Medizinrecht

Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad

Aktenzeichen  11 CS 21.2743

Datum:
5.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 205
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c, Anl. 4 Nr. 8.1

 

Leitsatz

1. Nach Beendigung des Alkoholmissbrauchs besteht die Fahreignung gem. Anl. 4 Nr. 8.2 FeV für alle Fahrerlaubnisklassen erst dann wieder, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, was durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachzuweisen ist (vgl. VGH München BeckRS 2020, 9480; BeckRS 2015, 50380). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c FeV ist zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6‰ oder mehr geführt wurde, wobei auch eine Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad unter die Vorschrift fällt. (Rn. 15)  (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,6‰ oder mehr deutet auf chronischen Alkoholkonsum und damit auf ein Alkoholproblem hin, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt (vgl. VGH München BeckRS 2019, 15130), bzw. begründet den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 52676). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 S 21.1206 2021-10-13 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner ihm am 21. März 2000 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B, BE und L.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 25. September 2018 verurteilte ihn das Amtsgericht Bad Kissingen wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller am 1. Juli 2018 gegen 3:10 Uhr in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand mit dem Fahrrad gefahren und dabei mit einem am Straßenrand parkenden Fahrzeug zusammengestoßen war und einen nicht unerheblichen Sachschaden verursacht hatte. Eine um 4:09 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,84 ‰ auf.
Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte das Landratsamt B. K. den Antragsteller mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 gestützt auf § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV auf, bis 31. Dezember 2018 ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten zu seinem Trennungsvermögen betreffend fahrerlaubnisfreie und fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge beizubringen.
Mit Erklärung vom 12. November 2018 wählte der Antragsteller eine Begutachtungsstelle aus, legte in der Folge jedoch kein Gutachten vor.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller nochmals zur Vorlage des Gutachtens bis 14. Juli 2021 auf.
Nach einem Aktenvermerk über ein Telefonat am 8. Juli 2021 erklärte der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt, Anfang 2019 ein Gutachten vorgelegt zu haben. Der damalige Sachbearbeiter habe bestätigt, dass es positiv gewesen sei. Dem Antragsteller sei daraufhin mitgeteilt worden, weder in der Fahrerlaubnisakte noch den elektronischen Systemhinweisen sei erkennbar, dass es zur Vorlage eines Gutachtens oder zu einem Gespräch gekommen sei. Es werde um nochmalige Vorlage eines Gutachtenabdrucks gebeten.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 lehnte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Vorlage des Gutachtens ab, weil der zuständige Mitarbeiter im Januar 2019 gegenüber dem Antragsteller darauf verzichtet habe, nachdem ihm dieser mitgeteilt habe, es stehe ein Gutachten zur Verfügung.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 15. „August“ (richtig: September) 2021 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein unverzüglich, spätestens bis 24. September 2021, abzugeben. Ferner wurde die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen angeordnet.
Am 23. September 2021 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, über die noch nicht entschieden ist, und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen.
