Medizinrecht

Polizeiliche Beschränkungen einer Versammlung

Aktenzeichen  10 ZB 19.1918

Datum:
22.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30491
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 15 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn angesichts der örtlichen Gegebenheiten einerseits und des „unberechenbaren“ Störungspotentials andererseits Abschirmmaßnahmen zur Unterbindung gewalttätiger Zusammenstöße ergriffen werden, damit „die Lage polizeilich beherrschbar bleibt“ (BVerfG BeckRS 2005, 33148). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die durch ein Absperrband ausgehende optisch abgrenzenden Wirkung zur Herstellung bzw. Wahrung der Übersichtlichkeit der örtlichen Verhältnisse ist geeignet, es den im Zwischenraum positionierten Polizeibeamten zu ermöglichen, ein Aufeinanderzugehen zweier Demonstrationszüge von vornherein zu unterbinden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Auslegung der Bestimmungen der Sondernutzungssatzung dahingehend, wonach das dem kommunikativen Verkehr zuzurechnende Verteilen von Flugblättern politischen Inhalts als grundsätzlich erlaubnispflichtige Sondernutzung erachtet wird, stößt auf durchgreifende Bedenken. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 17.833 2019-08-01 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschränkung des Verteilens von Flugblättern auf den Versammlungsort durch die Polizei bei der Versammlung der Klägerin am 22. April 2017 abgewiesen hat. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt; der auf die zugelassene Berufung entfallende Anteil beträgt vorläufig 2.500,- Euro.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abgrenzung ihrer am 22. April 2017 in Schweinfurt durchgeführten Versammlung mit Absperrband und Polizeibeamten sowie der Beschränkung der Flugblattverteilung auf den Versammlungsort weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die diesbezügliche (Fort-setzungs-)Feststellungsklage abweisende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. August 2019 ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
I.
Die Abweisung der Klage, soweit sie die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abgrenzungsmaßnahmen der Polizei bei der Versammlung der Klägerin am 22. April 2017 betrifft, begegnet nicht den von der Klägerin im Zulassungsvorbringen geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die polizeilichen Beschränkungen der Versammlung durch ein Absperrband und Polizeibeamte nicht der Fall.
1.1 Hinsichtlich dieser auf der Rechtsgrundlage Art. 15 Abs. 4 BayVersG beruhenden polizeilichen Maßnahmen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass ihr beschränkende Wirkung zukomme, weil es Unbeteiligte davon abhalten könne, sich dem Versammlungsort zu nähern und mit den kommunizierten Inhalten auseinanderzusetzen. Allerdings habe bei der Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr durch gewaltbereite Teilnehmer einer erst ein bis zwei Tage vorher angezeigten Gegendemonstration bestanden, welche das Ziel gehabt haben könnten, die Versammlung der Klägerin und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Zudem seien die Versammlungsfläche verhältnismäßig klein und die Begebenheiten vor Ort wegen der angrenzenden Tiefgaragenzufahrt, der Hauptverkehrsachse für Fußgänger und der Baumaßnahmen recht unübersichtlich gewesen. Hierdurch habe sich eine Sonderkonstellation maximaler Gefahrenpotentiale ergeben. Die beschränkende Verfügung sei auch ermessensfehlerfrei in Abwägung verschiedener Alternativen und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die klägerische Versammlung ergangen. Sie habe der räumlichen Zuweisung sowie der optischen Abgrenzung des Versammlungsbereichs gedient, um es den vor Ort zum Schutz der Versammlung eingesetzten Beamten zu ermöglichen, den Überblick über die Versammlungsfläche zu behalten sowie um potentielle Angreifer sofort beim Zugang zur Fläche erkennen und aufhalten zu können. Andererseits habe durch das Aufstellen der Polizeibeamten verhindert werden sollen, dass beide Seiten aufeinander zugehen. Die Maßnahmen seien geeignet, erforderlich und angemessen gewesen. Ein gleich wirksames, aber weniger belastendes Vorgehen sei nicht ersichtlich gewesen. Aufgrund der Gewaltbereitschaft der Gegendemonstranten einerseits sowie der besonderen örtlichen Begebenheiten andererseits hätten die Einsatzkräfte sehr nahe an die Versammlung herangeführt werden müssen, um notfalls „von innen nach außen“ agieren zu können. Ein Vorgehen gegen die Gegendemonstranten etwa durch deren Abgrenzung oder Aussprechen von Platzverweisen gegen einzelne Teilnehmer sei hingegen nicht erfolgversprechend gewesen. Ein Verlassen der Gegenveranstaltung bzw. Erreichen der Versammlung der Klägerin hätte nicht wirksam unterbunden werden können. Zudem hätte dies eine großräumigere Absperrung erforderlich gemacht, welche sich deutlich einschneidender auf den unmittelbar am Versammlungsort vorbeiführenden Passantenstrom ausgewirkt hätte. Die durch das Absperrband hergestellte optische Barriere habe es ermöglicht, von einer dichteren Aufstellung einer größeren Anzahl von Polizeibeamten abzusehen und damit eine noch weitergehende abschreckende Wirkung zu vermeiden.
