Medizinrecht

Erfolgreicher Antrag auf einstweilige Einstellung in den Vorbereitungsdienst, hier: gesundheitliche Eignung des Bewerbers

Aktenzeichen  B 5 E 19.862

Datum:
14.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25410
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der für die Einstellung in das Beamtenverhältnis erforderlichen gesundheitlichen Eignung muss sich der Dienstherr mit den von einem Mediziner erstellten, unter Erläuterung der Untersuchungsmethode nachvollziehbar fundierten medizinischen Tatsachenfeststellungen auseinander setzen und sich nachvollziehbar und eigenverantwortlich ein eigenes Urteil über die gesundheitliche Eignung des Bewerbers bilden; ein bloßes Rekurrieren des medizinischen Gesundheitszeugnisses reicht dafür nicht. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist vorliegend ausnahmsweise im Hinblick auf ein eventuell mehrere Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Bewerber auf Verlangen des Dienstherrn sein Studium abgebrochen und dieses nicht ohne Weiteres wieder fortsetzen kann, gerechtfertigt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes einzustellen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes.
Mit E-Mail vom 30.09.2018 hat sich der Antragsteller für den Diplomstudiengang „Verwaltungsinformatik“ beworben. Nach erfolgreicher Teilnahme am schriftlichen und mündlichen Auswahlverfahren wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 19.02.2019 mitgeteilt, dass zum 01.10.2019 eine Einstellung für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes bei Vorliegen der weiteren Einstellungsvoraussetzungen sowie vorbehaltlich der Zustimmung des Gesamtpersonalrates bei der Generalzollinspektion beabsichtigt sei. Zu den zwingenden Einstellungsvoraussetzungen gehörte danach die gesundheitliche Eignung – hier festzustellen durch die … in … – sowie ein der Einstellung nicht entgegenstehendes, von dem Antragsteller beizubringendes Führungszeugnis der „Belegart O – zur Vorlage bei einer Behörde“. Hinsichtlich der gesundheitlichen Anforderungen führt die Generalzolldirektion auf ihrer Website aus:
„Sie sind körperlich fit und gesundheitlich geeignet. Sie sind tauglich für die Tätigkeit an einem Bildschirmarbeitsplatz.“
Der Antragsteller wurde in dem o.g. Schreiben gebeten, unverzüglich einen Termin bei der für ihn zuständigen … zur Einstellungsuntersuchung zu vereinbaren sowie die Beantragung des Führungszeugnisses bei seiner Meldebehörde vorzunehmen.
Die Zustimmung des Gesamtpersonalrates zur Einstellung des Antragstellers liegt vor. Das (beanstandungsfreie) Führungszeugnis ist am 18.03.2019 bei der Poststelle der Generalzolldirektion in … eingegangen. Den erforderlichen Untersuchungstermin bei der … hat der Antragsteller am 23.04.2019 wahrgenommen.
Aus einem fachorthopädischen Attest vom 25.07.2019 ergibt sich beim Antragsteller die Diagnose „geringe linkskonvexe Thorakolumbalskoliose“. Weiter heißt es, dass aus orthopädischer Sicht keinerlei Bedenken gegen die berufliche Aufnahme einer Büro-/PC-Tätigkeit bestünden. Aufgrund der jetzigen Situation sei nicht mit erwartbaren Problemen seitens der Wirbelsäule zu rechnen.
Der Antragsteller legte weiterhin ein Attest einer Psychotherapie- und Neurologie-Praxis vom 13.08.2019 vor, wonach der Antragsteller, der sich in der Praxis zuletzt am 13.08.2019 vorgestellt habe, unbeschränkt waffentauglich sei. Es bestünden keine erkennbaren Einschränkungen bei der psychischen Belastbarkeit, auch in Stresssituationen.
Mit Schreiben vom 30.08.2019 teilt die … der Generalzolldirektion mit, dass auf Basis einer ausführlichen Befragung zum Gesundheitszustand, der körperlichen Untersuchung sowie Bewertung der Krankengeschichte mit vorgelegten früheren und aktuellen ärztlichen Attesten beim Antragsteller zum geplanten Einstellungstermin eine vollumfängliche gesundheitliche Eignung für die Verwendung im Innendienst bestehe. Für die Verwendung im Außendienst werde keine vollumfängliche Eignung gesehen. Insbesondere für den hierbei erforderlichen Schusswaffengebrauch und bei Tätigkeiten bzw. Situationen mit hoher Anforderung an Konzentration und Reaktionsfähigkeit, sei eine ausreichende psychische Belastbarkeit beim Antragsteller zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben. Ein prognostisch belastbares neurologisch-psychiatrisches Gutachten sei bis zum heutigen Tag nicht vorgelegt worden. Daher werde in Bezug auf die vorgesehene Einstellung in die Beamtenlaufbahn davon ausgegangen, dass beim Antragsteller aufgrund der Anforderungen des Außendienstes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit regelmäßig lange krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder eine dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze eintreten könnten.
