Medizinrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens

Aktenzeichen  11 C 18.2221

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7303
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8

 

Leitsatz

1 Ein polizeilicher Bericht über die sofortige vorläufige Unterbringung wegen des Verdachts einer Selbstgefährdung ist eine hinreichende Tatsache, die auf das Vorliegen einer Erkrankung nach Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV hinweist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Anpassungsstörungen und eine histrionische Persönlichkeitsstörung können für sich genommen ohne jeden Verkehrsbezug oder ohne Bezug zu einer Verkehrs- oder sonstigen Straftat, zu aggressiven Tendenzen oder zu einem Suchtmittelgebrauch keinen Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung geben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Rechtmäßigkeit einer Gutachtensanordnung steht nicht der Einwand entgegen, der Betroffene könne diese nicht finanzieren. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 18.33 2018-10-08 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Oktober 2018 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Entziehung der der Klägerin im Jahr 1974 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
Im Juni 2017 erfuhr die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Erlangen-Höchststadt, dass die Polizei die damals wohnungslose Klägerin in der Nacht des 16. auf den 17. Januar 2017 im Bezirkskrankenhaus Mittelfranken untergebracht hatte, weil sie gegenüber zwei Personen geäußert habe, dass sie sich umbringen wolle. In einer handschriftlichen Mitteilung vom 16 Januar 2017 hatte die Klägerin einer Bekannten im Todesfall ihre vier Katzen und Blumen vermacht und sie angewiesen, Ende Januar für die Tiere Geld von ihrem Konto abzuheben. Heute Nacht werde sie wahrscheinlich überleben, aber morgen müsse sie auf einer Bank schlafen, weil sie kein Auto habe. Morgen schreibe sie die Hälfte ihrer Sterbeversicherung auf sie um. Bei Erfrieren gebe es keine Unfallversicherung.
Nach dem vorläufigen Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses wurde die Klägerin dort vom 17. bis 31. Januar 2017 stationär behandelt. Die Polizei habe sie untergebracht, nachdem sie von Angehörigen der Klägerin benachrichtigt worden sei, dass diese ihr Ableben vorbereite. Die Klägerin habe sich von akuter Suizidalität klar distanziert und die Interpretation ihrer Äußerungen als Missverständnis dargestellt. Sie sei bisher weder ambulant noch stationär psychiatrisch behandelt worden. Die Gerichte hätten mehrere Gutachten als nicht ausreichend für eine Betreuung eingestuft. Hinweise auf eine Sucht gebe es nicht. Das formale Denken sei weitschweifig, das inhaltliche Denken habe deutlich paranoide Züge („Ich bin anders, da ich ein Mischling bin.“). Es seien keine Ängste, Zwänge oder Phobien, keine Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen, keine kardiovaskulären Insuffizienzzeichen oder neurologische Auffälligkeiten festgestellt worden. Sie sei weiter mit den Medikamenten Atenolol und Candesartan behandelt worden. Als Diagnosen werden Anpassungsstörungen, eine histrionische Persönlichkeitsstörung und essentielle Hypertonie genannt.
Im Rahmen einer Anhörung wegen des Verdachts einer Erkrankung nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV teilte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juli 2017 mit, sie werde ihren Führerschein nicht freiwillig abgeben, da sie nicht krank sei, noch nie Depressionen oder Wahnvorstellungen gehabt habe und auch nicht an Verfolgungswahn leide. Ihre Post werde geöffnet, gelesen und verknittert in den Briefkasten zurückgelegt. Polizeibeamte aus Zirndorf würden sie diskriminieren, beleidigen, bestehlen und versuchen, sie für lange Zeit in die Psychiatrie zu bringen. Auch der Vorwand, unter dem die Polizei sie im Januar 2017 in die Psychiatrie gebracht habe, sei erlogen. Eine Bekannte arbeite mit den Polizisten zusammen. Diese nehme seit Jahren Antidepressiva, die sie selbst noch nie gebraucht habe. Die Landratsämter Zirndorf und Fürth hätten 2013 und 2016 versucht, sie unter Betreuung zu stellen. Beigefügt waren diverse Unterlagen, darunter der Entlassungsbericht des Bezirksklinikums, jeweils ein Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 6. Juni 2013 und des Amtsgerichts Straubing vom 24. November 2016, mit denen das Betreuungsverfahren mangels Erforderlichkeit bzw. akutem Handlungsbedarf eingestellt wurde. Ferner legte die Klägerin die letzte Seite des vom Amtsgericht Fürth eingeholten psychiatrischen Gutachtens mit der Zusammenfassung des Ergebnisses vor, wonach keine wesentliche psychiatrische Erkrankung, keine groben Störungen der geistig-intellektuellen Leistungsfähigkeit und kein fehlender Realitätsbezug gegeben seien.
