Medizinrecht

Hundesteuersatzung, Prozeßbevollmächtigter, Verwaltungsgerichte, Gesamtschuldnerische Haftung, Klagebefugnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Ausgleichsanspruch, Widerspruchsbescheid, Landwirtschaftlicher Betrieb, Rechtsmittelbelehrung, Berufungszulassung, Streitwertfestsetzung, Schriftsätze, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Kostenentscheidung, Abgabensatzung, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Streitwertkatalog, Steuerfreiheit, Hundehaltung

Aktenzeichen  Au 2 K 19.1058

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41349
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Parteien hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die von der Klägerin zu 2 erhobene Klage erweist sich als unzulässig. Die Klage des Klägers zu 1 ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage der Klägerin zu 2 ist – selbst wenn diese wegen der nur gegenüber dem Kläger zu 1 erfolgten Verbescheidung des (auch) von ihr erhobenen Widerspruchs als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO betrachtet würde – mangels Klagebefugnis bzw. wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet (s. unten). Die Klägerin zu 2 besitzt als Nichtadressatin der angefochtenen Bescheide nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Mangels Beschwer würde sie im Übrigen auch nicht über das für die Zulässigkeit der Klage notwendige Rechtschutzbedürfnis verfügen. Die Kläger sind als gemeinsame Halter und (Mit-)Eigentümer der Hunde „…“ und „…“ gesamtschuldnerisch hundesteuerpflichtig. Nach § 3 Abs. 2 der Hundesteuersatzung sind mehrere Personen, die gemeinsam einen oder mehrere Hunde halten, Gesamtschuldner. Daraus folgt, dass die Beklagte die Leistung der Hundesteuer nur von einem der Beitragspflichtigen fordern darf (§ 421 Satz 1 BGB). Ein nicht in Anspruch genommener Gesamtschuldner ist aber nicht berechtigt, im Klageweg gegen einen Bescheid, der gegenüber einem anderen Schuldner erlassen worden ist, vorzugehen. Die auf § 3 Abs. 2 der Hundesteuersatzung beruhende gesamtschuldnerische Haftung der Hundehalter für die Hundesteuer vermag daher weder eine Widerspruchs- noch eine Klagebefugnis der Klägerin zu 2 zu begründen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.1975 – IV C 76.42 – KStZ 1975, 129; BayVGH, B.v. 14.1.2008 – 6 CS 04.3182 – juris Rn. 2; B.v. 20.12.1995 – 23 CS 94.3352 – juris; SächsOVG, B.v. 11.3.2013 – 5 A 751/10 – NJW-RR 2013, 1162; VG Augsburg, U.v. 27.3.2019 – Au 6 K 18.1246 – juris Rn. 23). Auch die Möglichkeit, dass die Klägerin zu 2 einem Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners, der die Beitragsforderung erfüllt hat, ausgesetzt sein könnte (vgl. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB), vermittelt ihr nicht die erforderliche Klagebefugnis, da sie in ihrem Recht, dem Ausgleichsanspruch Einwendungen entgegenzuhalten, durch das vorliegende Verfahren nicht eingeschränkt wird. Das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende zivilrechtliche Schuldverhältnis steht nämlich rechtlich unabhängig neben dem Abgabenschuldverhältnis zwischen Abgabengläubiger und dem persönlich herangezogenen Beitragspflichtigen (BVerwG, U.v. 31.1.1975 – IV C 76.42 – KStZ 1975, 129; B.v. 13.3.1995 – 8 B 5.95 – BayVBl 1995, 764; BayVGH, B.v. 14.1.2008 – 6 CS 04.3182 – juris Rn. 2; VG Augsburg, U.v. 22.12.2011 – Au 2 K 10.1430 – juris Rn. 21).
Die Klage des Klägers zu 1 ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die ausschließlich an ihn gerichteten Hundesteuerbescheide der Beklagten vom 12. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 19. Juli 2019 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Erlass der Hundesteuerbescheide vom 12. Januar 2019 ist Art. 3 KAG i.V.m. der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Satzung für die Erhebung der Hundesteuer der Beklagten vom 1. Oktober 2010 (im Folgenden: Hundesteuersatzung). Die Beklagte kann örtliche Verbrauch- und Aufwandssteuern erheben, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind (Art. 3 Abs. 1 KAG). Die Abgaben werden aufgrund einer besonderen Abgabensatzung erhoben (Art. 2 Abs. 1 KAG). Die Beklagte hat mit dem Erlass der Hundesteuersatzung vom 1. Oktober 2010 von dem ihr gesetzlich zustehenden Satzungsrecht Gebrauch gemacht. Die Hundesteuer fällt unter die herkömmlichen gemeindlichen Aufwandssteuern (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2013 – 9 B 41.12 – juris; VG München, U.v. 27.9.2012 – M 10 K 11.6018 – juris; VG Trier, U.v. 1.10.2009 – 2 K 327/09 – juris). Gleichartige bundesrechtliche Steuerregelungen sind nicht vorhanden. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Hundesteuersatzung der Beklagten bestehen nicht.
Gemäß § 1 der Hundesteuersatzung unterliegt das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Stadtgebiet einer gemeindlichen Jahresaufwandsteuer nach Maßgabe dieser Satzung. Der Kläger zu 1 ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Hundesteuersatzung Steuerschuldner, da er zumindest auch Halter der beiden Pyrenäenberghunde „…“ und „…“ ist (§ 3 Abs. 1 Satz 4 der Hundesteuersatzung). Als Hundehalter gilt, wer einen Hund im eigenen Interesse oder im Interesse seiner Haushalts- oder Betriebsangehörigen aufgenommen hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2 der Hundesteuersatzung). Der Kläger hat die Hunde im eigenen Interesse dauerhaft aufgenommen.