Hiergegen bringt die Klägerin im Zulassungsverfahren vor, dass zwar die Auffassung, wonach eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von sieben gewaltbereiten, linksgerichteten Gegendemonstranten ausgegangen sei, geteilt werde. Allerdings hätte dem nicht durch die Absperrmaßnahmen begegnet werden dürfen. Vielmehr hätten die potentiellen Störer durch die eingesetzten sechs bis sieben Polizeibeamten neutralisiert werden können, in dem bspw. je ein Polizist einen Störer genau beobachte und gegen diesen im Falle einer Störung einschreite. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb zur Beseitigung des Notstandes nicht weitere Einsatzkräfte hinzugezogen worden seien. Ohnehin seien nach ca. einer Stunde nach Versammlungsbeginn rund die Hälfte der Beamten abgezogen worden, weil sich die Lage beruhigt und damit keine oder nur noch eine erheblich geringere Gefahr bestanden habe. Nachdem sich die Gegendemonstration seitlich im Rücken der Klägerin befunden habe, sei eine Absperrung an der gegenüberliegenden Vorderseite widersprüchlich gewesen. Zudem wäre das Absperrband ein leicht überwindbares und damit kein ernsthaftes Hindernis gewesen. Andererseits habe es die Möglichkeit der Klägerin zur Kommunikation unterbunden bzw. eingeschränkt, da es ihren Versammlungsbereich wie eine Gefahrenstelle mit Zutrittsverbot gekennzeichnet habe. Dies stelle eine Umkehrung der Verhältnisse dar, weil nicht von der friedlichen Kundgebung der Klägerin, sondern von potentiellen Störern der Gegendemonstration die Gefahr ausgegangen sei. Der Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, weil er die Belange der Klägerin einseitig zugunsten der Interessen der Gegendemonstranten nicht berücksichtigt habe. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung, der zufolge die Versammlung der Klägerin wie eine Gefahr oder Störung hingestellt worden sei, habe nicht vorgelegen. Diese Schlechterstellung gegenüber den Gegendemonstranten verletze die Klägerin in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG.
Mit diesem Vorbringen zieht die Klägerin jedoch die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernsthaft im Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, eine von Teilnehmern der Gegendemonstration ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 15 Abs. 4 BayVersG angenommen. Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht auch eingehend begründet, weshalb es die besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (siehe hierzu BVerfG, B.v. 11.9.2015 – 1 BvR 2211/15 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris -Ls 1b.- und Rn. 17; B.v. 10.5.2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 26.3.2001 – 1 BvQ 15/01 – juris Rn. 19; B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.9.2015 – 10 CS 15.2057 – juris Rn. 18; B.v. 28.11.2014 – 10 ZB 13.13 – juris Rn. 7) für gegeben und die polizeilichen Maßnahmen zum Schutz der klägerischen Versammlung als verhältnismäßig erachtet hat. Drohen Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so ist es Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung der Versammlungsfreiheit hinzuwirken (BVerfG, B.v. 18.8.2000 – 1 BvQ 23/00 – juris Rn. 42). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob der Anlass für beeinträchtigende Auflagen durch Modifikation der Versammlungsmodalitäten, durch die der konkrete Zweck der Versammlung nicht vereitelt wird, entfallen kann (BVerfG, B.v. 10.5.2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 10).
