Medizinrecht

Erkrankung, Krankheit, Anordnungsanspruch, Anordnung, Verwaltungsgerichtshof, Sicherheitsabstand, Teilnahme, Arbeit, Mitwirkungspflicht, Gefahr, Amt, Versicherung, Ausschluss, Zustimmung, einstweilige Anordnung, konkrete Gefahr, eidesstattliche Versicherung

Aktenzeichen  M 7 E 21.2412

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16417
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Mitglied des Gemeinderats der Antragsgegnerin. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (Nr. 2) betrat die Antragstellerin anlässlich der am … April 2021 stattfindenden Gemeinderatssitzung den Sitzungssaal ohne eine FFP2-Maske und legte ein maskenbefreiendes Attest vor. Nachdem sie von dem Vorsitzenden auf die im Vorfeld der Sitzung mehrmals kommunizierte Maskenpflicht hingewiesen und eine Befreiung von der Maskenpflicht nicht anerkannt wurde, wurde die Antragstellerin von diesem in Ausübung seines Hausrechts gebeten, den Sitzungssaal zu verlassen. Hierauf verließ die Antragstellerin den Sitzungssaal.
Mit ihrem Antrag vom … Mai 2021 begehrt die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr die Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen und -abstimmungen ohne Tragen eines Mund- und NasenSchutzes zu gewährleisten. Zur Begründung wird ausgeführt, sie fühle sich aufgrund ihrer ganztägigen Arbeit auf dem familieneigenen Bauernhof an der frischen Luft bei der Nutzung eines Mund- und Nasenschutzes wegen der stark verminderten Sauerstoffzufuhr erheblich beeinträchtigt. Dies führe zu Atembeschwerden und zu Konzentrationsverlust insbesondere im Tagungsraum, in dem sich viele Personen befänden. Auch der Bürgermeister habe ihr gegenüber geäußert, dass er von der Maske Kopfschmerzen bekomme. Durch das Maskentragen sehe sie sich in ihrer körperlichen und geistigen Vitalität in einem solchen Maße eingeschränkt, dass sie ihre Aufgabe als gewählte Gemeinderätin nicht in gleichem Maße wie ihre offensichtlich im Maskentragen geübten Kolleginnen und Kollegen erfüllen könne. Sie wolle ihrem Amt und dem Willen der Gemeindebürger, die sie gewählt hätten, sowie ihrer Pflicht unbeeinträchtigt durch das Maskentragen nachkommen. Sie sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, an den öffentlichen Gemeinderatssitzungen teilzunehmen und abzustimmen. Sie beanspruche für sich und es werde auch von den Bürgern erwartet, dass sie mit ihren vollen geistigen und körperlichen Kräften an den Sitzungen teilnehme, um an den Entscheidungen optimal mitwirken zu können. Eine Ansteckung durch die übrigen Gemeinderatsmitglieder nehme sie in Kauf. Das Tragen einer Maske sei sicherlich geeignet, eine mögliche Ansteckungsgefahr zu verringern. Die Maßnahme sei jedoch nicht erforderlich, da es andere Teilnahmemöglichkeiten wie z.B. Abstand, Schutzmaterial zwischen der Antragstellerin und den übrigen Gemeinderatsmitgliedern oder die Übertragung in einen Nebenraum gebe. In jedem Fall sei ihr Ausschluss von den Sitzungen unverhältnismäßig. Ihr Mitwirkungsrecht und ihre Mitwirkungspflicht hätten einen höheren Stellenwert als die relativ geringere Gefahr, dass sie andere anstecke. Es sei relativ einfach, ihr durch organisatorische Maßnahmen die Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen zu ermöglichen. Zudem sei ein Großteil der gefährdeten Bevölkerung bereits geimpft, sodass praktisch keine konkrete Gefahr mehr bestehe, die Grundrechtseingriffe rechtfertigen würde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 12. April 2021, Az. 20 NE 21.926, Rn. 27, dargelegt, dass eine testverweigernde Schülerin zwar vom Unterricht ausgeschlossen werden dürfe, im Zweifel aber durch Fernunterricht beschult werden müsse. Dies berge eine Parallele zur vorliegenden Rechtslage, wonach der Antragstellerin die Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte durch organisatorische Maßnahmen