Medizinrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  Au 7 K 16.1188

Datum:
21.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 11 Abs. 8, § 12, § 13, § 14, § 46 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
StPO StPO § 170 Abs. 2

 

Leitsatz

Für die Begutachtung im Jahr 2015 ist unschädlich, dass eine forensisch-psychiatrische Stellungnahme auf das Jahr 2011 datiert. Allein aufgrund der Tatsache, dass innerhalb der Stellungnahme auf eine Begutachtung aus dem Jahr 2004 Bezug genommen wurde, wird der Verdacht begründet, dass eine möglicherweise vorliegende psychische Erkrankung über mehrere Jahre hinweg vorlag und daher auch zum Zeitpunkt der Erkenntniserlangung durch die Behörde im Jahr 2015 immer noch vorliegt. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts … vom 28. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 18. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO)
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Da bereits ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, ist hier auf die Sach-und Rechtslage im Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2016 an den Klägerdies war laut Postzustellungsurkunde der 23. Juli 2016 – abzustellen.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung/FeV), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis -ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich ohne ausreichenden Grund weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hat, obwohl er auf diese für ihn nachteilige Folge in der behördlichen Anordnung hingewiesen worden war (vgl. § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG vom 9.6.2005 – 3 C 25/04; BayVGH vom 5.6.2009 – 11 CS 09.69; vom 19.2.2009 – 11 ZB 08.1466; VG Augsburg vom 6.8.2010 – Au 7 S. 10.1045, 1075).
Die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde vom 23. Juli 2015 zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens erweist sich vorliegend als rechtmäßig. Die Nichtvorlage des Gutachtens ist ohne ausreichenden Grund erfolgt.
Die Rechtmäßigkeit der Forderung des ärztlichen Gutachtens ergibt sich hier aus § 46 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1, Nr. 5 sowie Abs. 6 Satz 1 FeV.
Gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FeV bestehen Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FahrerlaubnisVerordnung hinweisen. Die Behörde kann in diesem Fall zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen.
Die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Fahrerlaubnisinhabers (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Die in der Begutachtungsaufforderung liegende Rechtsbeeinträchtigung ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur angemessen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde ausreichende konkrete tatsächliche Anhaltspunkte feststellt, die den hinreichenden Verdacht fehlender Fahreignung begründen. Es bedarf insoweit konkreter Anzeichen, die den Verdacht nahelegen, dass die körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigt ist. Die Gründe für eine Begutachtung dürfen nicht „aus der Luft gegriffen“ sein. Ein nur auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutender Umstand kann kein hinreichender Grund für die Anforderung eines Gutachtens sein (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – juris Rn. 22 f.; Dauer in Hentschel/König/ders., Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, Rn. 23 zu § 11 FeV, jeweils m. w. N.; zu den Anforderungen an die Eignungsbedenken bei der Anordnung anderer Aufklärungsmaßnahmen vgl. ferner BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – juris Rn. 60 und 63, und vom 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – juris Rn. 54).
In Anwendung dieser Grundsätze spricht bei einer Gesamtbetrachtung aller insoweit erheblichen Umstände viel für einen Verdacht, beim Kläger könnte eine psychische (geistige) Störung nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV, insbesondere in Form einer schizophrenen Psychose nach Nr. 7.6 vorliegen.
a) Die in der Gutachtensanordnung dargestellten Sachverhalte, insbesondere die forensisch psychiatrische Stellungnahme des Nervenarztes, Augsburg, vom 9. September 2011, die sich auf das forensisch-psychiatrische Gutachten aus dem Jahr 2004 bezieht, stellen zweifellos Tatsachen dar, die auf eine psychische Erkrankung des Klägers, hier möglicherweise auf eine schizophrene Psychose im Sinne der Nr. 7 bzw. Nr. 7.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung hinweisen.
