Aktenzeichen W 6 S 18.570
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1 Dass es sich bei einer wahnhaften Störung um keine Erkrankung handelt, die ausdrücklich in Anlage 4 zur FeV aufgeführt ist, schließt nicht aus, dass Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers aufkommen können, die im Wege einer ärztlichen Begutachtung nach § 11 Abs. 2 FeV aufgeklärt werden müssen. Der Verordnungsgeber hat mit den in Bezug genommenen Anlagen keine abschließende Regelung getroffen. Vielmehr handelt es sich um spezielle Regelungen der von den Anlagen erfassten Sachverhalte, die regelmäßig keinen Rückschluss für die Bewertung dort nicht erfasster Sachverhalte zulassen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mehrfaches aggressives Verhalten im Straßenverkehr (bewusstes Auffahren, Auf-das-Fenster-Schlagen, unerlaubtes Entfernen von Unfallort) und gegenüber der Polizei (Aufbrausen, Schreien, Schläge) rechtfertigen die Begutachtung wegen des Verdachts einer psychischen Störung. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am … 1952 geborene Antragsteller ist im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt). Er wendet sich gegen den sofortigen Vollzug des Bescheids über den Entzug seiner Fahrerlaubnis.
1. Mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26. November 2013 (rechtskräftig seit dem 4.12.2013) wurde der Antragsteller in einem Berufungsverfahren freigesprochen, nachdem er zuvor vom Amtsgericht Schweinfurt am 5. Dezember 2012 wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Der Antragsteller wurde freigesprochen, da er laut Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. V. an einer wahnhaften Störung mit querulatorischer Ausprägung litt und damit schuldunfähig war.
Im Rahmen eines anderen strafgerichtlichen Berufungsverfahrens gab das Landgericht Schweinfurt ein weiteres forensisch-psychiatrisches Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit des Antragstellers in Auftrag. Das wiederum von Prof. Dr. V. erstattete Gutachten vom 4. Januar 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller aller Voraussicht nach eine wahnhafte Störung bestehe, weshalb der Antragsteller aufgrund fehlender Einsichtsfähigkeit i.S.d. § 20 StGB schuldunfähig sei.
Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt führte gegen den Antragsteller eine Vielzahl weiterer Ermittlungsverfahren (vgl. Blatt 64 d. A.), die teilweise wegen Schuldunfähigkeit aufgrund des Gutachtens vom 4. Januar 2016 eingestellt wurden (vgl. Verfügungen der Staatsanwaltschaft Schweinfurt vom 18. Mai 2016 und vom 10. Juni 2016).
Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 teilte die Polizeiinspektion Schweinfurt dem Landratsamt Schweinfurt (künftig Landratsamt) mit, dass sich der Antragsteller im Anschluss an einen Verkehrsunfall am 16. Juni 2017, an dem er beteiligt gewesen sei, aufbrausend und unfreundlich erregt gezeigt habe. Außerdem wurde mitgeteilt, dass sich der Antragsteller am 27. März 2017 unerlaubt von einem Unfallort entfernt habe. Zuvor habe sich der Antragsteller gegenüber der Geschädigten sehr aggressiv gezeigt. So sei er aus dem Auto ausgestiegen und habe an das Fenster geklopft und geschrien, weil die Geschädigte zuvor zwei Autos in die Spur gelassen habe. Anschließend sei er vor die Geschädigte gefahren und habe dann aufgrund einer Schranke zurücksetzen müssen. Dabei sei er auf das Auto der Geschädigten aufgefahren. Danach habe er sich entfernt ohne sich um den Schaden zu kümmern.
Mit Schreiben vom 23. November 2017 teilte die Staatsanwaltschaft Schweinfurt dem Landratsamt mit, dass das Verfahren gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls vom 27. März 2017 mit Verfügung vom 27. Oktober 2017 eingestellt wurde, da die Schuld des Antragstellers als gering anzusehen sei. Das Landratsamt wurde weiter darüber informiert, dass mehrere Verfahren gegen den Beschuldigten wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurden, da ein Gutachten von Prof. Dr. V zu dem Ergebnis komme, dass beim Antragsteller eine wahnhafte Störung vorliege. Es liege daher nahe, dass auch bei der vorliegenden Tat Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen habe.
