Medizinrecht

Kein Kontrahierungszwang zum Basistarif der privaten Krankenversicherung gegenüber Ausländern mit befristetem Aufenthaltstitel

Aktenzeichen  10 O 1137/20 Ver

Datum:
6.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6662
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 193 Abs. 5 Nr. 2
VAG § 152 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 11 S. 1
SGB XII § 23 Abs. 1 S. 1, § 48
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 6, Art. 20

 

Leitsatz

Ein privater Krankenversicherer ist nicht verpflichtet, einen vor seiner Ausbürgerung gesetzlich Krankenversicherten im Basistarif zu versichern, wenn der Antragsteller als Ausländer (hier: US-Amerikaner) mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland zurückkehrt, auch wenn für ihn eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht (ebenso LG Köln BeckRS 2016, 115658). (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.909,48 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der Krankenversicherung der Beklagten gem. § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG § 152 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VAG hat.
1. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München II ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig, da der Streitwert gem. §§ 3, 9 ZPO mit 30.909,48 € über 5.000,00 € liegt. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG, da der Wohnsitz der Klägerin im Gerichtsbezirk des Landgerichts München II liegt.
2. Die Klage ist unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der Krankenversicherung der Beklagten gem. §§ 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG, 152 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VAG hat.
Zwar ist die Klägerin aufgrund von § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht versicherungspflichtig gem. § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VVG (siehe a.), jedoch besteht dennoch kein Kontrahierungszwang der Beklagten, da die Klägerin nach Auslegung der maßgeblichen Vorschriften jedenfalls nicht den privaten Krankenversicherungen zuzuordnen ist (siehe b.). Hierfür spricht auch das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.06.2009 (siehe c.), das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.04.2013 greift dagegen nicht (unter d.).
Das hier erkennende Gericht schließt sich in seiner Rechtsauffassung bezüglich der fehlenden Zuordnung von ausländischen Staatsangehörigen mit befristetem Aufenthaltstitel zu privaten Krankenversicherungen dem LG Köln, Urteil vom 06.04.2016 – 23 O 188/15 in einem sehr ähnlich gelagerten Fall, an – wie auch das LG Düsseldorf in seinem Urteil vom 19.02.2020 – 9 O 190/19. Beide Urteile basieren in ihrer Argumentation auf der Entscheidung des BGH vom 16.07.2014 – IV ZR 55/14.
a. Ein Anspruch auf Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung besteht gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VVG nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind.
Da die Klägerin solange sie in Deutschland gelebt hat (bis 1977), gesetzlich krankenversichert war, wäre sie eigentlich gem. § 3 Nr. 2 SGB IV i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Durch den Verlust ihrer Staatsangehörigkeit gilt aber nun für sie die Vorschrift des § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V.
Die Vorschrift § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V konkretisiert für ausländischen Staatsangehörige, die – wie die Klägerin – nicht (mehr) Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, dass diese von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nur erfasst werden, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Erlaubnis keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht (so auch LG Köln, a.a.O. Rz. 19).
Im vorliegenden Fall besitzt die Klägerin einen befristeten Aufenthaltstitel, der bis zum 20.08.2022 gültig ist und somit mehr als 12 Monate erfasst. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt somit lediglich deshalb nicht vor, weil für sie die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht und dies von ihrem Schwiegersohn Herrn … zugesichert wurde.
b. Eine Verpflichtung der Beklagten, mit der Klägerin eine Versicherung im Basistarif abzuschließen, ergibt sich nicht aus § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG, da eine grundsätzliche Zuordnung der Beklagten zum System der privaten Krankenversicherungen fehlt.
i. Ein solcher Kontrahierungszwang gem. § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG kommt nur in Betracht, wenn eine Person grundsätzlich dem Bereich der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist (BGH NJW 2014, 3516, 3517 Rn. 14). Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen Personen, bei denen eine Krankenversicherung fehlt, in dem System versichert werden, dem sie zuzuordnen sind (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 87; 16/4247, S. 67). Zu dem Kreis der privat versicherten Personen gehören z.B. Beamte, Selbstständige oder Beschäftigte bei Überschreitung der Einkommensgrenze (vgl. BGH NJW 2014, 3516, 3517 Rn. 15).
Eine solche Zuordnung der Klägerin zum System der privaten Krankenversicherung gelingt nicht, weil sie zum einen bisher nicht privat krankenversichert war und zum anderen auch nicht zu dem den privaten Krankenversicherungen zugeordnetem Personenkreis gehört. Zwar wird von der Klägerin richtig vorgetragen, dass der Basistarif der privaten Krankenversicherungen auch für Personen im hohen Lebensalter mit Vorerkrankungen angeboten werden muss, jedoch bezieht sich dies nur auf den oben genannten Personenkreis. Die Klägerin war zudem auch bereits von 1960 bis zu ihrer Auswanderung im Jahre 1977 gesetzlich versichert, so dass sie sich bereits schon vor ihrer Auswanderung in dem Personenkreis der gesetzlichen Krankenversicherungen befunden hat. Dabei ist unerheblich, dass sich die gesetzliche Krankenversicherung der Auffassung ist, dass sie nicht zur Übernahme des Versicherungsschutzes verpflichtet sei.