Nachdem die Klägerin nicht bereit war, freiwillig auf ihre Fahrerlaubnis zu verzichten,
forderte das Landratsamt sie mit Schreiben vom 6. Juli 2017 unter Hinweis auf die Unterbringung, die medizinischen Feststellungen in dem Entlassungsbericht des Klinikums, das eingestellte Betreuungsverfahren und die daraus resultierenden Fahreignungszweifel auf, ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, um die Fragen zu klären, ob bei ihr eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle (insbesondere affektive Psychose nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV und/oder schizophrene Psychose nach Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV), ob bei ihr eine nicht in Anlage 4 zur FeV genannte Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis (insbesondere eine Anpassungsstörung und/oder eine histrionische Persönlichkeitsstörung) vorliege, die die Fahreignung in Frage stelle, wenn ja, ob die Klägerin (ggf. wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden, ob eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme…) vorliege, ob Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich seien, um den Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden, ob insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 zur FeV (z.B. ärztliche Kontrollen, Nachuntersuchung) erforderlich seien, in welchem zeitlichen Abstand und wie lange, was regelmäßig kontrolliert und attestiert werden solle, ob die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen seien, wenn ja, warum, und ob eine fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchung im Sinne einer Nachbegutachtung erforderlich sei, und falls ja, in welchem zeitlichen Abstand.
Nach einer Fristverlängerung und einem Widerspruchsverfahren gegen die Gutachtensanordnung hörte das Landratsamt die Klägerin mit Schreiben vom 21. September 2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Mit Schreiben vom 24. September 2017 teilte diese mit, sie werde kein Gutachten vorlegen, weil ihr hierzu die finanziellen Mittel fehlten. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 legte sie u.a. einen Auszug aus einem vom Amtsgericht Straubing im Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrisch-nervenärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 2016 vor, wonach eine anhaltende wahnhafte Störung (ICD-10: F 22.0) auf dem Boden einer paranoiden (querulatorischen) Persönlichkeit (ICD-10: F 60.0) besteht. Die Betroffene sei aufgrund des wahnhaften Erlebens als nicht vollständig einwilligungsfähig und für wahnhaft belegte Umstände als nicht geschäftsfähig anzusehen. Der formale Gedankengang sei etwas sprunghaft und beschleunigt gewesen, insgesamt aber noch nachvollziehbar und ausreichend geordnet. Das inhaltliche Denken habe fast ausschließlich um vermeintliche oder zum Teil tatsächliche Benachteiligungen, Bedrohungen und Verleumdungen durch den aktuellen und früheren Vermieter gekreist. Dabei sei ein Übergang in paranoides Denken deutlich gewesen. Auffällig sei ein komplettes Negieren jeglicher eigener Mitverantwortung für die jahrelangen Streitereien mit verschiedensten Parteien, wobei hier offensichtlich keinerlei Fähigkeit zur Selbstkritik bestehe. Es seien auch ausgeprägt querulatorische Züge deutlich geworden. Ein Hinweis für eine darüber hinausgehende florid psychotische Symptomatik, etwa im Sinne von Ich-Störungen oder Sinnestäuschungen habe sich nicht gefunden. Die kognitiven und mnestischen Funktionen seien klinisch intakt gewesen, einen Hinweis auf eine hirnorganische Beeinträchtigung gebe es nicht. Vom klinischen Eindruck her bestehe eine eher überdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit. Hinweise auf Suizidalität gebe es nicht. Die Errichtung einer Betreuung stelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Verbesserung für die Klägerin und damit auch keine Hilfe oder Unterstützung für sie dar. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2017 beschwerte sich die Klägerin darüber, dass der Gutachter dem Landratsamt das Gutachten überlassen habe. Außerdem beschuldigte sie die Sachbearbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde, mit der Zirndorfer Polizei zusammenzuarbeiten und in ihrer Wohnung einen Reizstoff auf das Handtuch gesprüht zu haben, mit dem sie ihren Hund habe abtrocknen wollen. Mit Schreiben vom 3. November 2017 teilte sie mit, sie werde das Gutachten auf Kosten des Landratsamts machen lassen und habe sich hierfür von ihrem Hausarzt für den Untersuchungstermin am 20. November 2017 eine Überweisung geben lassen.