Das Verwaltungsgericht lehnte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 13. Oktober 2021 ab. Die Vollzugsanordnung sei gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet. Die Klage werde voraussichtlich in der Sache keinen Erfolg haben. Auch sei bei Abwägung der Gesamtumstände ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen. Die Fahrerlaubnis sei dem Antragsteller nach § 11 Abs. 8 FeV zu Recht entzogen worden, weil er das gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht habe. Hinsichtlich der Beibringungsanordnung habe kein Ermessen bestanden. Die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV hätten unstreitig vorgelegen; ebenso die weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen für die Beibringungsanordnung. Der bloße Zeitablauf sei nicht geeignet, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers zu beseitigen. Mit der Behauptung, das Landratsamt habe auf die Vorlage des Gutachtens im Januar 2019 verzichtet, könne er nicht durchdringen. Es könne offenbleiben, ob eine – hiermit sinngemäß geltend gemachte – Verwirkung im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stünden, überhaupt in Betracht komme. Denn deren Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar seien 2,5 Jahre verstrichen. Es fehle jedoch an weiteren Umständen, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen könnten, dass die Behörde von ihrer Befugnis auch künftig keinen Gebrauch machen werde. Der Akte ließen sich keine Hinweise auf eine Verfahrenseinstellung entnehmen. Das Landratsamt weise zutreffend darauf hin, dass das Verfahren gerade in Fahrerlaubnisangelegenheiten stets förmlich oder zumindest schriftlich dokumentiert abgeschlossen werde, da die Fahreignung jederzeit rechtssicher feststellbar sein müsse. Der behauptete Abschluss eines Verfahrens durch einen mündlichen Verwaltungsakt wäre zudem höchst ungewöhnlich. Eine Verfahrenseinstellung erfolge grundsätzlich durch förmlichen Verwaltungsakt. Auch die inkonsistenten, unplausiblen Aussagen des Antragstellers und seines Bevollmächtigten seien wenig glaubhaft. Weshalb das Verwaltungsverfahren seinerzeit nicht weiter betrieben worden sei, lasse sich nicht mehr aufklären. Darauf komme es jedoch nicht an. Die Tat sei nach wie vor im Fahreignungsregister eingetragen und könne verwertet werden. Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde das zwingend anzuordnende Gutachten gefordert und der Antragsteller dieses nicht vorgelegt habe und sich in der Zwischenzeit keine Umstände ergeben hätten, die eine andere Beurteilung des Sachverhalts angezeigt erscheinen ließen, bleibe nur der Schluss auf die Nichteignung. Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen sei deshalb kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs festzustellen. Es sei nicht verantwortbar, ihn bis zur eventuellen Bestandskraft des Entziehungsbescheids am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt. Zur Begründung wird zunächst auf das Vorbringen im Klage- und Antragsverfahren Bezug genommen und im Einzelnen ausgeführt, eine anlassbezogen und verhältnismäßig ausgeübte Ermessenskontrolle hätte ergeben, dass dem Antragsteller die Vorlage des Gutachtens hätte erspart werden können, selbst wenn die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV grundsätzlich vorliegen würden. So habe der Antragsteller das Verhalten des Antragsgegners, insbesondere des zuständigen Sachbearbeiters, im Zeitraum von Januar 2019 bis Juli 2021 gedeutet. Dabei hätte in die Gesamtwertung mit einfließen müssen, dass die Folgen des Unfalls vom 1. Juli 2021 dramatisch gewesen seien und der Antragsteller lebensgefährliche Verletzungen davongetragen habe. Ein Unfall mit dem Fahrrad stelle vor allem eine Eigen- und keine Fremdgefährdung dar. Der Antragsteller sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden; ein Fahrverbot oder ein Führerscheinentzug sei nicht ausgesprochen worden. Es bleibe nach wie vor ungeklärt, warum der Antragsgegner von Januar 2019 bis Juli 2021 den Antragsteller in Ruhe gelassen habe. Im Klageverfahren sei die Einvernahme des damaligen Sachbearbeiters als Zeuge unerlässlich. Das Verwaltungsgericht hätte die Frage nach der Verwirkung dem Hauptverfahren vorbehalten und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen müssen. Eine Verwirkung sei hier anzunehmen. Nach dem durch Versicherung an Eides statt glaubhaft gemachten Telefonat mit dem Sachbearbeiter im Januar 2019 habe der Antragsteller davon ausgehen dürfen, dass das Verwaltungsverfahren beendet sei. Es sei auch faktisch über zweieinhalb Jahre nicht betrieben worden. Der Antragsteller habe sich selbstverständlich auf die Beendigung des Verfahrens eingestellt. Es liege allein ein Hinweis auf eine behördeninterne Umstellung vor, aber keine Begründung dafür, weshalb der Antragsgegner zwischen Januar 2019 und