Die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts stimmt in diesem Punkt mit der Rechtsaufassung des BGH (a.a.O.) und dem LG Köln (a.a.O.) überein, dass eine Verpflichtung der privaten Krankenversicherungen gem. § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG zur Versicherung im Basistarif aufgrund einer Auslegung der entscheidenden Vorschriften nach Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck nicht besteht. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits einmal die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat, da mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit die Klägerin als ausländische Staatsangehörige im Sinne des § 5 Abs. 11 SGB V zu behandeln ist. Eine anderweitige Behandlung ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich.
Nach dem zutreffenden und überzeugenden Auslegungsergebnis des LG Köln, welches sich das Gericht zu eigen macht, ergibt sich trotz des Wortlauts des § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG für den vorliegenden Fall einer befristeten Aufenthaltserlaubnis der Klägerin als US-Staatsangehörige kein Kontrahierungszwang der Beklagten, da dies der gesetzgeberischen Intention widersprechen würde.
„Dies ergibt sich aus Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften. § 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VVG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 11 S. 1 SGB V sind dahin auszulegen, dass Ausländer, die nicht der privaten, sondern dem Grunde nach der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind, auch dann nicht im Basistarif der privaten Krankenversicherung zu versichern sind, wenn für sie wegen einer bestehenden Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (s. zum ähnlich gelagerten Fall des Anspruchs von Sozialleistungsempfängem auf Aufnahme in den Basistarif BGH NJW 2014, 3516 Rn. 10 ff.; a.A. für den von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b i.V.m. Abs. 11 S. 1 SGB V erfassten Personenkreis, jedoch mit Blick auf die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG zu treffende aufenthaltsrechtliche Prognoseentscheidung und ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik BVerwG NVwZ 2013, 1339, 1340 Rn. 16).
§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V [sic!] enthält das negative Tatbestands – merkmal, dass die von der Vorschrift ansonsten erfassten Personen keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben dürfen (vgl. BGH NJW 2014, 3516, 3517 Rn. 11). Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall sollen somit grundsätzlich dem Krankheitsrisiko der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen sein (vgl. Pabst, NZS 2012, 772, 775). In diesem Zusammenhang ist die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V zu beachten, der – wie bereits ausgeführt – für die dort genannten Ausländer die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V konkretisiert. Bei der Schaffung von § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Personen, für die eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht, über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügen, weil gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG der Lebensunterhalt eines Ausländers nur dann gesichert ist, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 95). § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V ist dementsprechend systematisch nicht als Abgrenzungsregel zur privaten Krankenversicherung zu verstehen, sondern zur aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes. Hierfür spricht auch, dass ausreichender Krankenversicherungsschutz im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG keineswegs ausschließlich durch eine private Krankenversicherung sichergestellt sein kann. (…)
Das Auslegungsergebnis wird auch durch die weitere Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Vorschriften gestützt. Den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, durch den Ausschluss von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht im Sinne eines Alternatiwerhältnisses einen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der privaten Krankenversicherung erwerben sollte. Vielmehr geht aus dem Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes hervor, dass ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung (nur) für alle Einwohner ohne Absicherung im Krankheitsfall geschaffen werden sollte (BT-Drs. 16/3100, S. 85). Ausweislich der Ausführungen im Bericht des Ausschusses für Gesundheit sollte überdies mit der Regelung der Versicherungspflicht im jetzigen § 193 Abs. 5 VVG vermieden werden, dass sich Personen nicht oder verspätet gegen Krankheit versichern und dadurch zu einem Kostenrisiko für die Allgemeinheit oder die Solidargemeinschaft der Versicherten werden (vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 66). Wie ausgeführt, ging der Gesetzgeber aber für den Fall der aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes von einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall aus. Dies ist so zu verstehen, dass im Fall des Bestehens einer aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, aber auch die Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung mit korrespondierendem Aufnahmeanspruch nach dem Versicherungsvertragsgesetz nicht zum Tragen kommt.“ (LG Köln a.a.O. Rz. 20-22)