Unter Bezugnahme auf die Mitteilung der Staatsanwaltschaft bat das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 23. November 2017, ein ärztliches Attest vorzulegen um etwaige Zweifel an der Fahreignung auszuräumen.
In der Folge sprach der Antragsteller mehrfach persönlich beim Landratsamt vor. Ein Attest legte der Antragsteller nicht vor.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2018 forderte das Landratsamt den Antragsteller nach § 11 Abs. 2 FeV i.V.m. Nr. 7 der Anlage 4 FeV auf, spätestens bis zum 9. März 2018 ein fachärztliches Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Als Anlass für die Aufforderung wurde angegeben, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wegen einer beim Antragsteller vorliegenden wahnhaften Störung und daraus resultierender Schuldunfähigkeit eingestellt habe. Die Klärung der Fahreignung solle mittels folgender Fragestellung herbeigeführt werden:
„Liegt bei Herrn. G eine Erkrankung vor, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt? Wenn ja: Ist der Untersuchte dennoch in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 (FE-Klasse 3) gerecht zu werden? Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßig/überwachte Medikamenteneinnahme) vor? Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachliche einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrolle) erforderlich?
In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum? Ist eine einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer Nachbegutachtung erforderlich? Falls ja: In welchem zeitlichen Abstand?“
Das Schreiben enthält u.a. den Hinweis, dass bei Weigerung sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten beizubringen auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne.
Mit Erklärung vom 20. Januar 2018 zeigte der Antragsteller dem Landratsamt an, dass er sich von der TÜV Thüringen GmbH & Co. KG in Schweinfurt begutachten lassen wolle.
Am 9. Februar 2018 sprach der Antragsteller erneut persönlich beim Landratsamt vor. Dabei wurde dem Antragsteller von einem Mitarbeiter des Landratsamtes erklärt, dass er die Möglichkeit habe, das geforderte Attest seines Hausarztes vorzulegen und die Sachlage danach erneut geprüft werden würde. Mehrfach und ausdrücklich betont wurde, dass vermutlich trotzdem eine Begutachtung erfolgen werde. Es wurde auch auf die Folgen Nichtbeibringens des Gutachtens hingewiesen.
Da das fachärztliche Gutachten vom Antragsteller nicht beigebracht wurde, hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 12. März 2018 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. März 2018.
Am 20. März 2018 meldete sich die Arzthelferin der Hausarztpraxis des Antragstellers und erkundigte sich, welches Attest vom Antragsteller gefordert werde. Daraufhin wurde dieser mitgeteilt, dass vom Antragsteller nunmehr ein ärztliches Gutachten gefordert werde und ein Attest nicht mehr ausreiche.
Am 22. März 2018 sprach der Antragsteller erneut beim Landratsamt vor und erklärte u.a. zur Niederschrift, er habe die für die Begutachtung notwendigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass dies mit solch hohen Kosten verbunden sei. Ein Attest des Hausarztes sei nicht erstellt worden, nachdem die Arzthelferin Rücksprache mit dem Landratsamt gehalten habe.
Am 23. März 2018 sprach der Antragsteller wieder beim Landratsamt vor und übergab dabei einige Unterlagen, insbesondere ärztliche Atteste.
2. Mit Bescheid vom 26. März 2018 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für alle Klassen (Nr. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den vom Landratsamt Würzburg am 5. November 1971 unter Listen- Nr. … ausgestellten Führerschein, unverzüglich, spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbefolgung der Verpflichtung unter Nr. 2 wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 300,00 EUR angedroht (Nr. 4). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Nr. 5).
Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, die Entziehung der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Da der Antragsteller das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, werde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV), mit der Folge, dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Inhaber einer Fahrerlaubnis müssten die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Dies sei insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 der Fahrerlaubnisverordnung vorliege, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen werde. Würden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründeten, könne die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen (§ 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 FeV). Durch die Tatsache, dass beim Antragsteller die Schuldunfähigkeit aufgrund einer wahnhaften Störung gutachterlich festgestellt worden sei, sei eine Erkrankung bekannt geworden, die Bedenken gegenüber der Kraftfahreignung begründe. So könne bei einer psychischen Erkrankung die Kraftfahreignung grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die Fahrerlaubnisbehörde habe deshalb nach § 11 Abs. 2 FeV eine ärztliche Begutachtung angeordnet. Ein solches ärztliches Gutachten sei geeignet gewesen, da durch dieses festgestellt werden könne, ob der Antragsteller trotz seiner Erkrankung in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Dies sei auch erforderlich gewesen. Die finanziellen und zeitlichen Aufwendungen stünden auch im angemessenen Verhältnis dazu, dass die Eignungsfrage abschließend geklärt werden könne. Die Aufforderung sei deshalb verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Antragsteller sei ohne berechtigten Grund der Anordnung vom 9. Januar 2018 trotz Zuwarten nicht fristgerecht nachgekommen. Er habe damit nicht in ausreichendem Maße an der Klärung an seiner Fahreignung bestehenden Zweifel mitgewirkt. Diese Zweifel hätten sich daher zur Überzeugung der Behörde zu der Gewissheit verdichtet, dass der Antragsteller derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, seien nicht ersichtlich und seien auch nicht vorgebracht worden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei somit geboten. Die angeordnete Maßnahme entspreche auch der Verhältnismäßigkeit. Auch die vorgebrachten Belange des Antragstellers hinsichtlich seiner Tätigkeiten fielen im Ergebnis nicht ins Gewicht, da das Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer daran, Personen, die nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet seien, an der Teilnahme am Straßenverkehr zu hindern, seine individuellen Interessen weit überwögen. Der sofortige Vollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis sei dringend geboten, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr aufrecht zu halten, indem der Antragsteller mit absoluter Sicherheit daran gehindert werde, Fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Fahrerlaubnisinhaber, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in erheblichem Maße zumindest zweifelhaft erscheine, stellten eine erhebliche Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr dar. Der rechtstreue Verkehrsteilnehmer könne von der zuständigen Behörde erwarten, dass ungeeigneten Fahrern die Fahrerlaubnis entzogen werde, um andere Verkehrsteilnehmer wirksam zu schützen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 29. März 2018 zugestellt.
Am 9. April 2018 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
2. Am 30. April 2018 ließ der Antragsteller Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist und im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 26.03.2018, zugestellt am 29.03.2018, Az: 31-143/1-Gr, wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, zuletzt sei gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort geführt worden. Das Ermittlungsverfahren sei hierbei gemäß § 153 Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Gerichts eingestellt worden. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren sei gemäß § 46 OWiG, § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Ein Tatnachweis habe hierbei nicht geführt werden können. Die Einstellung gemäß § 153 Abs. 1 StVO erfolge nach dem Wortlaut der StPO wegen „geringer Schuld“ nicht wegen „Schuldunfähigkeit“. Die Einstellungsverfügung sei nicht rechtsmittelfähig, mithin für den Antragsteller zu akzeptieren. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt habe dem Landratsamt den Sachverhalt mitgeteilt. In erster Stufe sei ausgeführt worden, dass unabhängig von der Frage der Schuldfähigkeit die Schuld als gering anzusehen sei. Feststellungen zur Schuldfähigkeit seien wegen Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht getroffen. Ein Zusammenhang des Ereignisses des dort erwähnten Gutachtens des Prof. V. zur verkehrsrechtlichen Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs bestehe nicht. Spezifische Zusammenhänge zum Verkehrsgeschehen bestünden ebenfalls nicht. Das Gutachten aus dem Jahr 2016 enthalte keine Anhaltspunkte, die auf eine Gefährdung Dritter, auch nicht im Straßenverkehr, schließen ließen. Das Landratsamt habe mit Schreiben vom 9. Januar 2018, im Rahmen dessen die Begutachtungsaufforderung sowie die Formulierung der Fragestellung erfolgt sei, ausgeführt, dass die Einstellung des Verfahrens deswegen erfolgt sei, weil eine wahnhafte Störung eine Schuldunfähigkeit bedinge. Dies sei der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zu entnehmen. Dort werde ausgeführt, dass die Schuld als gering anzusehen sei und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht bestehe. Das Landratsamt irre mithin hinsichtlich der Begründung der Einstellung und setze der Anordnung zur Gutachtenseinholung einen falschen Sachverhalt voraus. Bereits die Grundlage der Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens sei mithin eine andere. Auch die weiteren Erkenntnisse durch Anfrage bei den Ermittlungsbehörden rechtfertige keine derartige Anordnung. Die in der Anordnung ausgeführte Abwägung sei deshalb fehlerhaft, da diese auf einer falschen Annahme beruhe. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei unverhältnismäßig und rechtswidrig. Der Antragsteller habe sich gleichwohl grundsätzlich bereit erklärt, eine Begutachtung durchführen zu lassen und habe eine Begutachtungsstelle kontaktiert. Der Antragsteller habe mehrfach mitgeteilt, dass er die anfallenden Kosten nicht tragen könne. Zur Ausräumung der Zweifel habe der Antragsteller seinen Hausarzt Herrn Dr. H. kontaktiert. Dieser habe daraufhin das Landratsamt kontaktiert und erfragt, welches Attest konkret gefordert werde. Dies belege, dass der Antragsteller sehr wohl einsichtsfähig und kooperativ sei, jedoch das ärztliche Gutachten, welches das Landratsamt gefordert habe, von dortiger Stelle nicht gerechtfertigt werden könne. Vom Antragsteller seien ärztliche Atteste vorgelegt worden. Sämtlichen Attesten sei die der Gutachtensanordnung zu Grunde gelegten Leiden nicht zu entnehmen. Es sei jeweilige Diagnose gestellt worden, ohne auf eine entsprechende Störung hinzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 beantragte das Landratsamt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholte das Landratsamt im Wesentlichen die Erwägungen aus dem Bescheid vom 26. März 2018. Ergänzend führte das Landratsamt aus, dass sich Hinweise auf das Bestehen einer Erkrankung nach Nr. 7 der Anlage zu FeV nicht zwingend aus dem Verhalten des Betroffenen anlässlich der Teilnahme am Straßenverkehr ergeben müssten. Insofern ist das forensische-psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. V. vom 4. Januar 2016, welches zu dem Schluss komme, dass beim Antragsteller eine wahnhafte Störung vorliege, im vorliegenden Verfahren verwertbar. Dies gelte umso mehr, als sich ein entsprechendes Verhalten nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft Schweinfurt gemäß der Verfügung vom 27. Oktober 2017 auch bei dem Vorfall am 27. März 2017 und damit im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung gezeigt habe. Fehl gehe der Einwand, das Landratsamt habe eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet, denn es sei lediglich die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangt worden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb rechtmäßig erfolgt.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Akte im Verfahren W 6 K 18.571 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage ist zulässig aber unbegründet.
1. Bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) beantragt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheides vom 26. März 2018 und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Nr. 3 dieses Bescheids.
Dieser Antrag ist statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Nichterforderlichkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ablieferungspflicht des Führerscheins). Die Zwangsmittelandrohung (Nr. 3 des Bescheides) ist gemäß Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
2. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1 Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffend die Ungeeignetheit von Kraftfahrern das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist und die fahrerlaubnisrechtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris; B.v. 15.6.2016 – 11 CS 16.879 – juris).
2.2 Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Schweinfurt vom 26. März 2018 ergibt, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Es spricht vieles dafür, dass die im Bescheid getroffenen Regelungen rechtmäßig sind und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt den zutreffenden Gründen des Bescheides vom 26. März 2018 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Das Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
2.2.1
Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheides ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 – 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde bei Eignungszweifeln die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV auch von einem Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 erfüllt.
Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festzulegenden Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Der Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde teilt der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind, und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen (§ 11 Abs. 6 Satz 4 FeV). Die Untersuchung erfolgt aufgrund eines Auftrages durch den Betroffenen (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Abs. 6 hinzuweisen (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
An die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen, da die Folgen für den Betroffenen (Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, ggf. Entzug der Fahrerlaubnis) gravierend sind und ein Rechtsbehelf gegen die Gutachtensanforderung selbst als unselbständige Maßnahme der Beweiserhebung (§ 44a VwGO) nicht gegeben ist. Deshalb kann nur die Einhaltung der formellen und materiellen Voraussetzungen, insbesondere ein ausdrücklicher Hinweis auf die Konsequenzen der Nichtvorlage eines Gutachtens, die Entscheidung des Betroffenen umfassend gewährleisten. Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist somit nur zulässig, wenn der Betroffene bei der Anordnung auf diese Rechtsfolge gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen worden und die Anordnung, ein ärztliches Gutachten beizubringen, rechtmäßig ist. Dies setzt voraus, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens in materiell-rechtlicher und in formeller Hinsicht rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt und die Weigerung des Betroffenen ohne ausreichenden Grund erfolgt ist (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 55). Ermessen besteht im Rahmen des Schlusses auf die Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV nicht (BayVGH, B. v. 31.10.2014 – 11 CS 14.1627 – juris).