Mit Bescheid vom 3. November 2017 entzog das Landratsamt der Klägerin gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis und forderte sie unter Zwangsgeldandrohung auf, ihren Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids, abzuliefern. Des Weiteren ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 2017 Widerspruch ein, den die Regierung von Mittelfranken mit Bescheid vom 1. Dezember 2017 zurückwies.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 legte die Klägerin ein ärztliches Attest vom selben Tag vor, wonach die durchgeführten Blutuntersuchungen unauffällig waren.
Am 28. November 2017 gab sie ihren Führerschein ab. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2017 beantragte die Klägerin die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.
Am 5. Januar 2018 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und machte geltend, sie sei im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung nicht Auto gefahren und habe sich im Straßenverkehr auch nicht strafbar gemacht. Bei ihr lägen keine (sehr schweren) Depressionen vor. Dies sei auch in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen. Auch die übrigen vom Landratsamt in Betracht gezogenen psychischen Erkrankungen seien schwerwiegende Beschuldigungen, denn sie sei am 16. Januar 2017 das letzte Mal Auto gefahren. Auch für die übrigen Beschuldigungen der Sachbearbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde gebe es keinen Beleg. Daher handle es sich bei dem behördlichen Vorgehen um eine pure Diskriminierung. Die Behauptung der Polizeiinspektion Zirndorf, sie wegen einer Selbstgefährdung untergebracht zu haben, sei erlogen. Die Polizei versuche seit 2005, ihr das Leben schwer zu machen, weil sie sich über einen Polizisten beschwert habe. Ihrer Bekannten, die ihre Katzen vorübergehend versorgt habe, sei es darum gegangen, diese ganz für sich zu behalten. Sie habe daher dafür gesorgt, dass sie, die Klägerin, polizeilich untergebracht worden sei. Obwohl ein Alkoholtest auf der Polizei keine Promille ergeben habe, hätten die Polizeibeamten in der Klinik behauptet, sie sei betrunken und habe Alkoholprobleme. Dabei trinke und rauche sie nicht und nehme auch keine Drogen. Auch der Gutachter aus dem Betreuungsverfahren habe keine Hinweise auf eine Manie oder Depression festgestellt. Falsch sei auch gewesen, dass dritte Personen geäußert hätten, sie plane, Selbstmord zu begehen. Ihr Schwager könne bestätigen, dass sie so etwas nicht gesagt habe. Vielmehr habe sie gesagt, die wollten sie ins „Hupfla“ bringen, weil sie angeblich Selbstmord begehen wolle. Außerdem habe sie die Polizei trotz ihrer angeblichen Selbstgefährdung stundenlang auf der Wache festgehalten und erst am andern Morgen ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei habe ihr Handy gestohlen und den Leihwagen samt ihrer Habe nach Regensburg verbracht. Damit seien die im Auto lagernden Kleider, Unterlagen und sonstiger Hausrat unerreichbar für sie. Sie sei genötigt worden zu unterschreiben, dass sie freiwillig zwei Wochen im Bezirksklinikum bleibe. Die Polizei erzähle in ihrer Umgebung herum, dass sie psychisch krank sei und an Verfolgungswahn leide. Ihr Handy werde abgehört. Entgegen ihrer Auskunftssperre habe man ihre Adresse an Inkassofirmen weitergegeben.