Mit Bescheid vom 30.08.2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Einstellung in den Vorbereitungsdienst nicht erfolgen könne, da die zwingend erforderlichen Voraussetzungen für die Einstellung nicht vorlägen. Das auf Grundlage der erfolgten Begutachtung unter Anwendung der „medizinischen Kriterien für Tätigkeitsbereiche und besondere Verwendungen in der Bundesfinanzverwaltung“ übersandte Gesundheitszeugnis weise aus, dass aufgrund der Anforderungen des Außendienstes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit regelmäßig lange krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder eine dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze eintreten könnten.
Gegen diesen Bescheid vom 30.08.2019 erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 17.09.2019 Widerspruch. Im Rahmen der Begründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass die Begutachtung durch eine Psychotherapiepraxis vom 13.08.2019 das deutliche Bild ergeben habe, dass der Antragsteller unbeschränkt waffentauglich sei und keine erkennbaren Einschränkungen bei der psychischen Belastbarkeit auch in Stresssituationen bestünden.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 02.10.2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ der Antragsteller im Wege des Eilrechtsschutzes beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller zum 01.10.2019 vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Rechtsbehelfe/Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bescheid vom 30.08.2019 in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes einzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Widerspruch in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde. Die Ablehnung im ursprünglichen Bescheid beruhe auf einer fehlerhaften gesundheitlichen Einschätzung. Im Übrigen sei ausweislich der Einstellungsvoraussetzungen nicht erkennbar, weshalb es auf die Frage der Waffentauglichkeit überhaupt ankommen sollte. Die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin gründe offensichtlich auf einer ärztlichen Einschätzung des … vom 30.08.2019. Darin werde als abschließendes Ergebnis der ärztlichen Begutachtung durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin Frau … ausgeführt, dass eine vollumfängliche gesundheitliche Eignung für die Verwendung im Innendienst bestehe. Keine vollumfängliche Eignung liege für die Verwendung im Außendienst, insbesondere für den hierbei erforderlichen Schusswaffengebrauch und bei Tätigkeiten bzw. Situationen mit hoher Anforderung an Konzentration und Reaktionsfähigkeit vor. Insoweit sei bereits nicht ersichtlich, worauf die beurteilende Ärztin diese Einschätzung gründe. Die Beurteilung sei insbesondere vor dem Hintergrund des Attestes der Psychotherapie- und Neurologiepraxis …, Nürnberg, nicht nachvollziehbar. Demnach sei der Antragsteller, der sich in der Praxis zuletzt am 13.08.2019 vorgestellt habe, unbeschränkt waffentauglich. Es bestünden keine erkennbaren Einschränkungen bei der psychischen Belastbarkeit, auch in Stresssituationen. Auch die Ärztin des … sei im Rahmen des ursprünglichen Zeugnisses über das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung zu der Einschätzung gelangt, dass eine Beurteilung hinsichtlich des Themas „Außendienst“ nicht möglich sei. Auch habe die Ärztin des … unter dem 23.07.2019 noch eine fachärztliche Begutachtung zur Waffentauglichkeit empfohlen. Gleichzeitig sei eine erneute orthopädische Vorstellung mit Überprüfung der Belastbarkeit im Büroalltag angeregt worden. Das entsprechende fachorthopädische Attest zur Vorlage bei der …-Ärztin sei unter dem 25.07.2019 durch Dr. med. … erstellt worden. Dieses gelange zu dem Ergebnis, dass aus orthopädischer Sicht keinerlei Bedenken gegen die berufliche Aufnahme einer Büro/PC-Tätigkeit bestünden und nicht mit erwartbaren Problemen seitens der Wirbelsäule zu rechnen sei. Mit der Vorlage des Attestes der Psychotherapiepraxis seien die Voraussetzungen der arbeitsmedizinischen Voruntersuchung erfüllt worden. Weshalb die endgültige Bewertung vom 30.08.2019 gleichwohl zu dem Ergebnis habe gelangen können, dass eine ausreichende psychische Belastbarkeit beim Antragsteller zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben sei, erschließe sich nicht. Die Beurteilerin habe dies trotz anders lautender Fachatteste angenommen, ohne hierfür hinreichende medizinische Anhaltspunkte zu benennen oder dies überhaupt beurteilen zu können, nachdem sie selbst eine fachmedizinische Untersuchung hinsichtlich der Außendiensteignung empfohlen habe.
