Medizinrecht

Tierschutzrechtliche Maßnahmen: Auflösung des Bestandes und Untersagung des Haltens und Betreuens von Schweinen

Aktenzeichen  W 8 K 19.648

Datum:
23.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23922
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 20a
TierSchG § 1 S. 2, § 2, § 16a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für ein Eingreifen zur Beseitigung tierschutzwidriger Zustände und zur Vermeidung künftiger Verstöße genügt, wenn einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind, wobei die Gefahr von Schmerzen, Leiden oder Schäden ausreicht. Ein Haltens- und Betreuungsverbot kann auch dann ausgesprochen werden, wenn den Tieren teilweise nur deshalb keine oder weniger Schmerzen, Leiden oder Schäden entstanden sind, weil das Veterinäramt in der Vergangenheit teilweise rechtzeitig entgegenwirken konnte, diese Maßnahmen aber gleichwohl zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Tierhaltung geführt haben.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Frage, ob Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden und erhebliche Schäden zugefügt worden sind, ist die vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte vorrangige Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte zu beachten, deren fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch pauschale und unsubstanziierte gegenteilige Behauptungen entkräftet werden können. Von den amtstierärztlichen Feststellungen, an die keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, wäre nur dann nicht auszugehen, wenn das Gutachten bzw. die Feststellungen Mängel aufweisen, die diese zur Sachverhaltsfeststellung als ungeeignet, zumindest aber als nicht ausreichend tragfähig erscheinen lassen. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Gutachten unvollständig oder widersprüchlich wäre oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge oder sich erhebliche Zweifel an der Sachkunde des Gutachters ergäben (vgl. u.a. BayVGH BeckRS 2019, 13687 Rn. 9, OVG LSA BeckRS 2019, 115 Rn. 33 u. BeckRS 2017, 113376 Rn. 16,  jeweils mwN). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die behördliche Prognose, ob weitere tierschutzrechtliche Verstöße in absehbarer Zeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, ist auf den hypothetischen Geschehensverlauf – bei unterstelltem Nichteinschreiten der Behörde – abzustellen, so dass ein Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht beachtlich ist. An die Wahrscheinlichkeit sind geringere Anforderungen zu stellen je größer und schwerer der möglicherweise eintretende Tierschutzverstoß ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Angesichts der Aufwertung des Tierschutzes durch Art. 20a GG als eines überragend gewichtigen Gemeinschaftsguts (vgl. OVG LSA BeckRS 2017, 131962 Rn. 21) ist die generelle Untersagung der Schweinehaltung in Abwägung mit den finanziellen Interessen des Halters grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, weil durch das Haltungs- und Betreuungsverbot, das in den Regelungen des § 16a TierSchG seine Rechtfertigung findet, (lediglich) die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden darf.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
5. Im Hinblick auf die Möglichkeit eines Wiedergestattungsantrags sind an die Verhältnismäßigkeit einer generellen Untersagung der Schweinehaltung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, weil  durch die Wiedergestattungsmöglichkeit Gelegenheit zur Abhilfe eingeräumt wird. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 26. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 26. April 2019, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu Eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet, dass die Voraussetzungen der einzelnen streitgegenständlichen Maßnahmen gemäß § 16a TierSchG zur Beseitigung und Verhütung tierschutzwidriger Zustände (vgl. §§ 1 und 2 TierSchG) sowie der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahmen und sonstigen Nebenentscheidungen im vorliegenden Fall gegeben sind.
Das Vorbringen der Klägerseite führt zu keiner anderen Beurteilung.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG). Sie kann ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen und erforderlichenfalls veräußern (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG). Sie kann weiter demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, eine Anordnung nach Nr. 1 TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen und betreuten Tieren erheblich oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten und/oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG).
Die vorgenannten Rechtsgrundlagen decken sowohl die streitgegenständlichen Maßnahmen zur Auflösung des Schweinebestandes als auch die generelle Untersagung des Haltens und Betreuens von Schweinen.