Die genannten Voraussetzungen für den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sind hier nach summarischer Prüfung gegeben. Die Gutachtensanforderung war sowohl in materiell-rechtlicher als auch in formeller Hinsicht rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig. Die Einwendungen des Antragstellers greifen nicht durch. Im Einzelnen:
2.2.1.1
Die Fahrerlaubnisbehörde hatte vorliegend hinreichenden Anlass zu Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers.
Zu klärende Eignungsbedenken liegen dann vor, wenn der Fahrerlaubnisbehörde konkrete Tatsachen bekannt geworden sind, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigen, bei dem Betroffenen könne Ungeeignetheit oder eingeschränkte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen. Eine Untersuchungsanordnung ohne belegte Tatsachen aufgrund bloßen Verdachts wäre rechtswidrig. Erforderlich sind konkrete Tatsachen, die den hinreichenden Verdacht fehlender Eignung begründen. Nicht jeder auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutende Umstand kann ein hinreichender Grund für die Anforderung eines Gutachtens sein (Dauer in Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 11 FeV Rn. 23). Die Anlage 4 zur FeV enthält häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel, die im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Zu diesen Krankheiten und Mängeln gehören u. A. nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV auch psychische (geistige) Störungen.
Ausreichend konkrete Tatsachen für Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers wegen einer psychischen Störung ergeben sich aus der Mitteilung der Polizeiinspektion Schweinfurt vom 12. Juli 2017 in Zusammenschau mit der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt vom 2. November 2017 und dem forensisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. V. vom 4. Januar 2016. So wird im Polizeibericht zum einen ausgeführt, dass sich der Antragsteller nach einem Verkehrsunfall am 16. Juni 2017 gegenüber der Unfallgegnerin und anderen Passanten am Unfallort aufbrausend gezeigt hat. Zum anderen wird darin beschrieben, dass der Antragsteller am 27. März 2017 wiederum an einem Verkehrsunfall beteiligt war und sich dann unerlaubt vom Unfallort entfernt hat. Zuvor hat sich der Antragsteller ausweislich der polizeilichen Mitteilung gegenüber der Geschädigten aggressiv verhalten. Konkret hat er – nachdem die Geschädigte zwei Fahrzeuge vor ihr in die Spur gelassen hat – der Geschädigten gegen das Fenster geschlagen und diese angeschrien. Anschließend hat er das Fahrzeug der Geschädigten überholt und ist dann beim Zurücksetzen auf dieses aufgefahren und anschließend davongefahren. Aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt ergibt sich, dass das Verfahren wegen des Vorfalls vom 27. März 2017 wegen geringer Schuld eingestellt wurde. Weiter wird angegeben, dass der Antragsteller schon mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, eine Ahndung aufgrund Schuldunfähigkeit wegen einer wahnhaften Störung nicht möglich war. Explizit wird auch festgestellt, dass auch beim vorliegenden Sachverhalt davon auszugehen ist, dass der Antragsteller schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig war. Die wahnhafte Störung (ICD 10: F22) wurde im forensisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. V vom 4. Januar 2016 diagnostiziert. Unzweifelhaft steht damit fest, dass der Antragsteller an der diagnostizierten psychischen Erkrankung („wahnhafte Störung“) leidet. Die im Polizeibericht dargestellten Vorfälle zeigen – entgegen des Vorbringens des Bevollmächtigen des Antragstellers -, dass sich die Erkrankung auch in Zusammenhang mit der Beteiligung des Antragstellers am Straßenverkehr auswirken kann. Insbesondere das Verhalten des Antragstellers am 27. März 2017 lässt Zweifel darüber aufkommen, ob sich der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankung angemessen im Straßenverkehr verhalten und seine Aggressionen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern jederzeit kontrollieren kann. Damit liegen ausreichende Tatsachen vor, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründen.