Ausgehend von der polizeilichen Gefahrenanalyse, wonach gewaltbereite Teilnehmer der Gegendemonstration als unberechenbar eingeschätzt worden seien, weil sie „um jeden Preis“ hätten versuchen können, sich Zugang zum Versammlungsort zu verschaffen, wurde überzeugend dargelegt, warum eine andere Positionierung der Polizeibeamten oder andere Maßnahmen wie bspw. eine „Einkreisung“ der Gegendemonstranten nicht erfolgsversprechend gewesen wären. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Gefahrenprognose ist die klägerseits vorgetragene Vermutung, dass Platzverweise und andere Zwangsmaßnahmen gegen die Störer ausgereicht hätten, um diese „zu neutralisieren“, nicht geeignet, die Richtigkeit des angegriffenen Urteils ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Es wurde seitens des Verwaltungsgerichts auch schlüssig dargelegt, weshalb angesichts der örtlichen Gegebenheiten – gekennzeichnet insbesondere durch eine kurze Distanz zwischen den Demonstrationen, räumliche Enge, unübersichtliche Verhältnisse, begrenzte Auswege und -gänge sowie Fußgängerverkehr – die Einsatzkräfte sehr nahe an die Versammlung der Klägerin haben herangeführt werden müssen, um – „von innen nach außen“ agierend – bei einem Ausbrechen einzelner Gegendemonstranten diese trotz der kurzen Distanz noch rechtzeitig am Erreichen der klägerischen Kundgebung zu hindern. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn angesichts dieser örtlichen Gegebenheiten einerseits und des „unberechenbaren“ Störungspotentials andererseits Abschirmmaßnahmen zur Unterbindung gewalttätiger Zusammenstöße ergriffen werden, damit „die Lage polizeilich beherrschbar bleibt“ (BVerfG, B.v. 2.12.2005 – 1 BvQ 35/05 – juris Rn. 23).
Dieser Gefahr hätte auch nicht durch die von der Klägerin im Zulassungsverfahren skizzierten Maßnahmen gleich wirksam begegnet werden können, weil sie entweder – wie dargelegt – nicht erfolgversprechend gewesen wären oder aber eine viel großräumigere Absperrung erforderlich gemacht hätten; dies hätte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend resümiert, zu einer deutlichen Reduzierung des am Versammlungsort vorbeiführenden Passantenstroms und damit zu einer bedeutenden Schmälerung des mit der Versammlung bezweckten kommunikativen Erfolgs geführt. Zudem hätte eine großflächigere Absperrung die ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG rechtlich geschützten Interessen der davon betroffenen Bürger und Geschäftsinhaber beeinträchtigen können (vgl. hierzu: BVerfG, B.v. 10.5.2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 14; B.v. 2.12.2005 – 1 BvQ 35/05 – juris Rn. 31).