ermöglicht werden müsse. Im Übrigen sei der Antrag im Zusammenhang mit dem ganzen Pandemiegeschehen zu sehen. Wenn selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beispiellosigkeit der Grundrechtseingriffe festgestellt habe, müsse zumindest das formale Funktionieren von Rechtsstaat und Demokratie höchste Priorität haben. Man müsse den Anfängen wehren. Es gebe in Deutschland Gerichte, die die gesamten Corona-Maßnahmen als verfassungswidrig ansähen. Der Staat sei für Grundrechtseingriffe beweispflichtig, eine Prärogative stehe ihm nur eine gewisse Zeit zu. Der Staat habe bisher nicht überzeugend nachgewiesen, dass es eine Übersterblichkeit wegen Corona gebe, der PCRTest eine Aussage über die Krankheit und deren Verbreitung treffe und dass die Infektionszahlen irgendeine Bedeutung für das Krankheitsgeschehen hätten. Es handele sich anerkanntermaßen um eine Verwaltungszahl von positiv Getesteten, die von den Gesundheitsämtern nachverfolgt werden könnten. Den in Deutschland üblichen wissenschaftlichen Maßstäben halte das nicht stand. Über Letzteres brauche die Kammer nicht zu entscheiden, es gehe um die relativ einfache Frage, ob die Antragstellerin weiter verfassungswidrig von der Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte- und Bürgerpflichten ausgeschlossen werden dürfe. Vorgelegt wurde ein Auszug aus der Sitzungsniederschrift vom … April 2021.
Die Antragstellerin beantragt,
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Teilnahme der Antragstellerin an den Gemeinderatssitzungen und Abstimmungen des Gemeinderats ohne Tragen eines Mund- und Nasenschutzes zu gewährleisten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung trägt sie mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 vor, der Antrag sei zumin dest unbegründet. Der Antragstellerin gehe es um die Sitzungsteilnahme ohne Tragen eines Mund- und Nasenschutzes. Sie könne daher an (weiteren) Gemeinderatssitzungen teilnehmen, solange durch öffentlichrechtliche Vorgaben, z.B. nach der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zumindest auch für Besucher von Rats- und Ausschusssitzungen vorgeschrieben sei. Der Bürgermeister habe im Einvernehmen mit allen übrigen Gemeinderäten die Maskentragungspflicht auch während der Sitzungen beschlossen. Mit der beantragten einstweiligen Anordnung würde im Erfolgsfall das Ergebnis der Hauptsache irreversibel für die bis zu einem rechtskräftigen Urteil stattgefundenen Gemeinderatssitzungen vorweggenommen. Erforderlich sei daher, dass das weitere Abwarten für die Antragstellerin mit unzumutbaren Nachteilen verbunden sei und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Hauptsache bestehe (BayVGH, Az.: 4 CE 21.601 vom 7.4.2021, Rn. 19). Zwar könne die Antragstellerin bei einem weiteren Ausschluss ihr demokratisches Mandat nicht ausüben, gleichwohl müsse zumindest erkennbar sein, welche unzumutbaren Nachteile sie durch die Ausübung ihres Mandats mit einer Mund-Nasen-Bedeckung (FFP2-Maske) erleide. Ein zur Glaubhaftmachung geeignetes „Requisit“ sei in der Antragschrift nicht erwähnt. Es werde bezweifelt, dass die Antragstellerin ständig an der frischen Luft sei, da die ca. 30 Rinder in einem Stall versorgt würden, sodass bezweifelt werden könne, dass die Luftqualität derjenigen außerhalb des Stalls entspreche. Es sei mit den Worten „Atembeschwerden“ und „Konzentrationsverlust“ nicht hinreichend und verifizierbar ausgeführt, worin die erhebliche Beeinträchtigung bestehe. In der o.g. Entscheidung habe ein vorgelegtes Attest mit den Diagnosen „allergisches Asthma (J 45.0 G)“ und „Atemsyndrom (J 80.09 G)“ schon nicht ausgereicht, so dass die Termini „Atembeschwerden“ und „Konzentrationsverlust“ erst recht nicht für eine Befreiung von der Maskenpflicht genügten. Da hierfür jedoch kein Beleg zur Glaubhaftmachung vorgelegt worden sei, käme es hierauf letztlich