Die Maßnahmen dienen dazu, die bestehenden tierschutzwidrigen Zustände zu beseitigen und künftige Verstöße zu vermeiden. Denn haben sich im Verantwortungsbereich des Klägers bereits gravierende Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben ereignet, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen sind gegeben, sobald eines der durch § 2 TierSchG geschützten Verhaltensbedürfnisse erheblich zurückgedrängt wird bzw. objektive Anhaltspunkte einen entsprechenden Verdacht begründen. Es genügt, wenn – wie hier – einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind. Die Gefahr von Schmerzen, Leiden oder Schäden reicht aus. Bei zahlreichen oder schwerwiegenden tierschutzrechtlichen Verstößen kann ein Haltens- und Betreuungsverbot auch dann ausgesprochen werden, wenn den Tieren teilweise nur deshalb keine oder weniger Schmerzen, Leiden oder Schäden entstanden sind, weil das Veterinäramt in der Vergangenheit durch entsprechende Anordnungen teilweise rechtzeitig entgegenwirken konnte, diese Maßnahmen aber gleichwohl zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Tierhaltung geführt haben. Die Tierschutzbehörde muss nicht sehenden Auges warten, bis den Tieren, nachdem weniger belastende Einzelanordnungen keine nachhaltige Besserung der Schweinehaltung erbracht haben, weiter erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 2, 13 f., 21. f., 45 ff. mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Auch eine Abgabe bzw. Wegnahme bis hin zur Veräußerung ist hinzunehmen, wenn dies im Interesse der Schweine geboten ist (vgl. Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 214. Ergänzungslieferung März 2019, T 95, § 16a TierSchG Rn. 14; SächsOVG, B.v. 14.11.2017 – 3 B 290/17 – juris).
Bei der Frage, ob den Schweinen erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden und erhebliche Schäden zugefügt worden sind, ist des Weiteren die vorrangige Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte zu beachten, deren fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch pauschale und unsubstanziierte gegenteilige Behauptungen entkräftet werden können (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 24 und 26). Die Einschätzung der beamteten Tierärzte, denen vom Gesetzgeber ausdrücklich eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt worden ist, ist im Regelfall als maßgeblich anzusehen. Denn Amtstierärzte sollen als Sachverständige bei der Durchführung des Tierschutzgesetzes beteiligt werden (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). In dem einem exakten Nachweis nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen kommt ihrer fachlichen Beurteilung besonders Gewicht zu. Angesichts der hier von amtstierärztlicher Seite konkret dargelegten Mängel genügen die schlichten gegenteiligen Einlassungen des Klägers nicht zur Rechtfertigung einer anderen Beurteilung. Dies gilt sowohl bei der Frage, ob grobe oder wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, als auch hinsichtlich der Frage, ob den Tieren die in § 16a Abs. 1 TierSchG vorausgesetzten qualifizierten Folgen zugefügt worden sind. An die Äußerungen der Amtstierärzte sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen Tatsachen angeben und bewerten, die einzelfallbezogen den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung der Tiere oder auf schwerwiegende Verhaltensstörungen tragen. Es geht um die verlässliche Absicherung der tierschutzrelevanten Beurteilung des Sachverhalts durch die Beteiligung eines beamteten Tierarztes bzw. einer beamteten Tierärztin, weil diese(r) hierzu besonders fachlich befähigt ist. Auch die Form eines Aktenvermerks sowie Lichtbilder können genügen. Von den amtstierärztlichen Feststellungen wäre – anders als hier – nur dann nicht auszugehen, wenn das Gutachten bzw. die Feststellungen Mängel aufweisen, die diese zur Sachverhaltsfeststellung als ungeeignet, zumindest aber als nicht ausreichend tragfähig erscheinen lassen. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Gutachten unvollständig oder widersprüchlich wäre oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge oder sich erhebliche Zweifel an der Sachkunde des Gutachters ergäben (vgl. OVG SH, B.v. 5.6.2019 – 4 MB 42/19 – juris, BayVGH, B.v. 24.5.2019 – 23 ZB 19.183 – juris; B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 17.1908 – KommunalPraxis BY 2019, 270; B.v. 30.4.2019 – 23 ZB 16.2520 – juris; B.v. 6.11.2017 – 9 C 17.328 – juris; B.v. 6.11.2017 – 9 ZB 15.2608 – juris; B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris; B.v. 23.5.2017 – 9 C 16.2602 – juris; B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris; OVG LSA, B.v. 11.1.2019 – 3 M 421/18 – juris; B.v. 14.5.2018 – 3 M 141/18 – juris; B.v. 10.5.2017 – 3 M 51/17 – LKV 2017, 326; NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – RdL 2018, 80; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2017 – OVG 5 B 2.17 – juris).
