Aktenzeichen 29 U 1866/17
Leitsatz
1. Gesundheitsbezogen Werbung liegt nicht nur dann vor, wenn das angestrebte Ziel der beworbenen Behandlung gesundheitsbezogen ist, sondern auch, wenn ästhetische Ziele durch Mittel erreicht werden sollen, die in die körperliche Integrität eingreifen und dadurch Gesundheitsbezug haben. (Rn. 36)
2. Werden zum Beweis dafür, dass eine gesundheitsbezogen Aussage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche, wissenschaftliche Studien vorgelegt, so können sich sowohl methodische Mängel als auch Interessenkonflikte der Studienverfasser auf deren Validität auswirken. (Rn. 47)
Verfahrensgang
3 HK O 5086/16 2017-04-07 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. April 2017, berichtigt durch Beschluss vom 2. Juni 2017, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass zwischen Ziffer I. 7. und Ziffer I. 9. Folgendes eingefügt wird:
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention in beiden Rechtszügen zu tragen. Diese hat die Nebenintervenientin zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in der Fassung gemäß obiger Ziffer I. sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer I. 1. – 11. des Urteils des Landgerichts in der Fassung gemäß obiger Ziffer I. durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7.000,- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten, die von der Nebenintervenientin unterstützt wird, ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
a) Diese Vorschrift regelt nicht nur die sachlichrechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (vgl. BGH GRUR 2015, 1240 – Der Zauber des Nordens Rn. 13 m. w. N.).
Der in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG genannte Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH GRUR 2015, 1140 – Bohnengew ächsextrakt Rn. 11 m. w. N.).
Einem Wettbewerbsverband gehört eine i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erhebliche Anzahl von Unternehmern an, wenn diese Mitglieder als Unternehmer, bezogen auf den maßgeblichen Markt, in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Dies kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein; darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichem Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern repräsentativ sind, kommt es nicht an (vgl. BGH, a. a. O., – Der Zauber des Nordens Rn. 14 m. w. N.).
[1095]Ist ein Verband jahrelang als klagebefugt anerkannt, so ist zu vermuten, dass diese Voraussetzungen weiterhin vorliegen (BGH GRUR 2000, 1093 – Fachverband; KG WRP 2012, 992 – Deutsches Hygienezertifikat, dort Rn. 44; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 8 Rn. 3.66).
b) Danach ist der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit klagebefugt (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 13 U 114/17, juris, dort Rn. 24 ff.; Beschluss vom 6. Dezember 2017 – 13 U 86/17, – CoolSculpting, juris, dort Rn. 9 ff.; Nichtzulassungsbeschwerde dagegen zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 20. September 2018 – I ZR 8/18; Beschluss vom 27. März 2017 – 13 U 199/16, juris, dort Rn. 20 ff.; KG, Urt. v. 2. Juni 2018 – 5 U 196/16, – Coolsculpting, juris, dort Rn. 13 ff.).
Hinsichtlich der ausreichenden personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung des Klägers ergibt sich aus den zahlreichen Verfahren, in denen er aufgetreten ist, eine Vermutung für das Vorliegen der Voraussetzungen der Klagebefugnis, welche die Beklagtenseite nicht widerlegt hat.
Dem Kläger gehört nach den Feststellungen des Landgerichts, die es auf die vom Kläger vorgelegte Mitgliederliste gemäß Anlage 13 und dir eidesstattliche Versicherung deren Richtigkeit durch die Geschäftsführerin des Klägers gestützt hat, auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese Feststellung hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen, weil das bloße Bestreiten der Richtigkeit der Mitgliederliste durch die Beklagtenseite keinen konkreten Anhaltspunkt darstellt, der Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnte.
2. Die Klageanträge sind auch hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) Nach dieser Vorschrift darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR-RR 2018, 454 Rn. 24; GRUR 2018, 417 – Resistograph Tz. 21; jeweils m. w. N.).
b) Dieser Anforderung genügen die Klageanträge.