Aus dieser forensisch psychiatrischen Stellungnahme vom 9. September 2011 geht hervor, dass sich beim Kläger diagnostisch der Eindruck einer wahnhaften Störung mit chronischem Verlauf ergeben hat. Unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen sei an eine schizophrene Erkrankung zu denken gewesen. Aus der Stellungnahme geht ebenso hervor, dass beim Kläger auch kognitive Beeinträchtigungen und ein gestörter Realitätsbezug zu erkennen seien. Der Begutachter halte eine krankhafte seelische Störung für ausreichend gesichert. Im Hinblick auf das inkriminierte Verhalten sei aus psychiatrischer Sicht eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen, eine Aufhebung letztlich nicht ausgeschlossen.
Es wird auf das forensisch-psychiatrische Gutachten über den Kläger aus dem Jahr 2004 Bezug genommen. Dort wird dem Kläger ein psychopathologisches Syndrom, ein Beziehungswahn diagnostiziert und eine Verdachtsdiagnose bzgl. des zugrundliegenden pathologischen Prozesses – einer Erkrankung aus den schizophrenen Formenkreisen, die in Anlehnung an die ICD 10 wie folgt umrissen werden:
„Die schizophrenen Störungen sind im Allgemeinen durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate oder verflachte Affektivität gekennzeichnet. Die Bewusstseinsklarheit und intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt, obwohl sich im Laufe der Zeit gewisse kognitive Defizite entwickeln können. …
Ein Erklärungswahn kann entstehen mit dem Inhalt, dass natürliche oder übernatürliche Kräfte tätig sind, welche die Gedanken und Handlungen des betreffenden Individuums in oft bizarrer Weise beeinflussen. Die Betroffenen können sich so als Schlüsselfiguren allen Geschehens erleben. Besonders akustische Halluzinationen sind häufig und können das Verhalten oder die Gedanken kommentieren. …
Bei der charakteristischen schizophrenen Denkstörung werden nebensächliche und unwichtige Züge eines Gesamtkonzepts, die bei normaler psychischer Aktivität zurückgehalten werden, in den Vordergrund gerückt und anstelle wichtiger und situationsentsprechender Elemente verwendet. So wird das Denken vage, schief und verschwommen, der sprachliche Ausdruck wird gelegentlich unverständlich. Brüche und Einschiebungen in den Gedankenfluss sind häufig. Gedanken scheinen wie von einer äußeren Stelle entzogen. Die Stimmung ist charakteristischerweise flach, kapriziös und unangemessen. …”
Die forensisch-psychiatrische Stellungnahme aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass der dort streitgegenständliche Vorgang inhaltlich-thematisch an die Problematik, die auch schon bei der Begutachtung im Jahr 2004 präsent war, anknüpft. Der Kläger scheine nach wie vor zu wähnen, er werde um Rechte und Ansprüche aus seiner Zeit als erfolgreicher Naturfotograf betrogen.
Aus dem Gutachten aus dem Jahr 2004 geht hervor, dass im Gespräch mit dem Kläger ein „diffus-unübersichtlicher Eindruck mit Aussagen zu allgegenwärtigen Verschwörungssystemen gegensätzlicher Gruppierungen, gegen die der Proband steht vice versa“ entsteht.
Dieser Eindruck hat sich auch in der mündlichen Verhandlung am 21. April 2017 ergeben, da der Kläger ausschweifende Ausführungen zu politischen und wirtschaftlichen Fragestellungen gemacht hat, die ihn nachteilig zu betreffen scheinen, mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid aber in keinem Zusammenhang stehen. Aus den vorgelegten Behördenakten zum Strafverfahren 202 Js 112812/14 (Bl. 23 -29, Lichtbildtafel über einen SMS-Schriftverkehr vom 2. März 2014 zwischen dem Kläger und der in diesem Verfahren Geschädigten) geht hervor, dass der Kläger auch zu dem damaligen Zeitpunkt ohne Zusammenhang von den gleichen wirtschaftlichen und politischen Themen, wie dem WWF, der Großwildjagd, TV Satiresendungen spricht und entsprechende Namen insbesondere von Anwälten nennt, die er auch in seinem bedingten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 21. April 2017 bezeichnet.