Ausgehend davon finden sich in den vorgelegten Behördenakten einschließlich der Akte des Veterinäramtes zahlreiche Gutachten, Sektionsberichte über pathologische Untersuchungen, Stellungnahmen und Aktenvermerke sowie Lichtbilder bzw. Videoaufnahmen, die die Feststellungen der beamteten Tierärzte und auch deren Schlussfolgerungen dokumentieren und die in den Bescheid eingeflossen sind. Dabei handelt es sich nicht um punktuelle Momentaufnahmen. Vielmehr reichen die zahlreichen auf Vor-Ort-Kontrollen basierenden Feststellungen von 2017 und insbesondere von November 2018 bis zum Bescheidserlass und darüber hinaus bis heute. Die amtsärztlichen Stellungnahmen sind auch ausführlich im streitgegenständlichen Bescheid wiedergegeben. Darauf wird im Einzelnen verwiesen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Schweinebestandes sowie die Untersagung der Haltung und Betreuung von Schweinen sind auf der Basis der amtstierärztlichen Feststellungen erfüllt. Denn die tierschutzrechtlichen Anforderungen des § 2 Nr. 1 bis 3 TierSchG (betreffend Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung usw.) wurden wiederholt und nachhaltig nicht eingehalten. Wesentliche Mängel in den Haltungseinrichtungen in Bezug auf Licht, Wasser, Beschäftigungsmaterial, bei dem allgemeinen hygienischen Zustand der Stallungen, mangelhaften Raumpflege, Kachexie (krankhafte, starke Abmagerung), unbehandelte Krankheiten der Schweine usw. sind ausführlich dokumentiert. Darüber hinaus hat der Beklagte in seiner Klageerwiderung sowie den weiteren Schriftsätzen die tierschutzwidrigen Zustände in überzeugender Weise vertiefend erläutert. Die Dokumentation belegt über einen Zeitraum von einem dreiviertel Jahr eine Vielzahl hochgradiger Verstöße gegen das Tierwohl bis hin, dass Tiere verhungert und verendet sind bzw. Nottötungen erfolgen mussten. Der Kläger hat sowohl gegen die allgemeinen Anforderungen des Tierschutzrechts als auch gegen die speziellen Anforderungen an das Halten von Schweinen gemäß der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verstoßen. Danach muss ein Schwein unter anderem jederzeit Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem und in ausreichender Menge vorhandenem Beschäftigungsmaterial haben, jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität usw. (vgl. Schäfrich in Dombert/Witt, Münchner Anwaltshandbuch, Agrarrecht, 2. Aufl. 2016, § 22 Rn. 197 ff., 242 ff.).