Dass es sich bei einer wahnhaften Störung um keine Erkrankung handelt, die ausdrücklich in Anlage 4 zur FeV aufgeführt ist, schließt nicht aus, dass Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers aufkommen können, die im Wege einer ärztlichen Begutachtung nach § 11 Abs. 2 FeV aufgeklärt werden müssen. Der Verordnungsgeber hat mit den in Bezug genommenen Anlagen keine abschließende Regelung getroffen. Vielmehr handelt es sich um spezielle Regelungen der von den Anlagen erfassten Sachverhalte, die regelmäßig keinen Rückschluss für die Bewertung dort nicht erfasster Sachverhalte zulassen. Deshalb bedarf es typischerweise einer unmittelbaren Anwendung der Regelungen des § 11 FeV. So stellt die Vorbemerkung Ziffer 1 der Anlage 4 zur FeV ausdrücklich klar, dass die nachstehende Aufstellung (nur) häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel enthält, hingegen Erkrankungen, die seltener vorkommen oder nur kurzzeitig andauern, nicht aufgenommen sind. Gerade bei Erkrankungen, bei denen die Fahrerlaubnisbehörde – wegen der fehlenden Nennung in den Begutachtungsleitlinien – keinen Anhalt für die Eignungsrelevanz hat, ist es erforderlich, dass die Auswirkungen der diagnostizierten Erkrankung auf die Kraftfahreignung durch ein medizinischen Gutachten aufgeklärt werden; der Fahrerlaubnisbehörde fehlt dazu der medizinische Sachverstand. Die Notwendigkeit der Aufklärung der Eignungszweifel ergibt sich insbesondere dann, wenn – wie in der vorliegenden Konstellation der Fall – konkrete Tatsachen vorliegen, die auf eine Wirkung der Erkrankung auf das Verhalten im Straßenverkehr schließen lassen.
Auch die vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Atteste konnten die Eignungszweifel nicht beseitigen. Die Atteste vom 11. Januar 2017 und vom 22. Dezember 2016 haben orthopädische Probleme des Antragstellers zum Gegenstand und bringen damit keinen Aufschluss über seine psychische Gesundheit. Im hausärztlichen Attest vom 8. Januar 2016 wird beschrieben, dass der Antragsteller an Schlafstörung und Aggressionen wegen seiner Wohnsituation leidet. Zwar wird in diesem Attest keine psychische Krankheit diagnostiziert, doch passen die beschriebenen Leiden zum Ergebnis der Begutachtung vom 4. Januar 2016. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist es also keinesfalls so, dass man aus den vorgelegten Attesten den Schluss ziehen kann, dass der Antragsteller an keiner psychischen Krankheit leidet.
In diesem Zusammenhangt ist auch anzumerken, dass davon auszugehen ist, dass der Antragsteller seien Hausarzt nicht über seine psychischen Leiden in Kenntnis gesetzt hat. So hat der Antragsteller bei einer persönlichen Vorsprache beim Landratsamt am 23. November 2017 eine Mitarbeiterin aufgefordert, die Diagnose „wahnhafte Störung“ aus dem Schreiben vom 23. November 2017 zu löschen, da dies die Hausärztin nichts angehe. Den von der Hausärztin stammenden Attesten ist damit im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Antragstellers nur ein geringer Aussagewert beizumessen.
2.2.1.2
In der Gutachtensanforderung vom 9. Januar 2018 wurden dem Antragsteller die Eignungsbedenken der Fahrerlaubnisbehörde und die Tatsachen, an die diese anknüpften, auch mitgeteilt.
Die Darlegung der Gründe ist erforderlich, damit der Betroffene aus der Anordnung ableiten kann, ob diese rechtmäßige erfolgt ist. Konkret muss eine substantiierte Darlegung der Eignungszweifel unter Angabe der Tatsachen erfolgen, auf denen diese Zweifel beruhen (BVerwG, B.v. 5.5.2015 – 3 B 16/14 – NJW 2016, 179).
