Medizinrecht

Offensichtlich unbegründete Asylklage bei Einreise über sicheren Drittstaat

Aktenzeichen  M 2 K 16.30949

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4, § 26a Abs. 2, § 29a, § 34, § 36 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Gelangt der Asylbewerber über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland, steht ihm offensichtlich weder ein Asylanspruch noch Flüchtlings- oder subsidiärer Schutz zu. Im Übrigen ist Senegal ein sicherer Herkunftsstaat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einer chronischen Hepatitis B handelt es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich im Falle der Nichtbehandlung alsbald nach Ankunft im Zielland massiv verschlechtern würde.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG gewährleistet nicht die bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern schützt nur vor einer erheblichen Verschlimmerung mit konkreter Gefahr für Leib und Leben im Abschiebezielstaat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Beklagten entschieden werden. Die Regierung von Oberbayern ist zwar aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses Verfahrensbeteiligter. In diesen Erklärungen hat die Regierung von Oberbayern allerdings darum gebeten, ihr ausschließlich die jeweilige Letzt- und Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf eine Ladung zur mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die zulässige Klage war als offensichtlich unbegründet abzuweisen, da der Kläger gegen die Beklagte offensichtlich weder Anspruch auf Asylanerkennung (Art. 16 a GG), noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat. Auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 14. April 2016 ist offen-sichtlich rechtmäßig. Gleiches gilt für die Anordnung des Einreise- und Aufenthalts-verbots in Ziffer 6. sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthalts-verbots in Ziffer 7. des Bescheids.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 14. April 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Der Kläger hat sich allein auf gesundheitliche Probleme berufen. Schon gegenüber dem Bundesamt und erneut gegenüber dem Gericht hat er eine (chronische) Hepatitis B-Erkrankung vorgebracht. Gegenüber dem Gericht hat er zusätzlich schriftsätzlich vortragen lassen, es bestehe der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung.
1. Dieses Vorbringen führt ganz offensichtlich und von vornherein weder zu einer Anerkennung als Asylberechtigter, noch zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch zur Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, noch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit wird nochmals auf den Bescheid des Bundesamts vom 14. April 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass der Kläger gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 AsylG auch deshalb offensichtlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag über Spanien und Frankreich eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist.
2. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt es auch nicht, von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG auszugehen:
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 45).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a.a.O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a.a.O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a.a.O.). Durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) wurden hinsichtlich des krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG zusätzlich folgende Bestimmungen getroffen: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Im Fall des Klägers liegen die Voraussetzungen eines solchen krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG nicht vor:
a) Dies gilt zunächst für die vom Kläger vorgebrachte chronische Hepatitis B-Erkrankung:
Insoweit ist noch nicht einmal sicher nachgewiesen, dass der Kläger tatsächlich an einer solchen Erkrankung leidet: Beim Bundesamt hatte er lediglich zwei Untersuchungsbefunde des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 24. Juli 2013 und 24. Oktober 2013 vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass im Blut des Klägers Hepatitis B-DNA und Hepatitis B-Antikörper nachgewiesen worden sind. Diese Befunde enthalten keine explizite Feststellung, der Kläger leide an chronischer Hepatitis B (siehe auch die entsprechende Auskunft des LGL an das Bundesamt vom 13. April 2016, Bl. 65 BA). Dies gilt auch dann, wenn man die zweite Seite des Befundes vom 24. Juli 2013 – die in der vom Bundesamt vorgelegten Akte nicht enthalten ist, die aber der Kläger dem Gericht in der mündlichen Verhandlung hat vorlegen lassen – in den Blick nimmt: Auch dort ist lediglich von einer nicht mehr frischen, „möglicherweise“ chronisch verlaufenden Hepatitis B die Rede. Aktuelle ärztliche Atteste hat der Kläger weder beim Bundesamt, noch gegenüber dem Gericht vorgelegt, weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2016. Auch hat der Kläger hinsichtlich einer etwaigen Behandlungsbedürftigkeit einer etwaigen chronischen Hepatitis B in der mündlichen Verhandlung nur vage angeben können, er sei zweimal bei Hausarzt Dr. … gewesen, er nehme einmal wöchentlich eine kleine weiße Tablette und täglich blaue Tabletten, der Arzt habe aber nicht gesagt, ob die Tabletten für die Hepatitis seien.