Der Beklagte hat unter anderem zutreffend den teilweise ungenügenden Ernährungszustand der Schweine bemängelt bis hin zur Kachexie, wie auch die Sektionsberichte des Landratsamtes Bamberg belegen. Die Amtsärztin hat in der mündlichen Verhandlung dazu plausibel erläutert, dass eine solche Abmagerung über einen längeren Zeitraum andauert und von einen verantwortungsvollen Tierhalter schon zu Beginn der Erkrankung rechtzeitig hätte bemerkt und behandelt werden müssen. Die Amtsärztin zeigte in der mündlichen Verhandlung Fotos eines abgemagerten Schweines im Stall des Klägers, das später bei der Tierkörperbeseitigung angeliefert und seziert worden sei. Es sei hochgradig abgemagert gewesen und habe eine deutliche Druckstelle gehabt. Demgegenüber wandten der Kläger sowie sein Bruder nur ein, sie könnten sich an das Schwein nicht erinnern. Dies habe bei ihnen nicht im Stall gestanden. Einsicht zeigten sie indes nicht.
Aufgrund der massiven tierschutzrelevanten Feststellungen ist der gesamte Schweinebestand aufzulösen. Selbst wenn nur einige Tiere des Bestandes vernachlässigt sind und andere nicht, ist es im Interesse eines wirksamen Tierschutzes möglich und erforderlich, dass der Halter alle Schweine abgibt (vgl. VG Aachen, U.v. 19.12.2009 – 6 K 2135/08 – juris).
Vor dem Hintergrund der dokumentierten Haltungsmängel bestehen am umfassenden Haltungs- und Betreuungsverbot betreffend die Schweinehaltung keine durchgreifenden Bedenken. Im Hinblick auf die Anzahl und Schwere der festgestellten Mängel bei der Schweinehaltung ist davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird, so dass eine negative Prognose zu stellen ist. Die Kette von Verfehlungen gegen § 2 TierSchG rechtfertigt die Annahme weiterer Verstöße, auch wenn es in der Zwischenzeit einzelne kurzfristige Verbesserungen in der Tierhaltung gegeben haben sollte. Denn ein Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern (Hirt/Maissack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 48). Für die Prognose der zuständigen Behörde ist auf dem hypothetischen Geschehensverlauf – bei unterstellten Nichteinschreiten der Behörde – abzustellen. Werden bei tierschutzrechtlicher Kontrollen wiederholt massive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt, das das Bestehen von massiven Schmerzen und Leiden vermuten lässt, ist ein Tierhaltungsverbot nicht zu beanstanden (Schäfrich in Dombert/Witt, Münchner Anwaltshandbuch, Agrarrecht, 2. Aufl. 2016, § 22 Rn. 288). Entscheidend ist, dass ein erneuter Verstoß gegen Tierschutzvorschriften in absehbarer Zeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Nach Bescheidserlass sind tatsächlich solche erneuten gravierenden Verstöße wiederholt vorgekommen. An die Wahrscheinlichkeit sind geringere Anforderungen zu stellen je größer und schwerer der möglicherweise einzutretende Tierschutzverstoß ist (Köpernik in Düsing/Martinez, Agrarrecht 2016, § 16a TierSchG Rn. 3; Hirt/Moritz/Maisack, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 2).
Der Kläger hat in der Vergangenheit trotz wiederholter Anordnungsbescheide und trotz fällig gewordener Zwangsgelder die tierschutzwidrige Haltung der Schweine fortgesetzt, ohne sich nachhaltig zu bessern, wie der Beklagte umfassend dokumentiert hat. In der Regel lässt sich anhand der Zahl und/oder Schwere der bisherigen Verstöße eine auf Tatsachen gestützte negative Prognose begründen. Nach den vorliegenden Gesamtumständen ist die Prognoseentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden (vgl. auch BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 18.756 – juris). Die festgestellten massiven Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften und gegen behördliche Anordnungen erlauben dabei grundsätzlich die Untersagung der Haltung und Betreuung der Schweine sowie die Auflösung des vorhandenen Tierbestandes (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2019 – 23 ZB 19.183 – juris). Selbst unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens hat der Kläger die geforderten Maßnahmen nicht umfassend und, wenn überhaupt, nur zögerlich, nur teilweise und verspätet umgesetzt und darüber hinaus neue Verstöße gegen das Tierschutzrecht begangen, die bei den wiederholten Nachkontrollen festgestellt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2019 – 23 CS 19.662 – juris; B.v. 10.4.2019 – 23 CS 19.624 – juris).
