Medizinrecht

Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten

Aktenzeichen  L 12 KA 127/16

Datum:
28.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42407
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
Ärzte-ZV § 32 Abs. 1 Satz 1
SGB V § 95 Abs. 6 Satz 1
StPO § 153a

 

Leitsatz

1. Die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten ist nicht deshalb unzulässig, weil dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung waren.
2. Vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte können bei der Frage des Vorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung berücksichtigt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 05.05.2010 – B 6 KA 32/09 B; BSG vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B RdNr. 17 m. w. N. aus der ständigen Rechtsprechung des BSG). Grundsätzlich gilt dies auch für staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungsergebnisse, auch wenn insoweit die Rechtskraft noch nicht eingetreten ist (so auch Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. November 2017 – L 11 KA 807/16 -, juris RdNr. 35).

Verfahrensgang

S 1 KA 24/15 2016-11-03 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 3. November 2016, S 1 KA 24/15, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2), zu tragen. Die Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung zum Zeitpunkt der – den alleinigen Streitgegenstand des Verfahrens bildenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1) – Entscheidung des Beklagten vom 16.11.2015 vorlagen.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung des Beklagten ist § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Danach ist einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist (stRspr des BSG, vgl. BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10 mwN; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, RdNr. 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1 RdNr. 13, BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 49/11 R -, BSGE 112, 90-108, SozR 4-2500 § 95 Nr. 2). Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn) arzt nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr des BSG, vgl. BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10 mwN; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 12 RdNr. 13; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, RdNr. 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1 RdNr. 13; BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R – SozR 4-2500 § 95 Nr. 24 RdNr. 23; vgl. auch BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr. 12 S. 30).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung ist sowohl bei vollzogenen als auch nichtvollzogenen Entziehungsentscheidungen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten (BSG, Urteil vom 20.10.2004, B 6 KA 67/03 R, BSGE 93, 269).
Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zulassungsentziehung rechtfertigen (vgl. BSGE 73, 234, 242 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 S. 18; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10), insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (BSG Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R – SozR 4-2500 § 95 Nr. 24 RdNr. 35 mwN, vgl. auch BVerfG v. 26.09.2016 – 1 BvR 1326/15 – juris RdNr. 40, vgl. auch Rn. 519.1,). Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung iS von § 95 Abs. 6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10 mwN; zuletzt BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R – SozR 4-2500 § 95 Nr. 24 RdNr. 23, 50 ff).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beklagte in dem angegriffenen Bescheid vom 16.11.2015 (Beschluss vom 15.10.2015) zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten in einer eine Zulassungsentziehung rechtfertigenden Weise gröblich verletzt hat.
Die streitgegenständliche Entziehung der Zulassung beruht auf drei voneinander unabhängigen – jeder für sich allein die Zulassungsentziehung rechtfertigenden – Komplexen, zum einen auf dem Umstand einer unrichtigen Abrechnung über viele Quartale hinweg (hierzu unter 1.), des Weiteren auf eine Reihe von Strafanzeigen, Ermittlungsverfahren und Strafverfahren im Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit des Klägers, insbesondere dem Vorwurf des Operierens ohne Assistenz (hierzu unter 2.) sowie auf Hygienemängeln im Rahmen der operativen Tätigkeit des Klägers (hierzu unter 3.).
1. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, aber auch gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung ist in der Abrechnung des Klägers im Zusammenhang mit dem „Komplex H-Stadt“ zu sehen. Dabei steht die dem Kläger zur Last gelegte gröbliche Verletzung der Grundpflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Leistungsabrechnung im Vordergrund, auf die die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung deswegen zwingend angewiesen ist, weil die korrekte Abrechnungsweise systemimmanent in weiten Teilen des vertragsärztlichen Abrechnungssystems aus tatsächlichen Gründen nicht hinreichend kontrolliert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.1993, Az.: 6 RKa 70/91). Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung folgt aus § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, der auf Grundlage des § 98 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 13 SGB V erlassen ist. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird durch Beschäftigung von Ärzten ohne die erforderliche Genehmigung verletzt, ein Verstoß führt zum Vergütungsausschluss (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.1996 – B 6 KA 84/95 – Juris). Der Kläger hat über acht Quartale hinweg (Quartale 1/2007, 2/2007,4/2007 bis 3/2008, 1/2009 und 2/2009) Leistungen, die von nicht genehmigten Assistenten erbracht wurden, als von ihm selbst erbracht abgerechnet. Genehmigungen der Beigeladenen zu 1) lagen nur vor für Herrn V. (01.10.2008 bis 31.01.2009), Herrn P. (01.01.2010 bis 22.03.2011) und Frau S. (21.09.2009 bis 31.03.2010) und damit nicht für die Quartale 1/2007, 2/2007,4/2007 bis 3/2008 vor. Die im Quartal 1/2009 abgesetzten Leistungen bezogen sich nicht auf die von Herrn V. im Januar 2009 erbrachten Leistungen. Zudem hatte der Kläger Leistungen für die in H-Stadt behandelten Patienten (Quartale 2/2007 bis 2/2009) unter der ANR … (Praxis in A-Stadt) abgerechnet, obwohl er nicht berechtigt war, in H-Stadt vertragsärztlich tätig zu sein.
