Medizinrecht

Keine Zuerkennung des Schutzstatus für eine georgische Staatsangehörige

Aktenzeichen  RO 9 K 16.31046

Datum:
24.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylVfG AsylVfG § 3, § 4

 

Leitsatz

Die in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Mandanten gegenüber dem Gericht erklärte Niederlegung des Mandats ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie ersichtlich der Absicht dient, der zuvor geäußerten Rechtsauffassung des Gerichts, wonach dem Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Anwesenheit des Prozessvertreters genüge getan ist, bewusst die Grundlage zu entziehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die – nach Niederlegung des Mandats durch ihren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung – nicht mehr anwaltlich vertretene Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt. Bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzbegehrens am Maßstab des § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann der Klageerhebung jedoch entnommen werden, dass die Klägerin umfassend Rechtsschutz gegen die vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Juni 2016 getroffenen Entscheidungen begehrt. Das Gericht geht daher zugunsten der Klägerin von einem umfassenden Klageziel aus und legt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin dahingehend aus, dass die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weiter hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt. Einen dahingehenden Antrag hat auch der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Juni 2016 angekündigt.
Die so verstandene Klage hat keinen Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den den Beteiligten bekannten Eilbeschlüssen des Gerichts vom 22. Juni 2016 (RO 9 S. 16.30144) und 19. Juli 2016 (RO 9 S. 16.31398) verwiesen. Ausführungen, die eine anderweitige Bewertung der in den Eilbeschlüssen dargestellten Sach- und Rechtslage veranlassen könnten, wurden weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung gemacht.
Der Klägerin wurde auch nicht das rechtliche Gehör verwehrt, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung war vorliegend ungeachtet der klägerseits behaupteten Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin nicht veranlasst. Hat der Beteiligte – wie hier – einen Prozessbevollmächtigten, der ihn im Termin vertreten kann, so ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig bereits dadurch genügt, dass dieser an der mündlichen Verhandlung teilnimmt. Entgegen der Auffassung der Klägerseite verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, dem Beteiligten neben seinem Anwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben (BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – Rn. 17). Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anhörung des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhaltes oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen (BayVGH a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 30.8.1982 – 9 C 181 – juris Rn. 12). Vorliegend wurden dem Gericht jedoch Gründe, die für die Notwendigkeit persönlicher Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sprechen, in keiner Weise substantiiert dargelegt. Nach Erlass der Eilbeschlüsse vom 22. Juni 2016 und 19. Juli 2016 sowie nach Erlass des Gerichtsbescheides vom 5. Januar 2017 wurden keinerlei Ausführungen durch die Klägerin bzw. ihren Prozessbevollmächtigten gemacht. Die seit Beginn des Asylverfahrens anwaltlich vertretene Klägerin hatte hinreichende Gelegenheit, ihre Asylgründe umfassend darzulegen und gegebenenfalls zu ergänzen. Es oblag insoweit der Klägerseite, den Sachverhalt vollständig mitzuteilen und erforderlichenfalls auf die Notwendigkeit weiterer, persönlicher Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen. Es kam nach alledem nicht maßgeblich darauf an, ob die Klägerin in der mündlichen Verhandlung tatsächlich nicht in der Lage war, sich mit der Dolmetscherin auf Russisch zu verständigen, wobei anzumerken bleibt, dass das Gericht bezüglich der vorgebrachten Verständigungsschwierigkeiten nicht unerhebliche Zweifel hat. So erklärte die Klägerin zu Beginn der mündlichen Verhandlung, „ein wenig“ Russisch zu sprechen, sich jedoch mit der Dolmetscherin verständigen zu können. Auch auf nochmalige Nachfrage des Gerichts bestätigte die Klägerin, sie habe alles, was bisher gesprochen und von der Dolmetscherin übersetzt worden sei, verstanden. In der „Niederschrift zu einem Asylantrag“ vom 22. Mai 2013 hat die Klägerin unter der Rubrik „Sprache (1.)“ Russisch angegeben und weiterhin unterschriftlich bestätigt, dass sie die Belehrung in russischer Sprache verstanden habe. Insbesondere wurden auch die Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylG, die Befragung zur Identitätsklärung sowie die Anhörung vor dem Bundesamt auf Russisch durchgeführt (Bl. 18 ff., 31 ff., 47 ff. der Bundesamtsakte), wobei die Klägerin jeweils bestätigte, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. Auch wurde von dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin explizit ein Dolmetscher für die russische oder kurdische Sprache beantragt. Es erscheint nach alledem zweifelhaft, dass der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine hinreichende Verständigung mit der Dolmetscherin auf Russisch nicht möglich gewesen sein soll. Dies kann jedoch, wie bereits dargelegt, in Anbetracht der anwaltlichen Vertretung der Klägerin letztlich dahinstehen.
Durch die Mandatsniederlegung im Verlauf der mündlichen Verhandlung ergibt sich insoweit nichts anderes. Es ist bereits fraglich, ob die Mandatsniederlegung, die der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Rücksprache mit der Klägerin unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat, das Mandatsverhältnis wirksam beendet hat. Insbesondere bleibt anzumerken, dass eine Mandatsniederlegung zur Unzeit nicht zulässig ist (§ 627 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Eine Mandatsniederlegung zur Unzeit liegt dann vor, wenn diese zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen, etwa im oder unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung (BGH NJW 2013, 1591). Unabhängig davon muss die Niederlegung des Mandats in der vorliegenden Konstellation auch als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, da diese offenbar dazu dienen sollte, der zuvor geäußerten Rechtsauffassung der Einzelrichterin, wonach dem Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Anwesenheit des Prozessvertreters genüge getan ist, bewusst die Grundlage zu entziehen. Für die Rechtsmissbräuchlichkeit spricht nicht zuletzt auch, dass der Klägervertreter dem Gericht im Nachgang zur mündlichen Verhandlung trotz der zuvor erklärten Mandatsniederlegung auf sich lautende Vollmacht übersandt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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