Juni 2021 untätig geblieben sei. Dieser habe nicht vortragen können, weshalb der Antragsteller im Juni 2021 davon hätte ausgehen müssen, dass das Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen sei. Er dürfe sich insoweit auf Verwirkung berufen. Der Vorwurf wenig glaubhaften inkonsistenten und unplausiblen Verhaltens sei nicht nachvollziehbar. Das Telefonat am 8. Juli 2021 habe nicht so stattgefunden, wie es das Verwaltungsgericht dem Antragsteller unterstelle. Dazu werde auf die eidesstattliche Erklärung verwiesen. Der Antragsteller habe gesagt, das Gutachten sei vorhanden und vorlegbar, was das Landratsamt aber nicht mehr gefordert habe, jedoch nicht, das Gutachten vorgelegt zu haben oder vorlegen zu wollen. Ein Verwaltungsakt könne auch mündlich ergehen. In dem Gerichtsbeschluss seien keine Gründe dargelegt, warum das hier nicht hätte der Fall sein können. Es überzeuge nicht, dass dieses spezielle Verwaltungsverfahren besonders formbehaftet und deshalb eine mündliche Verbescheidung nicht denkbar sei; zumal das Gericht selbst einräume, dass die Gründe, weshalb das Verwaltungsverfahren nicht weiter betrieben worden sei, nicht aufklärbar seien. Darauf habe sich der Antragsteller auch verlassen dürfen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Soweit der Antragsteller pauschal auf seine Antrags- und Klageschrift im erstinstanzlichen Verfahren Bezug nimmt, sind die Beschwerdegründe nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend dargelegt (BayVGH, B.v. 7.11.2018 – 11 CS 18.435 – juris Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22 ff.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 f.). Die darüber hinaus vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV fehlt die Fahreignung in Fällen des Alkoholmissbrauchs, d.h. wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Nach Beendigung des Missbrauchs besteht die Fahreignung gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV für alle Fahrerlaubnisklassen erst dann wieder, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, was durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachzuweisen ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 11 CS 20.432 – juris Rn. 9; B.v. 3.8.2015 – 11 CS 15.1204 – juris Rn. 13). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Dabei muss es sich nicht um ein Kraftfahrzeug handeln. Somit fällt auch eine Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad unter die Vorschrift.
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).
Das Landratsamt konnte auch im Hinblick auf die den Antragsteller hart treffenden Unfallfolgen und das Strafverfahren nicht von der Anordnung eines Fahreignungsgutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV und von der Entziehung der Fahrerlaubnis nach fruchtlosem Ablauf der Beibringungsfrist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV absehen.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV eröffnet kein Ermessen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 51 m.w.N.). Vielmehr ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn ein zu Recht angeordnetes Gutachten nicht beigebracht wird. Bei einer Sicherungsmaßnahme wie der Entziehung der Fahrerlaubnis, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Fahrzeugführer zu schützen, kommt es nicht in Betracht, von einem wie auch immer gearteten „Entscheidungsspielraum“ der Behörde auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2001 – 3 B 144.00 – juris Rn. 3). Aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs sind ungeeignete Kraftfahrer vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 28; B.v. 25.6.2019 – 11 ZB 19.187 – juris Rn. 16).
Unstreitig hat der Antragsteller mit einer BAK von 1,84 ‰ mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen und ist der daraufhin zutreffend auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gestützten Beibringungsanordnung nicht nachgekommen. Nachdem die Anordnung auch sonst keine formellen oder materiellen Mängel aufwies, ist ihm die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen worden.
Ist der Tatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegeben, sind behördliche Ermittlungen, mit denen die Fahreignung geklärt werden soll, auch verhältnismäßig (BayVGH, B.v. 5.2.2021, a.a.O. Rn. 27). Eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr deutet auf chronischen Alkoholkonsum und damit auf ein Alkoholproblem hin, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2019 – 11 ZB 19.187 – juris Rn. 14 m.w.N.), bzw. begründet den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 = juris Rn. 7). Die in solchen Fällen anzunehmende Alkoholproblematik rechtfertigt im Hinblick auf die Gefahren für den Straßenverkehr den für eine solche Untersuchung erforderlichen Aufwand (BayVGH, B.v. 15.5.2013 – 11 ZB 13.450 u.a. – juris Rn. 25).