Ein steuerfreies Halten von Hunden im Sinn von § 2 Nr. 1 bzw. Nr. 5 der Hundesteuersatzung liegt nicht vor. Das Halten der Hunde dient weder Erwerbszwecken (Nr. 1), noch handelt es sich um Hunde, die zur Bewachung von Herden zwingend notwendig sind (Nr. 5).
Eine Haltung der Hunde (ausschließlich) zu Erwerbszwecken ist weder vorgetragen, noch ist dies sonst in einer zur Bejahung des Befreiungstatbestands des § 2 Nr. 1 der Hundesteuersatzung ausreichender Weise erkennbar. Vielmehr ergibt sich aus dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt, dass die Hunde (auch) Freizeitzwecken zu dienen bestimmt sind. Dafür spricht neben der Zahl der gehaltenen Hunde u.a. der zeitliche Umfang der Haltung am bzw. im Wohnhaus der Kläger (vgl. z.B. VG Meiningen, U.v. 23.10.2019 – 5 K 307/17 – juris Rn. 57 ff. m.w.N; VG Augsburg, U.v. 16.4.2007 – Au 6 K 07.15 – juris Rn. 38 ff.).
Die Pyrenäenberghunde sind als Herdenschutzhunde zur Bewachung der zum landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger gehörenden Viehherden nicht notwendig und folglich auch nicht steuerfrei im Sinn von § 2 Nr. 5 der Hundesteuersatzung. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Angaben der Beteiligten hierzu und aus der vom Gericht erholten Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 8. Oktober 2019. Danach kann in Bezug auf die Haltung der Hunde „…“ und „…“ nicht die für die Steuerfreiheit nach § 2 Nr. 5 der Hundesteuersatzung verlangte Notwendigkeit für die Bewachung der klägerischen Viehherden festgestellt werden (s. hierzu z.B. VG München, U.v. 24.9.2015 – M 10 K 14.60 – juris; VG Trier, U.v. 20.5.2010 – 2 K 58/10.TR – juris Rn. 20). Die Kläger besitzen nach den Angaben des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … zwar (mindestens) ca. 16 Mutterkühe mit Kälbern und ca. 30 Mutterschafe mit Lämmern, die sie in der Regel als (Teil-)Herden – auf den verschiedenen zur Verfügung stehenden Wiesenlagen rotierend – im Weidebetrieb halten. Jedoch besteht keine zwingende Notwendigkeit für die Bewachung der Herden durch die zur Hundesteuer veranlagten Pyrenäenberghunde. Die Notwendigkeit für die Bewachung von Herden kann nur dann angenommen werden, wenn der Schutz der Kuh- bzw. Schafherden durch menschliches Zutun oder anderweitige Maßnahmen nicht garantiert werden kann. Lässt sich der Zweck auch ohne Haltung von Hunden erreichen oder ergibt sich aus der Art und dem zeitlichen Umfang der Schutzzwecken dienenden Haltung, dass allenfalls von einer bedingten bzw. temporären betrieblichen Erforderlichkeit ausgegangen werden kann, so besteht kein alternativloser Bedarf für den Einsatz der Tiere. Die Kuh- und Schafherden der Kläger befinden sich in der Regel auf (mittels Elektrozaun) umzäunten Weidebereichen. Durch diese Umzäunung werden die Herden ausreichend effektiv geschützt. Zwar befinden sich in der Nähe der Weiden der Kläger Wälder sowie ein Naturschutzgebiet, so dass Angriffe durch Wildtiere nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Zumindest größere Wildtiere dürften aber durch die elektrische Umzäunung von Übergriffen abgehalten werden. Zudem hätten die Kläger grundsätzlich auch die Möglichkeit, ihre Herden durch die Unterbringung in ihren Ställen zu schützen. Es ist jedoch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass den Klägern bei entsprechendem Schutzbedarf die Aufstallung ihrer Herden nicht möglich bzw. unzumutbar wäre. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Hunde tatsächlich in der fachlich gebotenen Weise zum Herdenschutz eingesetzt werden. Bei Ortsbesichtigungen durch Mitarbeiter der Beklagten, durch das Veterinäramt und durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … befanden sich Hunde der Kläger zu keinem Zeitpunkt bei den Herden. Vielmehr hielten sich die Hunde am Wohnhaus der Kläger auf. Zudem wurde von Klägerseite gegenüber dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … am 6. September 2019 eingeräumt, dass die Hunde momentan tagsüber nur zeitweise und nachts gar nicht zum Herdenschutz eingesetzt würden. Damit erfüllen die Hunde nicht die in § 2 Nr. 5 der Hundesteuersatzung geregelte tatbestandliche Voraussetzung, dass sie „zur Bewachung von Herden notwendig“ sind. Eine bloße Nützlichkeit der Hunde zum Schutz der Viehherden des klägerischen Betriebs reicht nicht aus (vgl. VG Trier a.a.O. Rn. 20). Dass derzeit im Gebiet der Weideflächen der Kläger Angriffe durch Wölfe abzuwehren wären, ist im Übrigen konkret nicht ersichtlich. Allein die Anwesenheit von Wölfen in Bayern rechtfertigt im vorliegenden Fall (noch) nicht die Notwendigkeit des Schutzes durch Herdenschutzhunde zumal es sich bei dem Gemeindegebiet der Beklagten nicht um ein definiertes Wolfsgebiet nach den Festlegungen des „Bayerischen Aktionsplans Wolf“ handelt.
Da im Fall der Hunde „…“ und „…“ im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr 2019 die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 1 bzw. Nr. 5 der Hundesteuersatzung nicht vorliegen, konnte auch die vom Kläger zu 1 erhobene Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).


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