Medizinrecht

Corona-Pandemie – einschränkende Regelungen für die Sitzung des Kreistages

Aktenzeichen  3 K 649/21.NW

Datum:
23.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Neustadt (Weinstraße) 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGNEUST:2022:0523.3K649.21.NW.00
Normen:
§ 1 Abs 4 CoronaVV RP 22
§ 2 Abs 2 CoronaVV RP 33
§ 35 Abs 1 S 2 GemO RP
§ 176 Abs 2 GVG
§ 28 Abs 8 S 1 IfSG
§ 28 Abs 8 S 2 IfSG
§ 5 IfSG
§ 23 Abs 1 LKreisO RP
§ 28 Abs 1 S 2 LKreisO RP
§ 29 Abs 2 LKreisO RP
§ 40 Abs 5 LKreisO RP
§ 35 Abs 1 S 2 GemO RP 1994
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Eine Kreistagsfraktion ist zur Durchsetzung der Rechte der einzelnen Fraktionsmitglieder und des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit grundsätzlich nicht befugt.(Rn.23)
2. Für die Anordnung sog. Hygiene Regeln für die Sitzungen des Kreistages ist der Landrat im Rahmen des ihm zustehenden Ordnungsrechts nach § 29 Abs. 2 LKO (juris: LKreisO RP) zuständig (Anschluss OVG Koblenz, Beschluss vom 21.6.2021, 10 B 10802/21.OVG).(Rn.24)
3. Das in § 176 Abs. 2 GVG statuierte Verhüllungsverbot ist mangels Vergleichbarkeit der Interessenlagen auf Sitzungen eines Kreistages nicht entsprechend anwendbar.(Rn.23)
4. Der mit der Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sowie einer sog. 3G-Regelung verbundene Eingriff in das freie Mandat war zum Schutz der Gesundheit der Kreistagsmitglieder und zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kreistages gerechtfertigt.(Rn.42)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Die Kläger wenden sich gegen bestimmte, in der Vergangenheit für den Kreistag des Landkreises Südliche Weinstraße im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlassene Hygiene-Regeln.
Bei dem Kläger zu 1.) handelt es sich um ein Mitglied, bei der Klägerin zu 2.) um eine Fraktion des Kreistages.
Unter dem Datum des 1.6.2021 wurden folgende „Hygiene-Regeln für Gremiensitzungen des Landkreises Südliche Weinstraße“ erlassen:
o Bitte nehmen Sie nur an Sitzungen teil, wenn Sie sich gesund fühlen und keine Erkältungssymptome haben.
o Bitte zeigen Sie vor Eintritt in das Gebäude am Eingang einen der folgenden Nachweise vor: o Impfnachweis (wenn Sie zweimal geimpft sind und die zweite Impfung vor mindestens 14 Tagen erfolgt ist) o Genesungsbescheinigung des Gesundheitsamtes (gültig ab 28 Tage nach Abstrich bis 6 Monate nach Abstrich) o ein tagesaktuelles negatives Testergebnis (nicht älter als 24 h)
o Sollten Sie keinen dieser Nachweise vorzeigen können, besteht die Möglichkeit, vor Beginn der Sitzung außerhalb des Gebäudes einen Selbsttest durchzuführen. Diesen stellt die Kreisverwaltung zur Verfügung. Bitte erscheinen Sie dafür mindestens 30 Minuten vor Sitzungsbeginn.
o Bitte tragen Sie dauerhaft eine Mund-Nasen-Bedeckung, also sowohl beim Betreten, Durchqueren und Verlassen der Sitzungsräumlichkeit, als auch während der gesamten Dauer der Sitzung (auch wenn Sie einen Redebeitrag leisten). Sollten Sie keine Mund-Nasen-Bedeckung haben, stehen Ihnen am Eingang Einmalmasken zur Verfügung.
o Bitte desinfizieren Sie sich die Hände. Dafür stehen Desinfektionsmittelspender am Eingang bereit.
o Bitte halten Sie Abstand zu anderen Sitzungsteilnehmern. Die Sitzplätze sind so angeordnet, dass die Abstände eingehalten werden. Bitte verändern Sie die Bestuhlung nicht.
o Für Besucherinnen und Besucher sowie Vertreterinnen und Vertreter der Presse stehen Sitzplätze zur Verfügung. Je nach Größe des Sitzungsraums kann die Anzahl variieren. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass bei Besetzung aller Sitzplätze keine weiteren Besucher/innen bzw. Vertreter/innen der Presse im Sitzungsraum Platz nehmen können.
Am 11.6.2021 wurden die Hygiene-Regeln mit Wirkung ab dem 14.6.2021 dergestalt geändert, dass die Maskenpflicht am Platz sowie unmittelbar am Rednerpult entfiel (ABl. des Landkreises Südliche Weinstraße vom 11.6.2021, S. 161 ff.). Am 18.6.2021 wurden die Hygiene-Regeln mit Wirkung ab dem 21.6.2021 erneut geändert, wobei zusätzlich die noch mit Anordnung vom 1.6.2021 verfügte Testpflicht entfiel (ABl. des Landkreises Südliche Weinstraße vom 18.6.2021, S. 166 ff.).