Schließlich werden die Wirksamkeit und Effektivität der vom Beklagten ergriffenen Maßnahmen durch die klägerische Behauptung, dass das Absperrband leicht hätte überwunden werden können, ebenfalls nicht ernsthaft in Frage gestellt. Denn die Argumentation übersieht, dass das Absperrband nicht als räumliches Hindernis wie bspw. ein Sperrgitter gedacht war (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2015 – 10 CS 15.2057 – juris Rn. 22). Vielmehr war mit der vom Absperrband ausgehenden optisch abgrenzenden Wirkung die Herstellung bzw. Wahrung der Übersichtlichkeit der örtlichen Verhältnisse bezweckt, damit die im Zwischenraum positionierten Polizeibeamten ein Aufeinanderzugehen der beiden Seiten von vornherein unterbinden konnten. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin meint, dass die Verringerung der Anzahl der im Sicherheitsbereich eingesetzten Polizeibeamten gegen das Vorliegen eines Notstands spreche oder sich zumindest die Gefahr erheblich reduziert hätte. Denn damit wird verkannt, dass die im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens – also ex ante – zu treffende Gefahrenprognose maßgebend ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2014 – 10 ZB 13.13 – juris Rn. 8 und 12) und der sukzessive Abzug der Beamten etwa eine Stunde nach Beginn der Versammlung erst dann erfolgt ist, als die Sperren von beiden Seiten akzeptiert worden waren sowie sich die zuvor angespannte Lage beruhigt hatte. Damit wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach sich das Vorgehen auf das sachlich und zeitlich Unumgängliche beschränken muss, Rechnung getragen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2014 – 10 ZB 13.13 – juris Rn. 22).
Auch im Übrigen wurde die Versammlungsfreiheit der Klägerin aus Art. 8 Abs. 1 GG durch die Schaffung des besagten Sicherheitsbereichs nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Die Abgrenzungsmaßnahmen bedeuteten keinen schweren Nachteil (vgl. BVerfG, B.v. 2.12.2005 – 1 BvQ 35/05 – juris Rn. 29) für die Klägerin. Vielmehr konnte die angemeldete Versammlung am gewünschten Versammlungsort zur gewünschten Zeit stattfinden und die Teilnehmer waren weitgehend ungehindert in der Lage, ihr kommunikatives Anliegen gegenüber der Öffentlichkeit zu transportieren (vgl. zur Schaffung einer Sicherheitszone: OVG NW, B.v. 27.4.2017 – 15 B 491/17 – juris Rn. 21; zur Schaffung von verbreiterten Korridoren zwischen angemeldeter und spontaner (Gegen-)Versammlung: BayVGH, B.v. 28.11.2014 – 10 ZB 13.13 – juris Rn. 12 ff.). Demgegenüber zeigt die Klägerin nicht auf, weshalb allein wegen der optischen Trennwirkung die Kommunikationsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt worden wären. Vielmehr legt das in der Behördenakte befindliche Bildmaterial nahe (s. Bl. 14 und 17), dass die geneigte Öffentlichkeit trotz der optischen Barriere weitgehend uneingeschränkt von der Versammlung sowie ihrem Motto und ihrem Inhalt – akustisch und visuell – Kenntnis erlangen konnte. Jedenfalls ist der eigentliche Zweck der Versammlung, in ihrer kollektiven Meinungsäußerung von möglichst vielen Passanten wahrgenommen zu werden und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, durch die angegriffenen Maßnahmen allenfalls geringfügig beeinträchtigt worden (anders bei unpassierbarer Abschirmung oder Sperrgittern: BayVGH, B.v. 16.9.2015 – 10 CS 15.2057 – juris Rn. 22). Insgesamt erweist sich das Vorgehen des Beklagten demzufolge als ermessensfehlerfrei, weil – wie dargelegt – gleich wirksame Mittel zum Schutz der klägerischen Versammlung nicht gegeben waren bzw. sich andere denkbare Alternativen deutlich einschneidender auf den mit der Versammlung verbundenen Kundgebungszweck und auf die Grundrechte Dritter ausgewirkt hätten (vgl. hierzu: BVerfG, 10.5.2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 15; B.v. 2.12.2005 – 1 BvQ 35/05 – juris Rn. 31). Ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehler (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris Rn. 13; U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris Rn. 39 f.; B.v. 6.12.2018 – 10 ZB 18.126 – juris Rn. 10) liegt demnach nicht vor.
1.2 Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens insoweit, als ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
1.3 Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit die Berufung nicht zugelassen worden ist, rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
II.