nicht an. Auch wenn es sein möge, dass das ständige Arbeiten an der frischen Luft eine erhöhte Sensibilität für das Atmen mit bzw. durch eine Maske schaffe, so könnten die in den einschlägigen Verordnungen begründeten Maskentragungsverpflichtungen keinen Unterschied auf unterschiedliche Lebensführungsumstände einzelner Adressaten machen. Die Antragstellerin habe in der Sitzung zwar erwähnt, ein Attest zu haben und es vorgelegt, habe es aber niemanden lesen lassen und wieder an sich genommen. Ob in diesem Attest tatsächlich eine Diagnose oder sonstige Hinweise auf gesundheitliche, durch das Tragen einer Maske entstehende oder begünstigende Beeinträchtigungen enthalten gewesen seien, sei den Gemeinderatsmitgliedern daher nicht bekannt. Um die Qualität eines Gesundheitszeugnisses (vgl. § 278 StGB) zu erreichen, müsse es eine belastbare Diagnose erhalten. Im Übrigen könne nicht der Arzt den Normadressaten befreien, sondern allenthalben eine Entscheidungsgrundlage für die die Norm durchsetzenden Institutionen formulieren. Es fehle quasi „doppelt“ an einer Glaubhaftmachung: Zum einen habe die Antragstellerin während der Gemeinderatssitzung keine Entscheidungsgrundlage für den das Hausrecht ausübenden Bürgermeister geboten, eine Befreiung auszusprechen – wobei eine ad hoc-Entscheidung bei Vorlage eines Attests auch nicht zumutbar gewesen sein dürfte – zum anderen fehle es prozessual an einer Glaubhaftmachung der bei einer Sitzungsteilnahme mit einer FFP2-Maske eintretenden schwerwiegenden Nachteile. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, dass der Antragstellerin die Möglichkeit zur Teilnahme mit Maske geboten worden sei, sie dies abgelehnt habe und dass ihr für den Fall, dass sie ohne Maske teilnehmen wolle, der Ausschluss gem. Art. 53 Abs. 1 GO drohe. Die Bitte des Bürgermeisters, den Saal zu verlassen, habe die uneingeschränkte Zustimmung der übrigen Gemeinderatsmitglieder gefunden. Der in Art. 53 Abs. 1 Satz 3 GO normierten fortgesetzten erheblichen Störung stehe eine Ankündigung der Fortsetzung der Störung gleich, zumal dies eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit anderer mit sich bringe. Der erste Bürgermeister sei als hausrechtswahrende Person zum Schutz der Gemeinderäte und Dritter vor einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 verpflichtet. Die Begründung einer Infektionsgefahr durch die Verweigerung des Maskentragens stelle schon angesichts der unkontrollierbaren Krankheitsverläufe eine erhebliche Gefahr dar und erfülle das Kriterium der Erheblichkeit im Sinne des Art. 53 Abs. 1 Satz 3 GO. Die gesteigerte Infektiosität vermehrt auftretender Virusvarianten und die Regelung in § 2 Abs. 5 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung lege eine Maskenpflicht auch für Gremienmitglieder zumindest nahe. In jedem Fall erscheine die Auferlegung einer Maskenpflicht keinesfalls ermessensfehlerhaft. Nach der „Handhabungsanweisung“ des Innenministeriums könne die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 5 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung auch dann und insoweit auf Gemeinderatsmitglieder übertragen werden, wenn der Sitzungsraum jedem Anwesenden mindestens 10 qm zur Verfügung stelle, Lüftungsmaßnahmen oder Abtrennung vorhanden seien und ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden könne. Derzeit tage der Gemeinderat im größten im Hause zur Verfügung stehenden, 130 qm großen
