Medizinrecht

Honorarvertragsklausel für Jungpraxis

Aktenzeichen  L 12 KA 35/15

Datum:
14.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
Honorarvertrag 2.1 B Nr. 4 Abs. 2
SGG SGG § 143, § 144, § 151, § 153 Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 197a
VwGO VwGO § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Bestimmung im Honorarvertrag, nach der bei Jungpraxen statt der Abrechnungszahlen des Vorjahresquartals die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal maßgeblich sind, begrenzt durch den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. (amtlicher Leitsatz)
2 Neu gegründete Praxen sind für die Zukunft des Aufbaus hinsichtlich der Fallzahlzuwachsregelungen von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen, nicht aber hinsichtlich der Umsatzsteigerungen generell.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 39 KA 72/13 2014-12-05 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Dezember 2014, S 39 KA 72/13, wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zunächst wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, denen sich der Senat anschließt, § 153 Abs. 2 SGG.
Auch die in zweiter Instanz vorgetragenen Argumente, die im Wesentlichen denen der ersten Instanz entsprechen, führen zu keinem anderen Ergebnis.
Das Bundessozialgericht hat wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl. z. B. BSG vom 17.07.2013, – B 6 KA 32/12 R = BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 76; vom 10.3.2004, – B 6 KA 3/03 R = BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 9).
Dem Vertragsarzt muss – wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der so genannten Honorarverteilungsgerechtigkeit – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit dem Berufskollegen zu verbessern. Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 03.02.2010, B 6 KA 1/09 R jedoch klargestellt, dass, soweit in Teilen des Senats ausgeführt worden sei, neu gegründete Praxen seien für die Zukunft des Aufbaus „von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen“, klarzustellen sei, dass sich dies nicht auf Umsatzsteigerungen generell bezog, sondern allein auf Fallzahlzuwachsregelungen. Der Kläger jedoch möchte mit seinem Begehren erreichen, dass er von Wachstumsbegrenzungen während seiner Zeit als Jungpraxis bis zum Erreichen des Durchschnittsumsatzes der Fachgruppe vollkommen freigestellt wird. Da er die Fallwertzuweisungen der QZV nicht angegriffen hat, bedeutet dies im Endeffekt, dass er von jeglichen Fallzahlbegrenzungen freigestellt werden möchte und demnach seine tatsächlichen Honorarabrechnungen vergütet haben möchte, soweit diese den Fachgruppendurchschnitt nicht überschreiten. Dieses Begehren deckt sich aber nicht mit der Regelung im HVV (Abschnitt 2.1 B Ziffer 4.1 Abs. 2), die der Beklagte unstreitig korrekt umgesetzt hat. Der Kläger bemängelte auch nicht die unkorrekte Umsetzung, sondern die Rechtswidrigkeit der Bestimmung.
Die Bestimmung, nach der bei Jungpraxen statt der Abrechnungszahlen des Vorjahresquartals die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal maßgeblich sind, begrenzt durch den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt, begegnet jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat hier ebenso wie der Bewertungsausschuss für die Vorgaben für den Inhalt der RLV und QZV und zur Bestimmung des Verfahrens für deren Berechnung ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit. Dadurch, dass die Beklagte in ihrem HVV für Jungpraxen in Bezug auf die Fallzahl nicht auf die Fallzahlen des Vorjahresquartales, sondern auf die Zahlen des jeweiligen Abrechnungsquartal bis zur Höhe des Fachgruppendurchschnitts abstellt, wird sie dem Ziel, Jungpraxen die Möglichkeit zur Umsatzsteigerung bis zum Durchschnitt der Fachgruppe zu gewähren, gerecht. Die Regelung ist daher rechtmäßig. Dass der Kläger von dieser Regelung vorliegend nicht profitiert, ist seiner speziellen Praxisausgestaltung geschuldet. Ihm wäre es auch durchaus möglich, zum Fachgruppendurchschnitt aufzuschließen, indem er nicht seine QZV- Fälle, sondern seine RLV-Fälle steigert. Dass er durch seine spezielle Ausrichtung der Schmerztherapie hier durch die QZV-Fallzahlen beschränkt ist, ist seiner speziellen Ausrichtung geschuldet, die jedoch Ausfluss seiner unternehmerischen Entscheidung ist. Die HVV Regelung als generalisierende Ausnahmevorschrift für Jungpraxen muss jedoch nicht auf sämtliche möglichen Konstellationen eingehen. Die vom Kläger bevorzugte Auslegung, ohne Fallzahlbegrenzung bis zum Fachgruppendurchschnitt abrechnen zu können, wäre auch rein praktisch schwer umsetzbar und würde dem grundsätzlichen Ziel der RLV- und QZV Systematik – Leistungsausweitungen zu vermeiden – zuwiderlaufen. Sofern die Honorarberechnung anhand der Fallzahlen des Klägers (RLV und QZV) bei seinen individuellen Fallwerten zu einem Honorar oberhalb des Fachgruppendurchschnitts führen würde, könnte nur das Gesamthonorar auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt werden, wofür es wiederum keine Rechtsgrundlage gibt. Es ist dem Kläger auch durchaus zuzumuten, das einjährige Moratorium unter Berücksichtigung der einschlägigen Honorarvertragsregelungen für die Vergütung von erhöhten Fallzahlen abzuwarten oder seine Praxisausrichtung umzustellen, um auf das von ihm gewünschte Honorar zukommen. Ein Anspruch auf ein Honorar bis zum Fachgruppendurchschnitt ohne Fallzahlbegrenzung entbehrt jedenfalls jeder Rechtsgrundlage. Ein Anspruch kann auch nicht aus der Anerkennung eines Härtefalls abgeleitet werden, denn dieser setzt neben der Existenzgefährdung der Praxis (die hier weder vorgetragen wurde und oder im Raum steht) und einem bestehenden Sicherstellungsbedarf voraus, dass die maßgeblichen Umstände nicht von der Praxis zu vertreten sind. Hier ist jedoch allein der Praxisschwerpunkt Schmerztherapie innerhalb der QZV Leistungen für die Fallzahlbegrenzung und die damit verbundene QZV-Obergrenze verantwortlich. Zudem wurde der speziellen Praxisausrichtung des Klägers durch eine Erhöhung der Fallwerte Rechnung getragen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.07.2013, B6 KA 44/12 verweist, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Gegenstand dieses Urteils war keine Jungpraxis, sondern eine lediglich unterdurchschnittlich abrechnende Praxis. In diesem Fall hatte das BSG es ebenfalls für rechtmäßig erachtet, dass die entsprechende Regelung im HVV in Umsetzung der Vorgaben des Bewertungsausschusses ein einjähriges Moratorium vorgesehen hatte, denn Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen müssten nicht von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden. Ein Anspruch darauf, dass die Gesamtzahl der in einem Quartal behandelten Fälle jeweils sogleich dem RLV für dieses Quartal zugrunde gelegt würde, bestehe nicht. Praxen müssten nur in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden Zeit noch die effektive d. h. realistische Möglichkeit zu haben, den Durchschnittsumsatz erreichen. Diese Möglichkeit verbleibt dem Kläger auch im vorliegenden Fall.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


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