Die ablehnende Entscheidung der Generalzolldirektion vom 30.08.2019 sei jedoch auch aus einem weiteren Aspekt rechtswidrig. Aus den Einstellungsvoraussetzungen ergebe sich, dass lediglich die Tauglichkeit für die Tätigkeit an einem Bildschirmarbeitsplatz und für die körperliche Fitness und gesundheitliche Eignung für diese Stelle verlangt werde. Daher sei bereits nicht nachvollziehbar, weshalb es auf die Frage der Waffentauglichkeit überhaupt ankommen solle, da hier eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst, also den Innendienst, in Rede stehe. Erschwerend komme hinzu, dass seitens des künftigen Dienstherrn vom Antragsteller verlangt worden sei, seinen derzeitigen Studienplatz aufzugeben und sich zu exmatrikulieren, was in der Folgezeit auch durchgeführt worden sei. Aufgrund der Exmatrikulation sei die Fortsetzung des Studiums für den Antragsteller derzeit nicht möglich, so dass er sein begonnenes Studium „angewandte Informatik“ ohne Abschluss beendet habe und derzeit nicht bekannt sei, ob eine Wiederaufnahme des Studiums möglich sei.
Die begehrte Anordnung sei erforderlich, obwohl mit ihr (vorläufig) eine Vorwegnahme der Hauptsache vorgenommen werde. Das Hauptsacheverfahren könne dem Antragsteller keinen effektiven und wirksamen Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Einstellungsanspruchs bieten. Denn bis zum Abschluss dieses Verfahrens werde ein langer Zeitraum verstrichen sein, der die Aufnahme des Vorbereitungsdienstes auf lange Zeit verhindere, zumal nach hiesigem Kenntnisstand für diese Dienstart nur jährliche Einstellungen vorgesehen seien. Ohne die begehrte einstweilige Anordnung würde der Antragsteller Nachteile erleiden, die auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Diese Nachteile seien ihm deshalb nicht zuzumuten. Im Gegensatz dazu seien die vermeintlichen Nachteile der Antragsgegnerin gering, da sie lediglich gehalten sei, den Antragsteller vorläufig in die begehrte Position einzustellen.
Für die Antragsgegnerin beantragt die Generalzolldirektion mit Schriftsatz vom 08.10.2019, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleiste. Das von Art. 33 Abs. 2 GG vorausgesetzte Kriterium der Eignung umfasse dabei insbesondere auch den verankerten Grundsatz der gesundheitlichen Eignung. Dabei komme eine Ernennung – hier die Ernennung zum Beamten auf Widerruf – nur dann in Betracht, wenn sich mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen lasse, dass während der Dauer des Dienstes Erkrankungen auftreten würden, die die Dienstfähigkeit des Beamten beeinträchtigen oder gar ausschließen könnten. Das seitens der … Bamberg übersandte abschließende Gesamtergebnis über die Begutachtung des Antragstellers lasse den eindeutigen Schluss zu, dass die erforderliche gesundheitliche Eignung zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes nicht gegeben sei und daher eine Einstellung nicht erfolgen könne. Das nachträglich übersandte Attest der Praxis … vom 13.08.2019 führe aufgrund der nicht substantiellen Ausführungen, die mit der Waffentauglichkeit zudem lediglich einen Teilaspekt der zu beurteilenden Außendienstfähigkeit betreffen würden, nicht zu einer Änderung der – auf Grundlage der von der beauftragten … durchgeführten Begutachtung – getroffenen Bewertung.
Bei den Bewerberinnen und Bewerbern, die sich um eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes bewerben würden, sei stets auch die Außendiensttauglichkeit zu begutachten, da – auch bereits während des Vorbereitungsdienstes innerhalb der Praktika – beispielhaft der Einsatz auf Ortsebene bei einem Hauptzollamt im Sachgebiet E „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ sowie im Sachgebiet „Digitale Forensik“ als eine der zu absolvierenden praktischen Ausbildungsabschnitte zwingend vorgesehen sei. Demzufolge sei bereits mit Beauftragung der gesundheitlichen Begutachtung durch die … mit Schreiben vom 19.02.2019 als zu begutachtende Tätigkeitsbereiche u.a. „Außendienst“ vorgegeben. Die Tauglichkeit für den Tätigkeitsbereich „Außendienst“ sei bei Einstellungen in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeiinformatikdienst des Bundes stets mit zu begutachten und stelle einen Teilaspekt der „gesundheitlichen Geeignetheit“ dar. Die zu begutachtende „Bildschirmtauglichkeit“ sei hier kumulativ zu der erforderlichen allgemeinen gesundheitlichen Geeignetheit zu betrachten. Aufgrund der fehlenden gesundheitlichen Eignung des Antragstellers komme eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes nicht in Betracht.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig, hängt die Bejahung eines Anordnungsanspruchs regelmäßig davon ab, welche Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bestehen.