Gemeindesaal. Bei den Sitzungen seien regelmäßig 13 Gemeinderatsmitglieder einschließlich erstem Bürgermeister, ein Protokollführer, ein Pressevertreter sowie ein bis zwei Referenten zugegen. Bei insgesamt 15 garantiert Anwesenden stünden pro Person 8,73 qm; bei 16 Anwesenden 8,12 qm zur Verfügung. Rechne man die nach dem Hygienekonzept zulässigen acht Zuhörer hinzu, reduziere sich die zur Verfügung stehende Fläche auf ca. 5,62 qm. Daher sei es für jeden Anwesenden unzumutbar, dass sich im Raum eine Person ohne FFP2-Maske aufhalte. Die Möglichkeit der Videoübertragung in einen anderen Raum bedürfe nach Art. 47a n.F. GO eines eine 2/3-Mehrheit tragenden Gemeinderatsbeschlusses. Dieser läge nicht vor und bislang sei auch keine Heranführung eines solchen Beschlusses beantragt worden. Zudem könne die Prognose gewagt werden, dass eine 2/3-Mehrheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Ein genügender, über den bereits Bestehenden hinausgehender Sicherheitsabstand könne aufgrund der räumlichen Voraussetzungen nicht hergestellt werden. Es habe bereits einiger Mühen bedurft, den Abstand von 1,5 m zwischen den Gemeinderatsmitgliedern und weiteren Teilnehmern herzustellen. Bislang gebe es auch keinen Gemeinderatsbeschluss zu abschirmenden Trennwänden, was im Übrigen auch dann und insoweit keine Hilfestellung bieten könne, als sich teilnehmende Personen im Sitzungssaal bewegten, um das persönliche Gespräch zu suchen oder den Saal zu betreten oder zu verlassen. Eine Maskenfreiheit berge das Risiko, dass sich in den auch von anderen Teilnehmern benutzten Wegen bzw. in der Luft Aerosole verbreiteten, hielten und damit eine Infektionsgefahr für jeden Nutzer dieser Wege und Orte geschaffen werde. Vorgelegt wurde eine von neun Gemeinderäten unterzeichnete eidesstattliche Versicherung, in der diese den Vorfall in der Gemeinderatssitzung am … April 2021 beschreiben und u.a. erklären, ihr Einverständnis mit der Vorgehensweise des ersten Bürgermeisters durch Schweigen zum Ausdruck gebracht zu haben und dass sie, wenn ein Teilnehmer ohne Maske an der Sitzung teilgenommen hätte, die Sitzung verlassen hätten.
Die Antragstellerin führt mit Schriftsatz vom … Mai 2021 weiter aus, eine Rechtsgrund lage für das Verbot der Teilnahme an Gemeinderatssitzungen ohne Maske sei nicht gegeben. Da weder Bundesrecht, noch die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorsähen – wovon auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom 7. April 2021, mit der man sich auseinandersetzen müsse, ausgehe – könne die Antragstellerin an der Sitzung ohne Maske teilnehmen. Wenn pro Teilnehmer ca. 5,62 qm zur Verfügung stünden, sei dieser Abstand in einem Quadrat vom 2 x 2 Metern leicht einzuhalten. Der Bundesgesetzgeber und der Landesverordnungsgeber verlangten nicht, dass im Sitzungssaal eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werde, wenn der Abstand von 1,5 m gewährleistet sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof versuche aber, die Bürgermeister zu decken, die erklärten, dass die Gemeinderäte im Sitzungssaal eines größeren Schutzes bedürften. Die Antragstellerin habe in der Sitzung ein Attest dabeigehabt. In Anbetracht der vorgenannten Rechtsprechung nütze ein Attest letztendlich gar nicht, weil die rechtliche Hürde so hoch angesetzt werde, dass es ziemlich aussichtslos erscheine. Die Kammer könne dem Antrag auch ohne Rechtsfragen zum Attest stattgeben. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zeige auf, dass die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung keine Grundlage für eine Maskenpflicht im Sitzungssaal hergebe. Damit verbleibe das Hausrecht, das der Bürgermeister nicht gegen die Verfassung durchsetzen könne. Zum anderen könne die Kammer auch selbst die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für die vorliegende Rechtssache für nichtig erklären. Letztlich ergebe sich aus dem vorgenannten Beschluss, dass weder Bundesgesetze noch Landesverordnungen noch Allgemeinverfügungen eine Maskenpflicht im Sitzungssaal vorsähen, aber nun der Bürgermeister als „letzter“ aus eigener „Machtvollkommenheit“ Corona-Maßnahmen „erfinden“ solle. Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof festgestellten Grundrechtseingriffe erweitere dieser nunmehr um das Hausrecht des Bürgermeisters, das ebenfalls zu Grundrechtseingriffen führe. Die Kammer werde gebeten, diesen weiteren Grundrechtseingriff zu verhindern. Die Kammer könnte weiterhin aufgrund der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse zu dem Ergebnis kommen, dass die dem Gesetzgeber und der Exekutive zustehende Prärogative nicht mehr bestehe, wozu die Antragstellerin im Weiteren ausführlich ausführt. Legislative und Exekutive setzten sich mit den unterschiedlichen Informationen aus der Wissenschaft nicht auseinander. Die Erklärung der Bundeskanzlerin, die Pandemie sei zu Ende, wenn alle geimpft seien, könne nicht Grundlage des Rechtsstaats sein. Wenn weder Wissenschaftler noch Politiker Masken in Sitzungssälen forderten, warum müsse dies dann ausgerechnet der Bürgermeister tun. Im Übrigen sei eine Übersterblichkeit wegen Corona nicht nachgewiesen, es fehle eine wissenschaftliche Begründung für PCR-Tests, Intensivbetten seien immer ausreichend vorhanden gewesen und Infektionszahlen hätten als politische Zahlen nichts mit direkten Gefährdungen zu tun. Daher fehle jegliche Berechtigung für Grundrechtseingriffe. Es sei rechtsstaatlich erschütternd, dass die Exekutive gegen Richter vorgehe, die Grundrechtseingriffe als nichtgerechtfertigt ansähen. Umgekehrt gebe es Richter, die rechtsbeugend ihre politische Auffassung gegen den Bürger durchsetzten. Etwaige Schadenersatzforderungen stünden einer Nichtigerklärung der Verordnungen durch Verwaltungsrichter nicht entgegen, da der Staat nach § 839 Abs. 3 BGB nur bei Ausschöpfung des Rechtswegs schadenersatzpflichtig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 6). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Da hier mit der beantragten Anordnung im Erfolgsfall das Ergebnis der Hauptsache irreversibel vorweggenommen würde, ist für eine einstweilige Anordnung zu fordern, dass das weitere Abwarten für die Antragstellerin mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht. Erforderlich ist daher, dass ganz überwiegende Gründe für das Bestehen eines Rechts auf Teilnahme an der Gemeinderatssitzung ohne Tragen einer Mund-NasenBedeckung sprechen und der Antragstellerin dessen Vorenthaltung nicht länger zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Nach diesen strengen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung im vorliegenden Fall nicht zu erlassen. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist unbegründet, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Teilnahme an künftigen Gemeinderatssitzungen ohne Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht glaubhaft gemacht hat.
1. Ein solcher Anspruch lässt sich insbesondere nicht aus dem – aus der Teilnahmepflicht nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO spiegelbildlich folgenden – Recht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds auf Teilnahme an der Sitzung, Beratung und auf Stimmabgabe im Gemeinderat (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Februar 2020, Art. 48 Rn. 5; VG Augsburg, U.v. 12.8.2019 – Au 7 K 18.1674 – juris Rn. 28) herleiten. Die subjektiven Mitgliedschaftsrechte sollen zwar einerseits sicherstellen, dass das Gemeinderatsmitglied nicht an der Ausübung der aus Art. 48 Abs. 1 GO folgenden Pflichten gehindert wird (vgl. Jung in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.2.2021, Art. 48 GO Vor Rn. 1 m.w.N.). Andererseits folgt aus ihnen aber auch der Anspruch, dass Störungen des Sitzungsablaufs, die die Mandatsausübung beeinträchtigten, durch den Vorsitzenden im Rahmen seiner Ordnungsgewalt unterbunden werden (vgl. Wernsmann/Neudenberger in BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.2.2021, Art. 53 GO Rn. 1; OVG NW, U.v. 27.7.1990 – 15 A 709/88 – juris Rn. 7 f.; U.v. 10.9.1982 – 15 A 1223/80 – NVwZ 1983, 485/486 f.). Dies schränkt die Teilhaberechte des Einzelnen insoweit ein.