Insbesondere beschreiben die Klageanträge Ziffer I. 1. bis 11. die jeweils zu unterlassenden Handlungen jedenfalls durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform gemäß Anlage K 1 so genau, dass die Beklagte erkennen kann, welche Aussagen ihr verboten werden sollen. Auch wenn ein Antrag – wie im Streitfall die Anträge Ziffer I. 1. bis 11. – eine abstrakte Beschreibung enthält, aber sodann durch einen Hinweis auf die konkret beanstandete Verletzungshandlung näher bestimmt wird, ist allein diese Gegenstand des Antrags (vgl. BGH GRUR 2011, 742 – Leistungspakete im Preisvergleich Rn. 17 m. w. N.). Damit ist der Klageantrag hinreichend bestimmt (vgl. BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II Rn. 16 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist es nicht erforderlich, dass der Grund für das beantragte Verbot oder dessen Voraussetzungen in den Antrag aufgenommen werden (vgl. BGH GRUR 2008, 726 – Duftvergleich mit Markenparfüm Rn. 14).
3. Die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche ist nicht deshalb unzulässig, weil sie missbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG wäre (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 13 U 114/17, juris, dort Rn. 17 ff.; Beschluss vom 6. Dezember 2017 – 13 U 86/17, – CoolSculpting, juris, dort Rn. 6 ff.; Nichtzulassungsbeschwerde dagegen zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 20. September 2018 – I ZR 8/18; Beschluss vom 27. März 2017 – 13 U 199/16, juris, dort Rn. 16 ff.; KG, Urt. v. 2. Juni 2018 – 5 U 196/16, – Coolsculpting, juris, dort Rn. 24 ff.). Insbesondere kann daraus, dass der Kläger gegen eine Vielzahl von Ärzten vorgeht, die sich des Systems der Nebenintervenientin bedienen, nicht auf sachfremde Motive geschlossen werden (vgl. BGH GRUR 2005, 433 – Telekanzlei; Senat WRP 2007, 349 f.; OLG München GRURRR 2007, 55 – Media Markt). Dass dadurch die Nebenintervenientin unter wirtschaftlichen Druck geraten mag, ist der Art geschuldet, wie das von dieser vertriebene System von einer Vielzahl von Ärzten beworben wird, nicht einer sachfremden Motivation des Klägers.
II. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als begründet angesehen.
1. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche beruhen auf § 8 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG.
a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht nur klagebefugt, sondern auch aktivlegitimiert.
b) Die beanstandeten Aussagen sind irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1 UWG.
aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa deren Vorteile enthält.
Bei gesundheitsbezogener Werbung sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (vgl. BGH GRUR 2013, 649 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil Rn. 15 m. w. N.). Deshalb gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht; danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. BGH GRUR 2015, 1244 – Äquipotenzangabe in Fachinformation Rn. 16 m. w. N.).
Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (vgl. BGH, a. a. O., – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil Rn. 32 m. w. N.).
bb) Danach sind die beanstandeten Aussagen irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1 UWG.
(1) Bei der Werbung für das Kryolipolyse-Verfahren durch die beanstandeten Aussagen über dessen Wirkungen handelt es sich um gesundheitsbezogene Werbung. Zwar mag die Behandlung in erster Linie ästhetischen Zwecken dienen. Das angestrebte ästhetische Ziel soll aber durch eine Abkühlung des Fettgewebes und die nachfolgende Zerstörung von Fettzellen und somit durch einen körperlichen Eingriff erreicht werden. Gesundheitsbezogene Werbung liegt nicht nur dann vor, wenn das angestrebte Ziel der beworbenen Behandlung gesundheitsbezogen ist, sondern auch, wenn ästhetische Ziele durch Mittel erreicht werden sollen, die in die körperliche Integrität eingreifen und dadurch Gesundheitsbezug haben. Das die besonderen Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen rechtfertigende Interesse an dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist bei Maßnahmen zu ästhetischen Zwecken, deren Durchführung einen Gesundheitsbezug aufweist, genauso berührt wie bei Maßnahmen, die selbst ein gesundheitsbezogenes Ziel haben (vgl. Senat WRP 2016, 383 – Kryolipolyse, dort Rn. 13).