Die Berufung ist dagegen zuzulassen, soweit sich der Zulassungsantrag gegen die Klageabweisung auch hinsichtlich der begehrten Feststellung der Beschränkung der Flugblattverteilung durch die Polizei bei der klägerischen Versammlung wendet. Insofern bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass sich die Klage bereits gegen den falschen Beklagten richte (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil die die Rechtsfolgen auslösende Regelung bereits Gegenstand des Bescheids der Versammlungsbehörde vom 20. April 2017 gewesen sei. Aus der genauen Bestimmung des Versammlungsorts unter Ziffer I. des Bescheids mittels der in der Anlage schraffiert gekennzeichneten Fläche und der Aufzählung der ausschließlich zugelassenen Kundgebungsmittel in Ziffer I.2.5 des Bescheids ergebe sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, dass die Kundgebungsmittel nur innerhalb der Versammlungsortes zum Einsatz kommen dürften. Das Vorgehen der Polizei gehe daher vollinhaltlich im Bescheid vom 20. April 2017 auf und stelle damit lediglich einen Vollzug im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG der gemäß Art. 25 BayVersG sofort vollziehbaren Anordnungen dar.
Demgegenüber weist die Klägerin im Zulassungsverfahren zu Recht darauf hin, dass nicht die Versammlungsbehörde, sondern die Polizei die versammlungsbeschränkende Maßnahme, wonach die Flugblattverteilung auf den Versammlungsort beschränkt wurde, verfügt hat. Eine Auflage, wonach Kundgebungsmittel nur im vorgenannten Bereich verteilt werden dürften, hat die Versammlungsbehörde nicht ausdrücklich erlassen. Für eine dahingehende Auslegung fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit der Auflage (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), weil in dem dem Bescheid beigefügten „Lageplan“ zwar eine „Versammlungsfläche“ (schraffiert) festlegt wird, es sich dabei aber schon nicht um einen maßstabsgerechten Plan handelt. Auch steht einer derart einschränkenden Auslegung des Bescheids in Bezug auf die (Un-) Zulässigkeit des Einsatzes von Kundgabemittel in örtlicher Hinsicht entgegen, dass die weiteren in Ziffer I.2.5 zugelassenen Kundgabemittel sowohl visuell als auch akustisch im Umfeld des Kundgabeorts wahrnehmbar gewesen sein dürften. Ferner würde damit der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) auch in Zusammenschau mit den angeordneten Abgrenzungsmaßnahmen (s.o.) nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn, wie sich der Stellungnahme des Beklagten vom 26. Mai 2017 (Behördenakte Bl. 4 f.), der Klageerwiderung vom 11. September 2017 und vom 5. Dezember 2017 sowie der Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2019 entnehmen lässt, zielte das Einschreiten gegen die Verteilung von Flugblättern außerhalb des Versammlungsortes (wohl) darauf ab, eine in diesem Bereich nach der Satzung der Stadt Schweinfurt über Sondernutzungen (Sondernutzungssatzung) als untersagt erachtete Sondernutzung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 6 Sondernutzungssatzung) zu unterbinden. Allerdings stößt eine Auslegung der Bestimmungen der Sondernutzungssatzung dahingehend, wonach das dem kommunikativen Verkehr zuzurechnende Verteilen von Flugblättern politischen Inhalts als grundsätzlich erlaubnispflichtige Sondernutzung erachtet wird, im Hinblick auf die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BVerfG, B.v. 18.10.1991 – 1 BvR 1377/91 – juris Rn. 16; B.v. 10.12.1975 – 1 BvR 118/71 – juris Rn. 42; BVerwG, U.v. 7.6.1978 – 7 C 5.78 – juris Rn. 14; BayVerfGH, E.v. 5.8.1977 – Vf. 10-VII-74 – juris Rn. 34) auf durchgreifende Bedenken (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.7.1996 – 8 CE 95.4155 – BayVBl. 1996, 665/666; B.v. 17.9.2009 – 10 CS 09.2309 – juris Rn. 12; Wiget in Zeitler, Bayerischen Straßen und Wegegesetz, Stand: März 2019, Art. 14 Rn. 41 m.w.N).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2 GKG.


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