Es ist nach Auffassung der Kammer bereits zweifelhaft, ob das in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO wurzelnde Recht der Antragstellerin auf Teilnahme an künftigen Gemeinderatssitzungen durch die Anordnung einer generellen Pflicht zum Tragen einer Mund-NasenBedeckung überhaupt eingeschränkt wird, da die Antragstellerin ihr Teilnahmerecht grundsätzlich auch mit einer Maske umfassend ausüben kann (vgl. VG Saarland, B.v. 17.11.2020 – 3 L 1434/20 – juris Rn. 13). Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen, da an der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer generellen Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Gemeinderatssitzungen durch den ersten Bürgermeister jedenfalls keine rechtlichen Bedenken bestehen.
Rechtsgrundlage für die Anordnung einer generellen Pflicht zum Tragen einer MundNasen-Bedeckung während der Gemeinderatssitzung ist das dem ersten Bürgermeister bzw. seinem Vertreter (Art. 36 Satz 1, Art. 39 Abs. 1 GO) zustehende Recht zur Ausübung der Sitzungsordnung nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GO. Da es sich bei dem Sitzungssaal nicht um eine Begegnungs- und Verkehrsfläche von öffentlichen Gebäuden und sonstigen öffentlich zugänglichen Gebäuden handelt, ergibt sich die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung hingegen nicht aus § 24 Abs. 1 Nr. 2 12. BayIfSMV (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 22 f.). Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Antragstellerin im Zusammenhang mit der von ihr begehrten Nichtigerklärung der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, in denen sie sich u.a. mit der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers auseinandersetzt, nicht entscheidungserheblich.
Als eine den Sitzungsbetrieb störende Verhaltensweise kann in der gegenwärtigen In fektionslage die fortdauernde Teilnahme von Gemeinderatsmitgliedern an Gemeinderatssitzungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden (vgl. für Besucher BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 25). Die Ordnungsgewalt umfasst die Befugnis des Vorsitzenden, zulässige und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, die einen dem Gesetz und der Geschäftsordnung entsprechenden Verfahrensablauf sichern und eine störungsfreie Beratung und Beschlussfassung gewährleisten (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO und BezO für den Freistaat Bayern, Stand: März 2015, Art. 53 GO Erl. 3). Hierbei zielt die dem Sitzungsleiter nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GO gegenüber den Ratsmitgliedern zustehende Ordnungsgewalt nicht bloß auf die Durchsetzung des geschriebenen Rechts, sondern darüber hinaus auf einen möglichst geordneten und reibungslosen Ablauf der Sitzung und damit auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Sitzungssaal (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 25). Unter öffentlicher Ordnung ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln zu verstehen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes anzusehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 25; BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 77; BVerwG, U.v. 26.2.2014 – 6 C 1/13 – juris Rn. 15 m.w.N). In öffentlichen Gemeinderats- und Ausschusssitzungen kann es aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein, den aus der Anwesenheit von Zuhörern resultierenden Gesundheitsrisiken für die (nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO zur Sitzungsteilnahme verpflichteten) Ratsmitglieder durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken und dadurch eine auch von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre zu schaffen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 14.90 – juris Rn. 16; OVG NW, U.v. 10.9.1982 – 15 A 1223/80 – NVwZ 1983, 485/486 f.; OVG RP, B.v. 13.3.1989 – 7 B 11/89 – NVwZ-RR 1990, 98; Wilrich, NVwZ 2021, 131/133 f.). Dies muss aufgrund der Gleichartigkeit der Infektionsgefahr auch für Gesundheitsrisiken gelten, die nicht von Besuchern, sondern von gleichfalls anwesenden Ratsmitgliedern ohne Mund-Nasen-Bedeckung ausgehen. Zu den objektiv bestehenden Risiken, die sich durch Maßnahmen des Hausrechts oder der Ordnungsgewalt minimieren lassen, gehört in der aktuellen Pandemielage die mögliche Ansteckung mit dem Corona-Virus. Wegen der insoweit bestehenden Besorgnisse folgt ebenso wie für die Sitzungsbesucher auch für die Ratsmitglieder aus dem Gedanken der wechselseitigen Rücksichtnahme das sozialethische Gebot, während des gemeinsamen Aufenthalts mit fremden Personen im selben Raum eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und damit einen Beitrag zur Verminderung des Infektionsgeschehens zu leisten. Diese auf Empfehlung sachkundiger Stellen beruhende ungeschriebene Verhaltensregel, die das öffentliche Leben zumindest in Zeiten hoher Inzidenzwerte prägt, kann vom Sitzungsleiter aufgegriffen und zum Gegenstand einer entsprechenden verbindlichen Anordnung gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 26; LG Frankfurt a. M., B.v. 5.11.2020 – 2-03 T 4/20 – juris Rn. 16 zu § 176 Abs. 1 GVG; vgl. insoweit auch BayVerfGH, E.v. 