Am 24.6.2021 haben die Kläger Klage erhoben.
Sie tragen vor: Die Klage sei als Feststellungsklage oder Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Obwohl sich der Innenrechtsakt erledigt habe, bestehe eine fortwährende Wiederholungsgefahr, da die „Kreisverwaltung“ nach wie vor Hygieneregeln erlasse und sich damit eine nicht vorhandene, kompetenzielle Zuständigkeit anmaße. Zudem bestehe eine tiefgreifende Beeinträchtigung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Kläger. Die Anordnung sei formell rechtswidrig. Für den Erlass einer entsprechenden Anordnung sei der Kreistag und nicht die Beklagten zuständig. Die Anordnung enthalte darüber hinaus keine Begründung oder einen Hinweis auf eine entsprechende Anordnung des Landrats. Ob die Bekanntmachung rechtlichen Vorgaben genüge, sei zweifelhaft. Die Anordnung sei auch materiell rechtswidrig. Eine allgemeine Maskenpflicht sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ungeeignet, Infektionen effektiv zu verhindern und berge das relevante Risiko, selbst Gesundheitsschäden zu verursachen. Die entsprechende Anordnung sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie keinerlei Ausnahmen zulasse. Sie beachte nicht die vergleichbaren Vorgaben des Arbeitsschutzes und lasse keine verfassungsrechtlich gebotene, sog. „Maskenpause“ zu. Eine Maskenpflicht bei Redebeiträgen sei sachfremd, unverhältnismäßig und mit § 1 Abs. 4 der Zweiundzwanzigsten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 1.6.2021 (22.CoBeLVO) unvereinbar. Die Wahrnehmung des freien Mandats durch Redebeiträge mit erkennbarer Mimik stehe in seiner konstitutiv-verfassungsmäßigen Wertung der Wahrnehmung der Rechtspflege mindestens gleich. Es sei nicht ersichtlich, welche infektionswissenschaftliche Notwendigkeit dem gegenüberstehe. Die Maske sei mittlerweile zudem zum „Symbol eines ideologischen Streits“ geworden. Die Mandatsträger und letztlich auch die Fraktion als oppositioneller Block im Kreistag hätten durch die permanente Maskierung weder die Möglichkeit, bei gegnerischen Redebeiträgen ihre Ablehnung durch Mimik kundzutun, noch könnten sie die Maske bei eigenen Redebeiträgen ablegen. Selbst wenn sie durch eigene Redebeiträge Stellung gegen die Maskenpflicht bezögen, seien sie äußerlich zum Tragen verpflichtet und müssten sich entgegen eigener Überzeugung und Gewissensentscheidung der politischen Agenda des Normgebers unterwerfen. Die Testpflicht knüpfe die Wahrnehmung repräsentativ-demokratischer Rechte an Bedingungen, was rechtswidrig sei. Die freie Ausübung des Mandats werde davon abhängig gemacht, dass der Mandatsträger einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit dulde. Andernfalls sei es ihm verwehrt, an Sitzungen und Ausschüssen teilzuhaben. Wer gewählt sei, müsse sein Mandat jedoch frei ausüben können. Gleiches gelte für die Zusammenfindung der Fraktion als Organteil des Kreistages, die nur dadurch wirken könne, dass ihre Mitglieder auch personell vertreten und anwesend sein dürften. Eine anderweitige Möglichkeit zur Teilhabe am Betrieb des Stadtrates (sic!) sei nicht gegeben.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass die „Hygiene-Regeln für Gremiensitzungen des Landkreises Südliche Weinstraße – neu ab 01.06.2021“ rechtswidrig sind.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidern: Die Klage sei unzulässig. Ein besonderes Feststellungsinteresse der Kläger sei nicht anzuerkennen, da die angegriffenen Regeln bereits mit Anordnung vom 21.6.2021 modifiziert worden seien. Die Verpflichtung zur Durchführung eines Schnelltests sei dabei ebenso weggefallen, wie die Maskenpflicht am Platz sowie am Rednerpult. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Aufgrund der fortschreitenden Impfquote werde sich die Erforderlichkeit eines Tests immer weniger ergeben. Nach derzeitiger Rechtslage seien Impfnachweis, Genesenennachweis und Test grundsätzlich gleichgestellt. Gegen eine Wiederholungsgefahr sprächen auch die derzeit vorliegenden Inzidenzwerte, weshalb von einer anstehenden Verschärfung der Maßnahmen zurzeit nicht ausgegangen werden könne. Die Klägerin zu 2.) sei in organschaftlichen Rechten nicht verletzt und damit nicht klagebefugt. Der Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert, da es sich um eine Maßnahme des Landrates handele. Die Klage sei auch unbegründet. Die Maßnahmen hätten den legitimen Zweck verfolgt, die an der Sitzung teilnehmenden Gremiumsmitglieder vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus durch sich selbst und durch die anwesende Öffentlichkeit bestmöglich zu schützen und die Durchführung der Sitzungen zu ermöglichen. Die Hygiene-Regeln hätten darauf abgezielt, den reibungslosen Sitzungsablauf durch äußere Rahmenbedingungen zu gewährleisten und hätten dabei auch das Spannungsverhältnis zwischen Infektionsrisiko und Teilnahme der einzelnen Mitglieder im Sinne des Rücksichtnahmegebotes in den Blick genommen. Die festgelegten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig gewesen. Sofern hierin überhaupt eine Einschränkung des freien Mandats zu erblicken gewesen sei, habe sich diese als äußert gering dargestellt. Ein kostenfreier Schnelltest habe vor Ort durchgeführt werden können, sodass eine signifikante Beschränkung des Zugangs zur Sitzung weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht ausgemacht werden könne. Soweit die Durchführung eines Schnelltests mit Unannehmlichkeiten bei der Entnahme der Probe verbunden sei, so sei dieses nur kurzfristig und werde von dem verfolgten Zwecken eindeutig überwogen. Auch die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei zum damaligen Zeitpunkt noch verhältnismäßig gewesen. Die Beeinträchtigung in Mimik und Rederecht seien ebenfalls als vergleichsweise gering anzusehen und hätten daher hinter die verfolgten, legitimen Ziele zurücktreten müssen, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Anzahl von Menschen zu schützen und den staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen, Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst zu verhindern. Schließlich komme den kommunalen Gebietskörperschaften bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen gegen den Coronavirus eine Vorbildfunktion zu.
Ein gegen die Hygiene-Regeln vom 1.6.2021 gerichtetes Eilverfahren blieb aus Klägersicht erfolglos (vgl. VG NW, Beschluss vom 11.6.2021 – 3 L 586/21.NW und OVG RP, Beschluss vom 21.6.2021 – 10 B 10802/21.OVG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte in dem vorbezeichneten Eilverfahren verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe


Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), ist bereits unzulässig (I.), hätte jedoch auch bei hilfsweise unterstellter Zulässigkeit keine Aussicht auf Erfolg (II.).
I.
Die Klage ist unzulässig. Der Klägerin zu 2.) fehlt es an der erforderlichen Klagebefugnis (A.). Im Hinblick auf die von dem Kläger zu 1.) erhobene Feststellungsklage ist ein besonderes Feststellungsinteresse nicht anzuerkennen (B.).
A) Der Klägerin zu 2.) ist nicht klagebefugt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf eine etwaige Beeinträchtigung der Rechte der Fraktionsmitglieder als auch hinsichtlich einer Verletzung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit. Hierzu hat die Kammer mit Beschluss vom 11.6.2021, a. a. O., folgendes ausgeführt:
„Im Gegensatz zu einem Kreistagsmitglied, das durch die vorbeschriebenen Hygieneregeln, insbesondere die Verpflichtung, einen Impfnachweis, eine Genesungsbescheinigung, ein tagesaktuelles Testergebnis respektive ein negatives Selbsttestergebnis vorzulegen sowie die während der Dauer der Kreistagssitzungen angeordnete Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, möglicherweise in dem von ihm bekleideten freien Mandat in Form des Anspruchs „zu Wort zu kommen“, mithin seinem Recht auf Anwesenheit, Erklärungen abzugeben, Anträge zu stellen sowie an der Beschlussfassung mit dem vollen Gewicht seiner Stimme teilzunehmen, beeinträchtigt sein kann (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 19.11.2020 – 2 B 350/20; VG Dresden, Beschluss vom 22.3.2021 – 6 L 213/21), scheidet eine entsprechende Verletzung der Klägerin zu 2.) in organschaftlichen Rechten offensichtlich aus. Darüber, ob sich aus der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, eine Kreistagsfraktion verfüge über ein eigenes wehrfähiges subjektives Organrecht auf Wahrung der Sitzungsöffentlichkeit, was nicht nur einen Anspruch auf Herstellung einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit, sondern auf die rechtmäßige Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips insgesamt vermittele (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.10.2020 – 15 A 2750/18; VG Dresden, a. a. O.) im konkreten Fall eine Klagebefugnis zur Durchsetzung der Sitzungsöffentlichkeit ableiten lässt, muss hier nicht grundlegend entschieden werden. Denn die streitgegenständliche Anordnung richtet sich ausweislich ihres Wortlauts weitgehend an die Mitglieder des Kreistages, nicht an die interessierte Öffentlichkeit. Doch auch unter Zugrundelegung eines extensiven Verständnisses des Anwendungsbereichs der Anordnung vom 1.6.2021 im Sinne einer Regelung auch der Sitzungsöffentlichkeit kann sich die Antragstellerin zu 2.) eines entsprechenden organschaftlichen Rechts nicht mit Erfolg berühmen. Denn der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit dient nicht dem Schutz einzelner Gemeinderatsmitglieder oder Fraktionen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit (vgl. OVG RP, Beschluss vom 17.1.1990 – 7 B 83/89.OVG; BayVGH, Beschluss vom 4.2.2016 – 4 ZB 15.2506; VGH Mannheim, Urteil vom 24.2.1992 – 1 S 2242/91; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 42 Rn. 80). Andernfalls würde die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 2 LKO unterlaufen (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO: VG NW, Beschluss vom 20.4.2021 – 3 L 401/21.NW).“
An dieser Auffassung hält die Kammer im Hauptsacheverfahren nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage fest.