a) Der Beklagte konnte sich hinsichtlich dieses Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung und des Verstoßes gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung auf den bestandskräftigen Honoraraufhebungs- und Neufestsetzungsbescheid der KVB vom 05.07.2011 (WB vom 29.01.2014) über einen Gesamtrückforderungsbetrag in Höhe von 125.035,22 Euro stützen, mit dem die Honorarbescheide für die Quartale 1/2007, 2/2007, 4/2007 bis 3/2008, 1/2009, 2/2009 wegen nicht genehmigter Vertretungen zurückgenommen wurden und das Honorar entsprechend neu festgesetzt wurde. Bezüglich der Honorarrückforderung in den Quartalen 2/2007 bis 2/2009 wegen der Behandlung von Patienten in H-Stadt wurde zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger am 01.07.2011 eine Rückzahlungsvereinbarung über den Betrag von 99.814,- Euro geschlossen. Auch hierauf durfte sich der Beklagte stützen und diesen Pflichtverstoß der Zulassungsentziehung zugrunde legen (vgl. hierzu insbesondere BSG, Beschluss vom 02. April 2014 – B 6 KA 58/13 B -, juris).
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausführt, die Honorarrückforderungen seien rechtlich nicht zutreffend erfolgt, da für den Sicherstellungsassistenten Dr. V. bereits ab September 2008 eine Genehmigung der Beigeladenen zu 1) vorgelegen habe und daher die von ihm erbrachten Leistungen zu Unrecht zurückgefordert worden seien, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen lag eine Genehmigung für Dr. V. nicht wie behauptet bereits ab September, sondern erst zum 01.10.2008 (bis zum 31.01.2009), damit erst zum 4. Quartal 2008, vor. Für das 4. Quartal 2008 erfolgte jedoch keine Honorarrückforderung wegen nicht genehmigter Assistenten, für die Quartale 1/2009 und 2/2009 nur bezogen auf den nicht genehmigten Dr. K.. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Widerspruchsbescheid der Beigeladenen zu 1) vom 29.01.2014. Unbeachtlich ist auch, dass der Kläger vorträgt, die Tätigkeit am Standort H-Stadt sei rechtmäßig erfolgt, da die üBAG letztlich genehmigt worden sei. Die vom Kläger akzeptierte Rückzahlungsvereinbarung bezog sich auf die Quartale 2/2007 bis 2/2009. Während dieses Zeitraums wurde selbst nach eigenem Vortrag des Klägers, dessen Richtigkeit unterstellt, die üBAG nur für die Zeit vom 29.01.2008 bis 30.06.2008 genehmigt, da zwischenzeitlich das MVZ in H-Stadt gegründet worden war und Frau Dr. A. auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung im MVZ verzichtet hatte. Eine Anstellung des Klägers im MVZ wurde unstreitig nie genehmigt, so dass zumindest für die Quartale 2/2007 bis 4/2007 (und 1/2008 bis 28.1.2008) sowie 3/2008 bis 2/2009 eine vertragsärztliche Leistungserbringung des Klägers in H-Stadt auch nach dessen eigenem Vortrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig war.
Der Beklagte durfte diese Pflichtverstöße seiner Entscheidung hinsichtlich der Zulassungsentziehung zugrunde legen, auch wenn die Pflichtverletzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten bereits länger als fünf Jahre zurücklagen. Denn es gibt keine „Verjährungsfrist“, die die Zulassungsgremien daran hindern würde, bereits länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen. Eine gröbliche Pflichtverletzung, die das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen so tiefgreifend und nachhaltig stört, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann, wird nicht bereits durch eine bloß lange Zeitdauer relativiert (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 26, RdNr. 62; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1). Maßgeblich ist, ob das Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien – hier des Beklagten – wiederhergestellt ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles und namentlich die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens von Bedeutung (vgl. BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 26, RdNr. 63 ff). Voraussetzung ist eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt (vgl. BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 55; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1 RdNr. 19 mwN zum Erfordernis zweifelsfreier Prognose; ebenso BSG, Beschluss vom 27.6.2007 – B 6 KA 20/07 B – Juris RdNr. 13). Allerdings gebietet der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren (vgl. BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 26, RdNr. 56; BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 55; BSG, Beschluss vom 15.8.2012 – B 6 KA 3/12 B – Juris RdNr. 15; BSG, Beschluss vom 27.6.2007 – B 6 KA 20/07 B – Juris RdNr. 13) zurückliegen, nur noch dann zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend sind oder wenn sie aus anderen Gründen fortwirken (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 12 RdNr. 14; BSG, Beschluss vom 5.5.2010 – B 6 KA 32/09 B – MedR 2011, 307 RdNr. 9, zuletzt BSG, Beschluss vom 02. April 2014 – B 6 KA 58/13 B -, juris). Der Beklagte ist deshalb bereits allein aufgrund der hohen Schadenssumme und der fehlerhaften Abrechnung über den langen Zeitraum von 16 Quartalen in nicht zu beanstandender Weise von einer gröblichen Pflichtverletzung ausgegangen, auf die er seine Entscheidung vom 15.11.2015 stützen durfte. Auch der Senat sieht hierin eine gröbliche Pflichtverletzung.