Unschädlich ist, dass die forensisch-psychiatrische Stellungnahme auf das Jahr 2011 datiert. Allein aufgrund der Tatsache, dass innerhalb der Stellungnahme auf eine Begutachtung aus dem Jahr 2004 Bezug genommen wurde, wird der Verdacht begründet, dass eine möglicherweise vorliegende psychische Erkrankung über mehrere Jahre hinweg vorlag und daher auch zum Zeitpunkt der Erkenntniserlangung durch die Behörde im Jahr 2015 immer noch vorliegt. Immerhin liegen zwischen der Stellungnahme und der ersten Begutachtung sieben Jahre, während seit der Stellungnahme nur weitere vier Jahre vergangen sind. Hinzu tritt die Tatsache, dass der Kläger auch aus Sicht der mit dem Vorgang am 16. April 2015 befassten Polizeibeamten als psychisch auffällig wahrgenommen wurde. Ebenso lieferten die vielen Telefonate, in denen der Kläger nicht in der Lage war, zu den wesentlichen Punkten, nämlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis Stellung zu beziehen, sondern unentwegt nur Ausführungen zu den Strafanzeigen machte und diesbezüglich darstellte, dass die Vorwürfe nicht der Richtigkeit entsprächen, Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an einer irgendwie gearteten psychischen Störung leiden könnte.
b) Der bedingte Beweisantrag des Klägers zu der Tatsache, dass die in der Begründung des Bescheids vom 28. Oktober 2015 geschilderten Tatsachen unwahr sind, war aus folgenden Gründen abzulehnen:
Dem Kläger ging es mit seinem Beweisantrag ersichtlich nicht darum, das Ergebnis der ärztlichen Stellungnahme bzw. des Gutachtens zu widerlegen. Dem Beweisantrag lagen die entsprechenden Strafanzeigen zugrunde, von denen der Kläger -auch schon im Vorfeld des Entziehungsbescheides – behauptete, dass die den Strafanzeigen zugrundliegenden Tatsachen unwahr seien. Dies ergibt sich auch aus der Benennung der Zeugin … und dem Polizeibeamten, die eine Aussage zu dem Vorfall am 16. April 2015 machen sollten und der Bitte um Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Akten (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 21.4.2017). Hierauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an. Hauptsächlich maßgeblich für die Gutachtensanordnung waren die Zweifel an der Fahreignung des Klägers, die sich aus der forensisch-psychiatrischen Stellungnahme und dem Gutachten ergaben.
Zudem handelt es sich hierbei um einen Ausforschungsantrag, da der Kläger einfach pauschal behauptet, die Gründe des Bescheides stützten sich ganz allgemein auf unwahre Tatsachen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts die Tatsachen, die den entsprechenden Strafverfahren, unerheblich mit welchem Ergebnis diese abgeschlossen wurden, einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Durch einen solchen Beweisantrag wird eine gerichtliche Aufklärungspflicht grundsätzlich schon nicht ausgelöst (BVerwG, B.v. 2.7.1998 – 11 B 30/97 – NVwZ 99,654, 656; vgl. auch BVerfG [Kammer] B.v. 18.6.1993 – 2 BvR – 1815/92 – DVBl. 93, 1001, 1003).
Unterstellt, der Kläger wollte mit seinem Beweisantrag doch das Ergebnis der Begutachtungen widerlegen, sind die benannten Zeugen – darunter hauptsächlich Rechtsanwälte, mit denen der Kläger zumindest vorgibt, in Kontakt zu stehen – (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 21.4.2017), nicht geeignet den Beweis der infrage stehenden Tatsache, nämlich die Unrichtigkeit der Begutachtungen, zu führen. Insbesondere machte der Kläger auch keine Ausführungen dazu, warum die benannten Zeugen den diesbezüglichen Beweis erbringen könnten. Den entsprechenden Beweis könnte nur ein weiteres forensisch-psychiatrisches Gutachten liefern, insbeson 70 dere das durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnete Gutachten hätte zur Klärung dieser Frage beitragen können. Aus diesem Grunde wurde dessen Beibringung durch die Behörde schlussendlich auch angeordnet.
c) Auf eine mögliche Urheberrechtsverletzung zum Nachteil des Klägers, die derselbe ebenfalls bedingt unter Beweis stellen möchte (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 21.4.2017), kommt es vorliegend von vornherein nicht an.
d) Aus den geschilderten Tatsachen resultieren berechtigte Zweifel an der Fahreignung des Klägers. Psychische (geistige) Störungen sind nach Nr. 7 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geeignet, die Fahreignung auszuschließen. Genannt werden hier insbesondere organische Psychosen (7.1 ff.), affektive Psychosen (7.5 ff.) und schizophrene Psychosen (7.6 ff.).
Nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV kann die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei psychischen Störungen eingeschränkt oder gar ausgeschlossen sein. Nach Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV kann bei einer – hier insbesondere in den Blick zu nehmenden – schizophrenen Psychose eine Fahreignung beim Auftreten einer akuten Phase nur dann in Betracht gezogen werden, wenn diese beendet ist (vgl. Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV) und andererseits keine Störungen mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen (vgl. Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Hinsichtlich der Fahrerlaubnisklasse C1E kann dies gar nur ausnahmsweise, unter besonders günstigen Umständen angenommen werden (vgl. Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Letzteres gilt ebenso beim Auftreten mehrerer psychischer Episoden (vgl. Nr. 7.6.3 Anlage 4). In diesen Fällen kann – unabhängig von der Fahrerlaubnisklasse – ohnehin nur eine bedingte Fahreignung in Betracht gezogen werden, bei der der betreffende Fahrerlaubnisinhaber in jedem Falle regelmäßig kontrolliert werden muss (vgl. Nr. 7.6.3 Anlage 4).
Hiervon ausgehend bietet der Kläger ohne eine fachmedizinische Abklärung keine hinreichende Sicherheit dafür, dass er im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs den Anforderungen an ein verkehrsgerechtes Verhalten in allen -nach den Gegebenheiten des modernen Massenverkehrs häufig wechselnden 76 Verkehrssituationen entsprechen und damit keine Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer darstellen und von ihm auch keine sonstige Beeinträchtigung der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ausgehen wird.
War hiervon ausgehend die Fahrerlaubnisbehörde nicht nur befugt, sondern sogar verpflichtet, den durch Tatsachen begründeten Bedenken gegen die Eignung des Klägers nachzugehen (zur Ermessensreduzierung hinsichtlich einer Gutachtensanforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde vgl. nur Dauer in Hentschel/König/Dauer., Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, Rn. 27 zu § 11 FeV, m.w.N.), erweist sich die Anordnung vom 23. Juli 2015, mit der die Fahrerlaubnisbehörde das Vorliegen einer psychischen (geistigen) Störung nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FahrerlaubnisVerordnung, insbesondere einer schizophrenen Psychose nach Nr. 7.6, beim Kläger und deren konkrete Auswirkungen auf die Fahreignung klären wollte, als rechtmäßig.
Auch die Bestimmung „eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, oder eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung erfüllt“, als für die Untersuchung des Klägers und die Erstellung des Gutachtens heranzuziehende Stelle begegnet keinen Rechtmäßigkeitszweifeln (vgl. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 5 FeV). Die Gutachtensanforderung genügt ferner den an sie gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 6 FeV zu stellenden formellen und inhaltlichen Anforderungen.
Da der Kläger das angeforderte Gutachten nicht beigebracht hat, konnte die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV davon ausgehen, dass dem Kläger die erforderliche Fahreignung fehlt; die Fahrerlaubnisbehörde war daher ohne Ermessensspielraum dazu verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
2. Da somit die Entziehung der Fahrerlaubnis einer gerichtlichen Überprüfung standhält, verleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern bzw. wegen Verlusts des Führerscheins eine Versicherung an Eides statt abzugeben, die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV beruht.
84 3. Gegen die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsgeldandrohung (Art. 19, 29, 31, 31 und 36 VwZVG) bestehen – sofern die Klage diesbezüglich trotz Ablieferung und Rücksendung des Führerscheins an den Kläger noch als zulässig erachtet wird – jedenfalls keine rechtlichen Bedenken.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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