Der Klägerbevollmächtigte bestreitet letztlich nicht die Mängel und Missstände in der Tierhaltung, sondern wendet sich primär gegen das umfassende Betreuungsverbot, um den Kläger die Betreuung der Schweine nach Übergabe der Betriebsinhaberschaft auf seinen Bruder zu ermöglichen. Dies ist indes kein gangbarer Weg. Denn die vollständige Bestandsauflösung und das Haltungs- und Betreuungsverbot sind ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Die Übergabe des Betriebs an den Bruder unter Mitarbeit des Klägers in Form von einfachen Arbeiten wie Füttern und Misten, Mithilfe bei der Ferkelbehandlung und beim Umstallen, ist kein geeignetes milderes Mittel. Abgesehen davon, dass auch der Bruder schon in der Vergangenheit mitgearbeitet hat und sich wiederholt ebenso wie der Kläger uneinsichtig gezeigt hat, würde sich durch eine schlichte Umfirmierung der Schweinehaltung angesichts der realistischer Weise zu erwartenden erheblichen Einflussnahme des Klägers auf die Schweinehaltung und Schweinebetreuung nichts an den tatsächlichen Zuständen ändern. Abgesehen davon ist unabhängig von den Zweifeln an der Sachkunde und Zuverlässigkeit des Bruders eine tierschutzgerechte Unterbringung der Tiere in den aktuell vorhandenen Haltungseinrichtungen insbesondere im Wartestall ohnehin nicht auf Dauer möglich. Im Zeitraum von November 2018 bis Juli/August 2019 ist trotz wiederholten behördlichen Einschreitens und wiederholter Anordnungen keine deutliche Verbesserung der Schweinehaltung eingetreten. Gleichermaßen ist auch keine grundlegende Verbesserung in der Einstellung des Klägers gegenüber dem Tierwohl erfolgt. Missstände wurden nicht behoben; Zwangsgelder wurden fällig.
Es ist nicht erkennbar, dass beim Kläger ein Einstellungswandel und ein innerer Lernprozess stattgefunden hätten. Gerade, wenn weitere Zuwiderhandlungen drohen und nach der fachlichen Einschätzung der Amtstierärzte mögliche weniger einschneidende Handlungsalternativen zur Abwendung dieser Gefahr nicht genügend effektiv erscheinen, ist eine vollständige Untersagung des Haltens und des Betreuens erforderlich und verhältnismäßig. Anders ist die Fortsetzung der Leidensgeschichte der Schweine nicht zu verhindern. Bis heute hat der Kläger nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die tierschutzrechtlichen Missstände nachhaltig zu beseitigen. Dass ein nachhaltiger Reifeprozess beim Kläger (und seinem Bruder) nicht zu erkennen ist, belegt auch sein uneinsichtiges Auftreten in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe immer die behördlichen Anordnungen befolgt und er wisse nicht, was er anders machen solle. Danach ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass und warum sich in Zukunft etwas zu Gunsten des Tierwohls ändern sollte. Vielmehr bagatellisiert und verharmlost der Kläger sein Verhalten. Gerade die fehlende Einsichtsfähigkeit bzw. Einsichtswilligkeit ist ein wesentlicher Umstand, der die Annahme rechtfertigt, dass weiterhin gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird und nur ein umfassendes Haltungs- und Betreuungsverbot Abhilfe verschaffen kann. Dies wird zusätzlich belegt durch die auch noch während des laufenden Verfahrens fortgesetzten tierschutzwidrigen Zustände, ohne dass eine grundlegende Behebung bzw. Verbesserung der Verhältnisse auf dem klägerischen Anwesen zu erkennen war. Selbst bei einer reinen Mithilfe des Klägers beim Bruder erscheint es völlig unrealistisch, dass sich die Tierhaltungsbedingungen bessern würden (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 18.756 – juris).