Nur ergänzend ist zu erwähnen, dass der Kläger keinerlei Einsichtsfähigkeit wegen seines unrechtmäßigen Verhaltens auch im Zusammenhang mit dem Komplex H-Stadt gezeigt hat. Er ließ vielmehr durch seinen Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren vortragen, er sei im Zusammenhang mit den Anstellungsgenehmigungen von der Beigeladenen zu 1) regelrecht schikaniert worden. Deshalb und weil die üBAG letztlich doch noch genehmigt worden sei, seien die Honorarrückforderungen zu Unrecht erfolgt und er bestehe auf einer Rückzahlung der 224.000,- €.
b) Des Weiteren konnte sich der Beklagte zum Nachweis der Pflichtverletzung auch auf den bestandskräftigen Disziplinarbescheid der Beigeladenen zu 1) vom 14.08.2014 stützen, mit dem gegen den Kläger wegen des vorgenannten Sachverhaltes ein Verweis ausgesprochen wurde. Die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten ist nicht deshalb unzulässig, weil dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung waren. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten ist der „Komplex H-Stadt“ nicht durch das bestandskräftige Disziplinarverfahren verbraucht. Entscheidend ist allein, unter welchen Voraussetzungen eine gröbliche Pflichtverletzung anzunehmen ist. Dies ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu bestimmen. Danach ist die Rechtsfolge der Entziehung ausschlaggebend. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung notwendig ist; diese Sicherung beruht wesentlich auf der freiberuflichen Tätigkeit des niedergelassenen Kassenarztes und deshalb auf dem Vertrauen der KÄV und der Kassen insbesondere auf die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten und die Richtigkeit der Abrechnungen (vgl. BSGE 43, 250, 252 f = SozR 2200 § 368 Nr. 3; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR aaO Nr. 12 S. 30). Damit kommt auch zum Ausdruck, dass die Entziehung, die der schwerste Eingriff in den Kassenarztstatus ist, das einzige Mittel zum Schutz des kassenärztlichen Systems gegen Störungen sein muss. Die Entziehung hat allein diesen Zweck und ist keine Sanktion für strafwürdiges Verhalten (BSG aaO; BSG SozR 2200 § 368a Nr. 15; 21). Deshalb wird sie auch nicht unzulässig, wenn dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen waren (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989 – 6 RKa 28/88 -, BSGE 66, 6-11, SozR 2200 § 368a Nr. 24; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a RVO Nr. 16).
Der Beklagte hat zudem – wie bereits ausgeführt – deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er bereits allein aufgrund der Schadenssumme von nahezu 225.000,- Euro die Pflichtverstöße – anders als der Disziplinarausschuss – als gröblich ansieht. Gerade bei Abrechnungsmanipulationen, die sich wie hier über einen Zeitraum von zwei Jahren erstrecken und zu einem Schaden erheblichen Ausmaßes führen, kann auch nach der Beurteilung des Senats wegen der Schwere der Pflichtverletzung lediglich eine Disziplinarmaßnahme zur Sanktionierung des Verhaltens nicht ausreichen (vgl. hierzu zuletzt Entscheidung des Senats vom 28. Juni 2017 – L 12 KA 130/16). Denn entscheidend ist, dass der Kläger durch seine nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Abrechnungen das Vertrauensverhältnis zu den Kostenträgern so massiv gestört hat, dass für diese eine weitere Zusammenarbeit mit ihm schlechterdings undenkbar ist.
2. Einen weiteren gröblichen Pflichtverstoß hat der Beklagte zutreffend in der Durchführung und Abrechnung ambulanter Katarakt-Operationen ohne unmittelbare Assistenz gesehen.
Ambulante Katarakt-Operationen können sowohl nach dem EBM als auch nach dem Strukturvertrag über die strukturelle und finanzielle Förderung ambulanter Kataraktoperationen (bis 31.12.2010) bzw. nach der Kataraktvereinbarung (ab 01.01.2011) abgerechnet werden.
Voraussetzung für die Abrechnung nach dem Strukturvertrag bzw. nach der Strukturvereinbarung ist, dass der Arzt eine Teilnahmeerklärung eingereicht hat und eine entsprechende Teilnahmeerlaubnis durch die KVB erteilt wurde. Eine Genehmigung für die Teilnahme am Strukturvertrag lag für den Kläger vom 01.04.2010 bis 31.12.2010 vor. Aufgrund einer Übergangsregelung konnte er darüber hinaus Leistungen nach der Strukturvereinbarung noch bis 30.11.2011 zum Ansatz bringen. Für die neue Kataraktvereinbarung ab dem 01.01.2011 hatte der Kläger keine Teilnahmeerklärung eingereicht. In § 4 Abs. 1 des Strukturvertrages ist geregelt, dass die teilnehmenden Ärzte die Qualifikationsvoraussetzungen nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren gemäß § 13 des Vertrages nach § 115b Abs. 1 SGB V vom 18.09.2006 erfüllen müssen. Gemäß § 5 Abs. 2 (bzw. § 4 Abs. 1 der ab 01.12.2011 geltenden Fassung) der Qualitätsvereinbarung bei ambulanten Operationen muss, falls keine ärztliche Assistenz erforderlich ist, mindestens ein qualifizierter Mitarbeiter mit abgeschlossener Ausbildung in einem nichtärztlichen Heilberuf oder im Beruf als Arzthelferin als unmittelbare Assistenz anwesend sein. Weiterhin muss eine Hilfskraft (mindestens in Bereitschaft) sowie, falls medizinisch erforderlich, auch für Anästhesien ein Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen anwesend sein.
Dasselbe gilt, sofern eine ambulante Katarakt-Operation nach EBM (GOP 31351 EBM intraocularer Eingriff) erbracht und abgerechnet wird. Laut der Präambel zum Kapitel 31.2.1 Punkt 2 des EBM ist Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.2., dass die notwendigen sachlichen und personellen Bedingungen erfüllt sind und sich der Vertragsarzt gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung zur Teilnahme am Vertrag nach § 115b SGB V erklärt hat. Somit besteht auch bei ambulanten Operationen im Rahmen der EBM-Abrechnung die Voraussetzung, dass mindestens ein Mitarbeiter als unmittelbare Assistenz und eine Hilfskraft (mindestens in Bereitschaft) während der Operation anwesend sein muss.