Diese Würdigung steht zudem in Einklang mit dem Umstand, dass die Geräte der Nebenintervenientin als Medizinprodukte zertifiziert sind.
(2) Der Kläger hat hinreichend dargelegt, dass die Eignung des Verfahrens der Kryolipolyse zur Fettentfernung nicht wissenschaftlich gesichert ist (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 13 U 114/17, juris, dort Rn. 41 f.; Beschluss vom 6. Dezember 2017 – 13 U 86/17, – Cool-Sculpting, juris, dort Rn. 17 f.; Nichtzulassungsbeschwerde dagegen zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 20. September 2018 – I ZR 8/18; Beschluss vom 27. März 2017 – 13 U 199/16, juris, dort Rn. 16 ff.; KG, Urt. v. 2. Juni 2018 – 5 U 196/16, – Coolsculpting, juris, dort Rn. 37).
[2015]Insbesondere dem vom Kläger als Anlage K 31 vorgelegten Aufsatz von Nassab (Aesthetic Surg. J. 35 , 279 ff.) kann entnommen werden, dass es lediglich Studien mit der niedrigen Evidenzklasse IV gebe, welche die Wirksamkeit der Fettreduzierung mittels Kryolipolyse bestätigen könnten (vgl. a. a. O. S. 291). Derartige Studien reichen nicht aus, um von der wissenschaftlichen Absicherung einer Aussage auszugehen (vgl. Reese PharmaR 2018, 380 [386]; Feddersen GRUR 2013, 127 [134]).
(3) Damit hätte es der Beklagtenseite oblegen, die Richtigkeit der beanstandeten Aussagen zu beweisen. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite bietet der Streitfall keine Veranlassung, die Beklagte von der Last dieses Nachweises zu entbinden.
aaa) Fehl geht die Auffassung der Beklagtenseite, im Streitfall stehe eine Sperrwirkung der Zulassung der von der Beklagten verwendeten Geräte der Nebenintervenientin der zivilrechtlichen Überprüfbarkeit entgegen. Zwar ist der lauterkeitsrechtliche Tatbestand des Rechtsbruchs gemäß § 3a UWG nicht erfüllt, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (vgl. BGH, a. a. O., – Äquipotenzangabe in Fachinformation Rn. 19 m. w. N.). Unabhängig davon, dass die Beklagtenseite nicht dargelegt hat, welche Wirkungsbehauptungen im Zertifizierungsverfahren vorgetragen wurden, betrifft die Zertifizierung der Geräte der Nebenintervenientin als Medizinprodukte nur das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme der Geräte, nicht dagegen Aussagen, mit denen für Behandlungen mit diesen Geräten geworben wird. Auch wenn die Zulassung voraussetzt, dass der Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Produkts vom Antragsteller geführt worden ist, handelt es sich dabei nur um einen Umstand, dessen Vorliegen durch die Zulassung nicht mit regelnder Wirkung verbindlich festgestellt wird (vgl. BGH, a. a. O., – Äquipotenzangabe in Fachinformation Rn. 32).
bbb) Auch im Übrigen gebieten die Regelungen des Medizinprodukterechts keine Abkehr von den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln bei gesundheitsbezogener Werbung. Insbesondere kann der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (Medizinprodukte-VO) nichts Entsprechendes entnommen werden.
Diese Verordnung ist zwar nach ihrem Art. 123 Abs. 1 am 25. Mai 2017 in Kraft getreten, gilt aber nach ihrem Art. 123 Abs. 2 erst ab dem 26. Mai 2020. Nach der erst ab diesem Zeitpunkt geltenden Vorschrift des Art. 7 lit. a) Medizinprodukte-VO ist es untersagt, bei der Bewerbung von Medizinprodukten Angaben zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt. Auch die Beklagtenseite entnimmt dieser Vorschrift keine besondere Darlegungs- und Beweislastverteilung, sondern geht davon aus, dass insoweit auch unter der Geltung der Medizinprodukte-VO die allgemeinen Regeln anzuwenden sein werden (vgl. S. 9 d. Schriftsatzes d. Nebenintervenientin v. 16. April 2018 = Bl. 471 d. A.).