B) Die in Bezug auf den Kläger zu 1.) im Kommunalverfassungsstreitverfahren grundsätzlich statthafte Feststellungsklage (vgl. OVG RP, Urteile vom 29.11.1994 – 7 A 10194/94.OVG und vom 29.8.1984 – 7 A 19/84.OVG; VG NW, Urteil vom 6.2.2013 – 3 K 620/12.NW) erweist sich gleichfalls als unzulässig.
1. Dabei ist der Kläger zu 1.) zwar klagebefugt. Die Klagebefugnis ergibt sich vorliegend aus einer möglichen Verletzung organschaftlicher Rechte in Form der Wahrnehmung seines freien Mandats nach § 23 Abs. 1 LKO, indem die Teilnahme an den Sitzungen des Kreistags vom Nachweis einer Impfung, Genesung oder negativen Testung abhängig gemacht wurde und die Teilnahme nur durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gestattet war.
2. Dem Kläger zu 1.) steht jedoch kein erforderliches besonderes Feststellungsinteresse zur Seite. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der hier zu beurteilende Vorgang in der Vergangenheit liegt. Denn die streitgegenständlichen Einschränkungen der Ausübung seines Kreistagsmandates sind spätestens mit der zweiten Änderung der Hygiene-Regeln am 18.6.2021 mit Wirkung ab dem 21.6.2021 insgesamt entfallen. Im Hinblick auf ein beendetes, da erledigtes Rechtsverhältnis ist zu beachten, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung grundsätzlich nur anzuerkennen ist, wenn das Rechtsverhältnis über seine Beendigung hinaus anhaltende Wirkung in die Gegenwart äußert, insbesondere bei fortdauernden Rechtsbeeinträchtigungen und bei Wiederholungsgefahr, bei fortdauernder diskriminierender Wirkung oder wenn die Klärung der in Frage stehenden Rechtsprobleme für das künftige Verhalten des Klägers wesentlich ist oder bei sich typischerweise kurzfristig erledigenden hoheitlichen Maßnahmen, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines gravierenden, tiefgreifenden Grundrechtseingriffs vorliegen, dem auch nicht mit dem Instrument des Eilrechtsschutzes begegnet werden konnte (vgl. zum Ganzen: OVG RP, Urteil vom 30.11.2016 – 2 A 10642/16.OVG m. w. N.). Ein besonderes Feststellungsinteresse liegt nicht vor. Insbesondere besteht keine hinreichend konkrete (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 141 m. w. N.) Wiederholungsgefahr. Diese setzt voraus, dass in absehbarer Zeit bei im Wesentlichen gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit einer gleichartigen Entscheidung zu rechnen ist oder sich kontroverse Rechtsfragen zwischen den Beteiligten in anderer Weise erneut stellen werden. Dabei müssen konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer vergleichbaren Belastung bei einem vergleichbaren und abzusehenden Sachverhalt vorgetragen werden. Nicht ausreichend ist die vage oder abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung oder die abstrakte Möglichkeit einer künftigen Handlung. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden. Die Gefahr der Wiederholung setzt danach eine realistische Prognose unveränderter tatsächlicher Umstände voraus (vgl. OVG RP, Urteil vom 5.2.2015 – 7 A 10683/14.OVG). Nach diesen Grundsätzen ist das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr weder dargetan, noch ersichtlich. Zunächst ist die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ nach § 5 Infektionsschutzgesetz – IfSG, die weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens ermöglicht, am 25.11.2021 ausgelaufen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18.3.2022 (BGBl. I vom 18.3.2022, S. 466) wurde nunmehr ein auf zwei Säulen beruhendes Schutzkonzept umgesetzt, das, soweit das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht festgestellt ist, einen Basisschutz in Form der Masken- und Testpflicht nur noch zum Schutz vulnerabler Gruppen vorsieht und darüberhinausgehende Maßnahmen gemäß § 28 Abs. 8 Satz 1 IfSG nur noch in sogenannten Hotspot-Gebietskörperschaften zulässt, für die durch die jeweiligen Landesparlamente das Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne des § 28 Abs. 8 Satz 2 IfSG und die Anwendung konkreter Maßnahmen festgestellt wurde. Von dieser Hotspotregelung hat das Land Rheinland-Pfalz bislang, trotz Inzidenzzahlen, die zuletzt im hohen dreistelligen Bereich lagen, keinen Gebrauch gemacht. Damit hat sich die Gesetzeslage im Vergleich zu jener im Zeitpunkt des Erlasses der streitbefangenen Anordnung grundlegend verändert und existiert de lege lata keine Rechtsgrundlage mehr, auf die Hygieneregelungen gestützt werden könnten, die mit den hier streitgegenständlichen vergleichbar wären. Insbesondere ist in der derzeit gültigen 33. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz – 33.CoBeLVO – eine Maskenpflicht nur noch in den in § 2 Abs. 2 der 33. CoBeLVO genannten Einrichtungen und eine Testpflicht nur noch in Krankenhäusern vorgesehen. Ob sich dies in absehbarer Zukunft in Folge einer erneuten Verschärfung des Infektionsgeschehens ändern wird, lässt sich nach menschlichem Ermessen nicht hinreichend konkret absehen. Dies gilt umso mehr, da trotz aktueller 7-Tage-Inzidenzwerten für Neuinfektionen, die jene am 1.6.2021 um das fünfzigfache übersteigen, fast alle damals ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie außer Kraft gesetzt sind. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Corona 7-Tage-Inzidenz für Neuinfektionen im Landkreis SÜW im Zeitpunkt des Erlasses der hier streitgegenständlichen Anordnung bei 19 lag. Obwohl die Inzidenz nach einem kurzzeitigen Absinken in den einstelligen Bereich in der Folge erneut erheblich anstieg und mit 1.367,50 Fälle am 10.2.2022 ihren bisherigen Höchststand erreichte (vgl. https://corona-zahlen-heute.de/deutschland/rheinland-pfalz/suedliche-weinstrasse/), wurden die am 11.6.2021 und 18.6.2021 weggefallene Testpflicht und die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Platz und am Rednerpult nicht erneut angeordnet. Ein tiefgreifender Eingriff in organschaftliche Rechte des Klägers zu 1.) ist in der angeordneten Testpflicht und der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gleichfalls nicht zu erblicken. Insbesondere kann das freie Mandat im Sinne eines Rede-, Antrags-, Stimm- und Wahlrechts – wenn auch unter geringfügig erschwerten Bedingungen – weiterhin in nahezu gleichem Umfang ausgeübt werden (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 19.1.2020 – 2 B 350/20). Gleichwohl sich der Kläger zu 1.) in seiner Eigenschaft als Kreistagsmitglied und damit als Organ(-teil) des Landkreises nur auf eine Verletzung von Organrechten berufen kann (vgl. OVG Saarland, a. a. O.), weist die Kammer darauf hin, dass es sich insoweit um Grundrechtseingriffe im unteren Bereich der Eingriffsintensität handeln würde (vgl. zur Maskenpflicht: BVerfG, Beschluss vom 28.9.2020 – 1 BvR 1948/20; OVG RP, Beschluss vom 30.11.2020 – 6 B 11424/20.OVG; zur Testpflicht: VGH München, Beschluss vom 7.1.2022 – 7 CS 21.3152).
II.
Die erhobene Klage ist jedoch selbst bei deren (hilfsweise unterstellter) Zulässigkeit unbegründet. Denn der Beklagte zu 1.) ist nicht passivlegitimiert (A). Die von dem Beklagten zu 2.) angeordneten Schutzmaßnahmen sind rechtlich nicht zu beanstanden (B).
A) Bei dem Beklagten zu 1.) handelt es sich nicht um den richtigen Klagegegner. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog auf die Ausführungen in den Gründen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.6.2021, a. a. O., denen sich das erkennende Gericht nach eigener Sachprüfung anschließt.
B) Soweit sich die Kläger gegen die am 1.6.2021 von dem Beklagten zu 2.) getroffene Anordnung von Schutzmaßnahmen wenden, hat die Klage auch bei unterstellter Zulässigkeit keinen Erfolg.
Die Anordnung der „Hygiene-Regeln für Gremiensitzungen des Landkreises Südliche Weinstraße“ vom 1.6.2021 war rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die Anordnung vom 01.06.2021 ist das Ordnungsrecht gemäß §§ 29 Abs. 2, 40 Abs. 5 Landkreisordnung – LKO – i.V.m. § 11 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Kreistages Südliche Weinstraße vom 24.6.2019 – GO, das Maßnahmen der Gefahrenvorsorge auch gegenüber Kreistagsmitgliedern ermöglicht (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 22.3.2021 – 6 L 213/21).
2. Der Beklagte zu 2.) hat die gesetzlichen Vorgaben korrekt umgesetzt.
a) Gegen die Anordnung bestehen keine formal-rechtlichen Bedenken.