Der Kläger hat in einer Vielzahl von Fällen wegen der Durchführung und Abrechnung ambulanter Katarakt-Operationen ohne unmittelbare Assistenz gegen die Vorgaben der „Qualitätssicherungsvereinbarung Ambulantes Operieren“ und damit gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Dieser Verstoß steht fest aufgrund der vom Senat ausgewerteten Unterlagen der Staatsanwaltschaft C-Stadt, der KPI A-Stadt sowie der beigezogenen Strafverfahren und zivilrechtlichen Verfahren gegen den Kläger. Vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte können bei der Frage des Vorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung berücksichtigt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 05.05.2010 – B 6 KA 32/09 B; BSG vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B RdNr. 17 m. w. N. aus der ständigen Rechtsprechung des BSG). Grundsätzlich gilt dies auch für staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungsergebnisse, auch wenn insoweit die Rechtskraft noch nicht eingetreten ist (so auch Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. November 2017 – L 11 KA 807/16 -, juris, RdNr. 35).
a) Der Beklagte hat in zutreffender Weise die Erkenntnisse aus dem Verfahren 902 Js … berücksichtigt, aus denen hervorgeht, dass der Kläger in den im Bescheid vom 16.11.2015 genannten Fällen (dort unter II.4.) ohne unmittelbare Assistenz operiert hat. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, die aufgrund der Zeugenvernehmung der Patienten der AOK, IKK sowie der SBK vor der Kriminalpolizei A-Stadt zunächst am 15.08.2013 einen Strafbefehl gegen den Kläger erlassen hatte. Auch wenn nach Einspruch des Klägers das Verfahren nach § 153a StPO bei Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde (Einstellungsbeschluss vom 20.01.2014), können die hierin erworbenen Erkenntnisse als staatsanwaltschaftliche Ermittlungsergebnisse verwertet werden. Der Beklagte hat die Zeugenaussagen umfassend ausgewertet, auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft und detailliert ausgeführt, bei welchen Patienten, gestützt durch deren Zeugenaussage, eine Operation ohne Assistenz durchgeführt wurde. Der Senat hat nach Durchsicht und eigener Prüfung der Ermittlungsakten an der Richtigkeit der Aussagen der Patienten keine Zweifel. Auch einen Belastungseifer der Zeugen, die der Klägerbevollmächtigte als Indiz gegen die Richtigkeit der Zeugenaussagen allgemein aufführt, kann der Senat nicht bestätigen. Auch dies hat der Beklagte in zutreffender Weise ausgeführt. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid zu eigen und schließt sich ihnen an.
Soweit der Kläger einwendet, die Erinnerungen der Zeugen seien aufgrund des Alters sowie des großen zeitlichen Abstandes zur Operation nicht aussagekräftig, finden sich hierfür in den Zeugenaussagen keine Anhaltspunkte. Die Zeugenaussagen sind vielmehr sehr detailliert und treffen gerade zur An- bzw. Abwesenheit einer Assistenz klare Aussagen. Dies gilt zum Beispiel für die Zeugin K., geb. 1936 (OP am 19.06.2010, Zeugeneinvernahme durch KPI A-Stadt am 08.03.2012), die ausgesagt hatte, bei der Operation sei mit Sicherheit keine Assistenz anwesend gewesen. Eine eindeutige Aussage zur fehlenden Assistenz („Das kann ich 100%ig sagen.“) findet sich auch in der Zeugenaussage der Patientin Kr., geb. 1952 (OP am 26.06.2010, Zeugeneinvernahme durch KPI A-Stadt am 06.03.2012). Die Zeugin B., geb. 1951 (OP am 15.11.2008) verneint ebenfalls eine Assistenz („Nein, da war definitiv keiner. Die Mutter war auch nicht in dem Raum“), genau wie der Zeuge P., geb. 1937 (OP am 22.11.2008). Gerade diesen Zeugenaussagen ist zu entnehmen, dass die Zeugen bei Unsicherheiten zum Sachverhalt dies jeweils angegeben haben, sich bezüglich der fehlenden Assistent aber sicher waren.
Der Senat hat daher keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen. Soweit der Kläger zum Beweis des Gegenteils auf Eintragungen zur Assistenz in seinen handschriftlichen Karteikarten verweist, misst der Senat diesen angesichts der glaubwürdigen, das Gegenteil belegenden Aussagen der Zeugen keinerlei Beweiskraft zu.