Der Antragsteller beantragt die vorläufige Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst des Bundes und damit eine Regelungsanordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, denn sein Begehren ist auf die „Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis“ und damit auf eine Änderung des Status quo gerichtet. Ein Anordnungsgrund (dazu unter a) sowie ein Anordnungsanspruch (dazu unter b) liegen beim Antragsteller vor. Auch fällt die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus (dazu unter c). Weiter ist die mit dem Antrag begehrte einstweilige Vorwegnahme der Hauptsache vorliegend ausnahmsweise zulässig (dazu unter d).
a) Ein Anordnungsgrund besteht, da wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf eine Einstellung in den gehobenen Verwaltungsinformatikdienst nicht zu erreichen ist und dem Antragsteller bei einem Verweis auf das Klageverfahren unzumutbare Nachteile drohen. Bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss können einschließlich etwaiger Rechtsmittelfristen insgesamt mehrere Jahre vergehen. Der Antragsteller würde dann nicht nur den zunächst anvisierten Einstellungstermin, sondern auch die weiteren Einstellungstermine in nachfolgenden Jahren nicht wahrnehmen können. Dieser Zeitverlust ist irreversibel, da eine rückwirkende Einstellung zum ursprünglich begehrten Einstellungstermin nicht möglich ist. Ein Abwarten des rechts- bzw. bestandskräftigen Abschlusses des Hauptsacheverfahrens ist dem Antragsteller vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten. Erschwerend kommt auf Seiten des Antragstellers hinzu, dass er durch die Antragsgegnerin im Rahmen des streitigen Einstellungsverfahrens um die Vorlage einer Exmatrikulationsbescheinigung gebeten wurde und daraufhin sein Studium an der Universität Bamberg abgebrochen hat, so dass er auch unter diesem Gesichtspunkt ein nachvollziehbares Interesse daran hat, die Weichen für seine berufliche Zukunft zeitnah zu stellen.
b) Ferner hat der Antragsteller den notwendigen Anordnungsanspruch für eine Regelungsanordnung glaubhaft gemacht.
Der Ablehnungsbescheid vom 30.08.2019 erweist sich bei der im Rahmen des Eilverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig. Dieser und die ihm wesentlich zugrunde liegende Stellungnahme der … vom 30.08.2019 bieten keine tragfähige Grundlage für die erforderliche Prognoseentscheidung über die gesundheitliche Eignung des Antragstellers. Daneben bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Antragsgegnerin vorliegend eine eigene Prognoseentscheidung getroffen hat.
Nach Art. 33 Abs. 2 GG sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (BVerfG, B.v. 21.2.1995 – 1 BvR 1397/93 – BVerfGE 92, 140 [151]). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (BVerfG, Kammerbeschluss v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07 – BVerfGK 14, 492 [496] – juris Rn. 11). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Verfügung stehenden Ämter einbezogen werden.
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (BVerwG, U.v. 21.7.2007 – 2 A 6.06 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22f.; U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – BVerwGE 147, 244 Rn. 11).
Es obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (BVerwG, U.v. 21.7.2007 a.a.O.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit – etwa aufgrund eines chronischen Leidens – gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die Ämter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen.
Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (BVerfG, U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282 [296]). Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden. Die Prognose erfasst den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Es kommt darauf an, ob der Beamtenbewerber voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss (vgl. BVerwG U.v. 25.7.2013 a.a.O. Rn. 14).
Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht (vgl. BVerwG U.v. 13.12.2012 – 3 C 26.11 – NJW 2013, 1320 Rn. 15). Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums, setzt eine entsprechende Prognosebeurteilung eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist (vgl. BVerwG U.v. 25.7.2013 a.a.O. Rn. 21).
Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare Erkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten auszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen (vgl. BVerwG U.v. 25.7.2013 a.a.O. Rn. 21).
Die medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich zu beantworten (vgl. zur erforderlichen Prognosebasis auch BVerfG, U.v. 5.2.2004 – 2 BvR 2029/01 – BVerfGE 109, 133 ).
Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG U.v. 25.7.2013 a.a.O. Rn. 24).