Als allgemeine Regel in diesem Sinne ist Art. 7 der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung (Werbe-RL) maßgeblich. Nach dieser Vorschrift müssen die Zivilgerichte der Mitgliedstaaten die Befugnis haben, vom Werbenden Beweise für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Die dargestellten Grundsätze der Darlegungs- und Beweiserleichterungen bei gesundheitsbezogenen Angaben genügen diesen Anforderungen (vgl. BGH GRUR 2013, 1058 – Kostenvergleich bei Honorarfactoring Rn. 23; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 5 Rn. 1.242).
Da sich die im Streitfall zu beachtende Darlegungs- und Beweislastverteilung aus Art. 7 Werbe-RL ergibt, bedarf es der von der Beklagtenseite angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Medizinprodukte-VO hinsichtlich deren Wirkungen vor dem Geltungsdatum nicht.
(4) Der Beklagtenseite ist der ihr damit obliegende Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung der beanstandeten Aussagen nicht gelungen.
aaa) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, a. a. O., – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil Rn. 19). Sowohl methodische Mängel als auch Interessenkonflikte der Studienverfasser können sich auf die Validität einer Studie auswirken (vgl. Feddersen GRUR 2013, 127 [134]).
bbb) Die von der Beklagtenseite vorgelegten Studien reichen weder für sich noch in der Gesamtschau aus, eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der beanstandeten Aussagen zu belegen, weil sie ausweislich der Angaben in den jeweiligen Aufsätzen zum Großteil von Autoren herrühren, mit denen die Nebenintervenientin finanziell verbunden ist und auch die anderen Studien keine hinreichende Aussagekraft besitzen.
[2008]a-1) Der als Anlage PM 16 vorgelegte Aufsatz von Manstein, Laubach, Watanabe, Farinelli, Zurakowski und Anderson (Lasers in Surgery and Medicine 40 , 595 ff.) beschreibt eine Studie an Yukatan-Schweinen und ist deshalb nicht geeignet, Wirksamkeitsbehauptungen über die Anwendung der Kryolipolyse beim Menschen zu belegen.
[2009]a-2) Der als Anlage PM 17 vorgelegte Aufsatz von Zelickson, Egbert, Preciado, Allison, Springer, Rhoades und Manstein (Dermatol. Surg. 35 , 1462 ff.) beschreibt ebenfalls eine Studie an Yukatan-Schweinen und ist schon deshalb nicht geeignet, Wirksamkeitsbehauptungen über die Anwendung der Kryolipolyse beim Menschen zu belegen. Zudem stehen alle Autoren in finanzieller Verbindung zur Nebenintervenientin: Zelickson, Egbert und Rhoades sind deren bezahlte Berater, Preciado, Allison und Springer deren Angestellte; Manstein erhält von der Nebenintervenientin Zahlungen im Zusammenhang mit der Lizenzierung der Kryolipolyse-Technologie.
[2013]a-3) Der als Anlage PM 18 vorgelegte Aufsatz von Dierickx, Mazer, Sand, Koenig und Arigon (Dermatol. Surg. 39 , 1209 ff.) beschreibt eine Studie an 518 Probanden, deren primärer Studienendpunkt die Verfahrenssicherheit und Verträglichkeit betraf; sekundärer Studienendpunkt war die Wirksamkeit des Verfahrens. Der Großteil der Probanden wurde nur telefonisch nach der Wirksamkeit befragt; lediglich bei 49 Probanden fanden Messungen mit einen Messschieber statt, ohne dass mitgeteilt würde, wie diese Untergruppe gebildet wurde. Wegen dieser methodischen Mängel ist die Studie nicht geeignet, die wissenschaftliche Absicherung von Wirksamkeitsbehauptungen zur Kryolipolyse zu belegen.