b) Auch die weiteren, vom Kläger gegen die Richtigkeit der (Zeugen) Aussagen vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Der Kläger legte zum Beweis, dass entgegen der Zeugenaussagen bei Katarakt-Operation Assistenz anwesend gewesen sei, vorgefertigte Erklärungen verschiedener Angestellter (B., F., L.) vor, die bestätigen sollen, dass er grundsätzlich mit mehreren Assistenten operiere bzw. operiert habe. Allerdings sind diese Bestätigungen im Hinblick auf die im Bescheid des Beklagten aufgeführten konkreten Operationen ohne Assistenz nicht zielführend, da sie viel zu allgemein gehalten sind. Weder bestätigen sie, dass die genannten Angestellten bei den Operationen der im Bescheid genannten Patienten anwesend waren noch ergibt sich, für welchen genauen Zeitraum die Bestätigungen gelten sollen. Frau F. bestätigt in ihrer Erklärung vom 29.02.2016, sie habe „andauernd bei allen YAG-Laserbehandlungen 2009 bis 2013 der Augenarztpraxis Dr. A. als unmittelbare Arzthelferin assistiert“. Der Steuerberater des Klägers bestätigt aber in seiner Erklärung vom 31.10.2016 erst Lohnzahlungen für Frau F. ab 01.09.2009. Der Wahrheitsgehalt der Erklärungen ist auch deshalb anzuzweifeln, weil es sich um vom Kläger vorgefertigte Erklärungen handelt. Zudem könnte eine solche Bestätigung der jeweiligen Angestellten nur für Operationen gelten, bei denen sie selbst anwesend war. Außerdem steht z.B. der Inhalt der Erklärung von M. B. vom 24.11.2015 im Widerspruch zu den sonstigen Erklärungen des Klägers. In der Erklärung von Frau B. heißt es, eine Helferin sei immer damit beschäftigt gewesen, die Instrumente anzureichen. Die Notwendigkeit einer instrumentenanreichenden Helferin hatte der Kläger aber im Zulassungsentziehungsverfahren vehement bestritten und hierzu sogar diverse Erklärungen anderer operierender Augenärzte vorgelegt, nach denen es gerade nicht erforderlich sei, die sterilen Instrumente von einer Operationsassistentin anreichen zu lassen (Prof. Dr. L., Erklärung vom 16.06.2015; Prof. Dr. D., Erklärung vom 17.06.2015; Dr. B., Erklärung vom 18.06.2015; Prof. Dr. W., Erklärung vom 18.06.2015). Der Kläger hatte zur Begründung ausgeführt, dass es aus Platzgründen schon gar nicht möglich sei, dass eine Helferin die Instrumente anreiche. Dieses Vorgehen wäre impraktikabel, da er jeweils mit seitlichem Zugang (temporal) Patienten operiert habe. Eine instrumentenanreichende sterile Arzthelferin hätte rechts von ihm sitzen müssen; rechts von ihm sei jedoch das am OP-Mikroskop angebrachte zusätzliche beobachtende Zweitmikroskop angebracht. Da die Helferin als Rechtshänderin über dem Tisch die Instrumente anreichen müsste, sei der Weg ohne unmittelbare Assistenz gewählt worden Dies sei auch nicht vorgeschrieben.
Außerdem legte er unter anderem Erklärungen verschiedener Patienten (jedoch nicht der im angefochtenen Bescheid genannten) vor, die die Anwesenheit von zwei Assistentinnen belegen sollen, führt aber gleichzeitig aus, dass die Patienten aufgrund der Dunkelheit im Operationsraum sowie der Tatsache, dass das nicht operierte Auge abgedeckt worden sei, gar nicht wahrnehmen könnten, wer sich noch im Raum befinde. Doch selbst deren Richtigkeit unterstellt, besagen diese Erklärungen nur, dass bei den jeweils unterzeichnenden Patienten eine Assistenz anwesend gewesen ist, sie treffen aber keine Aussagen zu den Operationen der im streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten genannten Patienten, die wiederum die Anwesenheit einer Assistenz verneint hatten. Die vorgefertigten Patientenerklärungen haben für den Senat daher keinerlei Aussagekraft bezogen auf den Vorwurf fehlender Assistenz bei den im Bescheid unter II.4 benannten Patienten.
Auch die Bestätigungen des Steuerberaters vom 18.11.2015 und 31.10.2016 über Lohnabrechnungen für Frau L. (01.11.2007 bis 28.02.2014) und Frau F. (ab dem 01.09.2009) besagen lediglich, dass die Betreffenden beim Kläger angestellt waren. Die Bescheinigungen belegen nicht die Anwesenheit der Personen bei bestimmten Operationen. Auch sich im Wartezimmer befindliche Patienten können – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht eine Assistenz im OP-Raum bezeugen.
c) Als Pflichtverstoß hat der Beklagte zutreffend gewertet, dass der Kläger eine ambulante Katarakt-Operation zumindest begonnen hat, obwohl er sich laut Erklärung vom 09.12.2011 gegenüber der Beigeladenen zu 1) verpflichtet hatte, ab dem 05.12.2011 für mindestens sechs zusammenhängende Monate auf die Durchführung von Katarakt-Operationen bei gesetzlich versicherten Patienten sowie Privatpatienten zu verzichten. Diese Erklärung hatte der Kläger rückwirkend auf den 09.12.2011 datiert und der Beigeladenen zu 1) am 23.12.2011 gefaxt, obwohl er wusste, dass er für den 16.12.2011 zwei Kataraktoperationen geplant und davon zumindest eine bereits begonnen hatte. Die Anästhesiepraxis Dr. H. und Kollegen hat bestätigt, dass der Kläger zwei Operationen am 16.12.2011 in den Räumen der K-Straße in C-Stadt durchführen wollte und dementsprechend OP-Zeiten gebucht hatte. Die Vorbereitungen zur OP hatten bereits begonnen, der erste Patient war vom Anästhesisten bereits zur Narkose vorbereitet und die Narkose eingeleitet worden. Sodann hatte der Kläger jedoch festgestellt, dass ein für die Durchführung der OP notwendiges und von ihm gestelltes Gerät defekt war, so dass die Operation abgebrochen werden musste. Diesen Sachverhalt hat der Kläger auch nicht bestritten. Er vertritt jedoch die Meinung, nur eine vollständig durchgeführte Operation fiele unter die Verzichtserklärung. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass nicht nur eine durchgeführte, sondern bereits eine geplante und – durch Einleitung der Anästhesie – begonnene Operation, einen zeitnahen Verstoß gegen die Verzichtserklärung darstellt. Der Kläger hat daher am 23.12.2011 trotz Kenntnis der für den 16.12.2011 geplanten und begonnenen Operationen am 23.12.2011 eine auf den 09.12.2011 datierte falsche Verzichtserklärung abgegeben und damit der Beigeladenen zu 1) suggeriert, bereits ab dem 09.12.2011 keine Katarakt-Operationen mehr geplant und durchgeführt zu haben. Auch dieses Vorgehen begründet eine gröbliche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kläger und den Beigeladenen.