Letztlich kann all dies sogar dahingestellt bleiben:
Ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen einer etwaigen chronischen Hepatitis B scheidet jedenfalls allein deshalb aus, weil es sich hierbei nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handelt, die sich im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde: Dem Gericht ist bekannt, dass eine unbehandelte chronische Hepatitis B bei einem Teil der Betroffenen im Laufe der Jahre zu einer narbigen Schrumpfung der Leber (Leberzirrhose) führen kann und außerdem ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich eine Krebserkrankung der Leber (Leberzellkarzinom) entwickelt (vgl. dazu etwa den Ratgeber des Robert Koch Instituts zu Hepatitis B und D vom 20. Mai 2016, veröffentlicht auf www.rki.de unter Infektionsschutz/RKI-Ratgeber für Ärzte/Hepatitis B und D). Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um Folgen, die alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung eintreten. Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, ob im Einzelfall des Klägers später einmal derart schwerwiegende Folgen auftreten werden. Mithin liegt gerade nicht die von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorausgesetzte erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben vor.
Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, inwieweit ihm in Senegal eine etwa erforderliche Behandlung einer etwaigen Hepatitis B zur Verfügung stünde, kommt es deshalb nicht an.
b) Auch der gegenüber dem Gericht schriftsätzlich vorgebrachte Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kann es schon im Ansatz nicht rechtfertigen, von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG ausgehen zu können.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 7 m.w.N.; BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris Rn. 15) stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an einer PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren soll das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
Vorliegend sind diese Voraussetzungen ganz offensichtlich nicht erfüllt: Es liegt hinsichtlich einer PTBS noch nicht einmal ein ärztliches Attest vor, geschweige denn ein die o.g. Mindestanforderungen erfüllendes fachärztliches Attest. Der Kläger hat diesbezüglich weder im Verwaltungsverfahren, noch im Gerichtsverfahren ein Attest vorgelegt. Die bloße Behauptung des Verdachts einer PTBS in einem anwaltlichen Schriftsatz kann ganz offensichtlich nicht genügen.
Angesichts dessen kommt es auf die Frage der Behandlungsmöglichkeiten einer etwaig behandlungsbedürftigen PTBS in Senegal nicht mehr an. Gleiches gilt für die Frage, inwieweit sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Dahingestellt kann auch bleiben, ob das erstmals gegenüber dem Gericht vorgebrachte traumatisierende Erlebnis überhaupt stattgefunden hat (was gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden muss, vgl. VG Ansbach, U. v. 24.3.2015 – AN 3 K 14.30132 – juris Rn. 77; VG München, U. v. 14.2.2014 – M 21 K 11.30993 – juris Rn. 36; VG Augsburg, U. v. 21.6.2013 – Au 7 K 13.30077 – juris Rn. 62).
c) Zusammenfassend sei nochmals verdeutlicht, dass § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG keine optimale Gesundheitsversorgung gewährleistet. Möglicherweise könnte der Kläger bei einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland eine bessere gesundheitliche Versorgung als im Heimatstaat erlangen. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG gewährleistet indes nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet. Vielmehr besteht Abschiebungsschutz lediglich insoweit, als sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung auf Grund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung alsbald und in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Dies kann im Fall des Klägers nicht festgestellt werden.
Die Klage war als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 AsylG). Dies ergibt sich bereits allein aus dem Umstand, dass gemessen an dem Vorstehenden die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (vgl. dazu § 30 Abs. 1 AsylG). Darüber hinaus ist Senegal kraft Gesetzes zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt (Anlage II zu § 29 a Abs. 2 AsylG), weshalb zudem entsprechend § 29 a Abs. 1 AsylG von einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag auszugehen ist. Auch scheiden gemessen an dem Vorstehenden ganz offensichtlich asylrechtliche Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus. Die Abschiebungsandrohung, die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffern 5., 6. und 7. des Bescheids vom 14. April 2016 sind ebenso offensichtlich rechtmäßig.
Nach alldem war die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage mit der Kosten-folge des § 154 Abs. 1 VwGO als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG) ab-zuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 AsylG).


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