Am 10. Januar 2018 beantragte die Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2018 stellte das Amtsgericht Erlangen ein weiteres Betreuungsverfahren wegen mangelnder Erforderlichkeit ein.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten ab. Die Fahrerlaubnisbehörde habe zu Recht ein Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 FeV angeordnet, welches die Klägerin nicht fristgerecht beigebracht habe. Die Frage nach Eignungsmängeln bzw. Bedenken im Hinblick auf psychische Erkrankungen sei anlassbezogen gewesen. Insofern genüge ein konkreter tatsachengestützter Verdacht. Nicht erforderlich sei daher, dass die Verdachtstatsachen mit der Führung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr in Zusammenhang stünden. Es sei davon auszugehen, dass sich bestimmte Eignungsmängel auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirkten. Vorliegend ergäben sich derartige konkrete Tatsachen aus der polizeilichen Mitteilung vom 16. Januar 2017, dem vorläufigen Entlassungsbericht des Bezirksklinikums und dem Schreiben der Klägerin vom 4. Juli 2017. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass sich die Fragestellung auch auf nicht in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV genannte psychische Störungen bezogen habe. Die Aufzählung häufiger vorkommender Erkrankungen und Mängel in Anlage 4 zur FeV sei nicht abschließend. Die Gutachtensanordnung sei auch verhältnismäßig, da ein milderes Mittel zur Aufklärung der Fahreignungszweifel nicht ersichtlich sei. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung hätten keine weiteren Unterlagen über die Behandlung der Klägerin vorgelegen, aus denen sich relevante Informationen für die Beurteilung ihrer Fahreignung ergeben hätten. Ferner sei auch die Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Ergäben sich aufklärungsbedürftige Eignungszweifel, bestehe ohne das Vorliegen besonderer Umstände kaum Anlass dafür, dass die Behörde ihre Überlegungen zur Einholung eines Gutachtens nochmals im Rahmen einer ausdrücklich als solchen bezeichneten Ermessensausübung wiederhole. Nachdem die Gutachtensanordnung rechtmäßig gewesen sei, sei dies auch die Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Einwand fehlender finanzieller Mittel stehe dem Schluss gemäß § 11 Abs. 8 FeV nicht entgegen, zumal die Klägerin bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung keinen überzeugenden Nachweis für fehlende finanzielle Mittel vorgelegt habe. Ebenso wenig stehe die behauptete beanstandungsfreie Teilnahme am Straßenverkehr der Entziehung der Fahrerlaubnis entgegen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen ihr Klagevorbringen wiederholt, ihre aktuelle wirtschaftliche Lage schildert und bemängelt, dass das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Ferner wurde das ärztliche Attest eines Internisten vom 25. Oktober 2018 übersandt, wonach sich kein Anhalt für eine neurologische Erkrankung oder eine psychiatrische Erkrankung im engeren Sinne finden lasse. Insbesondere bestünden keine Psychose, keine endogene Depression, kein Alkoholismus, keine sonstige Suchterkrankung und auch keine Suizidalität. Aus fachärztlicher Sicht gebe es keinen Grund, weshalb die Klägerin kein Kraftfahrzeug sicher führen könne. Mit Schreiben vom 15. Januar 2019 beantragte die Klägerin, ihr den Führerschein zurückzugeben. Mit Schreiben vom 21. Januar 2019 machte sie Ausführungen zu den bei ihr diagnostizierten psychischen Störungen, die kein Grund seien, ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, mit der die Klägerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erhobene Klage weiterverfolgt, ist begründet. Die Klägerin hat belegt, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung auch nicht zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei genügt es für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.).
Bringt ein Fahrerlaubnisinhaber wie die Klägerin ein behördlich angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3232), bei ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis darauf schließen, dass dem Betroffenen die Fahreignung fehlt. Dieser Schluss ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die Gutachtensanordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.).
Dies war nicht der Fall, denn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Gutachtensanordnung am 6. Juli 2017 lagen keine hinreichenden Tatsachen im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV mehr vor, um diese zu rechtfertigen. Zwar stellt der polizeiliche Bericht über die sofortige vorläufige Unterbringung im Januar 2017 wegen des Verdachts einer Selbstgefährdung eine hinreichende Tatsache dar, die auf das Vorliegen einer Erkrankung nach Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV hinweist, welche die Fahrerlaubnisbehörde zu Ermittlungen, zur Anhörung der Klägerin zur Beibringung eines Eignungsgutachtens und zur Aufforderung berechtigt hat, den Entlassungsbericht des Krankenhauses bzw. weitere ärztliche Unterlage vorzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2019 – 11 C 18.2530 – juris Rn. 21). Akute schwere Depressionen schließen, wie die Fahrerlaubnisbehörde in ihrem Anhörungsschreiben vom 27. Juni 2017 zutreffend näher dargelegt hat, in der Regel die Fahreignung aus. Jedoch hat die Klägerin im Rahmen der Anhörung Belege beigebracht, die den insoweit ausreichenden „Anfangsverdacht“ (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 22; U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 = juris Rn. 17) ausgeräumt haben.