Vorliegend wurde im Aufforderungsschreiben ausgeführt, dass die Eignungszweifel aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt herrühren, in der dem Landratsamt mitgeteilt wurde, dass ein Strafverfahren gegen den Antragsteller gem. § 153 Abs. 1 StPO wegen Schuldunfähigkeit wegen einer wahnhaften Störung eingestellt wurde. Aus der Aufforderung geht damit deutlich hervor, dass sich die Eignungszweifel zum einen darauf stützen, dass der Antragsteller von der Staatsanwaltschaft wegen einer wahnhaften Störung für schuldunfähig gehalten wird. Auch auf der zweiten Seite des Schreibens wird nochmal erwähnt, dass die Eignungszweifel gerade auf die Annahme der Schuldunfähigkeit stützen. Außerdem wird durch den Bezug zu der Einstellung des Verfahrens wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort auch deutlich, welches konkrete Delikt Anlass für die Aufforderung zu Beibringung des Gutachtens war. Durch die Verweisung gerade auf diesen Sachverhalt wird ersichtlich, dass ein Verhalten des Antragstellers in Zusammenhang mit der Beteiligung am Straßenverkehr die Eignungszweifel begründet hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Antragsteller mehrfach persönlich beim Landratsamt vorgesprochen hat und ihm im Rahmen dieser Gespräche erläutert wurde, warum eine ärztliche Begutachtung von ihm verlangt werden muss, um die Eignungszweifel in seiner Person auszuräumen. Durch die Bezugnahme auf die Einstellung des Strafverfahrens wurden die Eignungszweifel damit hinreichend umschrieben, sodass der Antragsteller ausreichend darüber informiert war, warum ein ärztliches Gutachten von ihm verlangt wurde.
Nicht zur Rechtwidrigkeit der Aufforderung vom 9. Januar 2018 führt, dass vom Landratsamt ausgeführt wurde, dass das Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wegen der Schuldunfähigkeit des Antragstellers eingestellt wurde, obwohl die Einstellung des Verfahrens tatsächlich erfolgte, weil kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestand. Das Erfordernis der Darlegung der Eignungszweifel hat den Sinn, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zu überprüfen. Durch die falsche Bezeichnung des Grundes für die Einstellung des Strafverfahrens wird diese Möglichkeit der Überprüfung allerdings nicht eingeschränkt. Wie oben bereits dargelegt, geht aus dem Bezug auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft klar hervor, dass die diagnostizierte psychische Erkrankung, die zur Schuldunfähigkeit führte, in Zusammenschau mit dem Vorfall vom 27. März 2017 die Eignungszweifel begründet haben. Damit war dem Antragsteller bekannt, welcher Sachverhalt bzw. welche Tatsachen ausschlaggebend für die Anforderung des Gutachtens waren. Er wurde allein dadurch in die Lage versetzt, die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zu bewerten. Der konkrete Grund für die Einstellung des Verfahrens spielt für diese Bewertung keine Rolle. Trotz des Einstellungsgrundes bleibt es bei der Schuldunfähigkeit des Antragstellers. Dies hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung gegenüber dem Landratsamt vom 2. November 2017 auch zum Ausdruck gebracht, indem ausgeführt wurde, dass der Antragsteller wahrscheinlich auch bei Begehung dieser Tat schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig gewesen ist. Darüber hinaus muss auch in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass dem Antragsteller persönlich mehrfach erläutert wurde, warum ein ärztliches Gutachten von ihm verlangt wird.
Die genannten gesetzlichen Grundlagen für die Begutachtung waren auch zutreffend. So wurde mit § 11 Abs. 2 FeV i.V.m. Nr. 7 der Anlage 4 die richtige Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens bei Zweifeln an der Fahreignung aufgrund einer psychischen Störung benannt.
2.2.1.3
Die Fragestellung in der Gutachtensaufforderung ist, im Hinblick auf die zu klärenden Fahreignungsbedenken, die an die Schuldunfähigkeit und den Vorfall vom 27. März 2017 anknüpfen, somit anlassbezogen und auch angemessen und verhältnismäßig.