[2014]a-4) Der als Anlage PM 19 vorgelegte Aufsatz von Sasaki, Abelev und Tevez-Ortiz (Aesthetic Surg. J. 34 , 420 ff.) beschreibt eine Studie der Evidenzklasse III, die für eine wissenschaftliche Absicherung von Wirksamkeitsbehauptungen zur Kryolipolyse nicht ausreicht (vgl. Feddersen GRUR 2013, 127 [134]). Zudem wurden nur an 85 von 112 Probanden Messschiebermessungen durchgeführt.
[2014]a-5) Der als Anlage PM 20 vorgelegte Aufsatz von Garibyan, SiperellIII, Jalian, Sakamoto, Avram und Anderson (Lasers in Surgery and Medicine 46 , 75 ff.) beschreibt eine Untersuchung an elf Probanden. Schon diese geringe Zahl steht der Eignung der Studie zur wissenschaftlichen Absicherung entgegen. Darüber hinaus wurde die Studie am Massachusetts General Hospital durchgeführt, das Einnahmen aus der Lizenzierung geistigen Eigentums an die Nebenintervenientin erzielt; zudem gehören die Autoren Anderson und Avram dem Medical Advisory Board der Nebenintervenientin an.
[2013]a-6) Der als Anlage PM 21 vorgelegte Aufsatz von Bernstein (Journal of Cosmetic Dermatology 12 , 149 ff.) schildert lediglich die Ergebnisse der Methode bei zwei Probanden und ist nicht verallgemeinerungsfähig. Der Autor wurde jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt Mitglied des Medical Advisory Boards der Nebenintervenientin (s. u. a-20]).
[2013]a-7) Der als Anlage PM 22 vorgelegte Aufsatz von Stevens, Pietrzak und Springs (Aesthet. Surg. J. 33 , 835 ff.) beschreibt eine Studie mit der unzureichenden Evidenzklasse IV. Der Autor Stevens wurde zumindest später Forscher und Sprecher der Nebenintervenientin (s. u. a-11]).
[2009]a-8) Der als Anlage PM 23 vorgelegte Aufsatz von Klein, Zelickson, Riopelle, Okamoto, Bachelor, Harry und Preciado (Lasers in Surgery and Medicine 41 , 785 ff.) beschreibt eine Untersuchung an 40 Probanden. Die Autoren Klein, Zelickson (s. auch oben a-2]), und Harry sind bezahlte Berater der Nebenintervenientin; die Autoren Riopelle, Okamoto und Bachelor erhielten eine Entschädigung für die Mitwirkung an der Studiendurchführung; die Autorin Preciado (s. auch oben a-2]) ist bei der Nebenintervenientin beschäftigt.
[2009]a-9) Der als Anlage PM 24 vorgelegte Aufsatz von Coleman, Sachdeva, Egbert, Preciado und Allison (Aesth. Plast. Surg. 33 , 482 ff.) beschreibt eine Untersuchung an neun von zehn Probanden. Schon diese geringe Zahl steht der Eignung der Studie zur wissenschaftlichen Absicherung entgegen. Darüber hinaus wurde nicht nur die Studie von der Nebenintervenientin finanziert, sondern sind auch die Autoren Preciado (s. auch oben a-2] und a-8]) und Allison (s. auch oben a-2]) ausweislich der Adressangaben für die Nebenintervenientin tätig. Schließlich ergibt sich aus den Angaben zu einer anderen Studie, dass Coleman bezahltes Mitglied des Advisory Boards der Nebenintervenientin ist (s. u. a-13]).
[2015]a-10) Der als Anlage PM 25 vorgelegte Aufsatz von Zelickson, Burns und Kilmer (Lasers in Surgery and Medicine 47 , 120 ff.) beschreibt eine Untersuchung an 45 Probanden. Diese Studie wurde von der Nebenintervenientin gesponsert; zudem gehören alle Autoren dem Medical Advisory Board der Nebenintervenientin an (zu Zelickson s. auch oben a-2] und a-8]) und erhalten von dieser Forschungsmittel; Burns hält zudem Anteile an der Nebenintervenientin und Ausrüstung verbilligt oder leihweise.