Der Beklagte zu 2.) war für die Anordnung im Rahmen der Ausübung des ihm zustehenden Ordnungsrechts zuständig (vgl. OVG RP, Beschluss vom 21.6.2021, a. a. O.). Sonstige beachtliche Verfahrens- oder Formfehler liegen gleichfalls nicht vor. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die GO besondere Verfahrens- oder Formvorschriften nicht enthält. Weiter handelt es sich bei der Anordnung mangels Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt, weshalb die Vorgaben der §§ 37, 39 VwVfG keine Anwendung finden. Soweit nach dem Grundsatz der Organtreue (vgl. VG NW, Beschluss vom 23.12.2021 – 3 L 1138/21.NW) eine Bekanntmachung im Vorfeld der Sitzung erforderlich gewesen sein sollte, so ist dies vorliegend erfolgt. Insbesondere wurde die Anordnung unstreitig vor der anstehenden Gremiensitzung an die Mitglieder des Kreistages übersandt und ebenso im Amtsblatt des Landkreises Südliche Weinstraße veröffentlicht.
b) Die Anordnung begegnet keinen materiell-rechtlichen Bedenken.
aa) Die streitgegenständliche Anordnung ist von den Ordnungsbefugnissen des Landrats gemäß § 29 Abs. 2 LKO umfasst. Der Landrat als Vorsitzender des Kreistags ist insbesondere befugt, das Recht auf Zutritt und Verbleib im Sitzungsraum an die Erfüllung bestimmter verhaltensbezogenen Auflagen zu knüpfen. Als eine den Sitzungsbetrieb allgemein störende Verhaltensweise kann während einer bestehenden Infektionslage neben einer Teilnahme trotz des Vorliegens einer Corona Infektion auch der fortdauernde Aufenthalt im Sitzungssaal ohne Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden. Denn das dem Landrat nach § 29 Abs. 2 LKO zustehende Hausrecht und die gegenüber den Ratsmitgliedern bestehende Ordnungsgewalt zielt nicht bloß auf die Durchsetzung des geschriebenen Rechts, sondern darüber hinaus auf einen möglichst geordneten und reibungslosen Ablauf der Sitzung und damit auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Sitzungssaal. In öffentlichen und nichtöffentlichen Kreistagssitzungen kann es aus Gründen der öffentlichen Ordnung daher gerechtfertigt sein, den aus der Anwesenheit von Mitgliedern des Kreistags und Zuhörern resultierenden Gesundheitsrisiken für die übrigen Kreistagsmitglieder durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken und dadurch eine auch von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre zu schaffen. Zu den objektiv bestehenden Risiken, die sich durch Maßnahmen des Haus- und Ordnungsrechts minimieren lassen, gehört die mögliche Ansteckung mit dem Corona-Virus. Aus einer entsprechenden Gefahrenlage folgt für die Kreistagsmitglieder und Sitzungsbesucher aus dem Gedanken der wechselseitigen Rücksichtnahme das sozialethische Gebot, während des gemeinsamen Aufenthalts mit fremden Personen im selben Raum eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und damit einen Beitrag zur Verminderung des Infektionsrisikos zu leisten. Diese auf Empfehlungen sachkundiger Stellen beruhende ungeschriebene Verhaltensregel, die das öffentliche Leben zumindest in Zeiten hoher Inzidenzwerte prägt, kann vom Sitzungsleiter aufgegriffen und zum Gegenstand einer entsprechenden verbindlichen Anordnung gemacht werden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, Beschluss vom 8.6.2021 – 4 CE 21.1599; OVG RP, Beschluss vom 13.3.1989 – 7 B 11/89.OVG zur erheblichen Störung des Sitzungsablaufs durch das Rauchen).
bb) Die Anordnung verstößt entgegen der Einschätzung der Kläger nicht gegen § 1 Abs. 4 der im Zeitpunkt ihres Erlasses gültigen 22. CoBeLVO. Danach galten das Abstandsgebot und die Maskenpflicht unter anderem dann nicht, soweit es zur Kommunikation im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Rechtspflege erforderlich war. Die Regelung ist bereits tatbestandlich nicht einschlägig, da die hier streitgegenständliche Durchführung einer Kreistagssitzung mit Aufgaben der Rechtspflege offensichtlich nicht in Zusammenhang steht. Auch eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung scheidet aus. Diese wurde insbesondere mit Blick auf § 176 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – geschaffen, wonach an einer gerichtlichen Verhandlung beteiligte Personen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen dürfen, weil hierdurch der Ablauf insbesondere auch strafgerichtlicher Hauptverhandlungen und Beweiserhebungen im Einzelfall erheblich gestört werden kann (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/14747, S. 17), insbesondere die Möglichkeit der Identitätsfeststellung und der Beurteilung des Aussageverhaltens nicht nur unerheblich erschwert würde. Dass im Rahmen einer Kreistagssitzung regelmäßig die Feststellung der Identität der Abgeordneten erforderlich wäre, liegt fern. Nichts anderes gilt für eine etwaige Beurteilung des „Wahrheitsgehaltes“ einzelner Redebeiträge anhand der Gestik und Mimik der jeweiligen Redner. Diese ist im kommunalpolitischen Betrieb, der zuvörderst dem Austausch von Meinungen dient, generell nicht vorgesehen, insbesondere nicht – wie in Person des zuständigen Organs der Rechtspflege – institutionalisiert. Eine auch nur annähernd vergleichbare Interessenlage ist damit insgesamt nicht erkennbar. Damit scheidet zugleich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 GG offensichtlich aus.
bb) Die Anordnung erweist sich auch als insgesamt verhältnismäßig.