Eine Relativierung der vom beamteten Tierarzt festgestellten Missstände und ein Bestreiten der Ursächlichkeit für die Leiden der Tiere etwa wie die Kachexie belegen zusätzlich die fehlende Einstellung des Klägers zum Tierwohl (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 23 CS 19.624 – juris; B.v. 21.3.2019 – 23 ZB 16.763 – juris). Angesichts der Vielzahl der tierschutzrechtlichen Verstöße und der erkennbaren Uneinsichtigkeit des Klägers ist auch nicht ersichtlich, welche anderen, milderen Maßnahmen ernstlich in Betracht kommen könnten, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße in Zukunft sich ausschließen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris). Der Kläger hat sich letztlich durch die in der Vergangenheit erfolgten Belehrungen und behördlichen Anordnungen unbeeindruckt gezeigt, so dass weitere Anordnungen nicht erfolgversprechend für eine effektive und langfristige Behebung der vorherstehenden Zustände sind (vgl. BayVGH, B.v 24.5.2019 – 23 ZB 19.183 – juris).
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Kläger nicht generell die Tierhaltung oder die Landwirtschaft untersagt wurde, sondern nur die Schweinehaltung und -betreuung. Nach den tierärztlichen hochgradigen Beanstandungen ist indes eine funktionale Verlagerung von der Schweinehaltung auf die reine Schweinebetreuung ebenso wenig ausreichend wie auch eine Reduzierung des Schweinebestandes (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2019 – 23 CS 19.662 – juris).
Auch unter Berücksichtigung der Grundrechte des Klägers (insbesondere Art. 12 und Art. 14 GG) sind keine geeigneten milderen Mittel ersichtlich, als dem Kläger die Schweinehaltung generell auf Dauer zu untersagen und den Schweinebestand aufzulösen, um tierschutzwidrige Zustände zu beseitigen und in Zukunft zu vermeiden. Gerade die aktenkundigen Feststellungen seit November 2018 und die Nichtbefolgung milderer Maßnahmen, zeigen, dass mildere Mittel nicht ausreichend sind, um den erforderlichen Tierschutz zu gewährleisten. Die in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen des Veterinäramtes und des Beklagten haben nicht gefruchtet, so dass im Ergebnis kein anderer Weg bleibt als die im Bescheid getroffenen drastischen Maßnahmen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 49 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Angesichts der fehlende Aussicht auf Besserung der Verhältnisse ist dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung tierschutzgemäßer Zustände (§ 1 TierSchG, Art. 20a GG) der Vorrang vor dem privaten, auch grundrechtlich geschützten Interesse des Klägers einzuräumen. Ein über längere Zeit festzustellendes Vorliegen tierschutzwidriger Haltungsbedingungen verbunden mit dem uneinsichtigen Verhalten des Klägers rechtfertigt die Annahme des Beklagten, dass der Kläger zur weiteren Haltung und Betreuung von Schweinen ungeeignet ist und es bei einer weiteren Tätigkeit zu weiteren Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen kommen würde (vgl. NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – RdL 2018, 80; BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 9 ZB 15.2608 – juris; OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – LKV 2018, 80; B.v. 10.5.2017 – 3 M 51/17 – LKV 2017, 326).
Der Beklagte hat sich vorliegend auch ernsthaft mit milderen, wenig schwer in das Eigentum (Art. 14 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) eingreifenden Alternativen befasst und diese ermessensfehlerfrei ausgeschlossen. Das Verbot ist auf die Haltung und Betreuung von Schweinen beschränkt und damit auch schon im Hinblick auf die Berufsausübung als Landwirt gemäß Art. 12 GG abgemildert. Das schützenswerte Rechtsgut der Tiere überwiegt vorliegend das Interesse des Klägers, weiterhin zumindest als Betreuer an der Schweinehaltung mitzuwirken. Selbst bei einer betreuenden Tätigkeit des Klägers würde sich – wie ausgeführt – nach Überzeugung des Gerichts an den tierschutzwidrigen Haltungsumständen nichts ändern. Der Umstand, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt mit der Schweinehaltung erzielt und infolge des Verbots möglicherweise sozialhilfebedürftig zu werden droht, begründet für sich nicht die Unverhältnismäßigkeit eines Haltungs- und Betreuungsverbots. Eine erwerbswirtschaftliche Tierhaltung führt nicht zu geringeren Anforderungen an der Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn 49).