ii. Der Auslegung des § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG widerspricht auch keine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2, 6, 20 GG.
Grundrechte wirken grundsätzlich als Abwehrrechte unmittelbar nur gegen den Staat. Eine mittelbare Drittwirkung zwischen Privaten ist seit dem sog. „Lüth-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 15.1.1958 über Privatrechtsnormen, namentlich den Generalklauseln, anerkannt (BVerfGE 7, 198 (205) = NJW 1958, 257). Im Zivilrecht ist die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Auslegung des Gesetzeswortlauts zu beachten (Grüneberg/Palandt, 80. Auflage 2021, § 242 Rn. 8). Dabei ist zwar grundsätzlich auch das Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 GG bei wirtschaftlich schwächeren Privatpersonen zu beachten, jedoch führt dies keineswegs zu einer unbeschränkten Verpflichtung zur Berücksichtigung der Belange von wirtschaftlichen Unterlegenen (Grüneberg/Palandt, 80. Auflage 2021, § 242 Rn. 8, BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 – XI ZR 22/12 -, juris).
Eine wie von der Klägerin begehrte Auslegung des Kontrahierungszwangs gem. § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG aufgrund von mittelbarer Drittwirkung von Grundrechten für ausländische Staatsangehörige, die nicht dem zugeordneten Personenkreis zugehören, würde die Privatautonomie von privaten Krankenversicherungen unverhältnismäßig einschränken. Die Versichertengemeinschaft der privat Krankenversicherten müsste andernfalls die Zusatzkosten (die durch den gesetzlich gedeckelten Basistarif für die Versicherung entstehen würde) tragen, was einem verfassungswidrigem Sonderopfer i.S.d. Art. 14 GG gleichkommen würde.
Der Kontrahierungszwang für zugeordnete Personen aus § 193 Abs. 5 Nr. 2 VVG ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nur insoweit verhältnismäßig, als er sich auf einen relativ kleinen Kreis unversicherter Personen bezieht (BVerfG, VersR 2009, 957 Rn. 170). Würde dieser Kreis auf ausländische Staatsangehörige erweitert werden, wäre dies im Hinblick auf Art. 12 GG nicht mehr vertretbar und würde zu Unverhältnismäßigkeit des Kontrahierungszwangs führen.
c. Entgegen der Auffassung der Klägerin widerspricht dieses Ergebnis auch nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 (u.a. vgl. hierzu BVerfG, VersR 2009, 957).
Das LG Köln führt hierzu zutreffend und überzeugend aus:
„Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung über die Änderungen in der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung durch die Gesundheitsreform 2007 davon aus, dass eine Absicherung gegen die Risiken im Krankheitsfall nicht zwangsläufig entweder in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung erfolgen muss, sondern dass auch eine Absicherung über ein drittes Sicherungssystem in Betracht kommt. Es führt in diesem Zusammenhang aus, dass gesetzliche und private Krankenversicherung als jeweils eigene Säule für die ihnen zugewiesenen Personenkreise einen dauerhaften und ausreichenden Versicherungsschutz gegen das Risiko der Krankheit auch in sozialen Bedarfssituationen sicherstellen sollen (vgl. BVerfG NJW 2009, 2033). In Ansehung der dargestellten Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 11 S. 1 SGB V kann jedoch in der Ausnahme des Personenkreises, dem auch die Klägerin angehört, von der gesetzlichen Versicherungspflicht keine willentliche gesetzgeberische Zuweisung zur Säule der privaten Krankenversicherung erblickt werden. Vielmehr ist die aufenthaltsrechtliche Vorkehrung der Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes als drittes Sicherungssystem zu betrachten, das weder eine Zuordnung zur gesetzlichen noch zur privaten Krankenversicherung begründet (in diesem Sinne wohl auch BSG, Urteil vom 03.07.2013 – B 12 KR 2/11 R -, SozR 4-2500 § 5 Nr. 20 Rn. 29).“ (LG Köln a.a.O. Rz. 24).
Selbst wenn, wie dargestellt, die Klägerin nicht versicherungspflichtig gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. Abs. 11 SGB V ist, so besteht jedenfalls eine Absicherung über die sog „dritte Säule“ (BVerfGE 123, 186 = NJW 2009, 2033 = VersR 2009, 957 Rn. 14), nämlich der Verpflichtung der Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich eines ausreichenden Krankheitsversicherungsschutzes. Nachrangig besteht auch im Falle der Hilfsbedürftigkeit aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland gem. § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII Anspruch auf Hilfe bei Krankheit gem. § 48 SGB XII.
d. Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht das von der Klägerin zitierte und vorgelegte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.04.2013 – 10 C 10/12, da dies bezüglich der zivilrechtlichen Ausführungen durch das spätere Urteil des BGH vom 16.07.2014 – IV ZR 55/14) überholt ist. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geht nur im Rahmen eines Absatzes (a.a.O. Rn. 16) auf die Frage des Kontrahierungszwangs der privaten Krankenversicherungen ein und legt das Gesetz dabei nicht nach seiner Entstehungsgeschichte und dem dahinterstehenden Zweck aus.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
III.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 9 ZPO und ergibt sich aus dem dreieinhalbfachen Jahresbeitrag der von der Klägerin gewünschten Krankenversicherung im Basistarif der Beklagten, den die Klägerin unstreitig mit 735,94 € angegeben hat.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben