-Beschäftigter i. S. v. § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht alle Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses und bei einer unternehmerähnlichen Tätigkeit nicht alle Merkmale eines Unternehmers erfüllt sein müssen; entscheidend ist vielmehr, ob nach dem Gesamtbild die Tätigkeit wie von einem Beschäftigten oder wie von einem Unternehmer ausgeübt wurde (vgl. BSG vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R – Juris RdNr.17; BayLSG im Urteil vom 26.02.2015 – L 17 U 248/14 – Juris RdNr. 26). Beispielsweise setzt eine Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen voraus und für ein Unternehmen ist weder ein Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich (vgl. BSG vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R – Juris RdNr. 17).
A.W. hat keine Tätigkeit verrichtet, die dem Beigeladenen zu 2) als fremden Unternehmer zu dienen bestimmt war, weil der Beigeladene zu 2) – wie bereits dargelegt – mangels unmittelbaren Vorteils an den Baumfällarbeiten nicht der Unternehmer war.
Ebenso wenig war A.W. als Wie-Beschäftigter für die Eheleute I. tätig. Dabei wäre eine Wie-Beschäftigung des A.W. für Frau I. nicht schon nach § 4 Abs. 4 SGB VII versicherungsfrei. Denn A.W. war nicht im Haushalt von Frau I. als Verwandter bis zum zweiten Grad unentgeltlich tätig; als Bruder der Mutter von Frau I. war er ein Verwandter dritten Grades (vgl. § 1589 BGB). Zwar hat A.W. mit den Baumfällarbeiten eine ernstliche, den Eheleuten I. dienende und ihrem wirklichen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichen Wert verrichtet. Allerdings war er nach Überzeugung des Senats bei Würdigung der Gesamtumstände nicht wie ein Beschäftigter der Eheleute I. tätig, sondern wie ein Unternehmer bzw. unternehmensähnlich. Auf die Bitte der Zeugin I. um Mithilfe hat A.W. das Grundstück in Augenschein genommen und erklärt, dass er erledigen werde, was er könne. Die Eheleute I. haben A.W. vollständig die Entscheidung überlassen, welche der zu fällenden Bäume er fällt, wann er das macht, wie er das durchführt und welche Werkzeuge, Geräte etc. er verwendet. Ein Weisungsverhältnis der Eheleute I. als Nutznießer der Fällaktion schied schon deswegen aus, weil A.W., nicht aber das Ehepaar I., über die erforderlichen Fachkenntnisse, die Erfahrung und die entsprechenden Geräte und Ausrüstung verfügte. Letztlich hat die Zeugin I. ihrem Onkel A.W. die Organisation, Planung und Durchführung der Baumfällarbeiten vollumfänglich überlassen und dieser hat die Aufgaben vollumfänglich übernommen. Dementsprechend hat A.W. auch den Beigeladenen zu 2) um Mithilfe und Einsatz seines Traktors gebeten. A.W. und der Beigeladene zu 2) haben die Arbeiten selbstständig durchgeführt. Der Zeuge L. I. übernahm nur einfache Hilfsarbeiten, wobei er sich den Weisungen und Anordnungen von A.W. unterordnete. Dass A.W. kein Entgelt bzw. keine materiellen Vorteile für seinen Einsatz erhalten hat, ist nach Ansicht des Senats für ein Beschäftigungsverhältnis oder für eine unternehmerische Tätigkeit gleichermaßen ungewöhnlich. Selbst wenn man darin einen Gesichtspunkt für eine beschäftigtenähnliche Tätigkeit sehen sollte, tritt dieser im Rahmen der Gesamtwertung nach Überzeugung des Senats eindeutig als unwesentlich in den Hintergrund.