[2015]a-11) Der als Anlage PM 26 vorgelegte Aufsatz von Stevens und Bachelor (Aesthet. Surg. J. 35 , 66 ff.]) beschreibt eine Untersuchung an 40 Probanden mit der nicht ausreichenden Evidenzklasse III. Darüber hinaus wurde die Studie von der Nebenintervenientin gesponsert; zudem sind beide Autoren Stevens (s. auch oben a-7]) und Bachelor (s. auch oben a-8]) Forscher und Sprecher der Nebenintervenientin.
[2009]a-12) Der als Anlage PM 27 vorgelegte Aufsatz von Avram und Harry (Lasers in Surgery and Medicine 41 , 703 ff.) beschreibt keine eigene Studie, sondern berichtet über andere, zum Teil von der Beklagtenseite anderweitig vorgelegte Studien. Der Autor Avram gehört dem Medical Advisory Board der Nebenintervenientin an (s. o. a-5]) und hält Aktienoptionen an der Nebenintervenientin. Die Autorin Harry ist bezahlte Beraterin der Nebenintervenientin (s. auch oben a-8]) und hält Aktienoptionen an dieser.
a-13) Das als Anlage PM 28 vorgelegte Schaubild zu einer Studie von Dover, Burns, Coleman, Fitzpatrick, Garden, Goldberg, Geronemus, Kilmer, Mayoral, Weiss, Zelickson und Tanzi teilt Zwischenergebnisse einer Studie an 32 Probanden mit. Alle Autoren erhielten eine Entschädigung für die Mitwirkung an der Studie; die Autoren Burns (s. auch oben a-10]), Coleman (s. auch oben a-9]), Fitzpatrick, Geronemus, Kilmer (s. auch oben a-10]), Tanzi und Zelickson (s. auch oben a-2], a-8] u. a-10]) sind bezahlte Mitglieder des Advisory Boards der Nebenintervenientin.
[2009]a-14) Der als Anlage PM 29 vorgelegte Aufsatz von Nelson, Wasserman und Avram (Semin Cutan Med Surg 28 , 244 ff.) beschreibt keine eigene Studie, sondern berichtet über andere, zum Teil von der Beklagtenseite anderweitig vorgelegte Studien. Zudem hält der Autor Avram (s. auch oben a-5] und a-12]) Aktien an der Nebenintervenientin.
a-15) Der als Anlage PM 30 vorgelegte Aufsatz von Bernstein, Bloom, Basilavecchio und Plugis (Lasers in Surgery and Medicine [2014] 1 ff.) beschreibt eine Studie mit nur zehn Probanden und ist deshalb nicht verallgemeinerungsfähig. Der Autor Bernstein wurde jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt Mitglied des Medical Advisory Boards der Nebenintervenientin (s. u. a-20]).
[2014]a-16) Der als Anlage PM 31 vorgelegte Aufsatz von Krueger, Mai, Luebberding und Sadick (Clinical, Cosmetic and Investigational Dermatology 7 , 201 ff.) referiert ebenfalls nur fremde Studien, wobei die Darstellung zumindest missverständlich ist. So wird die in dem als Anlage PM 18 vorgelegten Aufsatz von Dierickx, Mazer, Sand, Koenig und Arigon (Dermatol. Surg. 39 [2013], 1209 ff.) beschriebene Studie (s. o. a-3]) in einer Weise dargestellt, welche nahelegt, alle 518 Probanden – und nicht nur 49 – seien Messschiebermessungen unterzogen worden.