Nicht zuletzt angesichts der Aufwertung des Tierschutzes durch Art. 20a GG ist die generelle Untersagung der Schweinehaltung auch vor dem Hintergrund, dass hierin letztlich eine Beschränkung der Berufsausübung liegen kann, nicht unverhältnismäßig (vgl. Schäfrich in Domberg/Witt, Münchner Anwaltshandbuch, Agrarrecht, 2. Aufl. 2016, § 22 Rn. 289). Im Hinblick auf die Tierhaltung zu Erwerbszwecken und in Abwägung der Interessen des Tierschutzes mit den finanziellen Interessen des Halters ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft dem Tierschutz Vorrang einzuräumen (Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 224. Ergänzungslieferung März 2019, T 95, § 16a TierSchG Rn. 2). Der Eingriff der Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, weil durch das Haltungs- und Betreuungsverbot (lediglich) die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden darf und in den Regelungen des § 16a TierSchG seine Rechtfertigung findet. Eine Fortsetzung der beruflichen Betätigung – sei es auch nur als Betreuer der Schweine – wäre mit konkreten und nicht unerheblichen Gefahren für ein überragendes gewichtiges Gemeinschaftsgut verbunden. Denn der durch Art. 20a GG im Verfassungsrang stehende Tierschutz ist ein Gemeinschaftsgut in diesem Sinne (vgl. OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – LKV 2018, 80; B.v. 10.5.2017 – 3 M 51.17 – LKV 217, 326).
Im Übrigen sind im Hinblick auf die Möglichkeit eines Wiedergestattungsantrags gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 letzter Halbsatz TierSchG an die Verhältnismäßigkeit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Dem Kläger wird so durch die Wiedergestattungsmöglichkeit Gelegenheit zur Abhilfe eingeräumt. Dem Kläger bleibt unbenommen, bei grundlegender Änderung der Verhältnisse einen Antrag auf Wiedergestattung der Schweinehsaltung oder der Schweinebetreuung zu stellen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbsatz TierSchG). Erforderlich ist der Nachweis, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen weggefallen ist und sich die Basis für die frühere Prognose zwischenzeitlich verändert hat. Der Kläger müsste einen individuellen Lernprozess belegen, der bei ihm zu einer Reifung und Läuterung in seinem Verhalten gegenüber potenziell zu haltenden Tieren geführt hat und der über ein bloßes zeitweiliges oder situationsbedingtes Unterlassen der früheren tierschutzwidrigen Handlungsweise hinausgeht (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 55; OVG SH, B.v. 5.6.2019 – 4 MB 42/19 – juris; BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 18.756 – juris und B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 17.1908 – KommunalPraxis BY 2019, 270; B.v. 30.4.2019 – 23 CS 19.662 – juris; B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.10.2018 – OVG 5 S 52.17 – RdL 2019, 221).
Schließlich sind auch die weiteren Anordnungen und Verfügungen im streitgegenständlichen Bescheid nicht zu beanstanden. Dies betrifft insbesondere die Duldung des Betretens seines Grundstücks sowie die mit den einzelnen Maßnahmen getroffenen Zwangsmittelandrohungen (vgl. etwa zur Ersatzvornahme bei der Auflösung eines Tierbestandes BayVGH, B.v. 23.11.2011 – 9 CS 11.1099, 9 CS 11.1321 – juris) sowie die Tragung der Bescheidskosten. Insoweit sind Einwände weder von Klägerseite vorgebracht, noch besteht sonst Anlass zu rechtlichen Bedenken. Infolgedessen kann auch insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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