Soweit man nicht mit Teilen der Rechtsprechung davon ausgeht, dass in der Anordnung zum Tragen einer Maske auch am Platz und damit während des jeweiligen Redebeitrags bereits eine Beeinträchtigung der Ausübung des freien Mandats eines Kreistagsmitglieds nicht zu erblicken ist (vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 8.6.2021, a. a. O. und vom 28.9.2021 – Vf. 74-IVa-21; a.A. OVG Saarlouis, a. a. O.), waren die Testpflicht und die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unter Berücksichtigung der dem Landrat bei der Ausübung des Ordnungsrechts als Ausprägung des Selbstorganisationsrechts des Kreistages zustehenden Einschätzungsprärogative (vgl. OVG Saarlouis, a. a. O.) und der Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt eine epidemische Lage von nationaler Tragweite aufgrund der Ausbreitung der sog. Delta-Variante weiter bestand (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-07-07.pdf?__blob=publicationFile), dazu geeignet, in dem bestehenden Spannungsfeld des Schutzes von Leib- und Leben der Kreistagsmitglieder durch eine Verminderung des Infektionsrisikos einerseits und der Ausübung des freien Mandats im Sinne eines Rede-, Antrags-, Stimm- und Wahlrechts andererseits einen möglichst schonenden, verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz herbeizuführen.
Die Anordnungen verfolgten den legitimen, der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit entsprechenden Zweck, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus entgegenzuwirken, und dienten zugleich dem nach Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kreistags (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21). Insbesondere sollten die an der Sitzung teilnehmenden Kreisräte vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus durch sich selbst als auch durch die anwesende Öffentlichkeit bestmöglich geschützt werden, um die Durchführung des Kreistags als solches zu ermöglichen (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 22.3.2021, a. a. O.).
Die Anordnung war zur Förderung dieses Zwecks auch geeignet. Dies gilt zunächst in Bezug auf die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die insbesondere nach damaligem wissenschaftlichem Erkenntnisstand dazu geeignet war, eine ungehinderte Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken und damit zur Kontrolle des Infektionsgeschehens beizutragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.9.2020, a. a. O.; OVG RP, Beschlüsse vom 6.7.2020 – 6 B 10669/20.OVG und vom 30.11.2020, a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 7.4.2021 – 4 CE 21.601; VGH Sachsen, Beschluss vom 14.10.2021 – Vf. 58-II-21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2020 – OVG 11 S 104/20; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluss vom 27.9.2021 – StGH 6/20). Damit war die Maßnahme zugleich dazu geeignet, den Ablauf zukünftiger Kreistagssitzungen insoweit zu gewährleisten, dass das Risiko einer Ansteckung während der Sitzungen entsprechend vermindert wurde. Nichts Anderes gilt im Hinblick auf die gleichfalls angeordnete Testpflicht, deren Geeignetheit, zu einer Eindämmung des Infektionsgeschehens beizutragen, auch von den Klägern selbst nicht in Frage gestellt wird.
Die Anordnung erweist sich auch als insgesamt erforderlich. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel ist sowohl im Hinblick auf Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als auch im Hinblick auf die Verpflichtung zur Vorlage eines negativen Schnelltests nicht ersichtlich. Soweit als weniger einschneidende Maßnahmen etwa das Aufstellen von Plexiglastrennwänden oder die Einhaltung von Mindestabständen von 1,5m durch eine entsprechende Bestuhlung respektive Sitzordnung in Betracht kommen, ist eine Verletzung der Einschätzungsprärogative insbesondere aufgrund der insoweit zu beachtenden Parameter der Dimensionierung der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und der Möglichkeit einer Belüftung gleichfalls nicht zu erkennen. Insbesondere bietet eine Mund- und Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen in jedem Fall einen höheren Schutz vor Infektionen als das bloße Einhalten eines Abstands und das Belüften der Räumlichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.9.2020, a. a. O.; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, a. a. O.). Die Abhaltung entsprechender Kreistagssitzung im Wege der Videokonferenz nach § 28 Abs. 3 LKO ist aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen in der audiovisuellen Wahrnehmung hingegen von vorneherein nicht als gleich effektives Mittel anzusehen, um den genannten Rechten der Kreistagsmitglieder, insbesondere dem Rederecht, zur Wirksamkeit zu verhelfen. In Bezug auf die gleichfalls angeordnete Testpflicht ist darauf hinzuweisen, dass diese für solche Personen nicht galt, die einen in der Anordnung näher spezifizierten Impf- oder Genesenennachweis erbringen konnten. Weiter sah die Anordnung neben der Möglichkeit zur Beibringung eines von dritter Seite vorgenommenen Schnell- oder PCR-Tests die Möglichkeit zur kostenfreien Selbsttestung vor Ort vor, deren Eingriffsintensität als nochmals geringer zu erachten ist.