d) Auch vor Inkrafttreten der Qualitätssicherungsvereinbarung „Ambulantes Operieren“ war der Kläger bereits nach § 2 Abs. 1 SGB V verpflichtet, nur Leistungen zu erbringen, deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Grobe Behandlungsfehler entsprechen nicht diesem Qualitätsstandard. Wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat, hat der Beklagte im Bescheid vom 16.11.2015 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das rechtskräftige Berufungsurteil des OLG C-Stadt vom 12.10.2012 – 5 U 2480/11 (H. ./. Dr. A.) berücksichtigt, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass der Kläger in diesem Fall ohne unmittelbare Assistenz operiert hatte. Das OLG C-Stadt hatte im Urteil gestützt auf die Aussagen des Sachverständigen Prof. Dr. med. M. U. einen groben Behandlungsfehler festgestellt, der nach Auffassung des OLG C-Stadt nicht nachvollziehbar war. Denn wenn ein Augenarzt eine Operation alleine ohne sterile Schwester, einen Springer, der Material herbeiholen kann, vornehme, könne der Arzt in eine Situation geraten, aus der er nicht mehr ohne fremde Hilfe herauskommt. Diese Situation sei jedoch in dem zu entscheidenden Rechtstreit eingetreten, weil der Kläger auf die Notwendigkeit des Einbringens der Linse in den Sulcus nicht vorbereitet gewesen sei, obwohl es sich um eine nicht nur vorhersehbare, sondern auch häufige Komplikation handele. Es habe ihm dabei weder das erforderliche Material zum unmittelbaren Einsatz zur Verfügung gestanden noch ausreichendes Personal. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Feststellungen des OLG, der Kläger habe am 08.06.2006 ohne Assistenz operiert und damit einen groben Behandlungsfehler begangen, zutreffen. Bei der Operation am 08.06.2006 hat der Kläger somit dadurch, dass er ohne Assistenz operiert hat, gegen das Gebot verstoßen, dass die vom Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen nach § 2 SGB V einem bestimmten Qualitätsstandard zu entsprechen haben.
e) Der Senat sieht keine Notwendigkeit, das Berufungsverfahren L 12 KA 127/16 bis zum Abschluss des beim Sozialgericht München anhängigen Verfahrens S 38 KA 272/16 auszusetzen. Gegenstand des Verfahrens S 38 KA 272/16 ist eine Honoraraufhebung und -rückforderung für die Quartale 3/2009 bis 1/2013 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung (hier wegen Operierens ohne Assistenz). Soweit jedoch der Zulassungsentzug auf dem Operieren von Patienten ohne Assistenz bezogen auf die Quartale 3/2009 bis 1/2013 beruht, stützt sich der Beklagte nicht auf den im Verfahren S 38 KA 272/16 streitgegenständlichen Honoraraufhebungs- und -rückforderungs-bescheid, sondern auf die aus den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse. Das Verfahren S 38 KA 272/16 ist daher nicht vorgreiflich im Sinne von § 114 Abs. 2 SGG für das Verfahren L 12 KA 127/16.
3. Der Kläger hat auch dadurch gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen, indem er in seiner Praxis in A-Stadt, A-Straße, ambulante Operationen nach Kapitel 31.2 des EBM durchgeführt und abgerechnet hat, obwohl ihm von der Stadt A. mit Bescheid vom 14.01.2008 ab sofort untersagt worden war, in diesen Praxisräumen Operationen und invasive Eingriffe durchzuführen.
a) Der Kläger hat unstreitig die im Bescheid des Beklagten unter Ziffer II.5 aufgeführten Leistungen des Kapitels 31.2 EBM (Quartale 3/2009 bis 1/2013) erbracht und abgerechnet. Streitig zwischen den Beteiligten ist jedoch zum einen, ob diese Leistungen in den Räumlichkeiten der A-Straße oder in einer anderen Betriebsstätte erbracht wurden und zum anderen, ob die Leistung als Operation oder invasiver Eingriff zu werten ist, die bzw. der unter die Untersagungsverfügung der Stadt A. vom 14.01.2008 fällt.