Letztlich hat A.W. das Fällen der Bäume für seine Nichte aufgrund der im Erörterungstermin überzeugend dargelegten engen familiären Verbundenheit übernommen. Nach den Schilderungen im Termin hatte A.W. nach dem Tod seines Neffens, des Bruders der Zeugin I., wiederholt solche handwerklichen Aufgaben für die Zeugin I. erledigt, die früher ihr Bruder aufgrund geschwisterlicher Verbundenheit aus Gefälligkeit erledigt hatte. Der Ehemann L. I. verfügt nach den Schilderungen im Termin über keine ausreichenden handwerklichen Fähigkeiten. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel daran, dass A.W. das Fällen der Bäume am Unfalltag allein aufgrund der besonders engen verwandtschaftlichen Sonderbeziehung zu seiner Nichte übernommen hatte und dass er selbst diese Aufgabe angesichts seiner Fachkenntnisse und Fähigkeiten als selbstverständliche familiäre Hilfspflicht angesehen hatte. Auch deswegen war A.W. nach Überzeugung des Senats nicht als Wie-Beschäftigter der Eheleute I. tätig. Diese Einschätzung wird im Übrigen vollumfänglich von der Witwe des A.W. geteilt.
2. Die Beigeladene zu 1) hat auch keinen Anspruch auf Leistungen wie die Hinterbliebene eines Versicherten als Folge einer Haftungsbeschränkung des Beigeladenen zu 2) gemäß § 105 Abs. 2 i. V. m. § 105 Abs. 1 SGB VII.
Nach diesen Vorschriften ist die Haftung von Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen „Versicherungsfall“ eines unversicherten Unternehmers desselben Betriebs verursachen, beschränkt. Im Gegenzug werden die unversicherten Unternehmer wie Versicherte behandelt, die einen Versicherungsfall erlitten haben, es sei denn, eine Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Unternehmer ist zivilrechtlich ausgeschlossen. Hintergrund der Regelung ist, dass die Haftungsprivilegierung des Schädigers nicht davon abhängen soll, ob der mitarbeitende Unternehmer versichert oder unversichert ist, zumal im umgekehrten Fall ein versicherter Mitarbeiter nach § 104 SGB VII keine Schadensersatzansprüche gegen den mitarbeitenden schädigenden Unternehmer hat (vgl. hierzu BSG vom 26.06.2017 – B 2 U 17/06 R – Juris RdNr. 21). Diese Erweiterung der Haftungsbeschränkung dient dem Betriebsfrieden und berücksichtigt die Gefahrengemeinschaft der Betriebsgemeinschaft sowie ggf. bestehende Ansprüche des Schädigers gegen den Unternehmer auf Haftungsfreistellung (vgl. BSG a. a. O. Juris RdNr. 18, 21). Beitragsrechtlich bestehen gegen diesen Versicherungstatbestand ohne vorherige Beitragszahlung nur eingeschränkte Bedenken, weil der verletzte Unternehmer durch seine Beitragszahlungen an die für sein Unternehmen zuständige Berufsgenossenschaft für die bei ihm tätigen Beschäftigten in das System der gesetzlichen Unfallversicherung und in die spezifische Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung eingebunden ist; somit wirkt der Unternehmer im Rahmen der allgemeinen Beitragserhebung an den Aufwendungen mit, die der Berufsgenossenschaft durch seine Gleichstellung mit einem Versicherten entstehen (vgl. BSG a. a. O. Juris RdNr. 27).
Ein auf § 105 Abs. 2 SGB VII gestützter Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen der Beigeladenen zu 1) scheitert hier aber daran, dass ihr Ehemann A.W. kein Unternehmer war und dass der Beigeladene zu 2) als potentieller Schädiger nicht in demselben Betrieb wie A.W. tätig war. Wie dargelegt war A.W. zwar beim Fällen der Bäume unternehmensähnlich tätig, aber nicht als Unternehmer. Denn das Ergebnis der Baumfällaktion gereichte ausschließlich den Eheleuten I. zum unmittelbaren Vor- oder Nachteil und kam keinem eigenen – unternehmerischen – Zweck von A.W. zugute. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass A.W. auch sonst kein Unternehmen betrieb, das das entgeltliche Fällen von Bäumen anderer Personen übernahm. Nicht versicherte, unternehmensähnliche Personen werden aber von § 105 Abs. 2 SGB VII nicht erfasst (vgl. Hollo im Juris-Praxiskommentar zu § 105 RdNr. 25).