Die Maßnahmen erweisen sich auch als verhältnismäßig im engeren Sinne.
In der mit der angeordneten Maskenpflicht einhergehenden Beeinträchtigung des Rederechts ist eine unangemessene Beeinträchtigung der Ausübung des Mandats nicht zu erblicken. Zwar wird sowohl der Einsatz als auch die Wahrnehmung der Mimik durch das Tragen einer Maske größtenteils unmöglich. Weiter geht mit der angeordneten Maskenpflicht eine Beeinträchtigung der akustischen Wahrnehmbarkeit sowohl des eigenen als auch des Redebeitrags anderer Kreistagsmitglieder einher. Diese Einschränkungen stehen zu dem damit verfolgten Zweck der Eindämmung des Infektionsgeschehens zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kreistags jedoch erkennbar nicht außer Verhältnis (vgl. Niedersächsischer Staatsgerichtshof, a. a. O.). Entgegen der weiteren Auffassung der Kläger ist die Maskenpflicht auch nicht deswegen als unangemessen zu erachten, weil das Tragen im Widerspruch zu ihrer politischen Überzeugung stehen könnte. Sofern man nicht wiederum mit Teilen der Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Anordnung einer Maskenpflicht politisch neutral ist (vgl. Niedersächsischer Staatsgerichtshof, a. a. O.; BayVerfGH, Beschluss vom 6.5.2021, a. a. O.), war es den Klägern ohne weiteres möglich, sich im Wege der Öffentlichkeitsarbeit sowohl in als auch außerhalb der Gremiensitzungen gegen das Tragen einer Maske zu positionieren und damit ihrer politischen Überzeugung hinreichend Ausdruck zu verleihen.
Auch die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Ausübung des Mandates gem. § 22 Abs. 1 LKO durch die angeordnete Testpflicht steht zu dem damit verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis. Insbesondere wurden auch ungeimpfte und nicht genesene Personen von den Sitzungen des Kreistages nicht generell ausgeschlossen. Der allenfalls als gering zu bewertenden Beeinträchtigung durch die Testpflicht stand dabei wiederum die nicht nur unerhebliche Gefahr einer Infektion der Kreistagsmitglieder mit dem Coronavirus gegenüber, die die Funktionsfähigkeit des Kreistags jedenfalls partiell, wenn nicht sogar insgesamt bedroht hätte. Dabei konnte, wie bereits ausgeführt, eine Selbsttestung ohne zeitliche oder finanzielle Beeinträchtigung vor der Sitzung vorgenommen werden.
Soweit sich die Kläger schließlich darauf berufen, dass die Anordnung aus ihrer Sicht erforderliche Ausnahmeregelungen nicht vorsehe, können sie auch damit nicht durchdringen.
Dies gilt zunächst für die von den Klägern aufgeworfene Problematik sogenannter Maskenpausen. Die in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 10.11.2020 – 20 NE 20.2349 – führt an dieser Stelle bereits deshalb nicht weiter, weil der dortige Sachverhalt mit dem hiesigen nicht im Ansatz vergleichbar ist. Dort hatte das erkennende Gericht darüber zu befinden, ob sich Schülerinnen und Schüler im laufenden Schulbetrieb bei verfassungskonformer Auslegung der damals geltenden, bayerischen Landesregelungen unter Verstoß gegen die damals geltende Maskenpflicht auf dem gesamten Schul- und damit auch auf dem entsprechenden Außengelände, auf einen hinreichend zwingenden Grund zum Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung berufen konnten, um in den schulischen Pausenzeiten – jedenfalls solange sie sich unter Beachtung des Mindestabstands im Freien aufhielten – die Mund-Nasen-Bedeckung zum ungehinderten Atmen von Frischluft abzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Verfahren eine vergleichbare Problematik zu bewältigen war, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sah die hier streitgegenständliche Anordnung vom 1.6.2021 eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ausdrücklich nur innerhalb der Sitzungsräumlichkeit vor, weshalb eine „Maskenpause“ im Freien im Falle einer entsprechenden Unterbrechung der Kreistagssitzung unproblematisch hätte wahrgenommen werden können. Anhaltspunkte dafür, dass eine entsprechende Unterbrechung auf Antrag des Klägers zu 1.) oder der sonstigen Mitglieder der Klägerin zu 2.) nicht gewährt worden wäre, sind gleichfalls weder dargetan, noch ersichtlich. Insbesondere steht die hier angegriffene Anordnung vom 1.6.2021 der Anordnung einer entsprechenden Pause nicht entgegen.
Ob es im konkreten Fall einer Ausnahmeregelung für Härtefälle bedurft hätte, kann dahinstehen. Denn der insoweit potentiell klagebefugte Kläger zu 1.) hat eine Erkrankung, die das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar machen würde, selbst nicht behauptet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. Zivilprozessordnung.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).


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