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – Rn. 40 ff.). Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung kann auch eine Pflicht zum Tragen von Masken mit einer höheren Schutzklasse – etwa nach dem Standard FFP2 – angeordnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.2021 – juris Rn. 27; LG Frankfurt a. M., B.v. 5.11.2020 – 2-03 T 4/20 – juris Rn. 28).
Nach diesen Grundsätzen bestehen keine Bedenken, dass die – nach dem insoweit 16 unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin und wie es auch aus Nr. 2 und Nr. 8 der Sitzungsniederschrift vom … April 2021 hervorgeht – durch den ersten Bürgermeister angeordnete und vom Gemeinderat unterstützte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (auch nach dem Standard FFP2) während der Gemeinderatssitzungen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtmäßig ist.
Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Ausüben des dem ersten Bürgermeister bei der Ausübung der Ordnungsgewalt zustehenden Auswahlermessens (vgl. Wernsmann/Neudenberger in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.2.2021, Art. 53 GO Rn. 2) liegen nicht vor. Insbesondere bestehen keine rechtlichen Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Ziel der Maskenpflicht ist sowohl der Schutz von Leben und Gesundheit der Ratsmitglieder und der sonstigen Teilnehmer der Gemeinderatssitzungen vor der Gefahr der Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus und der Erkrankung an COVID-19 (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), als auch die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen insgesamt als sehr hoch ein; zudem erfordere die anhaltende Viruszirkulation in der Bevölkerung die konsequente Umsetzung von Schutzmaßnahmen, insbesondere vor dem Hintergrund der raschen Ausbreitung leichter übertragbarer besorgniserregender Virusvarianten. 38% der Bevölkerung seien einmal, 11,9% der Bevölkerung vollständig gegen COVID-19 geimpft (vgl. Lagebericht des RKI vom 19.5.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/M ai_2021/2021-05-19-de.pdf? _blob=publicationFile). Die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen liegt bei 53,9 (Dashboard RKI, Stand: 20.5.2021, 3:10 Uhr, abrufbar unter www.rki.de). Die Gefahr einer Infektion mit dem SARS-CoV-2- Virus besteht daher trotz rückläufiger Fallzahlen und zunehmender Impfraten in der Bevölkerung nach wie vor. Daran ändert auch der Einwand der Antragstellerin, dass zwischenzeitlich ein Großteil der gefährdeten Bevölkerungsgruppen geimpft sei, nichts. Dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung grundsätzlich geeignet ist, die Ansteckungsgefahr sowohl für den Träger, als auch für Dritte zu reduzieren, wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Mildere, gleichgeeignete Mittel, wie beispielsweise die Abtrennung der Sitzplätze durch Plexiglasscheiben, die Erhöhung der Abstände oder eine Videoübertragung in einen separaten Raum sind nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgrund der tatsächlichen bzw. räumlichen Umstände nicht vorhanden. Die Anordnung einer Maskenpflicht ist schließlich auch angemessen. Im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit der Ratsmitglieder und der Besucher sowie der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats ist eine etwaige Beeinträchtigung der Ratsmitglieder durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Regel nur von geringerem Gewicht und ihnen demnach zumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 4 CE 21.601 – juris Rn. 27; BVerfG, B.v. 28.9.2020 – 1 BvR 1948/20 – juris Rn. 5; OVG Saarland, B.v. 19.11.2020 – 2 B 350/20 – juris Rn. 11). Etwaigen Beeinträchtigungen kann zudem problemlos durch die Einlegung von Sitzungspausen, in denen die Teilnehmer nach draußen gehen und die Maske abnehmen können, entgegengewirkt werden.