Der erste Teil der Fragestellung in der Gutachtensanforderung zielt darauf ab zu klären, ob beim Antragsteller eine psychische Erkrankung vorliegt, ob sich diese auf die Fahreignung auswirkt und ob eine ausreichende Adhärenz vorliegt. Aufgrund der klaren Hinweise auf eine psychische Erkrankung ist diese Fragestellung nicht zu beanstanden. Insbesondere ist diese Fragestellung nur auf psychische Erkrankungen beschränkt und geht damit im Hinblick auf die der Fahrerlaubnisbehörde vorliegenden Tatsachen nicht zu weit. Auch die weiteren Fragen nach Beschränkungen und Auflagen sowie nach Nachuntersuchen sind im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Diese Fragen zielen darauf ab, ob im Falle des Vorliegens einer psychischen Erkrankung dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (unter Auflagen und Beschränkungen) doch belassen werden kann und haben gerade den Sinn eine verhältnismäßige Entscheidung vorzubereiten.
2.2.1.4
Die in Frage kommenden Begutachtungsstellen wurden benannt. § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV gibt den Fahrerlaubnisbehörden die Befugnis, den Betroffenen verbindlich vorzugeben, von welcher der in der Bestimmung aufgeführten „Gattung“ von Ärzten ein beizubringendes Gutachten erstellt werden muss (BayVGH, B. v. 7.3.2008 – 11 C08.346 – juris). Hierbei kann die Behörde – wie hier – auch anordnen, dass das Gutachten von einem Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 erfüllt (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), erstellt werden soll. Es ist nicht zu erkennen, weshalb der von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung im vorliegenden Fall zur Erstellung des geforderten Fahreignungsgutachtens – insbesondere bei ausreichender Mitwirkung des Antragstellers an der Begutachtung (z. B. durch Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht, Vorlage vorhandener ärztlicher Unterlagen) – nicht geeignet sein sollte.
2.2.1.5
Der Antragsteller wurde in der Anordnung des Landratsamts vom 9. Januar 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus einer Verweigerung der Untersuchung oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden darf. Auch wurde er auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die zu übersendenden Unterlagen gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV hingewiesen.
1.2.2.5.
Die gesetzte Frist für die Beibringung des Gutachtens (9. März 2018) war angemessen. Der Antragsteller hat bis zum Ablauf der gesetzten Frist das geforderte Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung nicht vorgelegt. Ein zureichender Grund für die Verweigerung der Begutachtung wurde weder im behördlichen Verfahren noch im gerichtlichen Verfahren benannt. Insbesondere der Einwand, die ärztliche Begutachtung sei zu teuer, kann nicht durchgreifen. Fehlende finanzielle Mittel sind kein Grund eine angeordnete Begutachtung nicht durchführen zu müssen. Ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsteller nicht möglich gewesen wäre, innerhalb der gesetzten Frist das geforderte Gutachten beizubringen.
Die Anordnung vom 9. Januar 2018, ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer amtlichen anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung, das zur Fahreignung des Antragstellers Stellung nimmt, vorzulegen, war im vorliegenden Fall deshalb rechtmäßig und das Landratsamt konnte zu Recht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und die Fahrerlaubnis entziehen.
2.2.2 Da die Entziehung der Fahrerlaubnis der gerichtlichen Überprüfung aller Voraussicht nach standhält, ist auch die in Nr. 2 des Bescheides angeordnete Herausgabe des Führerscheins rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV.
2.2.3
Auch gegen die Androhung des Zwangsgeldes in Nr. 4 des Bescheides bestehen keine Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. Wegen der Höhe des Streitwerts folgt das Gericht den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 wurde dem Antragsteller vor dem 1. April 1980 erteilt. Nach der Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV lfd. Nr. 17 sowie der Anlage 9 zur FeV waren lediglich die Klassen B und C1 für den Streitwert relevant, welche die anderen Fahrerlaubnisklassen mit abdecken (vgl. § 6 Abs. 3 FeV). Die anderen Fahrerlaubnisklassen wirken sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 11 ZB 15.2085 – juris). Nach Nrn. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs war danach zweimal der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR anzusetzen, d.h. ein Gesamtstreitwert von 10.000,00 EUR, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war, so dass im Ergebnis 5.000,00 EUR festzusetzen waren.