Medizinrecht

Verpflichtungsklage unzulässig nach Erledigung durch Zeitablauf

Aktenzeichen  B 5 K 16.371

Datum:
22.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 227
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1 Bei einem erst etwa eine Stunde vor Beginn eines Verhandlungstermins per Fax eingangengenem Verlegungsantrag kann ein Beteiligter nicht davon ausgehen, dass ein einseitiges Schreiben ohne jeden Hinweis auf die Eilbedürftigkeit oder die unmittelbar bevorstehende mündliche Verhandlung noch rechtzeitig der Kammer vorgelegt werden würde. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird die Verlegung eines Termins begehrt, muss der Grund der Verhinderung angegeben und hinreichend substantiiert werden. Bei einem mit einer Erkrankung begründeten Antrag am Tag der mündlichen Verhandlung muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- beziehungsweise Reisefähigkeit besteht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägerbevollmächtigten beziehungsweise der Klägerin verhandelt und entschieden werden. Die Ladung enthielt den nach § 102 Abs. 2 VwGO erforderlichen Hinweis.
Auch der mit Telefax vom 22. November 2016 um 7.56 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangene Terminsverlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten ändert daran nichts. Denn dieser wurde vom Klägerbevollmächtigten so kurzfristig gestellt, dass er der Kammer erst nach mündlicher Verhandlung und Verkündung des Urteils vorgelegt wurde. Insoweit liegt aber keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Ein Verschulden der Gerichtsverwaltung oder der Geschäftsstelle ist nicht ersichtlich. Angesichts des täglich eingehenden Postvolumens und der damit einhergehenden Arbeitsbelastung von Post- und Geschäftsstelle und dem Versand des Telefaxes erst etwa eine Stunde vor Beginn des Termins konnte der Klägerbevollmächtigte nicht davon ausgehen, dass ein einseitiges Schreiben ohne jeden Hinweis auf die Eilbedürftigkeit oder die unmittelbar bevorstehende mündliche Verhandlung noch rechtzeitig der Kammer vorgelegt werden würde. Von den Mitarbeitern der Poststelle des Verwaltungsgerichtes kann nicht erwartet werden, bei jedem eingehenden Schriftsatz zu prüfen, ob in dieser Sache eine mündliche Verhandlung angesetzt ist und wann diese stattfindet. Der Bevollmächtigte der Klägerin hätte unter diesen Umständen zumindest auf dem Telefax einen entsprechenden Vermerk anbringen müssen, aus dem sich die besondere Eilbedürftigkeit auch für die Poststelle des Gerichts ohne weiteres ergeben hätte. Jedenfalls wäre aber eine telefonische Information oder – angesichts dessen, dass bis zum Terminsbeginn keine Reaktion des Gerichts auf den Verlegungsantrag erfolgte – eine telefonische Nachfrage des Prozessbevollmächtigten zu erwarten gewesen. Dass er hierzu krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
Aber auch dann, wenn der Verlegungsantrag der Kammer noch vor Urteilsverkündung vorgelegen hätte, hätte dies nicht dazu geführt, dass innerhalb der dann noch zur Verfügung stehenden Zeit eine Verlegung des Termins oder überhaupt eine Verbescheidung des Antrages beziehungsweise ein Hinweis des Gerichts veranlasst gewesen wäre (BayVGH, B.v. 27.7.2016 – 11 ZB 16.30121 – juris Rn. 6 ff.). Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Erkrankung eines Beteiligten kann grundsätzlich einen solchen erheblichen Grund darstellen. Wird die Verlegung eines Termins begehrt, muss aber der Grund der Verhinderung angegeben und hinreichend substantiiert werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016 § 102, Rn. 6 m.w.N.). Hierzu reicht es nicht aus, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Absetzungsantrag übermittelt und zur Begründung lediglich mitteilt, er sei an der Wahrnehmung des Termins „krankheitsbedingt“ verhindert. Vielmehr hätte dargelegt werden müssen, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und/oder ggf. der Reisefähigkeit entgegenstehen (vgl. BFH, B.v. 26.11.2013 – I B 2.13 – juris). Wird eine Terminsaufhebung beziehungsweise -verlegung erst am Tag der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungsbeziehungsweise Reisefähigkeit besteht. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungsbeziehungsweise Verlegungsantrags ist das Gericht – jedenfalls bei einem anwaltlich vertretenen Kläger – grundsätzlich weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (vgl. BSG, B.v. 3.7.2013 – B 12 R 38.12 B – juris Rn.12; B.v. 13.10.2010 – B 6 KA 2/10 B – SozR 4-1500 § 110 Nr 1). Selbst die Vorlage einer (pauschalen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht generell nicht aus (vgl. BFH, B.v. 8.9.2015 – XI B 33.15 – juris; NdsOVG, B.v. 5.11.2012 – 2 LA 177.12 – juris; OVG NW, B.v. 5.6.2012 – 17 E 196.12 – juris; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 102, Rn. 7), denn sie belegt keine Verhandlungs- und/oder gegebenenfalls Reiseunfähigkeit auch für eine begrenzte Zeit (Anreise und Dauer der mündlichen Verhandlung). Nur die Vorlage eines ärztlichen Attestes, welches dem Beteiligten eine krankheitsbedingte Verhinderung (im Sinne einer Verhandlungs- und/oder ggf. Reiseunfähigkeit) bescheinigt, ist grundsätzlich als ausreichende Entschuldigung anzusehen (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2007 – 5 B 10.07 – Buchholz 303 § 227 ZPO Nr 35). Entsprechende Angaben enthielt der Verlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten nicht, es wurde lediglich eine Arbeitsunfähigkeit behauptet und die Nachreichung einer ärztlichen Bescheinigung angekündigt. Eine solche ging erst im Laufe des Nachmittages des Tages der mündlichen Verhandlung bei Gericht ein, enthielt aber ebenfalls nicht die erforderlichen Angaben. Ein nach Verkündung des Urteils nachgereichtes ärztliches Attest kann ohnehin nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. BFH, B.v. 28.4.2009 – VIII B 103/08 – juris Rn. 6 f.).
Im Übrigen dürfen und müssen die Beteiligten, solange ein Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht aufgehoben worden ist, davon ausgehen, dass der Termin auch stattfindet (vgl. BSG, B.v. 8.5.2015 – B 13 R 4/15 B – juris).
2. Die Verpflichtungsklage war als unzulässig abzuweisen, da es der Klägerin aufgrund Zeitablaufs an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Bei der Verpflichtungsklage ist klagebefugt, wer ein subjektiv-öffentliches Recht auf den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes haben kann (Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 92). Der hier geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zum …fest 2016 hat sich aber inzwischen durch Zeitablauf erledigt, da das Fest vom 7. bis 11. Juli 2016 stattgefunden hat und eine Zulassung damit unmöglich geworden ist. Damit ist ein Rechtsanspruch auf Zulassung der Klägerin sowohl für den Hauptantrag als auch für den Hilfsantrag denknotwendig ausgeschlossen.
3. Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ist darauf hinzuweisen, dass die Klage auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn sie in eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt worden wäre. Auch bei einer Verpflichtungsklage, deren Gegenstand sich durch Zeitablauf erledigt hat, kann der Kläger in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO durch sogenannten Fortsetzungsfeststellungsantrag die Feststellung beantragen, dass die Ablehnung des Erlasses des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig gewesen sei (BVerwG, U.v. 4.11.1976 – II C 40.74 – BVerwGE 51, 264). Die Fortsetzungsfeststellungsklage würde aber für ihre Zulässigkeit voraussetzen, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Für ein solches Interesse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, U.v. 9.2.1967 – I C 49.64 – BVerwGE 26, 161). In der verwaltungsgerichtlichen Praxis haben sich hierfür verschiedene Fallgruppen herausgebildet, von denen hier aber keine einschlägig ist. Weder kann die Klägerin eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, B.v. 26.4.1993 – 4 B 31/93 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 255; BayVGH, U.v. 22.10.1998 – 22 B 98.602 – BayVBl 1999, 405) noch ein ideelles oder Rehabilitationsinteresse (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.1967 – I C 49.64 – BVerwGE 26, 161; U.v. 21.11.1980 – 7 C 18/79 – BVerwGE 61, 164) geltend machen. Gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr spricht insbesondere die Tatsache, dass der Stadtrat der Beklagten nunmehr ein erstmals für das Jahr 2017 geltendes Nutzungskonzept für das …fest beschlossen hat, so dass künftig nicht vom Vorliegen der gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wie im Zeitpunkt des erledigten Verwaltungsaktes auszugehen ist (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 86a). Dass die Klägerin die Absicht hätte, gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung geltend zu machen, für den die Rechtswidrigkeitsfeststellung vorgreiflich wäre (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 – 4 C 21/80 – BVerwGE 72, 172; U.v. 10.1.1989 – 8 C 30/87 – BVerwGE 81, 226), ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Demnach wäre auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht zulässig gewesen. Selbst wenn aber die Klägerin ein Feststellungsinteresse hätte begründen können, hätte eine solche Feststellungsklage in der Sache keinen Erfolg gehabt. Insoweit kann auf die Entscheidung der Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (B 5 E 16.377) verwiesen werden.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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