Medizinrecht

Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt – Nettolohnoptimierung – Tankgutscheine – Entgelte für die Bereitstellung von Werbeflächen

Aktenzeichen  B 12 R 21/18 R

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:230221UB12R2118R0
Normen:
§ 14 Abs 1 S 1 SGB 4
§ 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SvEV
Spruchkörper:
12. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG München, 3. Juni 2014, Az: S 56 R 1478/12, Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 14. September 2017, Az: L 14 R 586/14, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2017 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 3. Juni 2014 insoweit aufgehoben, als der Bescheid vom 10. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2012 und des Bescheids vom 19. März 2013 hinsichtlich der Forderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen für Dezember 2010 auf die den Beigeladenen zu 1. bis 7. gewährten Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte aufgehoben worden ist. Insoweit wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 2038,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin den Beigeladenen zu 1. bis 7. (im Folgenden: Beigeladene) gewährten Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören.
2
Die nicht tarifgebundene Klägerin betreibt ein Einrichtungszentrum. Ende 2009 schloss sie mit den Beigeladenen eine “Ergänzende Vereinbarung” zum jeweiligen Arbeitsvertrag. Bei unveränderter Arbeitszeit wurde der Bruttobarlohn ab 1.1.2010 – im Fall der Beigeladenen zu 7. ab 1.2.2010 – durch einen “Entgeltverzicht” um einen individuell bestimmten Betrag zwischen 249 und 640 Euro im Monat reduziert. Die bisherige Bruttovergütung wurde in den Personalunterlagen weitergeführt, um auf ihrer Basis künftige Gehaltsansprüche, “wie zum Beispiel Lohnerhöhungen, Prämienzahlungen, Urlaubsgeld, Ergebnisbeteiligung oder auch Abfindungsansprüche”, zu berechnen. Zugleich wurden bestimmte, nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallende Leistungen der Klägerin vereinbart, von denen im Revisionsverfahren nur noch die Gewährung von Tankgutscheinen und die Zahlung von Entgelten für die Bereitstellung von Werbeflächen im Monat Dezember 2010 streitig sind. Die Arbeitnehmer erhielten einmal im Abrechnungsmonat einen Tankgutschein, dessen jeweiliger Wert 40 Euro nicht überstieg. Sie stellten der Klägerin die Außenflächen ihrer privaten Kraftfahrzeuge auf unbestimmte Zeit als Werbefläche zur Verfügung und bezogen hierfür 21 Euro monatlich.
3
Nach einer die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2010 betreffenden Betriebsprüfung bei der Klägerin forderte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge sowie Säumniszuschläge von insgesamt 13 088,93 Euro nach (Bescheid vom 10.2.2011; Widerspruchsbescheid vom 9.7.2012). Während des Klageverfahrens hat sie den Nachforderungsbetrag auf 12 982,53 Euro reduziert (Bescheid vom 19.3.2013). Das SG München hat die angefochtenen Verwaltungsakte teilweise aufgehoben und die Beklagte zur Neuberechnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet (Gerichtsbescheid vom 3.6.2014). Das Bayerische LSG hat auf die Berufung der Klägerin den Gerichtsbescheid geändert und die angefochtenen Verwaltungsakte aufgehoben, soweit für die Beigeladenen Beiträge nebst Säumniszuschlägen in Höhe eines jeweils individuell ausgewiesenen, das bisher unberücksichtigte Entgelt übersteigenden Betrags nachgefordert worden ist. Es hat die Berufung im Übrigen und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Tankgutscheine seien Sachbezüge, die nach § 3 Abs 1 Satz 4 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) in Verbindung mit (iVm) § 8 Abs 2 Satz 9 Einkommensteuergesetz (EStG) außer Ansatz blieben, weil sie bei keinem der betroffenen Arbeitnehmer mehr als 40 Euro betragen hätten. Bei den Zahlungen für die Werbeflächen handele es sich um Mietzins und nicht um Lohnzahlungen. Sie beruhten auf Verträgen über die Anmietung von Werbeflächen im betrieblichen Interesse der Klägerin (Urteil vom 14.9.2017).
4
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV sowie § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SvEV. Die beitragsrechtliche Behandlung der Tankgutscheine sei nicht in § 3 SvEV geregelt. Dass bei einem Wert von höchstens 44 Euro ein steuerfreier Sachbezug vorliege, schließe dessen Zurechnung zum Arbeitsentgelt nicht aus, wenn sie – wie hier – nicht zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gezahlt würden. Die Zahlungsvereinbarungen hinsichtlich der Werbeflächen seien als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag getroffen worden. Sie seien aus den Arbeitsverhältnissen heraus entstanden und durch diese veranlasst.
5
Die Beklagte beantragt,das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2017 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 3. Juni 2014 insoweit aufzuheben, als der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2012 und des Bescheids vom 19. März 2013 hinsichtlich der Forderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen für Dezember 2010 auf die den Beigeladenen zu 1. bis 7. gewährten Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte aufgehoben worden ist und insoweit die Berufung zurück- und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt,die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
7
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
8
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.


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