So ergibt sich aus dem vorläufigen Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses, wo die Klägerin immerhin zwei Wochen beobachtet worden ist, dass weder Anhaltspunkte für eine Depression oder Selbstgefährdung noch für Sinnestäuschungen, eine Ich-Störung oder einen Rauschmittelgebrauch bei ihr gefunden worden sind. Ihre Darlegung, dass es sich bei der Interpretation ihrer Äußerungen als Ankündigung eines Suizids um ein Missverständnis gehandelt habe, wird durch die in den Akten vorhandene handschriftliche Mitteilung vom 16. Januar 2017 gestützt. Die darin geäußerte Befürchtung, in der übernächsten Januarnacht bei einer Übernachtung im Freien erfrieren zu müssen, und die für den Todesfall getroffenen Anweisungen, enthalten nichts, was darauf hindeutet, dass sie aktiv ihren Tod gesucht hätte bzw. herbeiführen wollte. Vielmehr spricht einiges dafür, dass das Schreiben den etwas theatralischen Versuch dargestellt hat, dessen Empfängerin dazu zu bewegen, die damals wohnungslose Klägerin doch noch bei sich und ihren Katzen aufzunehmen. Dies passt ins Bild der im Bezirksklinikum diagnostizierten histrionischen Persönlichkeitsstörung nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10, F60.4), welche unter anderem durch Übertreibungen im Gefühlsausdruck, theatralisches Verhalten und eine Tendenz zur Dramatisierung gekennzeichnet ist. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin freiwillig im Bezirksklinikum befunden hat, da nach Aktenlage kein die Unterbringung bestätigender Gerichtsbeschluss nach Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes über die Unterbringung psychische Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz – UnterbrG, gültig bis 31.12.2018) herbeigeführt worden ist, sie sich bereits bei Aufnahme von Suizidalität distanzieren konnte und sie nach Art. 10 Abs. 5 Satz 2 UnterbrG sofort hätte freigelassen werden müssen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht vorlag. Auch das Schreiben der Klägerin vom 4. Juli 2017 rechtfertigt nicht die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens. Die Schilderung des eigenen psychischen Zustands entspricht den Tatsachen, ebenso, dass kein Alkoholkonsum stattgefunden hatte und in den Jahren 2013 und 2016 zwei Betreuungsverfahren anhängig waren, die eingestellt worden sind. Der Umstand, dass die Klägerin den handelnden Polizeibeamten bei ihren dienstlichen Handlungen unlautere, diskriminierende bzw. beleidigende Absichten unterstellt hat, und ihre Annahme, dass ihre Post gelesen und zerknittert zurück in den Briefkasten gesteckt werde, genügten vor dem Hintergrund, dass sie zu emotionalen, dramatisierenden Darstellungen neigt und weder die Ärzte der psychiatrischen Fachklinik noch der Gutachter im Betreuungsverfahren aus dem Jahr 2013 Anzeichen für Sinnestäuschungen, Ich-Störungen oder einen fehlenden Realitätsbezug gefunden haben, im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung nicht für die Annahme eines die Fahreignung in Frage stellenden Wahns. Soweit im Entziehungsbescheid die Äußerungen der Klägerin als Hinweis auf eine Erkrankung aus dem affektiven bzw. schizophrenen Formenkreis gewertet worden sind, bleibt darauf hinzuweisen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung im Wesentlichen nur die insoweit nicht ausreichenden Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2017 und 4. Juli 2017 vorlagen und dass sie danach auszugsweise das psychiatrisch-nervenärztliche Gutachten vom 11. Oktober 2016 vorgelegt hat, was eine derartige Wertung auch unter Berücksichtigung der paranoiden und querulatorischen Wesenszüge der Klägerin und der jahrelangen Streitereien mit verschiedenen Parteien ebenfalls nicht bestätigt. Dort hat der Gutachter gerade keinen Hinweis auf eine psychotische Symptomatik im Sinne von Ich-Störungen oder Sinnestäuschungen, eine hirnorganische Beeinträchtigung oder Suizidalität gefunden sowie festgestellt, die kognitiven und mnestischen Funktionen seien klinisch intakt. Da nach Vorlage der dem Schreiben vom 4. Juli 2017 beigefügten Unterlagen die polizeilichen Hinweise auf eine affektive Psychose nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV entkräftet waren und sich Indizien für eine schizophrene Psychose nach Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV weder aus dem Polizeibericht noch den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergeben haben (vgl. Nr. 3.10.4 und Nr. 3.10.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [VkBl. S. 110; Stand: 24.5.2018], die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, S. 122 f.), war die Fragestellung in der Gutachtensanordnung vom 6. Juli 2017 insoweit nicht anlassbezogen. Nachdem die Ärzte des Bezirksklinikums bei der Klägerin keine Suizidabsichten und keine Depression feststellen konnten, ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich aus der verweigerten Einnahme von Antidepressiva eine fehlende Krankheitseinsicht oder ein einem Therapieziel widersprechendes Verhalten (mangelnde Adhärenz) im Hinblick auf eine fahreignungsrelevante Erkrankung ergeben soll. Aus dem Entlassungsbericht ist vielmehr ersichtlich, dass Mirtazapin bzw. ersatzweise ein anderes Antidepressivum lediglich als Schlafmittel eingesetzt werden sollte.