[2013]a-17) Der als Anlage PM 32 vorgelegte Aufsatz von Kotlus und Mok (American Journal of Cosmetic Surgery 30 , 89 ff.) beschreibt eine Studie an 67 Probanden, erklärt sodann, die Ergebnisse für 59 Probanden mitzuteilen, und enthält in den Tabellen 1 und 2 nur Angaben zu 41 Probanden. Diese Widersprüche stehen der Würdigung entgegen, diese Studie belege Wirksamkeitsaussagen zur Kryolipolyse hinreichend.
a-18) Der als Anlage PM 33 vorgelegte Aufsatz von Ingargiola, Motakef, Chung, Vasconez und Sasaki (Plastic and Reconstructive Surgery2015, 1581 ff.) beschreibt keine eigene Studie, sondern wertet andere, zum Teil von der Beklagtenseite anderweitig vorgelegte Studien aus. Die untersuchten Studien sind wenig aussagekräftig. So hat die Studie mit der größten Probandenzahl (s. oben a-4]) nur die Evidenzklasse III; bei allen anderen Studien bewegte sich die Probandenzahl im zweistelligen Bereich. Die Darstellung ist zudem zumindest hinsichtlich der Studie von Dierickx u. a. (s. o. a-3]) verzerrt, weil nur angegeben wird, es seien Messungen an 49 Probanden erfolgt, ohne zu mitzuteilen, dass 518 Probanden an jener Studie teilgenommen hatten. Schließlich ist der Autor Sasaki Berater der Nebenintervenientin.
a-19) Das als Anlage PM 34 vorgelegte Abstract von Riopelle, Tsai und Kovach betrifft eine Studie an zehn Probanden, von denen fünf eine Fettreduzierung aufwiesen. Schon wegen der geringen Probandenzahl ist diese Studie nicht verallgemeinerungsfähig. Zudem erhielt der Autor Riopelle für die Mitwirkung an einer anderen Studie eine Entschädigung von der Nebenintervenientin (s. o. a-8]).
a-20) Der als Anlage PM 33 vorgelegte Aufsatz von Bernstein (Journal of Cosmetic Dermatology 2016, 1) beschreibt die Langzeitbeobachtung von zwei Probanden. Der Autor gehört dem Medical Advisory Board der Nebenintervenientin an. Eine wissenschaftliche Absicherung von Wirkungsbehauptungen zur Kryolipolyse kann dem Aufsatz nicht beigemessen werden.
cc) Die beanstandeten Aussagen sind auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG).
2. Da die Abmahnung berechtigt war, steht dem Kläger gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG der – der Höhe nach nicht im Streit stehende – pauschalierte Ersatz seiner Abmahnkosten zu.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
C.
Das landgerichtliche Urteil ist wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen.
In seiner verkündeten Fassung hat das landgerichtliche Urteil lediglich Verbote gemäß den Klageanträgen Ziffer I. 1. bis 7. enthalten. Auf Antrag des Klägers (vgl. Bl. 291 d. A.) hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. Juni 2017 sein Urteil dahin berichtigt, dass es nach Ziffer I. 8. die Verbote gemäß den Klageanträgen Ziffer I. 9. bis 11. und die Bezugnahme auf die Anlage K 1 aufgenommen hat. Dabei haben indes sowohl der Kläger als auch das Landgericht übersehen, dass sich der landgerichtliche Tenor auch zu Ziffer I. 8. der Klageanträge nicht verhält. Dieses Versehen ist offensichtlich i. S. d. § 319 Abs. 1 ZPO, denn sowohl der Satz Die Klage ist in vollem Umfang begründet (S. 14 d. landgerichtlichen Urteils) und der Satz Die Klage ist hinsichtlich sämtlicher angegriffenen Aussagen begründet (S. 17 d. landgerichtlichen Urteils) als auch die Bezugnahme auf § 91 ZPO in der Begründung der Kostenentscheidung zeigen, dass das Landgericht tatsächlich auch den Klageantrag Ziffer I. 8. zusprechen wollte und dies – wie bei den Klageanträgen Ziffer I. 9. bis 11. – nur versehentlich unterlassen hat.
Der Senat kann die erforderliche Berichtigung als Berufungsgericht durch Aufnahme des Klageantrags Ziffer I. 8. in das landgerichtliche Urteil selbst vornehmen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juli 2017 – V ZR 72/16, juris, Rn. 17 m. w. N.).
D.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1, Halbs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.