Ferner ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erfüllt sind. Dabei hat es dem Senat folgend letztlich offengelassen, ob dieses Rechtsinstitut im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stehen, überhaupt anzuwenden ist (BayVGH, B.v. 8.4.2020 – 11 ZB 19.2337 – juris Rn. 19; B.v. 30.3.2020 – 11 CS 20.123 – juris Rn. 32 jeweils m.w.N.). Der Eintritt der Verwirkung würde jedenfalls voraussetzen, dass zum Verstreichen eines längeren Zeitraums weitere Umstände hinzukommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, die Fahrerlaubnisbehörde werde von ihrer Befugnis auch künftig keinen Gebrauch mehr machen (BayVGH, B.v. 8.4.2020, a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Das schlichte Nichtbetreiben des Verwaltungsverfahren für etwa zweieinhalb Jahre erschöpft sich – auch wenn der Grund hierfür ungeklärt ist – im Zeitmoment und lässt keine weiteren Umstände erkennen. Ferner ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller ein unterstelltes Vertrauen in irgendeiner Weise betätigt hätte und ihm durch den verspäteten Abschluss des Verfahrens ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2018 – 4 B 34.18 – BauR 2019, 511 = juris Rn. 15 m.w.N.). Vielmehr hat er lediglich einen Vorteil daraus gezogen, dass er bis dahin noch im Besitz seiner Fahrerlaubnis war.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner – rechtswidrig – auf die Vorlage des Gutachtens verzichtet und das Entziehungsverfahren formlos eingestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat insoweit festgestellt, dass eine Einstellung des Verfahrens entgegen der allgemeinen Verwaltungspraxis und insbesondere entgegen der Praxis in Fahrerlaubnissachen in den Akten nicht dokumentiert ist. Ein derartiges Vorgehen wäre sehr ungewöhnlich. Den Vortrag des Antragstellers, der Sachbearbeiter des Landratsamts habe im Januar 2019 auf die Vorlage des Gutachtens verzichtet, hat es deshalb und wegen voneinander abweichender Aussagen für unglaubhaft gehalten. Auch wenn der Antragsteller entgegen einem behördlichen Aktenvermerk bestreitet, in dem Telefongespräch vom 8. Juli 2021 anders als nach seinem späteren Vortrag erklärt zu haben, dass er Anfang 2019 ein positives Gutachten vorgelegt habe, spricht noch viel für die gerichtliche Würdigung. Denn auch ungeachtet dieses Telefonats erscheint die Behauptung eines behördlichen Verzichts auf die Vorlage des Gutachtens und die formlose Beendigung des Entziehungsverfahrens unglaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Fahrerlaubnisbehörde auf die Vorlage eines erst mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 nach zwingendem Recht angeordneten Gutachtens bereits wenige Monate später rechtswidrig verzichtet haben soll, ohne dass sich die Sachlage wesentlich geändert hatte. Der Verweis auf die Unfallfolgen erscheint in diesem Zusammenhang nicht plausibel, nachdem der Antragsteller angeblich ein positives Gutachten bereits auf eigene Kosten hatte erstellen lassen. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil er aus der Nichtvorlage eines bereits fertigen, von ihm zu zahlenden positiven Gutachtens hätte ziehen können. Im Übrigen geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen herleitet, hier der behördliche Verzicht und die Einstellung des Verfahrens, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zu seinen Lasten, es sei denn, dass das Gesetz selbst eine besondere Regelung trifft (vgl. BVerwG, B.v. 1.11.1993 – 7 B 190.93 – NJW 1994, 468 = juris Rn. 3 m.w.N.).
Die aufschiebende Wirkung der Klage war auch nicht wegen des streitigen Vortrags des Antragstellers und einer etwaigen Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im Klageverfahren anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat unter hilfsweiser Annahme offener Erfolgsaussichten eine erfolgsunabhängige Interessenabwägung vorgenommen und dabei zutreffend darauf abgestellt, dass der Antragsteller die Fahreignungszweifel, die durch die Fahrradfahrt und den Unfall am 1. Juli 2018 offenbar geworden sind, bisher auch nicht teilweise entkräftet hat, insbesondere nicht durch die Vorlage des Gutachtens. Es ist nicht zu beanstanden, dass es deshalb vom Fehlen der Fahreignung ausgeht und die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr während des Klageverfahrens für nicht verantwortbar hält. Diesen Erwägungen hat der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nichts entgegengesetzt.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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