Den vorstehenden Anforderungen genügt der vorliegende Ergebnisbericht über die ärztliche Begutachtung der … … vom 30.08.2019 nicht. Es werden keinerlei Anknüpfungs- und Befundtatsachen dargestellt, so dass völlig unklar bleibt, aufgrund welcher beim Antragsteller vermeintlich vorliegender Krankheitsbilder die begutachtenden Ärztinnen zu der Hypothese gelangten, dass beim Antragsteller keine vollumfängliche Eignung für den Außendienst bestehe. Sie führten lediglich pauschal aus, dass beim Schusswaffengebrauch und bei Tätigkeiten bzw. Situationen mit hoher Anforderung an Konzentration und Reaktionsfähigkeit eine ausreichende psychische Belastbarkeit beim Antragsteller zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben sei. Aufgrund welcher beim Antragsteller vermeintlich bestehender pathologischer Befunde aus dem neurologisch-psychiatrischen Formenkreis sie zu dieser Einschätzung gelangen, wird nicht deutlich. Erschwerend kommt hinzu, dass sich aus dem von Antragstellerseite vorgelegten – jedoch zugegeben wenig aussagekräftigen – Attest einer Psychotherapie- und Neurologiepraxis vom 13.08.2019 ergibt, dass beim Antragsteller keine erkennbaren Einschränkungen bei der psychischen Belastbarkeit, auch in Stresssituationen, bestehen. Auch werden keinerlei Angaben zum prognostischen Verlauf etwaiger beim Antragsteller vorliegender Erkrankungen gemacht. Mithin bleibt die Tatsachengrundlage für die abschließende Hypothese der Ärztinnen, dass beim Antragsteller aufgrund der Anforderungen des Außendienstes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit regelmäßig lange krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder eine dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze eintreten könne, völlig im Dunkeln. Mit dem seitens des Antragstellers weiterhin vorgelegten fachorthopädischen Attest vom 25.07.2019 und der bei ihm vorliegenden geringen linkskonvexen Thorakolumbalskoliose setzten sich die begutachtenden Ärztinnen nicht auseinander.
Weiterhin bestehen angesichts der Ausführungen im Bescheid vom 30.08.2019 schon erhebliche Zweifel daran, ob sich die Antragsgegnerin vorliegend ein eigenes Urteil über die gesundheitliche Eignung des Antragstellers gebildet hat. Denn die Begründung des vorgenannten Bescheides rekurriert lediglich auf das von Seiten der … übersandte Gesundheitszeugnis, welches ausweise, dass aufgrund der Anforderungen des Außendienstes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit regelmäßig lange krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder eine dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze beim Antragsteller eintreten könne. Aus dieser Formulierung ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin etwaige ärztliche Befunde nachvollzogen und auf ihrer Grundlage die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich beantwortet hätte.
Das Gericht weist darauf hin, dass der ausgesprochenen Verpflichtung zur vorläufigen Einstellung des Antragstellers zu Grunde liegt, dass der Bewerber die übrigen Voraussetzungen – neben der gesundheitlichen Eignung – für eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erfüllt (vgl. Beiakte Bl. 41f.).
c) Auch eine Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dem Antrag stattzugeben. Denn das Interesse des Antragstellers an der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes wiegt höher als das Interesse der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller die Ausbildung abbrechen müsste, würde sich seine gesundheitliche Nichteignung herausstellen. Denn Fälle des Abbruchs der Ausbildung kommen – wie dem Gericht bekannt ist – aus verschiedensten Gründen immer wieder vor. Demgegenüber wäre es ein großer Nachteil für den Antragsteller, eventuell zu Unrecht nicht an der von ihm gewählten Berufsausbildung teilzunehmen.
d) Der beantragten einstweiligen Anordnung steht auch nicht das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsachverfahren vorbehaltenen Entscheidung kann nur dann ausnahmsweise ergehen, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist, dem betreffenden Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach obsiegen wird (vgl. OVG NW, B.v. 18.10.2013 – 6 B 998/13 – BeckRS 2013, 57586; BayVGH, B.v. 17.9.2009 – 3 CE 09.1383 – BeckRS 2009, 43727).
Im vorliegenden Fall ist eine solche Vorwegnahme ausnahmsweise gerechtfertigt. Denn der Antragsteller hat sein Studium – nachdem die Antragsgegnerin die Vorlage einer Exmatrikulationsbescheinigung verlangte – abgebrochen, so dass er dieses nicht bzw. nicht ohne Weiteres fortsetzen kann. Bei einem Verweis auf ein eventuell mehrere Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren (bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss) würden dem Antragsteller daher unzumutbare Nachteile drohen. Auch hat der Antragsteller nach den obigen Ausführungen einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Es wird der volle Auffangstreitwert in Ansatz gebracht, da der vorliegende Beschluss die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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