aa) Der Beklagte listet in seinem Bescheid unter II.5 verschiedene sonstige ambulante Operationen nach Kapitel 31.2 des EBM auf, die der Kläger in den Quartalen 3/2009 bis 1/2013 durchgeführt und abgerechnet hat. Die Liste basiert auf den Angaben im Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 06.11.2014, der Gegenstand des Verfahrens S 38 KA 272/16 ist. Bei den vom Kläger erbrachten, nach der GOP 31341 EBM abgerechneten Leistungen (vgl. insoweit Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 06.11.2014) handelt es sich um Lasereingriffe (vergleiche insoweit Bescheid des Beklagten, Seite 36). Nach der GOP 31341 EBM wird abgerechnet der „Laserchirurgische Eingriff der Kategorie W1“. Der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 03.11.2016 ausweislich des Protokolls im Beisein des Klägers vorgetragen, dass die im Bescheid des Beklagten auf Seite 36 ab dem Patienten K. T. (Quartal 4/2011) erbrachten Lasereingriffe (K. T.,19.10.2011 und 24.10.2011; K. H., 18.01.2012, W. Sch.,16.01.2012; L. K., 03.05.2012; O. K., 31.05.2012 und 06.06.2012; M. F., 30.07.2012; F. S., 17.09.2012; K. G., 22.11.2012; M. Sch., 09.11.2012; D. A., 09.01.2013; U. Sch., 14.02.2013) in der A-Straße stattgefunden haben. Der Kläger kann daher zumindest bezüglich dieser Leistungen den Leistungsort A-Straße nicht glaubhaft bestreiten.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Lasereingriffe, auch wenn es sich – wie der Kläger vorträgt – um YAG-Laserbehandlungen handelt, als Operationen und sonstige invasive Eingriffe zu werten, die nach dem Bescheid der Stadt A. in der Praxis des Klägers in der A-Straße nicht hätten erbracht werden dürfen. Hier ist zunächst festzustellen, dass sich die Untersagungsverfügung der Stadt A. vom 14.01.2008 nicht nur auf den OP-Raum in der A-Straße bezieht, sondern auf die gesamte Praxis. Soweit der Kläger vorträgt, er benutze einen so genannten YAG-Laser, dessen Verwendung weder eine Operation noch einen invasiven Eingriff darstelle, geht er mit dieser Auffassung fehl. Denn die Frage, ob es sich bei laserchirurgischen Eingriffen um operative Eingriffe der Opthalmochirurgie handelt, ist anhand der Leistungsbeschreibung nach GOP 31341 EBM zu beurteilen. Bezüglich der Beurteilung dieser Operationen als „operative Eingriffe der Opthalmochirurgie“ liegt für den Kläger und den Beklagten eine vorgreifliche rechtliche Beurteilung im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vor, an die beide gebunden sind. Soweit der Kläger vorträgt, die infektionshygienischen Mängel, die zur Untersagungsverfügung der Stadt A. vom 14.01.2008 geführt haben, würden für die Laserbehandlungen nicht gelten, geht er auch mit dieser Auffassung fehl. Auch wenn die Durchführung von YAG-Laserbehandlungen hinsichtlich der einzuhaltenden Hygienevorschriften deutlich unter denen einer Operation im klassischen Sinne liegen, bedarf es auch für die Laserbehandlungen der Einhaltung von Hygienevorschriften, beispielsweise hinsichtlich der Bereitstellung bzw. Reinigung des Kontaktglases. Die Nichteinhaltung grundlegender Hygienevorschriften war aber Grund für die Untersagungsverfügung, so dass auch (YAG-)Laserbehandlungen ab dem 14.01.2008 nicht in der A-Straße durchgeführt werden durften.
Dass die Untersagungsverfügung auch Laserbehandlungen umfasst, bestätigt auch ein Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 15.03.2013. Darin stellt sie auf Nachfrage des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers klar, dass unter invasiven Verfahren in der Augenheilkunde alle Verfahren zu verstehen sind, „bei denen es durch die Anwendung von chirurgischen Instrumenten oder anderen physikalischen Verfahren (dazu zählen auch z.B. Laser und Ultraschall) zur Verletzung der intakten Haut und Schleimhäute des Augapfels oder der umgebenden Gewebe kommen kann bzw. kommt.“
Gemäß 2.1 des EBM ist eine Gebührenordnungsposition zudem nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist, wobei die Vollständigkeit der Leistungserbringung nur gegeben ist, wenn die obligaten Leistungsinhalte erbracht worden sind. Dazu gehört auch, dass eine Leistung nur in Räumlichkeiten erbracht wird, die den hygienischen Anforderungen entsprechen und nicht für die Erbringung der Leistung gesperrt sind.
b) Außerdem bestätigt die Zwangsgeldverfügung der Stadt A. vom 11.04.2008, dass der Kläger auch nach dem 14.01.2008 in den Räumen A-Straße entgegen der Untersagungsverfügung weitere Operationen und invasive Eingriffe, z.B. Lidkorrekturen und Entfernung von Gerstenkörnern, vorgenommen hatte. Zum Nachweis für die Durchführung der Operationen hatte sich das Ordnungsamt auf eine Befragung der während der Nachschau am 11.04.2008 anwesenden Mitarbeiter des Klägers berufen und auch im Terminplaner des Klägers Termine für weitere Eingriffe zur Lidanpassung gefunden. Der Senat hat an der Richtigkeit der Feststellungen des Ordnungsamtes keine Zweifel und macht sich diese zu Eigen.