2. Die Antragstellerin hat weiter keinen Anspruch darauf, im Falle ihrer Weigerung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht von der Sitzung des Gemeinderats ausgeschlossen zu werden.
Nach Art. 53 Abs. 1 Satz 3 GO kann der Vorsitzende mit Zustimmung des Gemeinderats Mitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung ausschließen. Eine Störung ist erheblich, wenn durch das Verhalten des Gemeinderatsmitglieds der Fortgang der Beratungen oder Abstimmungen unmöglich gemacht oder jedenfalls wesentlich erschwert wird (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.1987 – 4 B 86.01352 – BayVBl. 1988, 16/17). Hierbei ist erforderlich, dass das Verhalten des Gemeinderatsmitglieds ursächlich für die Beeinträchtigung ist, mithin die Beeinträchtigung gerade dem Gemeinderatsmitglied zuzurechnen ist (vgl. BayVGH, a.a.O.; Wernsmann/Neudenberger, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand. 1.2.2021, Art. 53 GO Rn. 14). Notwendig ist weiterhin die Zustimmung des Gemeinderats. Diese muss nicht zwingend durch förmlichen Beschluss erklärt werden, vielmehr gilt sie auch als erteilt, wenn sich aus der Mitte des Gemeinderats kein Widerspruch erhebt (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LkrO und BezO für den Freistaat Bayern, Stand: März 2015, Art. 53 GO Erl. 3).
Nach diesen Grundsätzen würde die Weigerung der Antragstellerin, eine Mund-Nasen-Bedeckung in der Gemeinderatssitzung zu tragen, schon aufgrund der hierdurch von ihr ausgehenden potenziellen Infektionsgefahr als fortgesetzte erhebliche Störung der Ordnung anzusehen sein. Darüber hinaus haben die übrigen Gemeinderatsmitglieder in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben, dass sie die Gemeinderatssitzung am … April 2021 verlassen hätten, wenn die Antragstellerin ohne Maske teilgenommen hätte. Da dies bei künftigen Gemeinderatssitzungen und gleicher Sachlage vermutlich ebenfalls der Fall sein wird, wäre ein geordneter Sitzungsablauf auch deshalb kaum mehr möglich. Die erforderliche Zustimmung des Gemeinderats wurde stillschweigend erteilt (vgl. die eidesstattliche Versicherung der Gemeinderäte).
Der Ausschluss wäre zudem verhältnismäßig. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Die Antragstellerin hat ferner keine individuellen Gründe für eine etwaige Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat sie weder ein ärztliches Attest vorgelegt, noch überhaupt detaillierte Angaben zu einer etwaigen, im vorgelegten Attest gegebenenfalls diagnostizierten Erkrankung gemacht. Alleine die Behauptung, aufgrund ihrer Gewöhnung an die frische Luft beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an Atembeschwerden und Konzentrationsverlust zu leiden, ist keinesfalls ausreichend. Dass die Antragstellerin vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2021 die Vorlage eines Attests aufgrund der hohen rechtlichen Hürden als aussichtslos ansieht, vermag über die fehlende Glaubhaftmachung nicht hinwegzuhelfen. Aus diesem Grund war über die vom Bürgermeister im Einverständnis mit dem Gemeinderat getroffene Entscheidung, keine Befreiung von der Maskenpflicht anzuerkennen (vgl. Nr. 8 der Sitzungsniederschrift vom 13. April 2021), nicht zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da die beantragte einstweilige Anordnung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ausgerichtet ist, besteht für die Herabsetzung des Streitwerts keine Veranlassung.


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