Aktenzeichen M 21 K 16.34420
Leitsatz
Da in Nigeria im Gegensatz zu früher die Beschneidung heute gesetzlich verboten ist, kann allein aus dem Umstand, dass die Mutter beschnitten wurde, nicht geschlossen werden, dass der Tochter nunmehr ein ähnliches Schicksal droht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 7. November 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im Übrigen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 15. Dezember 2016 (M 21 S. 16.34421) sowie den Gerichtsbescheid vom 7. Juli 2017 verwiesen.
Ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin:
Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1) ihr Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Sie hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung nochmals betont, dass ihre Geschwister in Nigeria unter schlechten Bedingungen gelebt hätten und sie eine gute Schulausbildung absolvieren wolle. Sofern sie in der mündlichen Verhandlung erstmals äußerte, sie befürchte, die Klägerin zu 2) werde bei einer Rückkehr in Nigeria beschnitten werden, ist diese Befürchtung durch nichts belegt. Die Klägerin zu 1) hat weder in der mündlichen Verhandlung noch im Laufe des Asylverfahrens vorgetragen, dass eine Beschneidung innerhalb der Familie jemals thematisiert worden sei. Auf die ausdrückliche Frage nach Asylgründen für die Klägerin zu 2) hat sie bei ihrer Anhörung nur geäußert, das Kind habe sich geweigert mit seinem Vater, der in Marokko lebe, am Telefon zu sprechen. Auch dabei war von einer drohenden Beschneidung keine Rede. Zudem hat die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, es habe bei ihrer eigenen Beschneidung – im Gegensatz zu heute – noch kein Gesetz gegeben, dass eine Beschneidung verboten hätte. Auch daraus ergibt sich, dass die Klägerin zu 1) selbst nicht davon ausgeht, dass der Klägerin zu 2) ein ähnliches Schicksal drohen könne.
Nach alldem kommt es auf den bedingt gestellten Beweisantrag der Klägerinnen über die Tatsache, dass die Klägerin zu 1) im Gegensatz zur Klägerin zu 2) beschnitten sei nicht an.
Unabhängig davon wurde der Beweisantrag aber auch nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 AsylG gestellt und die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die beantragte Beweisaufnahme hätte, wenn sie entscheidungserheblich gewesen wäre, die Erledigung des Rechtsstreits verzögert (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG, § 87 b Abs. 3 VwGO). Die Klagepartei wurde über die Verpflichtung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG und die Folgen einer Fristversäumung mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung auch belehrt.
Die Klägerin zu 1) kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot berufen. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach § 60a Abs. 2c) Satz 1 bis 3 AufenthG in derselben Gesetzesfassung wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Im vorliegenden Fall hat Klägerin zu 1) die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass ihrer Abschiebung nach Nigeria gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, nicht erfolgreich widerlegt. Der vorgelegte Befund des Radiologischen Zentrums Rosenheim vom 23. Mai 2017 entspricht schon nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG, die aus formeller Sicht an ihn zu stellen sind. Denn er lässt jegliche Aussage zum Schweregrad der Erkrankung sowie den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, jedenfalls insoweit vermissen, als es das materiell von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verlangte Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung betrifft, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Weitere Atteste wurden durch die Klägerin zu 1) nicht vorgelegt.
Die Klage ist nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).