c) Der Kläger hat auch im Zusammenhang mit der Operation der Patientin V. H. gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen. Der Kläger führte bei der Patientin am 07.12.2012 in den Räumlichkeiten A-Straße eine Operation am rechten Auge durch, obwohl ihm seit dem 14.01.2008 ambulante Operationen an diesem Praxisort aus Hygienegründen untersagt war. Zudem lag für die durchgeführte Operation kein gültiges Einverständnis der Patientin vor. Die Patientin hatte am 07.12.2012 eine Einverständniserklärung für die Durchführung einer Keratotomie erteilt. Bei einer Keratotomie erfolgen Einschnitte in die Hornhaut, um einen bestehenden Astigmatismus auszugleichen und somit die Sehfähigkeit zu verbessern. Ausgeführt hatte der Kläger jedoch ausweislich des im Strafverfahren 6 Ds … eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens von Prof. Dr. M. vom 24.09.2014 einen Sklerokornealschnitt mit Eröffnung der Bindehaut. Für diesen Eingriff lag keine Einverständniserklärung der Patientin H. vor. Zudem war der durchgeführte Eingriff ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme nicht geeignet, die Hornhautkrümmung vorhersehbar zu beeinflussen und den bestehenden Astigmatismus auszugleichen Dieser Sachverhalt steht nach Überzeugung des Senats fest aufgrund der beigezogenen Akten im Verfahren 902Js …. In diesem Verfahren ist zunächst ein Urteil des Amtsgerichts A-Stadt (Urteil vom 01.12.2016) ergangen, in dem der Kläger der fahrlässigen Körperverletzung in zwei Fällen (H. und S.) schuldig gesprochen wurde. Auf Berufung des Klägers sowie der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren mit Beschluss vom 10.10.2017 endgültig nach § 153a StPO eingestellt, nachdem der Kläger die aufgrund der Verständigung in der Hauptverhandlung vom 11.07.2015 verhängte Geldbuße in Höhe von 3000,- Euro gezahlt hatte. Aus dem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt sowie den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ergibt sich unzweifelhaft, dass der Kläger die Patientin H. in den Räumlichkeiten seiner Praxis in der A-Straße – im Übrigen auch ohne Assistenz – am 07.12.2012 operiert hatte (Operation mit Sklerokornealschnitt und Öffnung der Bindehaut). Diese Erkenntnisse durften auch im vorliegenden Verfahren verwandt werden (Urteil des Senats vom 28. Juni 2017 – L 12 KA 130/16 -, nachgehend BSG 6. Senat, Beschluss vom 17. Januar 2018, B 6 KA 61/17 B, Beschluss). Der Senat durfte sich insoweit auf die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und die Akten des Amtsgerichts stützen, zumal diese Akten mehrere Sachverständigengutachten zur Operation H. enthielten (Gutachten Dr. F. vom 16.01.2014 und Dr. M. vom 24.09.2014), die der Senat einer eigenen Würdigung unterzogen hat.
d) Auch wurden im bestandkräftigen Bescheid des Ordnungsamtes der Stadt A. vom 14.01.2008 gravierende infektionshygienische Mängel festgestellt, die nach den Feststellungen der Zulassungsgremien keinen Anlass zu einer Differenzierung zwischen einer operativen und einer konservativen Tätigkeit des Klägers zulassen. Die beanstandeten Verhaltensweisen des Klägers anlässlich von ambulanten Operationen betreffen insbesondere Bereiche wie die Hygiene, Regeln der ärztlichen Kunst, personelle und materielle Ausstattung, also die ärztlichen Tätigkeiten insgesamt, die auch nach Auffassung des Senats weitere gröbliche Pflichtverletzungen durch den Kläger darstellen. Dabei sind die Sozialgerichte nicht gehindert, auf von den Zulassungsgremien bereits angesprochene Vorgänge zurückzugreifen, auch wenn diese von den Zulassungsgremien nicht oder anders bewertet wurden (vgl. BSG, Beschluss vom 05.05.2010 – B 6 KA 32/09 B).
e) Dagegen lässt sich ein Pflichtverstoß des Klägers nicht auf den Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 01.02.2012 stützen, mit dem dem Kläger die ihm zuletzt im Bescheid vom 05.04.2011 erteilte Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von ambulanten Operationen und sonstigen stationsersetzenden Eingriffen einschließlich notwendiger Anästhesien im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung widerrufen worden war. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – am 03.02.2012 Widerspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden wurde. Der Beklagte kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass der Kläger seinen Widerspruch nicht begründet hat, denn auch ein nicht begründeter Widerspruch entfaltet die aufschiebende Wirkung des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG. Dies hat das SG zutreffend ausgeführt.
4. Insgesamt ist es jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 16.11.2015 festgestellt hat, dass der Kläger über einen langen Zeitraum hinweg in einer Vielzahl von Fällen und auf vielfältige Weise seine vertragsärztlichen Pflichten, insbesondere die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung und zur persönlichen Leistungserbringung gröblich verletzt hat. Ferner hat der Kläger durch die Vornahme von invasiven Eingriffen in seinen hygienisch nicht einwandfreien Praxisräumen seine Patienten einem medizinisch nicht vertretbaren Risiko ausgesetzt, was einen Verstoß gegen die Pflichten eines jeden Arztes zur Abwendung von Schaden von seinen Patienten darstellt.
Umstände, weshalb die Zulassungsentziehung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sein könnte, sind für den Senat nicht ersichtlich. Allein die fehlerhafte Abrechnung in den Quartalen 1/2007 bis 2/2009 hat zu einem Schaden in Höhe von rund 225.000 Euro geführt. Zudem können auch Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren zurückliegen, noch zur Grundlage einer Zulassungsentziehung gemacht werden, weil sie nach Auffassung des Senats Fälle systematischen Fehlverhaltens im Behandlungs- und Abrechnungsbereich darstellen und damit gravierend sind (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 19.07.2006 – B 6 KA 1/06 R; BSG, Beschluss vom 15.08.2012 – B 6 KA 15/12 B).
5. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zur Berücksichtigung des Wohlverhaltens sind überholt (vgl. Urteil des BSG vom 17.10.12, B 6 KA 49/11 R). Die vom Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1) im Berufungsverfahren erhobenen Vorwürfe, der Kläger würde weiterhin vertragsärztlich tätig, wären ggf. in einem weiteren Zulassungsentzugsverfahren oder im Rahmen eines neuen Antrages auf Erteilung einer Zulassung zu prüfen, nicht jedoch im Rahmen dieses hier streitgegenständlichen Verfahrens.
Nach alldem ist der Bescheid des Beklagten vom 16.11.2015 nicht zu beanstanden. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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