Medizinrecht

Führen einer Professorenbezeichnung, Zusatzpflicht für einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Titel, Berufsausübungsfreiheit

Aktenzeichen  Au 8 K 20.179

Datum:
13.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12285
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
Berufsordnung für die Ärzte Bayerns § 27 Abs. 6 S. 4 der

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Die als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene Klage ist unbegründet.
1. Die Klägerin ist nicht berechtigt, ihre Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen.
a) Gemäß § 27 Abs. 6 Satz 4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO), in Kraft getreten am 1. Januar 2021, darf die Bezeichnung „Professor“ nur unter Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit geführt werden, wenn diese von einer anderen als einer medizinischen Fakultät verliehen worden ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Professorentitel der Klägerin nicht von einer medizinischen Fakultät verliehen worden ist. Die Klägerin ist Professorin für Traditionelle Europäische Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin und Medizinpädagogik an der staatlich anerkannten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport, * (im Folgenden: DHGS). Bei der DHGS handelt es sich nicht um eine medizinische Fakultät im Sinne des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO. Bei wortlautgetreuer Anwendung der Norm ist die Klägerin daher nicht berechtigt, ihren Professorentitel ohne den von dem Beklagten verlangten Zusatz zu führen.
b) § 27 Abs. 6 Satz 4 BO verstößt entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
Zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt danach auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (BVerfG, B.v. 24.7.1997 – 1 BvR 1863/96 – juris m.w.N.). In diesen Schutzbereich greift das Verbot, einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitel ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen, ein.
Dieser Eingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Eine solche liegt mit § 27 Abs. 6 Satz 4 BO vor, denn auch die auf gesetzlicher Grundlage erlassenen, als Satzungen zu qualifizierenden Berufsordnungen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft werden dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht (vgl. BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – BayVBl. 2004, 46/48 = juris Rn. 53 zu Art. 101 BV). Die vorliegende Berufsordnung findet ihre Ermächtigungsgrundlage wiederum in Art. 19 i.V.m. Art. 17 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG), wonach die Berufsordnung insbesondere Vorschriften über die Praxisankündigung (Art. 19 Nr. 3 HKaG) sowie das Ausmaß des Verbots oder der Beschränkung der Werbung (Art. 19 Nr. 7 HKaG) enthalten kann.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vorliegend gewahrt. Die aus § 27 Abs. 6 Satz 4 BO resultierende Nichtberechtigung, einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitel ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen, stellt eine Berufsausübungsregelung dar und greift somit lediglich auf der untersten Stufe in die Berufsfreiheit der Klägerin ein. Berufsausübungsregelungen sind nach der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts schon dann gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls diese zweckmäßig erscheinen lassen (BVerfG, U.v 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – NJW 1958, 1035). Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt somit dann nicht vor, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn die dadurch bewirkte Beschränkung der Berufsausübung dem Betroffenen zumutbar ist (BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 56). Der mit der Norm verfolgte Zweck ergibt sich aus § 27 Abs. 1 BO. Sie dient der Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und der Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs. Irrtümern in der Bevölkerung über die medizinische Qualifikation eines Arztes, die durch das Führen eines ggf. fachfremden akademischen Titels entstehen können, soll hierdurch entgegengewirkt werden. Die Vorschrift dient damit letztlich dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung (vgl. VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 – 12 A 3047/99 – juris Rn. 33 ff.; BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 57).
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO, die an die Verleihung der Bezeichnung „Professor“ durch eine medizinische Fakultät anknüpft, auch zur Erreichung des dargestellten Zwecks geeignet. Bei der Beurteilung der Geeignetheit des Mittels für den angestrebten Gemeinwohlzweck wird dem Normgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zugebilligt (Kämmerer in v. Münch/Kunig, 7. Aufl. 2021, GG, Art. 12 Rn. 126). Die Maßnahme muss geeignet sein, den verfolgten Zweck zumindest zu fördern; verfassungswidrig ist eine Maßnahme damit letztlich nur dann, wenn sie nicht dazu beiträgt, wenigstens einen legitimen Gesetzeszweck zu erfüllen (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, GG, Art. 12 Rn. 132). Das Führen eines Zusatzes, der auf die Herkunft eines nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitels hinweist, ist nach Auffassung des Gerichts geeignet, Irrtümer der Bevölkerung über die medizinische Qualifikation eines Arztes zu vermeiden (anders im Fall einer vollständigen Versagung der Berechtigung zum Führen eines Professorentitels: VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 – 12 A 3047/99 – juris Rn. 36 ff.). Potentielle Patienten haben ein berechtigtes Interesse daran, über die Herkunft eines nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitels informiert zu werden, denn ihr Vertrauen auf die besondere Qualifikation des Arztes im medizinischen Bereich knüpft gerade an die Verleihung des Titels durch eine medizinische Fakultät an. Nicht überzeugend ist die Auffassung des VG Oldenburg (a.a.O.), wonach das formale Kriterium der Verleihung durch eine medizinische Fakultät deshalb ungeeignet sei, weil Irrtümer auch erzeugt würden, wenn der Professorentitel auf Vorschlag einer medizinischen Fakultät, aber beispielsweise im medizinisch-historischen oder medizinisch-soziologischen Bereich verliehen worden sei. Selbst wenn ein solcher Titel aus der Sicht eines Teils der Öffentlichkeit möglicherweise kein auf den Arztberuf bezogenes Qualifikationsmerkmal darstellen würde, führt dies noch nicht zur völligen Ungeeignetheit des in § 27 Abs. 6 Satz 4 BO vorausgesetzten Kriteriums der Verleihung durch eine medizinische Fakultät. Denn es ist nicht erkennbar, dass dies der Regelfall wäre. Es mag weiter zutreffen, dass aus dem Umstand, dass der Professorentitel nicht auf Vorschlag einer medizinischen Fakultät verliehen wurde, nicht stets zu folgern ist, dass eine entsprechende wissenschaftliche Qualifikation im medizinischen Bereich nicht vorhanden ist (so VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 – 12 A 3047/99 – a.a.O.). Dies führt indes ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Satzungsgeber musste nicht alle denkbaren Möglichkeiten und Sichtweisen berücksichtigen, sondern durfte aus Gründen der Praktikabilität eine typisierende und pauschalierende Norm erlassen (BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 59).
Die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO ist auch erforderlich und angemessen. Sie verpflichtet lediglich zur Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse, indem auf die Herkunft der Bezeichnung „Professor“ hinzuweisen ist (vgl. BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 54). Die Klägerin muss die ihr den Titel verleihende Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport nicht einmal in ausgeschriebener Form angeben. Die Beklagte hat ihr gegenüber bestätigt, dass insoweit die Abkürzung „DHGS *“ ausreichend ist. Demgegenüber stellt der mit der Norm verfolgte Zweck des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung ein Gemeinschaftsgut von hohem Rang dar. In Abwägung der widerstreitenden Interessen ist eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin somit nicht erkennbar.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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