Darüber hinaus geht die Fahrerlaubnisbehörde zwar zutreffend davon aus, dass die Aufzählung der fahreignungsrelevanten Erkrankungen in der Anlage 4 zur FeV nicht abschließend ist, somit grundsätzlich auch anderweitige Erkrankungen die Fahreignung ausschließen können und bei der Klägerin in dieser Aufzählung nicht eingeschlossene psychische Störungen, nämlich Anpassungsstörungen und eine histrionische Persönlichkeitsstörung, diagnostiziert worden sind. Allerdings lässt sich den Definitionen dieser Störungsbilder nach ICD 10 F 43.2 und F 60.4 und den mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführten Beurteilungskriterien (3. Aufl. 2013, S. 205 ff.) nicht entnehmen, dass – wie hier bei der Klägerin – das alleinige Vorliegen derartiger psychischer Störungen ohne jeden Verkehrsbezug oder ohne Bezug zu einer Verkehrs- oder sonstigen Straftat, zu aggressiven Tendenzen oder zu einem Suchtmittelgebrauch Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung geben könnte. Demgemäß lassen sich hierfür auch keinerlei Beispiele in der Rechtsprechung finden. Daher waren diese Diagnosen allein nicht geeignet, einen hinreichenden Anlass für die Anordnung eines Gutachtens zu geben.
Auf die Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.1.2019 – 11 C 18.2530 – juris Rn. 16 ff.), kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Klägerin der Gutachtensanordnung nicht mit Erfolg ihre mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit entgegensetzen konnte. Denn nach § 11 Abs. 6 Satz 2, 3 und 5 FeV hat ein Kraftfahrer das geforderte Gutachten als deren Auftraggeber und Veranlasser auf seine Kosten erstellen zu lassen. Dies ist die Folge der Beibringungslast, die § 11 Abs. 2 FeV dem Betroffenen auferlegt. Das Gesetz mutet ihm diese Kosten ebenso zu wie es ihm zumutet, die Kosten zu zahlen, die zum verkehrssicheren Führen des Fahrzeugs notwendig sind (BVerwG, U.v. 13.11.1997 – 3 C 1.97 – juris Rn. 23; U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93 = juris Rn. 18 zur Vorgängervorschrift des § 15b Abs. 2 StVZO; zuletzt BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 11 CS 18.2278 u.a. – juris Rn. 16 m.w.N.). Fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Es besteht weder ein rechtlicher Anspruch auf Übernahme der Begutachtungskosten oder auf deren Vorfinanzierung durch eine Fahrerlaubnisbehörde (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 11 CS 17.143 – juris Rn. 22; B.v. 9.11.2017 – 11 CS 17.1821 – ZfS 2018 = juris Rn. 17), noch ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, die Begutachtung selbst in Auftrag zu geben. Allenfalls dann, wenn der Betreffende entsprechende, noch nicht abgeschlossene Bemühungen wie z.B. die Abklärung einer etwaigen Ratenzahlung mit dem Gutachter oder einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 12.3.2019 a.a.O.).
Im Ergebnis war der Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO stattzugeben.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Nachdem der Beschwerde stattgegeben wurde, ist das Verfahren nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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