Außerdem ist der Beigeladene zu 2) nicht für ein Unternehmen des A.W. und damit erst recht nicht für einen Betrieb des A.W. tätig geworden. Denn er war weder Beschäftigter noch Wie-Beschäftigter des A.W. und gehörte damit keinem Unternehmen des A.W. an, wie es § 105 Abs. 2 SGB VII voraussetzt (vgl. BSG vom 26.06.2007 – B 2 U 17/06 R – Juris RdNr. 24). Der Beigeladene zu 2) war nicht für A.W., sondern für die Eheleute I. tätig, in deren alleinigem Interesse das Fällen der Bäume lag. Der Beigeladene zu 2) unterlag zudem weder einem Weisungsrecht des A.W. noch war er in ein Unternehmen des A.W. eingegliedert. Er verfügte in gleichem Maße wie A.W. über Fachkenntnisse und Erfahrung mit Baumfällarbeiten und arbeitete auf dieser Grundlage gleichberechtigt und selbstständig mit A.W. zusammen. Auch das von ihm benötigte Werkzeug, insbesondere seinen Traktor, brachte der Beigeladene zu 2) selbst mit. Unter Abwägung der Gesamtumstände war der Beigeladene zu 2) ebenso wie A.W. unternehmensähnlich tätig und zwar aufgrund seiner freundschaftlichen Verbundenheit mit der Zeugin I. als Schwester eines seiner besten Freunde aus Gefälligkeit.
3. Ebenso wenig kommt eine Haftungsbeschränkung zugunsten des Beigeladenen zu 2) nach § 106 Abs. 3 Alternative 2 SGB VII in Betracht. Denn dieser gilt nur bei versicherten Personen, die für unterschiedliche Unternehmen tätig sind (vgl. BSG vom 26.06.2007 – B 2 U 17/06 R – Juris RdNr. 28). Wie dargelegt, war A.W. bei der Verrichtung der Baumfällarbeiten nicht versichert; er war weder Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII noch Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII noch ein (kraft Satzung oder freiwillig) versicherter Unternehmer (§§ 3, 6 SGB VII). Er war schon nicht der Unternehmer der Baumfällarbeiten (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2).
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Gerichtskosten erhoben und sind die §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden, weil weder die Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs.1, Abs. 3 VwGO haben die beiden Kläger und der Beigeladene zu 2) die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Der Beigeladene zu 2) hat sich mit seinem Sachantrag den Sachanträgen der Kläger angeschlossen und ist ebenso wie diese unterlegen. Da sich der Sachantrag der Beigeladenen zu 1) als erfolgreich erweist, hat der Senat ihre außergerichtlichen Kosten aus Gründen der Billigkeit den Klägern und dem Beigeladenen zu 2) auferlegt (vgl. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. 162 Abs. 3 VwGO). Die notwendigen außergerichtlichen Kosten sind der notwendig Beigeladenen zu 1) deswegen entstanden, weil die Kläger Berufung gegen das SG-Urteil eingelegt haben; der Beigeladene zu 2) hat sich mit seinem Sachantrag demjenigen der Kläger angeschlossen, so dass seine Einbeziehung in die Kostentragung gerechtfertigt ist.
C) Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 und § 47 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Der Antrag der Berufungskläger und des Beigeladenen zu 2) zielt auf die Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls von A.W. wegen der damit verbundenen Haftungsfreistellung von den vor dem Landgericht geltend gemachten Schadensersatzforderungen in Höhe von 9.077,11 Euro zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Bedeutung der Sache liegt daher hier bei 9.077,11 Euro.
D) Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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